Schwarze Konkursverwalter und grüne Allmachtsphantasien

9. Dezember 2021

Da wurde also am Beginn dieser Woche die neue Regierungsmannschaft der ÖVP angelobt. Und der Haus- und Hofpolitologe des ORF, Professor Filzmaier, konstatiert, dass der neue Kanzler ganz sicher kein Gestalter sei, sondern eher ein Verwalter. Hinzufügen darf man allerdings, dass es sich dabei um einen Konkursverwalter handelt. Konkursverwalter nämlich des türkise Projekts, das sich da „neue Volkspartei“ nennt.
Tatsächlich beweisen nicht nur die Umfragen, dass die ÖVP längst im tiefen Tal der Wählergunst angekommen ist. Und es glaubt doch kein Mensch, dass eben dieser Karl Nehammer eine wirkliche Aufbruchstimmung für die ÖVP erzeugen könnte. Allzu negativ ist Nehammers Image als Polizeiminister, der die heimische Exekutive auf die eigene Bevölkerung gehetzt hat, um die Corona-Maßnahmen zu kontrollieren. Gegenwärtig wird sich die ÖVP gegen Neuwahlen wehren wie der Teufel gegen das Weihwasser, weil man ganz genau weiß, dass man eben eine schwache Mittelpartei würde und mit Sicherheit hinter der SPÖ läge.
Wirklich Neuwahlen will in dieser Situation ohnedies nur Herbert Kickls FPÖ, da sie mit Fug und Recht davon ausgehen kann, die coronamaßnahmen-kritischen Stimmen im Lande zusätzlich zum eigenen Stammwählerpotenzial einsammeln zu können.
Es sind allerdings die Grünen, die gegenwärtig aufgrund der Schwäche der ÖVP die österreichische Innenpolitik in erstaunlichem Maße dirigieren. Assistiert vom noch freundlicheren Großonkel in der Hofburg, der den grünen „Hype“ unterstützt, wo er nur kann. Die Umweltministerin Gewessler schaltet und waltet im Hinblick auf den Ausbau der österreichischen Infrastruktur ganz, wie sie will, ohne die geringste Rücksicht auf den schwarzen Koalitionspartner oder das rote Wien.
Und warum ist es möglich, dass die Grünen, in den Umfragen eine tendenzielle Zehn-Prozent-Partei, die Republik nach ihrem Gutdünken beherrschen? Na, weil der Schlüssel zu Neuwahlen ausschließlich bei ihnen liegt. Sie können jederzeit, wenn die Umfragen für sie günstig sind, den Neuwahlanträgen der Opposition zustimmen und die Österreicher damit an die Urnen rufen. Und tun werden sie das natürlich nur dann, wenn die Aussichten für sie selbst gut stehen und wenn sie in der Folge die Möglichkeit für das bundesdeutsche Modell hier in der Alpenrepublik sehen: eine Rot-Grün-Neos-Linksregierung.
Und damit dürfte dann die Stunde der schwarzen Konkursverwalter rund um Karl Nehammer vorüber sein. Das türkise Projekt ist abgewickelt, der türkise Ex-Messias ist wohl versorgt irgendwo in der Privatwirtschaft verschwunden.


Politik in der Quarantäne

17. November 2021

Corona, Corona auf allen Kanälen, in allen Gazetten

Die 2G-Regel, die 3G-Regel, Lockdown und Quarantäne, Impfpflicht – ob für bestimmte Berufsgruppen oder generell – das sind die Fragen, die dieser Tage das Land beschäftigen. Die meisten Menschen haben ob der Vielfalt und der Kurzlebigkeit der Verordnungen längst den Überblick verloren, was erlaubt ist, und was nicht. Was zählen da die Skandale von gestern, wer interessiert sich angesichts der Erregungen von heute noch dafür. Der ruhmlose Abtritt des vormaligen Bundeskanzlers und nach wie vor als ÖVP-Chef Amtierende ist beinahe schon in Vergessenheit geraten. Das erstinstanzliche Urteil gegen den vormaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, die Verurteilung des einstigen Finanzministers Karl-Heinz Grasser, wer entsinnt sich noch des jeweiligen Strafmaßes, wenn ein Skandal den nächsten jagt? Die Betroffenen, insbesondere der türkise Ex-Kanzler, dürften dies sogar als gewisse Erleichterung verspüren. Kaum jemand empört sich, auch nicht in den Medien, ob des ihm vorgeworfenen Fehlverhaltens. Alle reden über den neuen Lockdown und die Spaltung der Gesellschaft in Geimpfte und Ungeimpfte. Allein die Politik schläft nicht, auch nicht in Zeiten der Pandemie und der Seuche. Und insbesondere den jeweiligen Parteistrategen dürfte klar sein, dass unser aristokratisch näselnder Bundeskanzler keine Dauerlösung sein dürfte. Angesichts der Ereignisse rund um den Sturz von Sebastian Kurz halten sich die Sympathie und Kooperationsgemeinschaft zwischen den beiden Koalitionspartnern, zwischen Schwarz–Türkis und Grün, zweifellos in höchst erträglichen Grenzen. Beide Teile dürften vielmehr auf den günstigsten Moment für einen Absprung warten. Und dies ist gegenwärtig für die ÖVP – aufgrund der dramatisch gesunkenen Umfragewerte – sicherlich nicht der Fall. Noch nicht. Sebastian Kurz werkt indessen hinter den Kulissen an seinem Comeback. Das dieser Tage vorgelegte Gutachten eines renommierten Strafrechtlers, das die Vorgehensweise der ultralinken Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zerpflückt, ist sicher ein wesentlicher Schritt dazu. Wieweit er die ÖVP-Granden, insbesondere die Landeshauptleute, überzeugen kann, dass er die einzige Option als künftiger Spitzenkandidat ist, bleibt abzuwarten.
Die Grünen suhlen sich intern zweifellos im Wohlgefühl, in der Causa Kurz obsiegt zu haben. Und wenn der grüne Bundespräsident und der grüne Vizekanzler bei Staatsakten in diesen Tagen die erste Geige spielen, sieht es beinahe so aus, als würde die 10-Prozent-Partei die Republik dominieren. Ein Trugbild, zweifellos.
Die Spindoktoren aber, von SPÖ, Grünen, NEOS und deren journalistische Helfershelfer, arbeiten zweifellos auf eine neue linksorientierte Regierungskoalition hin. So wie in Deutschland, wo SPD, Grüne und Liberale eine Regierungskoalition bilden, soll es auch in Österreich kommen.
Die Sozialdemokraten unter Pamela Rendi-Wagner würden mit grüner Mithilfe und Neos-Assistenz allzu gerne auch hierzulande eine Links-Regierung bilden, wobei dieser Tage verdächtigerweise immer wieder der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig als möglicher Kanzler einer solchen Koalition genannt wird.
Und die Freiheitlichen des Herbert Kickl? Sie sind die einzigen, die den chaotischen Corona-Maßnahmen der gegenwärtigen Regierung Paroli bieten. Ihr Eintreten für Bürgerfreiheiten und gegen Zwangsmaßnahmen ist zweifellos legitim und entspricht der liberalen Tradition des Dritten Lagers. In der gegenwärtigen Situation allerdings laufen sie Gefahr, damit allzu sehr ins Fahrwasser irrationaler Wissenschaftsfeindlichkeit zu geraten, wie sie früher nur von Esoterikern und ähnlichen Menschen gepflogen wurde. Und so ganz am Rande hat sich da in der zweitgrößten Stadt des Landes noch eine Linksregierung der speziellen Art etabliert. Graz hat nunmehr eine von Grünen und Sozialdemokraten unterstützte kommunistische Bürgermeisterin. Und diese hat bei Amtsantritt so ganz nebenbei erklärt, sie wolle die Stadt im Sinne der „besten Traditionen ihrer Bewegung“ führen.
Was meint die Dame mit den „besten Traditionen“ des Kommunismus? Die Säuberungen Josef Stalins in der Sowjetunion in den Dreißigerjahren? Maos Kulturrevolution in China oder Pol Pots Steinzeitkommunismus in Kambodscha? Vielleicht den Panzerkommunismus, der 1968 den Prager Frühling niederwalzte? Oder vielleicht doch nur die Ausstattung der Grazer Substandardwohnungen mit neuen Sanitärgeräten, wie es die KPÖ seit einigen Jahren als Inhaberin eines milliardenschweren Industriekonsortiums locker machen kann?
Fragen, die in Österreich weder die Journalisten noch die Vertreter der Linksparteien aufwerfen. Fragen, die in Tagen des Corona-Chaos auch allgemein wenig Interesse hervorrufen dürften.


Der Reichsgraf am Ballhausplatz

21. Oktober 2021

Alexander Schallenberg, Spross einer reichsgräflichen Familie, ist gewiss ein untadeliger Mann, „eine untadelige Persönlichkeit“ haben die Grünen ja bekanntlich als Nachfolger von Sebastian Kurz gefordert. Und was die Grünen fordern, das hat bekanntlich zu geschehen in diesem Lande – auch wenn sie kaum zehn Prozent der Wähler hinter sich zu scharen vermögen.
Also ein untadeliger Mann, kultiviert, gebildet und gewiss charakterlich auch integer. Wer würde es also wagen, ihm abzusprechen, dass er „Bundekanzler kann“? Und doch hat dieser Alexander Schallenberg außer einer reichsgräflichen Familie, der nunmehr die Amtsräume des Fürsten Metternich am Wiener Ballhausplatz bezogen hat, ein unleugbares Defizit. Und dieses Defizit ist kein kleines. Dieser untadelige Schallenberg ist Sebastian Kurzens Mann.
Auch wenn sich gegenwärtig aus den Reihen der angeschlagenen Volkspartei die Jubelstimmen häufen, die da erklären, dass Schallenberg sich emanzipieren werde, dass er keineswegs nur ein Übergangs- oder Marionettenkanzler sei, bleibt die Tatsache, dass er keinerlei Hausmacht in der Volkspartei hat. Kaum ein Jahr ist er deren Mitglied. Und natürlich hat er auch nicht den Stallgeruch des Parteisoldaten, der in einem der Bünde, im Bauernbund, im Wirtschaftsbund, im ÖAAB groß geworden ist. Er ist nicht einmal CVer, Freimaurer allenfalls, wie man mutmaßt.
All das wäre aber kein Hindernis für das Kanzleramt, wäre er eben nicht der Mann von Sebastian Kurz. Gewiss, Quereinsteiger, rasche Karrieristen auf der Stufenleiter der Parteihierarchie gab es immer wieder, sogar erfolgreiche. Sein politischer Mentor aber, eben dieser Sebastian Kurz, hat ihn – und das ist unzweifelhaft – ganz gewiss nur als Platzhalter am Sessel des Bundeskanzlers platziert. Denn dieser Sebastian Kurz ist politisch längst noch nicht tot. Als Parteiobmann und als Klubobmann im Nationalrat will er weiter die Fäden ziehen und bei nächster Gelegenheit natürlich zurück ins Kanzleramt gehen, wo ihm der untadelige Alexander Schallenberg gefälligst Platz zu machen hätte, wenn da, ja wenn da nicht noch zigtausende Chats des indessen auf Tauchstation gegangenen türkis–schwarzen Buhmanns Thomas Schmid wären. Denn diese Chats können noch einiges an Sprengstoff zutage fördern, Sprengstoff, der Sebastian Kurz endgültig versenken könnte.
Und da ist dann noch die brüchige Loyalität der ÖVP-Granden, der Landeshauptleute, der starken Männer in den Bünden. Sie haben sich zwar unmittelbar nach Aufkommen des jüngsten Skandals auf Kurz eingeschworen, keine zwei Tage später aber galten diese Schwüre nichts mehr. Und nach und nach kommen indessen zaghaft kritische Stimmen auf. Die Frage ist, wann werden sich diese Stimmen zu einem Chor der Kurz-Schelte vereinen? Wann werden diese dramatisch schwindenden Umfragewerte der ÖVP diesen Chor zu einem Crescendo ansteigen lassen, der letztendlich den politischen Untergang von Sebastian Kurz begleiten könnte.
Aber selbst dann, wenn Schallenberg-Macher Kurz endgültig von der politischen Bühne verschwinden würde, hätte unser untadeliger Mann wenig Chancen, auf Dauer im Kanzleramt zu verbleiben. Im Falle einer Neuwahl wäre es nämlich wohl nur schwer denkbar, dass die Volkspartei mit dem Reichsgrafen als Spitzenkandidat in die Wahl ginge. Einzig Bruno Kreisky gelang es als Persönlichkeit von nicht alltäglichen Format – als Spross einer großbürgerlichen jüdischen Familie –, das Kanzleramt zu erobern. Ob die Österreicher allerdings ein Mitglied der Hocharistokratie – das zwar von sich behauptet, ein fanatischer Republikaner zu sein – ins Kanzleramt der Republik wählen würden, darf dann doch bezweifelt werden.
Und so könnte Alexander Schallenberg ein Bierlein-Schicksal erleiden: Nach wenigen Monaten im Kanzleramt am Ballhausplatz in Vergessenheit zu geraten.