Vom ewigen Un-Frieden

2. März 2023

Gewalt und Krieg als ­anthropologische Konstante

Aus christlich-religiöser Sicht sind die Dinge relativ einfach: Gott hat den Menschen nach seinem Abbild erschaffen, als schön und gut. Und dann kam der Sündenfall, Adam konnte der Versuchung nicht widerstehen, aß vom Apfel der Erkenntnis und wurde aus dem Paradies vertrieben. Nun war er sterblich und musste um sein Überleben kämpfen. Und damit kamen eben der Kampf, die Gewalt, der Bruderzwist und letztlich der Krieg in die Welt.
Auch aus der Sicht der Evolutionstheorie ist die Angelegenheit nicht minder einfach: Der Mensch ist ein Raubtier, ernährt sich von pflanzlicher, aber auch tierischer Kost. Und diese Nahrung muss er sich erjagen. Und dabei geht es schlicht und einfach nicht ohne Gewalt. Und dabei kommt es natürlich auch mit seinesgleichen zu Konkurrenzkämpfen. Er jagt also nicht nur seine tierische Beute, er verjagt auch menschliche Mitbewerber. Er kämpft von Anbeginn seiner Existenz gegen Konkurrenten im Bereich der Fortpflanzung und im Bereich der Nahrungssuche. Dabei waren Knüppel, Steinbeil, schließlich Lanze und Pfeil sein primäres Handwerkszeug, in der Folge Maschinengewehr und Interkontinentalrakete.
Schwieriger wird die Angelegenheit allerdings, wenn man davon ausgeht, dass es so etwas wie „kulturelle Evolution“ gibt. Dabei stellt sich die Frage, ob der Mensch in der Lage ist, aus der Geschichte zu lernen und ob er schließlich das Prinzip, wonach der Mensch des Menschen Wolf sei – homo hominem lupus –, überwinden kann.
Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts musste man ja leider davon ausgehen, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Kriege der Menschheitsgeschichte steigerten sich nämlich bis hin zu zwei apokalyptischen Weltkriege. Doch bereits im Zeitalter des Kalten Kriegs glaubte man, gelernt zu haben, dass – vielleicht motiviert durch die nukleare Drohung der ultimativen Vernichtung der Menschheit – so etwas wie dauerhafter Frieden möglich sein müsse. Insbesondere nach dem Ende der Supermachtkonfrontation durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Pakts glaubte man, dass sich so etwas wie ewiger Frieden abzeichne, gestört nur durch lokale Konflikte, allenfalls Bürgerkriege und territorial begrenzte Grenzkämpfe.
Der Ukraine-Krieg zeigt uns indessen allerdings, dass dies nicht mehr als eine Illusion war. Der Rückfall in die Politik der militärischen Gewalt, der kriegerischen Grenzverschiebungen und des imperialistischen Anspruchsdenkens durch Russland macht uns deutlich, dass sich im menschlichen Verhalten, beziehungsweise in der interkontinentalen Politik nichts geändert hat. Abgesehen von den Kämpfen in der Ukraine und vom möglichen Ausgang derselben – ob nun Russland gewinnt oder das Regime in Kiew – wird sich danach zwangsläufig so etwas wie ein neuer Kalter Krieg, eine neue globale Frontstellung ergeben. Auf der einen Seite die Vereinigten Staaten von Amerika, die NATO und die Europäische Union, auf der anderen Seite Russland mit China im Hintergrund. Diese Frontstellung der Zukunft bedeutet alles andere als Frieden. Sie stellt allenfalls so etwas wie einen „eingefrorenen Krieg“ dar, und sicher keine Friedensordnung.
Ebenso wie kriegerische Auseinandersetzungen offenbar in der Menschheitsgeschichte zur unausrottbaren Tatsache gehören, ist Gewalt gegen den Mitmenschen im individuellen Bereich scheinbar so etwas wie eine anthropologische Konstante. Zwar hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in unseren Breiten so etwas wie eine Kultur der Gewaltlosigkeit durchgesetzt. Man schlägt seine Kinder nicht, physische Gewalt zwischen Ehepartnern wird nicht nur bestraft, sie ist auch zu einem gesellschaftlichen Tabu geworden. Und Wirtshausraufereien, wie die in früheren Tagen etwa im Alpenraum gang und gäbe waren, sind nicht einmal mehr als Folklore vorhanden.
Diese zunehmende Gewaltlosigkeit in den mitteleuropäischen Friedensgesellschaften wird allerdings durch die Zuwanderung testosterongesteuerter junger Männer aus Kriegs- und Krisengebieten und aus Gewaltkulturen konterkariert. Dies schlägt sich auch klar in der heimischen Kriminalstatistik nieder, wo die Gewaltverbrechen zu einem hohen Prozentsatz von jungen Männern mit Migrationshintergrund begangen werden und autochthone Österreicher kaum noch vorkommen. Dabei gibt es Schießereien allenfalls noch im Bereich der Bandenkriminalität, die häufigste spontane Tatwaffe ist auf ganz archaische Art und Weise das Messer.
Dies wird von der politisch korrekten Sozialwissenschaft und den Sozialarbeitern des heimischen Wohlfahrtsstaates natürlich entschuldigend mit der Traumatisierung dieser Menschen aufgrund der Krisen in ihren Herkunftsländern begründet. Dass etwa der Islam Gewaltanwendung gegenüber Andersdenkenden längst nicht in der Weise stigmatisiert, wie dies in unserer Kultur üblich ist, wird verdrängt. Und dass eben derselbe Islam Frauen als Menschen zweiter Kategorie betrachtet, gegen die Gewalt durchaus auch zulässig ist, ebenso.
Diesbezüglich scheint also im mitteleuropäischen Bereich so etwas wie „kulturelle Evolution“ in Richtung auf Gewaltlosigkeit stattzufinden. Die sogenannte „toxische Männlichkeit“ allerdings, jene Art von Aggression, die Männern gewissermaßen genetisch zu eigen ist, wird dadurch allerdings allenfalls unterdrückt und keineswegs ausgerottet. Da kann man Knaben im Vorschulalter vielleicht das spielerische Raufen austreiben und die Aggressionen junge Männer durch Leistungssport kanalisieren, das männliche Gewaltpotenzial bleibt dennoch vorhanden.
So wie man zwischenstaatliche Gewalt und kriegerische Willkürakte im Bereich der hohen Politik durch das Völkerrecht kanalisieren und möglichst unterbinden will, so gibt es natürlich den gesamtgesellschaftlichen Versuch zwischenmenschliche Gewalt im zivilen Leben zu stigmatisieren oder völlig zu verhindern. Dies gelingt im politischen Bereich auch immer wieder, die „Pax Romana“ des Augusteischen Zeitalters ist ebenso ein Beweis dafür, wie in der jüngeren Geschichte die Friedensordnung nach dem Wiener Kongress oder die „Pax Americana“ in den vergangenen Jahrzehnten.
Und natürlich entwickeln sich menschliche Gesellschaften auch immer wieder hin zu weitgehender Gewaltlosigkeit. Ein funktionierender Rechtsstaat und eine Zivilgesellschaft mit sozialer Gerechtigkeit, Konsens- und Dialogbereitschaft wird naturgemäß gewaltloser sein als eine Kasten-, Konflikt- und Ghettogesellschaft, wie sie sich in unseren Tagen durch die Massenzuwanderung abzeichnet. Gerade diese Massenzuwanderung ist es aber, die die kulturelle Evolution hin zu mehr Gewaltlosigkeit in unserer Gesellschaft beenden dürfte. Auch im Bereich der autochthonen Bewohner des Landes wird sich – schon aus Gründen der Notwehr – wieder ein höheres Maß an Gewaltbereitschaft breit machen.
Damit aber erweist sich, dass im Bereich der Machtpolitik die Geschichte längst nicht zu Ende ist. Der ewige Frieden bleibt eine Illusion, zwischenstaatliche Gewalt, vom diplomatischen Konflikt bis hin zum Angriffskrieg, bleiben Faktoren der internationalen Politik. Und was den Einzelmenschen und sein Verhalten in der Gesellschaft betrifft, dürfte Gewaltlosigkeit auch ein schöner Wunschtraum bleiben. Nicht nur dass Gewaltanwendung im Bereich der Kriminalität weiterhin bestehen wird, nein, auch im täglichen Verhalten des Durchschnittsmenschen wird sie weiter existieren. Ob stigmatisiert oder akzeptiert, Gewalt und tätliche Aggression bleiben so etwas wie eine anthropologische Konstante. Und die linken Träume von der Schaffung des „neuen Menschen“, gewaltfrei, aggressionslos und politisch korrekt haben sich längst als Sackgasse entpuppt, die nur in Entmenschlichung, Manipulation und Totalitarismus mündete.


Die Wiederkehr des deutschen Militarismus

10. Februar 2023

Satte 100 Milliarden Euro will die rot–grün–gelbe Regierung der Bundesrepublik Deutschland in ihre Armee pumpen. So ließ es uns Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges wissen. Man werde die in den letzten Jahrzehnten nahezu totgesparte Bundeswehr massiv aufrüsten und solcherart in der NATO, beziehungsweise in deren europäischem Teil, wiederum zum stärksten militärischen Partner werden.
Und abgesehen von dieser bisher nur als Ankündigung erfolgten Aufrüstung der bundesdeutschen Armee hat sich in der politischen Landschaft Deutschlands so etwas wie eine allgemeine Kriegsbegeisterung breitgemacht. Allen voran die einst als Pazifisten geltenden Grünen, gefolgt aber auch von der christdemokratischen Opposition, ist man für massive Waffenlieferungen an die Ukraine und damit für eine weitere Eskalation des militärischen Konflikts in Osteuropa. Zuvor hatte es insbesondere von linker Seite immer geheißen, von deutschem Boden dürfte kein Krieg mehr ausgehen, nunmehr möchte man am liebsten neben den Leopard-Panzern auch Jagdflugzeuge, Kriegsschiffe und möglicherweise auch Kampftruppen für den Krieg gegen Russland stellen. Am zurückhaltendsten war diesbezüglich noch Bundeskanzler Olaf Scholz mit seiner SPD. Doch auch auf ihn war letztlich der Druck so stark, dass er sich diesem allgemeinen neuen deutschen Bellizismus fügen musste.
Kritische Beobachter fragen sich nun, ob der alte gefürchtete deutsche Militarismus nunmehr im grünen Gewande fröhliche Urständ feiert. Tatsächlich sind es vor allem führende Grün-Politiker, die sich in Deutschland als Kriegstreiber profilieren. Die Außenministerin Frau Baerbock erklärt den Russen leichterhand gleich den Krieg, der grüne Star Habeck plädiert für massive Waffenlieferungen, und der bayerische Grüne Hofreiter würde am liebsten offenbar bereits in Uniform vor die Kameras treten. Die einstigen friedensbewegten Ostermarschierer und deklarierten Pazifisten scheinen plötzlich eine merkwürdig vertraute deutsche Freude für Militär und Krieg entwickelt zu haben.
Tatsächlich hat der deutsche Militarismus ja eine glorreiche, aber auch höchst fatale Geschichte, eine Geschichte, die in hohem Maße mit Preußen und dem Preußentum zu tun hat. Und genau das war wohl auch der Grund, warum die alliierten Kriegssieger den Staat Preußen nach 1945 für aufgelöst erklärten. Der Große Generalstab, Stechschritt, Pickelhauben und feldgraue Uniformen sollten jedenfalls der Vergangenheit angehören.
Begonnen hatte alles mit den „langen Kerls“, die der erste König von Preußen als Kern seiner neuen schlagkräftigen Armee um sich sammelte. Und weiter ging’s mit dieser preußischen Armee und ihren glorreichen Siegen unter Friedrich dem Großen, vorwiegend gegen Österreich und Maria Theresia. Und dann kamen die Befreiungskriege gegen Napoleon und die Reformen eines Clausewitz und die Entwicklung des preußischen Generalstabs, der über nahezu zwei Jahrhunderte eine schier unüberwindliche Militärmaschinerie befehligte. Die triumphalen Siege von Königgrätz und dann bei Sedan bildeten wohl die Höhepunkte in der Erfolgskette dieser Militärmaschinerie. Im Ersten Weltkrieg allerdings sollte diese dann unter der Führung von Hindenburg und Ludendorff trotz opferreicher Siege letztlich erfolglos bleiben. Und im zweiten großen Krieg sollte dieser preußisch-deutsche Militarismus trotz der beeindruckenden Erfolge in den Blitzkriegen schließlich seine finale welthistorische Niederlage erleiden. Und das war’s dann….
Alles, was an deutscher Militärgeschichte danach kam, war eigentlich dem Kalten Krieg zwischen den Supermächten geschuldet. Die Neuaufstellung der Bundeswehr – zum großen Teil wohl mit gedienten Wehrmachtsoffizieren – zeitigte den „Bürger in Uniform“ mit „innerer Führung“. Und diese Bundeswehr war eine Armee mit massiven Legitimationsproblemen und ebenso großen Identifikationsproblemen. Die alte deutsche Tradition des Soldatentums und des Militarismus galten als Tabu, die Rolle der Armee in der neuen deutschen Demokratie war ungeklärt.
Eine klare Aufgabenstellung für die Bundeswehr gab es im Grunde nur im Rahmen des nordatlantischen Militärbündnisses NATO. Dort sollte die Armee der Bundesrepublik Deutschland so etwas wie den Festlandsdegen der US-Amerikaner gegen den Warschauer Pakt spielen. Klar war jedenfalls, dass im Falle einer wirklichen militärischen Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt Deutschland der Kriegsschauplatz gewesen wäre und die Armeen in der beiden deutschen Staaten, in die Bundeswehr und die Nationale Volksarmee der DDR, an vorderster Front gegeneinander gestanden wären.
Mit dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts und dem Ende der sowjetischen Hegemonie über Osteuropa, sowie der darauffolgenden kleindeutschen Wiedervereinigung war diese Aufgabenstellung der Bundeswehr hinfällig. Zwar war sie dann mit der Frage konfrontiert, ob sie legitimerweise an internationalen Einsätzen der NATO, etwa bei den Balkankriegen oder in Afghanistan, teilnehmen dürfe, letztlich aber erlitt sie dann über Jahre einen permanenten Niedergang. Sie wurde totgespart im Glauben, dass inmitten von EU-Staaten und NATO-Partnern auf die Bundesrepublik Deutschland eine unmittelbare militärische Herausforderung gar nie mehr zukommen könnte. Und dann kam der Ukraine-Krieg …
Sollte also nun tatsächlich seitens der aktuellen Linksregierung in Berlin eine massive Aufrüstung der Bundeswehr beschlossen und finanziert werden, wird die deutsche Armee wohl auch vor der Aufgabe stehen, sich ein neues Selbstbewusstsein und eine neue Zielrichtung zu erarbeiten. Wie weit dabei die Traditionen des preußisch-deutschen Militarismus – zumindest subkutan – wieder eine Rolle spielen werden, bleibt abzuwarten. Erinnert muss in diesem Zusammenhang daran werden, dass es auch positive Traditionen des preußischen Soldatentums gibt. Ohne patriotische Hingabe, ohne Disziplin und ohne Pflichtbewusstsein wird auch eine moderne deutsche Armee nicht existieren können.
Und überdies stellt sich natürlich die Frage, wie eine solche hochgerüstete neue deutsche Armee in ein europäisches Sicherheits- und Verteidigungssystem eingefügt wird und welche Rolle sie künftig innerhalb der NATO spielen soll. Die Antwort darauf hängt natürlich von der zukünftigen Positionierung der Europäischen Union gegenüber der westlichen Supermacht USA ab. Wenn die Europäer weiterhin nur die machtpolitischen Trittbrettfahrer der USA im Rahmen der NATO bleiben und die militärische Führung vorbehaltlos dem Pentagon überlassen, wird auch die erneuerte deutsche Bundeswehr letztlich nur eine Hilfstruppe der US-Army bleiben. Ob sie damit gemäß ihrem Fahneneid ausschließlich dem Wohl und Wehe des deutschen Volkes dient, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.


Die Russen waren’s – wer sonst?

6. Oktober 2022

Da wurden dieser Tage also die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 in der Ostsee gesprengt. Ein schwieriges Unterfangen, das zweifellos nicht von irgendwelchen Nebenerwerbs-Terroristen durchgeführt werden konnte, sondern schon spezielles militärisches Know-how erforderte. Ein Anschlag jedenfalls, der Europas Versorgung mit russischem Gas endgültig unterband und der überdies zeigte, wie verletzlich Europas lebenswichtige Infrastruktur ist.
Und natürlich hieß es von Seiten der Mainstream-Medien und der etablierten Politik sofort: die Russen waren’s! Wieder einmal habe Wladimir Putin, jener ultimative Bösewicht der Weltgeschichte, einen Anschlag gegen den Westen verüben lassen und – wenn es auch noch nicht letztendlich bewiesen ist – neuerlich gezeigt, wozu er fähig ist. Nach seinem, wie es heißt, völlig unmotivierten Angriffskrieg gegenüber der Ukraine, neben seinen ständigen Drohungen mit der Atombombe, nunmehr eben auch terroristische Anschläge auf unsere kritische Infrastruktur. Diese Russen – schlimmer als Dschingis Khan und Hitlers SS …
Und überdies müssen diese Russen, allen voran Wladimir Putin, verdammt irrational und unlogisch denken und handeln. Warum würden sie sonst eine ihrer wirksamsten Waffen gegenüber ihren westlichen Gegnern, nämlich die Möglichkeit Gas zu liefern oder eben nicht zu liefern, durch das Kappen der Pipelines entkräften? Und warum machen sie sich die Mühe, diese Pipelines aufwändig und umständlich am Meeresboden zu zerstören, anstatt sie schlicht und einfach auf russischem Boden abzudrehen? Schon merkwürdig, diese Russen.
Dass der US-Präsident Biden bereits zu Jahresbeginn davon gesprochen hat, den Betrieb der Pipelines mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterbinden, spielt natürlich keine Rolle. Und dass erst kürzlich in eben jener Region der Ostsee, in der jetzt die Explosionen hoch gegangen sind, Seemanöver der NATO und der USA stattgefunden haben, ist natürlich auch völlig irrelevant. Das alles ist ebenso uninteressant wie die Tatsache, dass Polens Präsident Duda bereits im August den Abriss der Pipeline Nord Stream 2 gefordert hat und dass Greenpeace bereits im Juni mit polnischen Aktivisten zu den Pipelines getaucht ist, um gegen diese zu demonstrieren.
All dies ist natürlich Ausdruck des westlichen, beziehungsweise US-amerikanischen Willens, die Gaslieferungen Russlands an die Europäer zu unterbinden. Und genau dieser Willen stellt natürlich auch das einzig logische Motiv für die Sprengung der Pipelines dar. Einzig und allein die antirussischen Kräfte, also die USA, die NATO und allenfalls die Ukraine selbst, können ein Interesse an der Zerstörung von Nord Stream 1 und Nord Stream 2 haben. Und natürlich auch die EU-Europäer selbst, da sie machtpolitisch längst Trittbrettfahrer der Amerikaner geworden sind: ohne ihre eigenen Interessen im Auge zu haben und in geradezu sklavischer Abhängigkeit, militärisch wie politisch.
Auch hierzulande wissen dies die Menschen, zumindest jene, die noch zu einigermaßen kritischem Denken fähig sind. Die Politik allerdings und die meisten Medien des Landes verkünden mehr weniger lautstark das Gegenteil: Die Russen sind schuld! Und darum müssen wir die Sanktionen natürlich aufrechterhalten und möglicherweise sogar noch verschärfen. Deshalb müssen wir auch dafür sein, dass die Ukraine in die NATO kommt, koste es was es wolle! Und sogar, wenn dies den Atomkrieg bedeutet. Und die am lautstärken in dieses Horn stoßen, sind die Grünen und die übrigen Linken, jene die von sich behaupten, Pazifisten zu sein. Wahrlich eine verrückte Welt …


Das war der Westen

16. September 2022

Abgesang auf eine Hochkultur

Das, was man gemeinhin in der historischen und politischen Diskussion als den „Westen“ bezeichnet, ist ein vielschichtiges und mehrdeutiges Phänomen. Oberflächlich betrachtet versteht man heute darunter die sogenannten westlichen Industriestaaten, im engeren Sinne also die EU-Staaten und die angelsächsische Welt, also USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Abgesehen davon spricht man von den „westlichen Demokratien“, also von all jenen Staaten, die sich durch Parlamentarismus und demokratische Wahlsysteme und demokratische Parteien auszeichnen. Bereits an dieser Charakterisierung sieht man aber, dass der Begriff höchst unscharf ist.
Aus der historischen Perspektive könnte man sagen, dass der „Westen“ im Wesentlichen die Welt des weißen Mannes darstellt. Es sind die weißen Europäer, die von der Antike an, über das Mittelalter und die Neuzeit, bis herauf in unsere Tage — mit vielen Brüchen, Sackgassen und Irrwegen – die Entwicklung hin zu eben diesen westlichen Industriestaaten und zu den westlichen Demokratien getragen haben.
Heute scheint sowohl diese Demokratie westlicher Prägung als auch der Industriestaat in der Krise zu sein. Dazu kommt, dass der Westen, der es seit dem Beginn der Neuzeit gewissermaßen gewohnt war, die Welt insgesamt zu beherrschen – sei es in Form des Kolonialismus oder danach durch den europäischen Imperialismus – diesen Anspruch längst verloren hat. Europa hat spätestens im 19. Jahrhundert trotz seiner politischen Zerrissenheit über die Kolonien der Briten, Franzosen, Spanier, Portugiesen, Italiener und Holländer, später auch der Deutschen, die Welt nicht nur territorial beherrscht, es hat dem Planeten auch in zivilisatorischer Hinsicht seinen Stempel aufzudrücken vermocht. Englisch ist zur weltweiten Lingua Franca geworden, europäische Kleidung, europäische Technologien und europäische Lebensweise haben lokale Sitten und Gebräuche von Ostasien über Afrika bis nach Lateinamerika weitgehend verdrängt.
Wesentlich klarer und präziser wird es, wenn man anstelle des Begriffs „der Westen“ vom „Abendland“ spricht. Dieses Abendland ist ein kulturhistorischer Begriff, der sich definieren lässt. Da war zuerst einmal wohl die griechische Philosophie, die am Beginn dieser abendländischen Geschichte stand. Sokrates, Platon und Aristoteles und vor ihnen die Ionischen Naturphilosophen, sie stehen gewissermaßen am Beginn der abendländischen Geistesgeschichte. Danach sind die Römer und ihr rechtliches, insbesondere staatsrechtliches Denken zu nennen. Nach der griechischen Philosophie ist es also das Römische Recht, welches das abendländische Geistesleben auf Dauer prägen sollte. Dazu kommt dann als wesentlichster spiritueller Baustein das Christentum mit seinem Monotheismus und dem Prinzip der Nächstenliebe, sowie der Hoffnung auf Gerechtigkeit im Jenseits. Abgerundet wird diese Trias an Grundlagen des abendländischen Denkens durch den germanischen Freiheitswillen.
Dazu kommen dann am Beginn der Neuzeit der Humanismus und später die Aufklärung. Sie runden das abendländische Denken durch die Überwindung religiös-konfessioneller Enge und die Hinwendung zu den Prinzipien der Vernunft und der Logik ab. Damit konnten sich die Naturwissenschaften entwickeln, die schließlich zur Basis der ökonomischen Entwicklung und der Industrialisierung werden sollten.
Weitere Errungenschaften des abendländischen Denkens sind dann die Entwicklung der Nationen mit dem jeweiligen Nationalbewusstsein und der jeweiligen Nationalkultur, sowie der nationalen Hochsprache. Ihre Vielfalt prägt in Form gewichtiger Mosaiksteine das Abendland und die europäische Kultur insgesamt. In seiner Übersteigerung allerdings zeitigt der Nationalismus den Chauvinismus, der zur verhängnisvollen Konkurrenz der europäischen Nationen und damit zum europäischen Bürgerkrieg zwischen 1914 und 1945 führen sollte. Diese und weitere Irrwege europäischen Denkens an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mündeten im Faschismus und im Nationalsozialismus und führten Europa an den Rand der Vernichtung.
Aber auch der Sozialismus und der Marxismus als Ideologien sowie der Kommunismus als Form des real existierenden Sozialismus sind Kinder der abendländischen Geistesgeschichte. Sie führten im jakobinischen Streben nach Schaffung des „neuen Menschen“ zu menschenverachtenden totalitären Systemen, deren Überwindung erst Ende des vorigen Jahrhunderts gelang.
Nach dem Sieg über die beiden Totalitarismen des 20. Jahrhunderts schien es so, als würde die westliche Demokratie einen globalen Siegeszug antreten. Man glaubte „das Ende der Geschichte“ diagnostizieren zu können. Demokratie, freier Welthandel und Menschenrechte schienen die Weltherrschaft angetreten zu haben. Gleichzeitig meinte man, diese Prinzipien allen Nationen und Kulturen des Planeten nicht nur anempfehlen, sondern auch aufzwingen zu können. Die brutale Naivität, mit der dies insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika versuchten, musste zwangsläufig scheitern. Ebenso wie der Glaube an den globalen Siegeszug von Demokratie, freien Welthandel und Menschenrechten. Heute wissen wir, dass diese Blüten europäischen Geisteslebens keineswegs universalistisch anwendbar sind. Und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass weite Teile der Menschheit, insbesondere in Ostasien, Schwarzafrika und Lateinamerika diese Errungenschaften auch in keinem Falle wollen.
Hand in Hand mit dem Scheitern dieses europäischen Irrglaubens, alle Teile des Planeten mit den Segnungen der eigenen Geistesgeschichte beglücken zu können, findet der Niedergang der machtpolitischen Position der europäischen Nationen und Europas insgesamt statt. Sowohl die EU als auch die einstigen europäischen Großmächte, England Frankreich, Italien und Deutschland, sind längst zu Statisten der globalen Machtpolitik geworden. Sie haben im Vergleich zu den USA, zu China, Japan, Russland, aber auch Schwellenländern wie Indien oder Brasilien weltpolitisch nicht viel zu melden.
Überdies fand im Zuge der Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte so etwas wie eine Entindustrialisierung Europas statt. Nachdem weite Teile der Dritten Welt in der Lage waren, wesentlich billiger zu produzieren, verlagerten die meisten multinationalen Konzerne, die ursprünglich ihren Stammsitz in Europa hatten, ihre Produktion in eben diese Länder. Die Folge war die völlige Abhängigkeit Europas vom Funktionieren der globalen Lieferketten und von der Willfährigkeit jener Staaten, in denen nunmehr produziert wird. Damit ist die Selbstversorgungsfähigkeit der Europäer absolut hinfällig und von irgendeiner Form von Autarkie kann überhaupt nicht mehr gesprochen werden. Die gegenwärtige Krise der Energieversorgung und die Abhängigkeit etwa von russischem Gas und Erdöl ist nur ein Detail dieser Entwicklung.
Noch ist die EU zwar der umsatzstärkste Wirtschaftsraum des Planeten, der ökonomische Niedergang ist allerdings unausweichlich und klar abzusehen. Und Hand in Hand mit diesem wirtschaftlichen Abstieg geht der Verlust der kulturellen und zivilisatorischen Deutungshoheit der Europäer, also des weißen Mannes insgesamt. So etwas wie ein eurozentrisches Weltbild wird von einem großen Teil der Menschheit längst nicht mehr akzeptiert. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch jene zivilisatorischen Standards, die der Westen, also die Europäer, seit mehr als einem Jahrhundert durchzusetzen vermochten, relativiert oder gar gänzlich überwunden werden.
Die Europäer, der weiße Mann, der Westen also insgesamt, befindet sich im Rückzug – machtpolitisch, wirtschaftlich und auch kulturell. Das Abendland als Geistesmacht ist nur mehr so etwas wie eine blasse Erinnerung und längst kein Leuchtturm mehr der Menschheitsentwicklung. Militärisch sind die Europäer weitgehend Jammergestalten, wenn nicht gar Witzfiguren. Und der Wille zur Macht im globalen Ringen um Einfluss und Ressourcen ist ihnen vollends abhandengekommen ist. Düstere Aussichten insgesamt.


„Volksverräter“

25. August 2022

Es war die Chefin der Neos, die dieser Tage die Freiheitlichen als „Volksverräter“ bezeichnete. Warum? Weil sie ein Ende der Sanktionen gegen Russ­land fordern und damit, laut Frau Meinl-Reisinger, Putin in die Hände spielen würden. Nun stellt sich natürlich die Frage, was Frau Meinl-Reisinger unter „Volk“ versteht. Offenbar nicht die autoch­thonen Österreicher, sondern eher die politische Klasse oder gar die Vertreter des Brüsseler Zentralismus.
Ein Verrat am österreichischen Volk wäre es nämlich gewiss nicht, wenn man die Ursache unserer gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Krise, die schlimmste seit 1945, nämlich die Sanktionen gegen Russland, beseitigen würde. Ein Verrat am österreichischen Volk ist es allerdings, was Parteien wie jene der Frau Meinl-Reisinger, aber natürlich auch die beiden Regierungsparteien Volkspartei und die Grünen, in diesen Tagen wieder zulassen oder sogar aktiv befördern. Nämlich die neuerliche unkontrollierte Massenzuwanderung von Scheinasylanten.
Bereits in der ersten Jahreshälfte waren es nämlich über 40.000 Asylanträge, die hierzulande wieder gestellt wurden. Und wie man hört an erster Stelle von Männern, die aus Indien und Tunesien kommen. Aus Ländern also, die als Urlaubsländer gelten. Zwar lässt uns der Innenminister wissen, dass die meisten von ihnen keinerlei Chance haben, Asyl gewährt zu bekommen, abgeschoben aber werden sie deswegen noch lange nicht.
Jetzt wissen wir, dass ohnedies seit Jahren und Jahrzehnten Zuwanderung nach Österreich stattfindet, die im Wesentlichen aus illegalen Scheinasylanten besteht.
Der Höhepunkt dieser Massenmigration in unser Land und unser Sozialsystem war zweifellos die Flüchtlingswelle von 2015. Allerdings ging diese Zuwanderungsbewegung in den Jahren danach weiter, vielleicht nicht so spektakulär wie 2015, aber doch.
Das Ergebnis kennen wir: Hunderttausende, ja Millionen von Menschen fremder Herkunft bevölkern unser Land.
Gerade in unseren Tagen beklagen die Mainstream-Medien, dass eineinhalb Millionen Menschen in Österreich sich bei der Präsidentschaftswahl nicht beteiligen dürften.
Das sind genau jene, die keine Staatsbürgerschaft haben und das Ergebnis dieser lang­anhaltenden Massen­migration darstellen.
Bedenkt man jetzt, dass es hunderttausende Menschen mit Migrationshintergrund gibt, die bereits Staatsbürger sind, dann weiß man, in welch hohem Maße das österreichische Volk, die autochthonen Österreicher, durch diese Massen­migration zurückgedrängt wurden.
Und jene politischen Kräfte, die dies zugelassen haben, beziehungsweise aktiv gefördert haben, das gilt vor allen für die Linke, haben ihr Volk verraten, das muss hier einmal gesagt werden.


Eine ­Epoche multipler Krisen

5. August 2022

Längst hat die Menschheit die 8-Milliarden-Grenze überschritten. Der Planet ist überbevölkert und die Ernährung der Erdbevölkerung wird immer schwieriger. Indessen harren die Getreideschiffe im Hafen von Odessa ihrer Ausfahrt. Und nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden durch den Ukraine-Krieg rund 100 Millionen Menschen in extreme Armut fallen, wenn nicht gar realen Hunger leiden.
Soziale Spannungen, vielleicht sogar Bürgerkriege und Armutsrevolten werden die Folge dieser Entwicklung sein, wobei zuerst gescheiterte Staaten in Schwarzafrika, in Südostasien und in anderen Teilen der Dritten Welt betroffen sein dürften. Zu Jahresbeginn gab es schon Aufstände in Kasachstan wegen der explosionsartig angewachsenen Treibstoffpreise. Dann war es in jüngster Zeit Sri Lanka, das von solchen Unruhen betroffen war. Demnächst könnte es Pakistan sein, das offenbar vor einer Explosion steht. Und ähnlich wird es sich mit all jenen Staaten verhalten die, so etwa in Schwarzafrika, durch die ausfallenden Getreidelieferungen aus der Ukraine zunehmende Bedrängnis geraten.
In Schwellenländern, die durch die massiv steigende Energiekosten und ebenso explosiv anwachsenden Kosten für Lebensmittel, sowie durch desolate Staatshaushalte betroffen sind, steigt die Gefahr sozialer Spannungen und ganz realer gewalttätiger Konflikte. Wer nun glauben sollte, dass dies nur auf die Dritte Welt beschränkt, wäre der irrt. Auch in den westlichen Industriestaaten wird die tatsächlich hereinbrechende Verarmung breite Teile der Bevölkerung betreffen und das soziale Gefüge erschüttern, wenn nicht gar zerstören. Insbesondere in jenen Ländern, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten durch massive Massenzuwanderung destabilisiert wurden, wird es zwangsläufig zu Auseinandersetzungen zwischen der autochthonen Bevölkerung und den Zuwanderungsgruppen kommen. Spätestens dann, wenn die staatlichen Transferleistungen für die Bevölkerung mit Migrationshintergrund geringer werden oder gar gänzlich ausbleiben, sind veritable Verteilungskämpfe, die bis hin zu offenen Bürgerkriegen gehen könnten, unausbleiblich.
Jenseits der Sozialutopien, wie sie sich in der Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle gezeigt haben, wird es in der auf uns zukommenden Mängelgesellschaft zweifellos eine Verarmung, wenn nicht gar eine Verelendung breiter Gesellschaftsschichten geben. Aus sozialen Spannungen könnten bürgerkriegsähnliche Zustände bis hin zu Hungerrevolten werden. Und diese könnten durch ethnische Konflikte unter den Zuwanderer-Gruppierungen verstärkt werden, so wie wir es aus den Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden kennen, wie sie vor Jahr und Tag in Wien statt bereits stattgefunden haben.
Es wäre eine Illusion, anzunehmen, dass Europa von solchen Entwicklungen ausgenommen wäre. Nicht nur, dass der Krieg in Form des russischen Angriffs auf die Ukraine längst nach Europa zurückgekehrt ist. Konflikte, am Balkan etwa zwischen Kosovo und Serbien, drohen auch wieder aufzubrechen. Und dieser Bereich ist von Österreich, unserer Insel der Seligen, nur wenige Autostunden entfernt.
Und sogar in Friedensregionen wie etwa im Alpen-Adria-Bereich könnten durch die sozialen Probleme und deren Verschärfung alte, längst tot geglaubte Konflikte, die bislang verdrängt oder vergessen waren, wieder entflammen. Sogar längst historisierte Auseinandersetzungen wie etwa jene zwischen Österreichern und Italienern, zwischen Kärnten und Slowenien, zwischen Friulanern und ihren kroatischen und slowenischen Nachbarn könnten sich neuerlich entzünden. Dort, wo man sich noch vor drei Generationen zu zehntausenden dann gegenseitig hinmordete, etwa bei den Isonzo-Schlachten des Ersten Weltkriegs, wäre es auch nicht ausgeschlossen, dass alter Hass neu ausbricht.
Dies sind nun scheinbar doch weit hergeholte Horrorvisionen, ausgeschlossen jedoch ist das Aufbrechen alter Konflikte unter schwierigen sozialen Bedingungen keineswegs. Und dies nicht nur in Österreichs Nachbarschaft, sondern weltweit. Gerade in Osteuropa und in Südosteuropa gibt es eine derartige Fülle von alten ungelösten ethnischen, sozialen und ökonomischen Streitfällen, dass es ein Wunder wäre, wenn diese nicht im Falle dramatischer wirtschaftliche Entwicklungen wieder zum Tragen kämen. Die Auseinandersetzungen in der Ukraine, die natürlich nunmehr unter Kriegsbedingungen stattfinden, zeigen uns dies nur allzu deutlich.
Wenn überdies die wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen externer Mächte mitspielen, verschärft dies die Konflikte zumeist noch. So ist etwa die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine keineswegs uneigennützig.
Wenn Großmächte wie etwa die Vereinigten Staaten von Amerika oder auch Russland oder das ostasiatische China glauben, ihre Einflusssphäre ausdehnen oder auch nur bewahren, geht es zumeist zu Lasten der regionalen Staaten.
So ist etwa die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine gewiss nicht nur von freundschaftlichem Einsatz für die Souveränität des Landes motiviert, sondern zweifellos auch durch globale Großmachtinteressen.
Und wenn China in Schwarzafrika in gewaltigem Maße investiert, so ist dies wohl kaum durch den Einsatz für Völkerfreundschaft begründet, sondern durch ganz reale wirtschaftliche und machtpolitische Interessen.
Insgesamt scheinen der Planet und die Menschheit auf eine Epoche multipler Krisen zuzusteuern. Die Überbevölkerung und die Ernährungskrise, sowie die weltweite massive Verteuerung von Lebensmitteln und Energie erzeugen in zunehmendem Maße in vielen Staaten Versorgungskrisen und damit sich zuspitzende Verteilungskämpfe. In den bereits als gescheitert geltenden Staaten der Dritten Welt ist die Folge davon das totale Chaos, die völlige Anarchie und zumeist die Übernahme durch autoritäre Systeme. In Schwellenländern fördert diese krisenhafte Entwicklung ebenso die Entwicklung antidemokratischer Strukturen. Und in den westlichen Demokratien ist das, gepaart mit der Zuwanderung, einfach ein Faktor zunehmender Destabilisierung.
Es sind somit keine schönen Aussichten für die Menschheit, die sich da auftun. Die offenbar nunmehr auslaufende Coronakrise, der Ukraine-Krieg, die Inflation in den westlichen Industriestaaten und die globale Tendenz zu massenhafter Verarmung scheinen uns tatsächlich in eine Epoche des Chaos und der Krise zu stürzen.
Wo sind die Staatsmänner, wo sind die politischen Kräfte, die sich dem entgegenstemmen und Konzepte für die Bekämpfung dieser Multi-Krisen-Entwicklung haben?
Tröstlich ist nur, dass wir eines wissen: Wenn die Gefahr groß ist, wächst auch das Rettende. Hoffen wir, dass der Klassiker recht behält.


Das Ende der Pax Americana

8. Juli 2022

Vom Fall eines Imperiums

Es ist die Aufgabe und das Privileg des Historikers, den Ablauf des politischen, ökonomischen und sozialen Geschehens auf diesem Planeten in Epochen, in Perioden einzuteilen. Das kurze, das schreckliche 20. Jahrhundert währte bekanntlich von 1914, dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, bis 1989, dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums. Danach kam zwar nicht das „Ende der Geschichte“ durch den immerwährenden Sieg des westlichen Wertesystems und der Demokratie nach westlichem Muster, dafür aber zweifellos die Epoche der globalen Dominanz der einzig verbliebenen Supermacht, der Vereinigten Staaten von Amerika nämlich.
Diese Epoche dauerte immerhin gute drei Jahrzehnte an, nämlich wohl bis zum Ausbruch des nunmehr tobenden Kriegs Russlands gegen die Ukraine, der im Wesentlichen wohl eine Auseinandersetzung ist zwischen dem größten Flächenstaat der Erde, Russland eben, und dem Westen insgesamt, vertreten durch den Nordatlantikpakt. In dieser Periode, die immerhin beinahe ein halbes Jahrhundert andauerte, konnten die USA überall auf diesem Planeten und zu jeder Zeit ihre politischen und militärischen Interessen durchsetzen – zumindest theoretisch.
An Versuchen dies zu tun, mangelte es nicht. Ob mit dem Auftrag der Vereinten Nationen oder nicht, ob mit NATO-Verbündeten oder allein, die USA führten in diesem Zeitraum jedenfalls eine Unzahl an größeren und kleineren militärischen Operationen durch, die sie sich in ihrer Rolle als einzig verbliebene Supermacht und Weltpolizist anmaßten. Ob im Irak, in Afghanistan, in Somalia, auf dem Balkan oder in Lateinamerika, stets agierten die Amerikaner im Interesse ihrer globalen Machtposition und der Erfordernisse ihrer Wirtschaft. Natürlich wurde dabei stets die Wahrung des Friedens oder der Menschenrechte und die Durchsetzung der Demokratie vorgeschoben. Zumeist war dies nur Vorwand und fast immer war es erfolglos. In den meisten Fällen operierten die Amerikaner nämlich in den letzten 40 Jahren eher glücklos. Das Scheitern des Militäreinsatzes in Afghanistan und der ruhmlose Abzug der US-Truppen vor Jahr und Tag ist ein letzter Beweis dafür.
Der Widerpart Amerikas im Kalten Kriege war bis 1989 das Sowjet-Imperium, geführt von den russischen Herrn im Kreml. Nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus und des Warschauer Pakts kam es in den Neunziger-Jahren des vorigen Jahrhunderts auch zur Desintegration und zur Schwächung der Russischen Föderation. Weite Teile russisch dominierter Territorien, insbesondere auch im östlichen Europa, fielen unter Fremdherrschaft. Erst der Abstieg Russland in der Jelzin-Ära ermöglichte die globale Alleindominanz der USA.
Nun, unter Wladimir Putin erkämpfte sich Russland in den vergangenen Jahren so etwas wie einen machtpolitischen Wiederaufstieg. Es wurde wieder zum „global player“ und spielte in den weltweiten Konfliktbereichen, etwa im Nahen Osten, wieder eine weltpolitische Rolle. Mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs, scheint es zwar vordergründig so zu sein, als würden die USA im Rahmen der NATO wieder eine dominante Rolle spielen und damit weiterhin als Weltpolizist fungieren, tatsächlich sind insbesondere die Europäer aufs Neue dazu gezwungen, der politischen und militärischen Führung der Amerikaner zu folgen. Andererseits aber positioniert sich das Russland von Wladimir Putin – gleich, ob es den Ukraine-Krieg nun tatsächlich militärisch gewinnt oder nicht – als weltpolitischer Gegenpart der Amerikaner. Während bislang noch so etwas wie eine Koexistenz mit der Supermacht USA anzunehmen war, ist es nunmehr wieder eine klare Frontstellung, die Russland einnimmt. Und damit gibt es wieder so etwas wie eine bipolare Weltordnung.
Überhaupt scheint es so, als würde durch den Faktor der BRICSStaaten, also durch Staaten wie Brasilien, Russland, Indien, China sowie künftig wohl auch dem Iran und anderen Ländern, eine multipolare Welt Ordnung entstehen, in der die USA nur mehr ein Faktor unter vielen ist. Ob diese multipolare Weltordnung auch in der Lage sein wird, globale Stabilität herzustellen, ob so etwas wie ein Gleichgewicht der Mächte entstehen kann, bleibt abzuwarten. Fest steht allerdings, dass die Pax Americana, die durch die USA dominierte Weltordnung, sich ihrem Ende zu neigt.
Nach wie vor sind die USA allerdings die dominierende Wirtschaftsmacht auf diesem Planeten. Die US-Industrie, von den Amerikanern dominierte multinationale Konzerne beherrschen die Weltwirtschaft. Das Innovationspotenzial der USA – Stichwort: Silicon Valley – ist nach wie vor global führend. Zwar ist das soziale Gefüge der US-amerikanischen Gesellschaft und das Bildungsniveau in rasantem Abstieg begriffen, dennoch sind die USA in Sachen neue Patente und der technologischen Entwicklung weiter führend. Wer aber etwa den Zustand der amerikanischen Infrastruktur kennt, weiß, dass das Land streckenweise im Zustand eines Entwicklungslandes verharrt.
Und in kultureller Hinsicht muss man zwar anerkennen, dass die globalen Modetrends, insbesondere die Torheiten der political correctness, von den USA ihren Ausgang nehmen. Abgesehen davon aber ist das soziokulturelle Gefüge des Landes dem Zerbrechen nahe. Dies liegt naturgemäß zu allererst an der Massenzuwanderung aus dem lateinamerikanischen Bereich und an der Zunahme der farbigen Bevölkerung.
Die Dominanz der weißen angelsächsischen Protestanten ist längst Geschichte, und die Vereinigten Staaten drohen ein multikulturelles Gebilde mit der Dominanz der farbigen Bevölkerung und der Latinos zu werden. Damit schreitet die „Drittweltisierung“ der USA voran und der Abstieg der führenden Weltwirtschaftsmacht beschleunigt sich von Jahr zu Jahr.
Ob nun republikanische Präsidenten wie zuletzt Donald Trump die Losung „Make Amerika great again“ ausgeben und einen eher isolationistischen Kurs anpeilen oder ob demokratische Präsidenten versuchen, die Führungsrolle der USA in der Welt wiederaufzunehmen, ist letztlich unerheblich. Tatsache ist, dass die USA sowohl in ökonomischer Hinsicht als auch bevölkerungspolitisch und kulturell ein Land mit zunehmenden Problemen und Konflikten sind. Damit aber wird Amerikas Anspruch, weltpolitisch die dominierende Supermacht zu bleiben obsolet. Und auch der Anspruch der USA, ihr politisches und gesellschaftliches Rollenbild zum weltweiten Ideal hochzustilisieren und dieses möglichst, wenn notwendig auch mit militärischen Mitteln, durchzusetzen, ist ebenso hinfällig.
So steht das amerikanische Imperium zwar noch nicht vor dem Zusammenbruch, sein Machtanspruch ist aber weitgehend hinfällig. Irgendwo ähnelt das amerikanische Imperium seinem gegenwärtigen Präsidenten – es scheint von Altersschwäche geprägt zu sein. Wie weit die Europäer in der Lage sein werden, die zunehmende Schwäche des US-amerikanischen Imperiums für die Stärkung ihrer eigenen Position zu nützen, ist abzuwarten. Gegenwärtig stehen sie ja absolut unter der Dominanz des Pentagons und spielen in der NATO sowohl militärisch als auch politisch nur die zweite Geige. Im derzeitigen Konflikt mit Russland vollziehen die EU-Staaten mehr oder weniger eins zu eins die amerikanischen Vorgaben nach. Die Hoffnung, die vor etwa 20 Jahren bestand, dass sich nämlich die Europäer in der NATO von der US-Dominanz emanzipieren könnten und dass eine europäisierte NATO zu einer eigenen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik führen könnte, besteht indessen längst nicht mehr.
Dennoch steht außer Zweifel, dass der Niedergang des amerikanischen Imperiums die Europäer zu eigenen und insbesondere zu eigenen militärischen Projekten zwingen müsste. Sogar die Selbstverteidigung der EU gegenüber einem zunehmend selbstbewusster und aggressiver auftretenden Russland wäre ohne die USA gegenwärtig schwierig. Sollten die Europäer in einer multipolaren Weltordnung eine Rolle spielen, so werden sie machtpolitisch und militärisch eigenständig werden und auch eigenständig Anstrengungen erbringen müssen. So gesehen ist der Abstieg des amerikanischen Imperiums eine Chance für die Europäer!


Ein Blitzkrieg sieht anders aus!

8. Juli 2022

Die Russen erobern nunmehr also eine Stadt des Donbass nach der anderen. Die Region Lugansk ist bereits völlig in ihrer Hand, die Landbrücke im Süden in Richtung Krim ist längst gesichert und das erste Kriegsziel des Kremls, nämlich die „Befreiung“ des weitgehend von Russen bewohnten östlichen Teils der Ukraine ist nahezu abgeschlossen. Damit, so lassen uns die Experten wissen, ist die zweite Phase des Krieges in der Ukraine beendet.
Die erste Phase war der versuchte Vorstoß der russischen Einheiten in Richtung Kiew. Nachdem dieser Vorstoß aufgegeben wurde, bedeutete dies das Ende der ersten Phase. Nunmehr, mit der weitgehenden Eroberung des Donbass, war das eben die zweite Phase.
Optimisten hoffen nun, dass Wladimir Putin erklären könnte, er habe seine Kriegsziele erreicht und sei nun zu ernsthaften Verhandlungen bereit. Andere allerdings meinen, dass jetzt eine dritte Phase des Ukraine-Kriegs vor der Tür stünde. Eine dritte Phase, die entweder gekennzeichnet sein könnte durch die Rückeroberung großer Teile des Landes durch ukrainische Einheiten, oder aber durch einen weiteren Vormarsch der Russen.
Die Äußerungen westlicher Politiker, wie zuletzt etwa jene des bundesdeutschen Kanzlers Olaf Scholz, dass Wladimir Putin den Krieg auf keinen Fall gewinnen dürfe und der offenbar kompromisslose Wille der US-Amerikaner, Russland militärisch und machtpolitisch dramatisch zu schwächen, deutet darauf hin, dass der Krieg noch lange andauern könnte.
Allerdings mehren sich die Stimmen, die darauf hinweisen, dass ein militärischer Sieg der Ukraine eigentlich illusionär ist. Natürlich spielt Kiew auf Zeit. Je länger der Krieg andauert und je realistischer die Lieferung modernster westlicher Angriffswaffen wird, desto größer werden die Chancen, die russische Armee stoppen zu können.
Das Risiko dieser Strategie besteht allerdings darin, dass ein in die Enge getriebener Kremlherr weitere Eskalationsstufen des Konflikts in Angriff nehmen würde. Und da gibt es für Putin nicht nur die Möglichkeit, den Gashahn völlig zuzudrehen, er könnte auch die Lieferung nuklearer Brennstäbe für die europäischen Atomkraftwerke stoppen und damit wäre es mit unserer Stromversorgung wirklich zu Ende.
Und natürlich gäbe es für Putin da auch noch militärische Möglichkeiten zu eskalieren. Er könnte beispielsweise mit massiven Raketenangriffen die ukrainischer Hauptstadt Kiew in Schutt und Asche legen. Er könnte nukleare Gefechtsfeldwaffen einsetzen. Und schließlich gibt es da die ultimative Eskalationsstufe, nämlich den Einsatz strategischer Atomwaffen.
Der Gedanken, Russland militärisch völlig niederwerfen zu können, sollte also sehr rasch aufgegeben werden. Zu groß wäre die Gefahr aus einem bislang begrenzten militärischen Konflikt einen europäischen Krieg, wenn nicht einen Weltkrieg zu machen. Das Säbelrasseln, das zuletzt von der NATOTagung in Madrid zu hören war, sollte als bloße Drohgebärde betrachtet werden. Dass auch auf westlicher Seite Vernunft einkehren könnte, sah man zuletzt an der Deeskalation, die im Falle von Kaliningrad/Königsberg geübt wurde.
Sollte also auf allen Seiten die Vernunft die Oberhand gewinnen – was keineswegs der Fall sein muss – so wäre folgendes Szenario denkbar und vor allem wünschenswert: Die Ukraine erkennt, dass sie den Ostteil des Landes auf Dauer nicht rückerobern und schon gar nicht halten kann. Sie ist bereit, einen Waffenstillstand und damit einen „eingefrorenen Krieg“ mit Russland zu akzeptieren.
Der Westen und die NATO erkennen, das weitere Waffenlieferungen nur den Krieg verlängern würden, keineswegs aber einen Sieg über die russische Armee erzwingen könnten. Und der Kreml akzeptiert, dass die Zerschlagung der Ukraine als Gesamtstaat weder politisch noch militärisch möglich ist. Und letztlich müsste ein solcher Waffenstillstand Verhandlungen möglich machen, die eine militärische Neutralität der Rest-Ukraine zum Ziele hätten, wobei ein EU-Beitritt eine längerfristige Perspektive sein sollte.
Insgesamt muss das wiederholt werden, was an dieser Stelle schon öfter gesagt wurde: Neben der Ukraine, die gewaltige menschliche und materielle Verluste zu verzeichnen hat, ist der zweite große Verlierer dieses Kriegs zweifellos Russland. Ein Blitzkrieg, wie ihn Wladimir Putin offenbar geplant hatte, sieht zweifellos anders aus. Und derZermürbungskrieg, durch den die Russen nunmehr einen Teil der Ost-Ukraine gewinnen konnten, ist etwas, das sowohl sinnlos als auch allzu kostenintensiv – menschlich wie militärisch – ist.


Gaskrieg

30. Juni 2022

Wir befinden uns bekanntlich mitten im Gaskrieg, im Gaskrieg zwischen dem Westen und Putins Russland. Unter Gaskrieg verstand man in früheren Zeiten etwas ganz anderes: nämlich das mörderische Ringen an den Fronten des Ersten Weltkriegs, bei dem auch Giftgas massenhaft eingesetzt wurde. Gelbkreuz und andere tödliche Substanzen wurden damals massenhaft an den Fronten eingesetzt, mittels Granaten und Minen, um den jeweiligen Gegner in den Tod zu schicken.
Heute bedeutet Gaskrieg etwas ganz anderes, nämlich die Drosselung, beziehungsweise der gänzliche Entzug von Gaslieferungen von Russland an den Westen, insbesondere an die Staaten der Europäischen Union, speziell an Deutschland und Österreich. Und dieser Gaskrieg ist nunmehr offenbar voll ausgebrochen.
Deutschland hat die entsprechende Alarmstufe ausgerufen, und in Österreich versucht man zwar abzuwiegeln, ist sich aber durchaus auch im Klaren, dass die Situation kritisch werden könnte. Einig ist man sich allenthalben in der Empörung über das Vorgehen Russlands. Und einig ist man sich auch darin, dass man sich von Putin nicht erpressen lassen solle.
Da darf man dann allerdings schon die Frage stellen, ob irgendjemand so naiv sein konnte zu glauben, dass Russland die Gaswaffe nicht einsetzen würde. Wenn der Westen indessen sechs Sanktionspakete gegen Russland geschnürt und mit der Lieferung schwerer Waffen unmittelbar Partei ergriffen hat im Ukraine Krieg, war es keineswegs ein Wunder, dass Russland darauf antworten würde.
Der Westen befindet sich de facto in einem Wirtschaftskrieg mit Russland, die Sanktionen sind die schweren Geschütze dieses Wirtschafts­krieges.
Und Russland antwortet mit ebenso schweren Geschützen, nämlich mit der Drosselung, beziehungsweise dem Entzug der Gaslieferungen.
Und jene Politik, die da geglaubt haben mochte, trotz dieser kriegerischen Aktivitäten gegen Russland weiter vertragsgemäß mit Gas beliefert zu werden, muss als fahrlässig und überaus einfältig bezeichnet werden.
Den Preis für diese Politik haben nunmehr die Menschen im Westen, insbesondere in der Europäischen Union zu bezahlen, und auch das an sich neutrale Österreich leidet massiv unter dieser fehlgeleiteten Politik. Erst jüngst wieder auf dem G7 -Gipfel im bayerischen Elmau bekräftigten die führenden Politiker der westlichen Industriestaaten – Österreichs Kanzler war klarerweise dabei nicht anwesend – die Sanktionspolitik gegenüber Russland. Offiziell unter Federführung des deutschen Kanzler Scholz, in Wahrheit aber auf ein Diktat der US-Amerikaner, die durch Präsident Biden vertreten waren.
Die militärische Antwort der Russen erfolgte auf den Fuß: Kiew wurde mit Raketen beschossen und die russische Armee errang im Donbass weitere Geländegewinne. Und natürlich wurde auch die Gaswaffe nachgeschärft: die Lieferungen nach Deutschland und Österreich wurden prompt entsprechend gedrosselt.
Und es war dem oberösterreichischen FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner vorbehalten, in einer ORF-Diskussionssendung darauf hinzuweisen, dass unsere Probleme mit den Gaslieferungen die unmittelbare Folge der Sanktionspolitik gegenüber Russland seien.
Und dabei warf er die Frage auf, ob die Österreicher jemals demokratisch befragt wurden, ob sie diese Art von Politik wollten und ob sie bereit seien, dafür auf ihren Wohlstand und die Sicherung des Energiebedarfs zu verzichten.
Haimbuchner dürfte damit zweifellos die Meinung der Mehrheit der Österreicher artikuliert haben, allein die etablierte Politik innerhalb der Europäischen Union, aber auch jene der österlichen Bundesregierung bleibt auf ihrer Linie: Mit allen Mitteln weiter gegen Russland, koste es, was es wolle. Und auch wenn dies auf den militärischen Ausgang der Auseinandersetzung kaum einen Einfluss haben dürfte, außer jenen, dass der Krieg noch lange blutig und zerstörerisch andauern wird. Und auch wenn dies massive negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der eigenen Bürger haben wird.
So sind also wir Österreicher, aber auch die Europäer insgesamt die relativ einflusslosen Trittbrettfahrer der US-amerikanischen Politik in einem Stellvertreterkrieg Amerikas gegen Russland. So sehr der Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine aus völkerrechtlicher Sicht zu verurteilen ist, so fragwürdig ist es, insbesondere für uns neutrale Österreicher, dass wir in dieser Auseinandersetzung Partei ergreifen müssen und damit letztlich Opfer derselben sind.
Opfer des gegenwärtigen Gaskriegs.


EU-Beitritts-Perspektive, eine gefährliche Drohung

23. Juni 2022

Da haben die Granden der EU in diesen Tagen der Ukraine also eine Beitrittsperspektive zum vereinten Europa eröffnet. Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron haben da große Worte verloren und in Kiew Versprechungen abgegeben, die wohl kaum oder zumindest nicht allzu rasch erfüllt werden können. Aber immerhin scheint dies besser zu sein als die Lieferung schwerer Angriffswaffen, die im militärischen Konflikt zu einer weiteren Eskalation führen müssten.
Die Beitrittsperspektive zur EU ist, wenn überhaupt, dann nur so etwas wie eine moralische Unterstützung. Derlei Beitrittsperspektiven haben bekanntlich auch eine Reihe andere Länder. So etwa die Türkei, die zunehmend ein autokratisch regierter islamischer Staat geworden ist. Oder seit neuestem auch Moldawien, das ärmste Land Europas. Und das nur, um Wladimir Putin eines auszuwischen.
Und natürlich die Staaten des Westbalkans, die so etwas wie das Pulverfass Europas waren und sind. Soll durch den Beitritt zur EU auf Dauer befriedet werden. Wenn das nur so leicht ginge. Der Kosovo und Bosnien-Herzegowina sind nach wie vor hoch explosive Konfliktregionen. Zwar nicht so gefährlich wie derzeit die Ukraine, in der ja der reale Krieg tobt, aber doch hochbrisant. Aber was bedeutet eine Beitrittsperspektive zur EU realpolitisch? In der Vergangenheit war dies die Möglichkeit, einem sicheren, von Frieden und Wohlstand geprägten Staatenverband beizutreten. Heute ist dies längst nicht mehr. Wohlstand gibt es nur mehr in sehr geringem Maße! Die Möglichkeiten Brüssels, Milliarden-Förderungen für neue Mitglieder zu verteilen, werden in Zukunft immer geringer. Und was die Sicherheit betrifft, so sehen wir gegenwärtig im Fall des Ukrainekriegs, dass es damit auch nicht weit her ist.
Und das dritte Versprechen der EU schließlich, die Freiheit und die Demokratie, sind in unseren Tagen auch zunehmend infrage gestellt. Man bedenke nur die Einschränkungen der Bürgerrechte in der Corona-Pandemie. Und überhaupt stellt sich die Frage, ob die Europäische Union, die all diesen negativen Entwicklungen und die Belastungen ausgesetzt ist, in Zukunft überleben wird. Wenn die Ukraine und die Staaten des Westbalkans möglicherweise in fünf oder zehn Jahren wirklich der Union beitreten könnten, dürfte diese womöglich bereits einen ganz anderen Charakter angenommen haben. Und dieser wird wohl nicht durch größere Stärke und Stabilität geprägt sein, sondern eher durch Schwäche und Zerfallserscheinungen.
Wer weiß, ob das Wirtschaftsgefüge der EU und die Einheitswährung Euro die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise überdauern werden. Wer weiß, ob die Inflation nicht zu einer galoppierenden wird und damit den Wohlstand innerhalb der EU völlig zerstört.
Und wer weiß, ob nicht militärische Gefährdungen auf uns zu kommen, die einen ganz anderen Charakter haben, als wir sie bisher kennen. Etwa eine massenhafte Invasion aus Schwarzafrika oder anderen Teilen der Dritten Welt, die keineswegs mit Waffen erfolgen muss, sondern nur durch die Migration von Abermillionen Armutsflüchtlingen.
All diese dystopischen Möglichkeiten zeichnen ein Bild der Europäischen Union, welches für Beitrittskandidaten, sei’s nun die Ukraine oder die Staaten des Westbalkans, nicht mehr sehr reizvoll wären.
Und sollten alle diese pessimistischen Annahmen nicht eintreffen, so stellt sich doch die Frage, ob die Europäische Union selbst durch den Beitritt solcher Länder wie der Ukraine nicht in einem so hohen Maße gefährdet wäre, dass damit erst recht eine negative Entwicklung in Gang kommen müsste.
Wie man es dreht und wendet, die EU-Beitrittsperspektiven sind keine sehr erfreu­lichen.