Ein Jahr Corona – und keiner kennt sich mehr aus

18. März 2021

Hände waschen, Abstand halten und Maske tragen – dann werde alles gut, hat man uns vor Jahr und Tag erklärt, als das Corona-Virus einmarschierte. Mit infantil-idiotischen Metaphern wie dem Baby-Elefanten versuchte man uns klar zu machen, was denn Abstand sei. Mittels einer Flut von neudeutschen Pseudo-Fachbegriffen wie „Lockdown“, „Contact-Tracing“ , „Superspreader“ oder zuletzt „Gamechanger“ versuchte man, uns auf den Ernst der Lage einzustimmen, und eine ganze Armee von Virologen, Epidemiologen und Seuchenexperten eroberte die Bildschirme und die Gazetten.

Dieses Thema wird auch in unserem neuen ZurZeit-Podcast behandelt.


Die Strategien, mittels derer die Regierenden und diese Armee von mutmaßlichen Fachleuten die Pandemie bekämpfen wollten, waren vielfältig, widersprüchlich und samt und sonders erfolglos: Da gab es die Corona-App des hoch zusatz-bezahlten Rot-Kreuz-Chefs, dann die Corona-Ampel, schließlich die Corona-Massentestungen vor Weihnachten und nun – als ultimativen „Gamechanger“ – eben die Impfungen.
Nun mögen diese mittel- oder längerfristig tatsächlich das Werkzeug sein, um die Epidemie zu besiegen, was sich aber rund um diese Impfungen abspielte, war und ist schlicht skandalös. Ganz abgesehen davon, dass hier multinationale Pharmakonzerne unter skrupelloser Ausnutzung der Notlage der Menschen Milliardengeschäfte machen, mittels Milliardenförderung durch die jeweiligen Staaten und mittels überhöhter Preise. Ganz abgesehen davon hat sich da im Hintergrund offenbar ein mafiös organisierter Basar etabliert, für den speziell scheinbar Österreichs Verhandler zu einfältig oder zu geizig, jedenfalls erfolglos war.
Und so hat man den Eindruck, dass unsere Regierenden – aber wohl auch jene in den meisten anderen Staaten – von zunehmender Ratlosigkeit erfasst werden. All die Maßnahmen nützen kaum oder nur bedingt und sie werden von den Menschen schlicht und einfach nicht mehr akzeptiert. In Ländern mit hoher Durchimpfungsrate steigen die Infektionszahlen dennoch, Lockdowns dämpfen die Seuche kaum, sie schaden allerdings mit Sicherheit in katastrophalem Maße der Wirtschaft. Und überdies erweist sich, dass der eine oder andere Impfstoff doch gefährlicher ist, als die Regierungspropaganda uns alle wissen lassen wollte.
Und nun beginnen die ratlosen Regierenden natürlich, einander die Schuld an den versagenden Strategien zuzuschieben. Österreichs juveniler Bundeskanzler scheint diesbezüglich besonders begabt zu sein. Nach dem Motto „ich war’s nicht, die andern sind schuld“ schiebt man nun den schwarzen Peter auf leitende Beamte. Der allzu konservativ anmutende Träger eines brustlangen Vollbarts Clemens Auer scheint dafür ein geeignetes Opfer zu sein, und der politisch verantwortliche Gesundheitsminister ist offenbar drauf und dran, sich ein zweites Mal in einen Burn-out zu flüchten.
Ob die hierzulande regierende türkis–grüne Koalition das Impfdesaster und das Versagen in der Corona-Bekämpfung politisch überleben wird, ist im Zusammenhang mit der Seuchenbekämpfung eigentlich sekundär. Das in unseren Medien immer wieder gehörte Argument, man dürfe doch während der Pandemie keine vorgezogenen Neuwahlen vom Zaun brechen, ist übrigens lächerlich, da in allen möglichen anderen Ländern – zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland – sehr wohl gewählt wird, trotz Pandemie und trotz Lockdowns.
Aber die politische Verantwortung wird man den Regierenden nicht abnehmen können. Auch wenn der Bundeskanzler sich an einem altschwarzen CVer-Beamten abputzt, auch wenn Rudi Ratlos am liebsten wohl alles hinschmeißen würde und in die politische Frühpension gehen möchte, verantwortlich für Pleiten, Pech und Pannen in der Corona-Bekämpfung sind sie – und niemand anderer. Wenn wir zu jenen EU-Ländern gehören, die den stärksten Wirtschaftseinbruch zu verzeichnen haben, bei der Durchimpfung der Bevölkerung hinterherhinken, wenn bei uns im Zuge der Seuchenbekämpfung – Stichwort FFP2-Masken – korruptionsverdächtige Geschäfte gemacht wurden, dann liegt die Verantwortung nicht bei den Bürgern des Landes, nicht bei den Medien und nicht bei der Opposition, sie liegt bei der Regierung. Und so hatte das vergangene Coronajahr wenigstens ein Gutes: Es hat uns das wahre Gesicht, die wahre Qualität unserer Regierung gezeigt. Kein Wunder, dass die Zustimmung für diese Regierung in den Umfragen längst weit unter 50 % gesunken ist.


Machtspiele – verspielte Mächtige

9. Mai 2020

Österreichs politische Landschaft als Spielwiese der Mächtigen

Was soll, was muss Politik eigentlich tun im freiheitlichen Rechtsstaat in der parlamentarischen Demokratie? Nur so viel wie absolut notwendig, möglichst wenig also, lehren uns die Prinzipien des liberalen „Nachtwächterstaates“ und so ist es in entwickelten Demokratien! Dort ist alles erlaubt, was nicht verboten ist! Und zwar verboten durch korrekt und formal richtig zustande gekommene Gesetze im Zuge des parlamentarischen rechtsstaatlichen Verfahrens. Gesetze wohlgemerkt und keine ministerlichen Erlässe, keine Notverordnungen (nach Aushebelung des Parlaments) und schon gar keine geschmäcklerischeren Empfehlungen irgendwelcher hohen Herren. Und wenn etwas verboten ist, so ist es nur möglich zum Schutz anderer Rechtsgüter oder eben der Rechte anderer Bürgern.
In den letzten Wochen erlebten wir nun eine völlig andere Situation: Plötzlich war das Land beherrscht von einer neuen paternalistischen Politik, und in schönster Untertanenmentalität fragten die Bürger zaghaft bei der Obrigkeit deroselbst an, was denn erlaubt sei, was sie tun dürfen und was sie lassen müssten. So nach dem Motto: Hierzulande ist alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist. Und die Regierenden ließen sehr rasch erkennen, dass sie Geschmack fanden an dieser neuen Situation: Da verbreitete der Bundeskanzler – offenbar strategisch geplant – Furcht und Strecken in der Bevölkerung, mit dem Verweis auf 100.000 Coronatote, jeder würde einen kennen, und auf die „Ruhe vor dem Sturm“. Und ein grüner Vizekanzler, der bislang als ach so liberal und tolerant galt, äußerte in der besten Manier eines Zuchtvaters, dass man „die Kette auspacken“ würde, wenn die Bevölkerung nicht diszipliniert bliebe. Vom Innenminister ganz zu schweigen, der mit triumphaler Körpersprache wöchentlich aufs Neue verkündete, wie viele rigorose Bestrafungen „seine Polizei“ getätigt hätte.
Und siehe da, die Bevölkerung, der Wahlbürger, schien dies zu goutieren. Alle Meinungsumfragen bestätigen, dass die Bevölkerung in hohem Prozentsatz hinter der Regierung und ihren Maßnahmen stand. Sowohl die türkis eingefärbte Partei des Bundeskanzlers als auch seine grüne Adlatus-Gruppe vermochten Traumwerte bei den Umfragen zu erzielen. Würde gegenwärtig gewählt werden, hätten sie wohl eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Und genau an diesem Punkt kann man feststellen, dass neben den Erfordernissen der Krisenbewältigung – möge man diese nun gut oder schlecht finden – politische und zwar pro Partei politische Machtspiele inszeniert werden. Zwar ist es in der Demokratie, insbesondere in Parteienstaaten, absolut legitim, wenn man Politik auch zur taktischen Vorteilsnahme für die eigene Partei nützt, es ist aber wenig anständig, wenn man mit forcierten Krisenängsten parteipolitisches Kleingeld macht. Von der politischen Moral her hat die Politik das zu tun, was notwendig ist. Die politischen Akteure, die Machthabenden, die Regierenden haben das Notwendige zu tun, um Not abzuwenden von der Bevölkerung, vom Souverän, von den Menschen, von denen sie gewählt werden. Wenn sie dann zum Dank oder als Anerkennung auch bestätigt werden, d.h. also wieder gewählt werden, wenn sie also das Vertrauen der Bürger erneut bekommen, ist das Ausdruck politischer Vernunft und durchaus pragmatischer Zustimmung durch die Menschen.
Wenn man sich diese aber durch Angstmache, durch Verdrehungen, durch Täuschung erschleicht, muss man das als üble Machtspiele bezeichnen. Dass Parteistrategen und Spindoktoren neben den Experten für die Krisenbekämpfung genau derlei Machtspiele inszenieren, ist in unserer Politik längst Selbstverständlichkeiten geworden. Kritisch wird es allerdings, wenn die Experten für die Krisenbekämpfung und die Parteistrategen ident sind und wenn man sich als Analytiker und kritischer Bürger fragen muss, was denn bei ihrer Beurteilung und bei ihrer Betätigung dominant war: das Machtspiel oder die Krisenbekämpfung.
Die türkise Truppe des Sebastian Kurz, die gegenwärtig den Eindruck einer höchst kompetenten und höchst erfolgreichen Krisenbewältigungsgruppe  machen will, ist zweifellos auch ein erfolgreiches Spieler-Team in Sachen Machtspiele: Ein knappes Dutzend junger Leute, alle um die 30, zumeist ohne größere Lebenserfahrung, ohne sonderliche berufliche Höchstleistungen, weitgehend auch ohne Familien, schlichtweg ohne Lebenserfahrung, hat ein politisches System entwickelt, einen Modus der Machtspiele, mittels dessen man zuerst einmal die alte ÖVP-Garde und den vormaligen Obmann Mitterlehner aushebelte. Diese juvenile Truppe hat es auch geschafft, die ÖVP-Granden in den Bundesländern und in den Bünden der Volkspartei ruhig zu stellen. Und sie beherrscht mittels „Message control“ nicht nur den eigenen Informationsapparat, sie hat es in der Krise mittels millionenschwerer Subventionen geschafft, sich die Mainstreammedien des Landes, vom Staatsfunk ORF über die Boulevardzeitungen bis hin zu den selbst ernannten Qualitätsblättern, gefügig zu machen. Der ORF als reiner Regierungsfunk hat Quoten wie kaum jemals zuvor. Die früher den Regierenden immer wieder höchst lästigen Boulevardblätter sind ebenfalls zu Verlautbarungsorganen der Regierung verkommen. Die größte Tageszeitung des Landes – Hans Dichand wird sich im Grabe umdrehen – ist zur Angstmache-Postille im Sinne der Regierungsmaßnahmen verkommen, und die beiden Leitfossilien am Qualitätsmedienmarkt, der „Standard“ und die „Presse“, könnten gegenwärtig Blattlinie und Kommentierung nahezu austauschen.
Diese juvenile Truppe um Sebastian Kurz hatte Ihresgleichen in der Geschichte Österreichs – wenn auch natürlich jeweils unter anderen Umständen – vielleicht nur in der Buberlpartie des Jörg Haider und Jahrzehnte zuvor – natürlich unter völlig anderen, höchst verwerflichen den Umständen – im Kreise der österreichischen Gauleiter zur Anschlusszeit, die samt und sonders auch noch keine 30 Jahre alt waren. Dieser Juvenilitätswahn, der sich in dem bislang erfolgreichen Agieren der Kurz-Truppe manifestiert, war natürlich auch ein Kennzeichen der Achtundsechziger in den ersten Jahren nach ihrem politischen Marsch durch die Institutionen. Indessen sind diese 68er längst zu Alt-68ern geworden, wie etwa der grüne Vizekanzler. Sie scheinen aber einen gewissen Gefallen oder zumindest eine gewisse Toleranz gegenüber den Machtspielen der Kurz-Truppe zu haben. Machtspiele waren der Linken mit ihren zahlreichen Fraktionierungen von den Maoisten bis zur Gruppen der revolutionären Marxisten nicht fremd und so etwas wie ein gewisser autoritärer Grundzug in der Politik einstiger kommunistischer, maoistischer Sympathisanten ist vielleicht ebenso vorhanden und trifft sich dann mit dem kaum verdeckten autoritären Neigungen , die sich in der Kurz-Truppe manifestieren. Boshafte Beobachter nennen dies das „Dollfuß-Gen“.
Aber die Machtspiele der Kurz-Truppe haben es immerhin geschafft, eine Regierungskoalition mit den Sozialdemokraten zu brechen, eine solche mit den Freiheitlichen vorzeitig aufzulösen und nunmehr mit den Grünen – wie lange noch – zu paktieren. Diese Machtspiele haben auch etwas Spielerisches. Die juvenile Truppe des Sebastian Kurz scheint solcher Art die politische Landschaft aber auch als Spielwiese zu betrachten, als Spielwiese, auf der sie Strategien erproben, taktische Finessen durchexerzieren und Grenzen ausloten. So haben sie beispielsweise dieGrenzen der Belastbarkeit der Bevölkerung ausgelotet, sie haben erprobt, wie schnell und wie leicht man Bürgerrechte, Grundrechte aushebeln, suspendieren kann und sie haben natürlich auch die Belastbarkeit und die Leidensgrenze ihrer politischen Gegner, sprich der parlamentarischen Opposition, ausgetestet.
Alldem haftet eine gewisse spielerische Leichtigkeit der politischen Strategie und der Maßnahmen an. Und es ist auch eine spielerische Inszenierung, von der diese ganzen politischen Machtspiele begleitet werden: Die Inszenierung der Pressekonferenz, der Einmarsch im gleichen Abstand, gewissermaßen in Gleichschritt mit aufgesetzten Masken, das Ritual der nahezu täglichen Pressekonferenzen und die geradezu liturgische Präsenz in den Verlautbarungsmedien, also in insgesamt allen Mainstreammedien. Ausgetestet hat diese juvenile Gruppe im Zuge ihrer Machtspiele auch die Gefügigkeit des etablierten Journalismus. Sie hat es geschafft, dass der eine oder andere so genannte Anchorman des Staatsfunks Gefälligkeitsinterviews ohne nachzufragen durchführt. Allenfalls gibt es wohlwollende Scheinkritik. Und sie hat es geschafft, die wenigen Nonkonformisten – Querulanten gewissermaßen – zu lokalisieren, die sich vereinzelt noch gegen die Regierungsmaßnahmen zu Wort gemeldet haben.
Was daraus werden wird, ist ungewiss. Es wäre weit überzogener Alarmismus, zu behaupten, dass Sebastian Kurz und sein türkises Küchenkabinett von der paternalistischen Staatsführung hin zu einer autoritären gelangen wollte, mit erfolgreicher „Message control“ aller Mainstream-Medien, der Marginalisierung jeglicher parlamentarischer Opposition. Die Versuchung zu einer Politik dieser Art mag vorhanden sein, allein sie dürfte von den Mechanismen des Rechtsstaats, unserer Verfassung und den Usancen unserer entwickelten in Demokratie bereits im Keim erstickt werden. Und wenn die Menschen des Landes in ihrer qualifi zierten Mehrheit merken, dass neben den zweifellos notwendigen Krisenbekämpfungsmaßnahmen massive Machtspiele getrieben wurden, wird die Zustimmung in den Umfragen beziehungsweise in allfällig anstehenden Wahlen auch dramatisch sinken.

 


Regierung in zwei Welten

22. Januar 2020

Es sei „das beste aus zwei Welten“, das sich im Regierungsprogramm der türkis–grünen Koalition widerspiegelt, so ließen es uns Sebastian Kurz und Werner Kogler bei der Präsentation der neuen Bundesregierung wissen. Wenn man sich die Vorstellungen der linkslinken Grünen und die der mehr als wirtschaftsaffinen Türkisen anschaut, dann muss man tatsächlich erkennen, dass es sich hier um zwei politisch ideologische Parallel-Universen handelt: Hier regieren nicht zwei Parteien miteinander, sondern bestenfalls nebeneinander. Und es ist eine Frage der Zeit, bis sie gegeneinander regieren.
Vorläufig allerdings gibt es viel grüne Rhetorik. Das Wort Klima kommt in jedem zweiten Satz des Regierungsprogramms vor, und die grüne Phantasmagorie, dass man durch ihre Politik doch den Planeten retten werde, schimmert überall durch. Wie das konkret gehen soll, wird einem allerdings nicht gesagt. Und de facto ist es natürlich die türkise Handschrift, die das gesamte Regierungsprogramm dominiert. Wenn Kurz vor der Wahl behauptet hat, er werde eine vernünftige „Mitte-Rechts-Politik“ weiterführen, so durfte man früher ja annehmen, dass die ÖVP Mitte sei und der blaue Koalitionspartner rechts. Nachdem er nunmehr ja immer noch von einer Mitte-Rechts-Politik spricht, müsste man kurioserweise davon ausgehen, dass Mitte und Rechts, er Kurz und seine türkise Truppe sei.
Dies erweist sich vorläufig allerdings nur im Bereich der Symbolpolitik und des verbalen politischen Anspruchs. Da erfahren wir dankenswerterweise, dass man dem UN-Migrationspakt gottlob doch nicht beitreten wolle (auch wenn das der Herr Bundespräsident dringend vermisst) und die Sicherungsverwahrung soll ebenfallstrotz massiver grüner Bedenken umgesetzt werden. Und natürlich äußert sich Kurz weiter gegen Schlepperorganisationen und gibt vor, die erneute Schließung der Balkanroute vornehmen zu wollen. Logischerweise ergibt sich diese politische Verbalerotik daraus, dass Kurz jenen beachtlichen Wähleranteil, den er aus dem vormaligen FPÖ-Elektorat geerbt hat, bei der Stange halten will. Und dies scheint ihm – ebenso vorläufig – auch zu gelingen. Und sogar die medial unglaublich hochgejubelten Grünen legen zu und sollen dem Vernehmen nach bereits zweitstärkste Kraft im Lande sein. Dies sind aber zweifellos Momentaufnahmen, und Umfragen sind – Gott sei Dank – keine Wahlergebnisse.
Wovon man bei näherer Analyse des Regierungsprogramms jedenfalls mit Sicherheit ausgehen kann, ist dass Kurz und seine „Schnöseltruppe“ (© Werner Kogler) die Interessen der Wirtschaft und der multinationalen Konzerne konsequent vertreten werden. Ob die türkis dominierte Bundesregierung tatsächlich die Identität Österreichs erhalten will, ob sie illegale Massenzuwanderung verhindern wird, ob sie den Bürgerwillen umsetzen will, ist eine andere Frage. Wie sehr die linke Chaostruppe, die bei den Wahlen gerade mal 14 Prozent gemacht hat und keine Mehrheit hat, sich durchsetzt, erscheint offen zu sein. Dass sie Oberwasser erhält, ist allerdings offensichtlich, wie man beispielsweise an den Uni-Demonstrationen der Anarchos gegen den freiheitlich-konservativen Historiker Lothar Höbelt bemerken kann. Ein weiterer Gradmesser für das offensive Verständnis des Links-Extremismus – der im Regierungsprogramm im Gegensatz zum Rechts-Extremismus kein einziges Mal erwähnt wird – werden die Proteste gegen den Wiener Akademikerball an diesem Wochenende sein. Da protestieren ja die „guten zukunftsorientierten Linken“ gegen die „bösen rückwärtsgewandten Rechten“. Wie die grünen Regierungsmitglieder darüber denken, können wir uns allerdings auch denken. Und dass der neue türkise Innenminister in Angelegenheiten wie diesen eine ambivalente Haltung einnehmen wird, können wir vermuten. Es hat eben ein politisch-ideologischer Paradigmenwechsel im Lande stattgefunden: von Mitte Rechts zu Mitte-Links – auch wenn dies Herr Kurz dem Wählerpublikum zu unterschlagen versucht.


Drehbuch Wolfgang Schüssel 2002

5. Juni 2019

Neuwahlen stehen vor der Tür, nachdem die schwarz–blaue Koalition zerbrochen ist. 2002 war es Knittelfeld, dieses Mal ist es Ibiza. Der feine Unterschied ist allerdings, dass auch der schwarze Bundeskanzler mittels Misstrauensantrag in die Wüste geschickt wurde. Dennoch dürfte das politische Drehbuch für Sebastian Kurz „Wolfgang Schüssel 2002“ heißen. Erinnern wir uns: Damals traten die freiheitlichen Minister zurück und die FPÖ stürzte ins Chaos.
Politische Beobachter sprachen allgemein von einer blauen Implosion. Die Partei war zerrissen und zerstritten. Klubobmann Westenthaler sagte Adieu, um gleich darauf bei Stronach – oder war’s die Bundesliga? – anzuheuern. Susanne Riess-Passer, die freiheitliche Vizekanzlerin, sollte bald darauf bei Wüstenrot anfangen, ihr damaliger Gatte erhielt einen lukrativen Konsulentenvertrag bei Frank Stronach und der Kurzzeit-Parteichef und Spitzenkandidat Mathias Reichhold wurde gar Weltraumbeauftragter bei Stronach. Und der bisherige Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die Nachwuchshoffnung der Freiheitlichen, wechselte flugs ins schwarze Lager, um in der nächsten Periode noch einmal Finanzminister von Schüssels Gnaden zu werden. Die FPÖ war fertig und wurde vom wackeren Herbert Haupt am Wahltag gerade noch mit zehn Prozent der Wählerstimmen abgefangen. Wolfgang Schüssels Volkspartei hingegen erlangte 42 Prozent.
Das wäre es, was in den schwülen Träumen des Sebastian Kurz auch im Jahr 2019 Realität werden sollte. Dazu müsste man allerdings den Vernichtungsfeldzug gegen die Freiheitlichen weiterführen, so nach dem Muster des Jahres 2002. Und erste Ansätze, Zwietracht in die blauen Reihen hineinzutragen und Streit und Spaltung herbeizuführen, gibt es ja. Da werden Gerüchte gestreut, dass es eine Parteispaltung geben werde, wenn H.-C. Strache das EU-Mandat annehme und er von der Wiener Landesgruppe unterstützt würde. Daher wird kolportiert, die oberösterreichische FPÖ würde ein Ausschlussverfahren gegen Strache anstrengen. Da wird in die neue freiheitliche Parteispitze ein Zwist hineingeheimnist, der zwischen Herbert Kickl und Norbert Hofer existieren sollte. Und natürlich versucht man auch, Leute herüberzuziehen. Man sollte nicht vergessen, dass die parteifreie, aber auf FPÖ-Ticket gewesene Außenministerin Karin Kneissl den gemeinsamen Rücktritt nicht mitgemacht hatte.
Und so wird man sicher von Seiten der schwarzen Spindoktoren das Schüssel-Drehbuch von 2002 auf die heutigen Gegebenheiten umzusetzen versuchen. Allein, die politische Realität sieht anders aus. Da ist einmal die freiheitliche Stammwählerschaft, die sich offenbar vom zum Megaskandal hochstilisierten Ibiza-Video nicht so sonderlich beeindrucken lässt. Sie hat bei der EUWahl weitgehend die Treue gehalten. Und dann ist da eine Bundespartei, unterstützt von neun Landesgruppen, die weitgehend geschlossen und in kameradschaftlicher Verbundenheit politisch agiert. So wie ein Parlamentsklub von gut 50 hochqualifizierten Abgeordneten, die die politische Linie der Partei auch ohne den langjährigen Bundesobmann weitertragen. Kein Wunder also, dass die Umfragen auch nach Ibiza für die FPÖ 20 Prozent plus vermelden.
Da wird es also für die politischen Gegner der FPÖ nicht ganz so leicht sein, den Vernichtungsfeldzug zu einem fröhlich-brutalen Ende zu führen. Auch wenn natürlich die großen Medienorgeln des Landes – angefangen vom ORF – Begeisterung, und mit Leidenschaft unermüdlich ins FPÖ-Bashing einstimmen. Und am brutalsten ist die größte Tageszeitung des Landes, über deren Verkauf auf Ibiza ja geplaudert wurde und die ja zum Teil tatsächlich von einem Kurz-Intimus gekauft wurde. Sie schreibt nunmehr täglich gegen die Blauen an und hofft, solcherart den politischen Exitus herbeiführen zu können. Claus Pándi und Konsorten vergessen dabei allerdings, dass sie dabei auch gegen einen guten Teil der eigenen Leserschaft anschreiben. Eine gute Million des freiheitlichen Elektorats dürfte nämlich auch traditionell „Krone“-Leser sein und sieht sich nunmehr mit einer täglichen Beschimpfungsorgie konfrontiert. Dass diese Partei – und damit auch ihre Wähler – moralisch und ethnisch letztklassig seien, dass sie eine Gefährdung für die Demokratie darstellten, regierungsunfähig wären und überhaupt niemals mehr in politische Verantwortung dürften. Ob diese runde Million an „Krone“-Lesern auch tatsächlich nur auf die Parteiführung gemünzt versteht – oder sich nicht doch selbst dadurch attakkiert fühlt? Die Auflage des größten Kleinformats des Landes könnte es vielleicht demnächst spüren.
Dennoch ist die Republik nach der nahezu zur Staatskrise hochgeputschten Affäre wieder in ruhigerem Fahrwasser gelandet. Eine Beamtenregierung wird das Land mehr oder weniger kompetent regieren. Sie ist streng großkoalitionär Schwarz–Rot zusammengesetzt, wobei alibimäßig auch ein FPÖ-naher Minister agieren darf.
Wenn es bei der Zusammensetzung dieser Regierung tatsächlich politische Ausgewogenheit gegeben hätte, müsste zumindest ein Viertel der Regierungsmitglieder freiheitlich sein. Aber was heißt schon Ausgewogenheit, politische Fairness und demokratische Gerechtigkeit, wenn es gegen die FPÖ geht.
Da ist gegenwärtig alles erlaubt.


Hundert Tage Schonfrist

21. März 2018

Seit hundert Tagen ist die türkis- blaue Regierung nunmehr im Amt, seit hundert Tagen werkt Sebastian Kurz mit seinem Team, arbeitet Heinz-Christian Strache mit seinen Kameraden und -innen am Wiener Ballhausplatz beziehungsweise am Minoritenplatz. Üblicherweise gibt es innerhalb dieser Frist für neue Regierung so etwas wie mediale Schonfristen, die neue österreichische Mitte- Rechts-Regierung konnte sich einer solchen Schonfrist nicht erfreuen.
Diesmal sind die Freiheitlichen im vergangenen Wahlkampf und dann in der Phase der Regierungsverhandlungen medial und insgesamt in der öffentlichen Bewertung ihres Auftretens recht gut weggekommen sind. H.-C. Strache wurde eine neue staatsmännische Zurückhaltung attestiert, ist seit dem Regierungsantritt anders. Seit Jahresbeginn haben die politischen Gegner und die Mainstream-Medien eine regierungskritische Strategie entwickelt, die in erster Linie auf dem Rücken der Freiheitlichen und zu Lasten ihres Kernwählerpotentials über die Bühne geht. Im Wesentlichen waren es drei Themenbereiche, über die man dem freiheitlichen Koalitionspartner durch die Medien gepeitscht hat: Das Anti-Rauchervolksbegehren, die Burschenschafter und zuletzt das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Die Aufhebung des totalen Rauchverbots, das ab kommenden Mai auch in Österreich über die Bühne gehen hätte sollen, war für die freiheitlichen Regierungsverhandler zweifellos ein eher nebensächliches und kurioses Randthema. Es wurde allerdings medial ziemlich in den Mittelpunkt gestellt und dass nunmehr das Volksbegehren gegen diese Aufhebung des Rauchverbots schon in der Einleitungsphase nahezu eine halbe Million Menschen motivierte, hat die Regierung, insbesondere den Vizekanzler, zweifellos überrascht. Aufgrund gegenseitiger Blockade der Koalitionsparteien ist man aus der diesbezüglichen Falle nicht herausgekommen.
Nun scheint man darauf zu hoffen, dass das Ganze in Vergessenheit gerät. Kurz und Strache werden den Regierungsgegnern diesen Gefallen aber kaum tun.
Und dann die Burschenschaften, unglaublich skandalöse Enthüllungen der einen oder anderen linkslinken Gazette über saublöde, ungustiöse Druckwerke mit irgendwelchen Saufliedtexten wurden zur Staatsaffäre hochgeblasen, wobei man sogar einen Nationalen Sicherheitsrat bemühte.
Und insgesamt versuchte man, das Bild zu malen, wonach rechtsradikal-faschistische Geheimbünde kurz vor der Machtübernahme in den Ministerien stünden. Dass einfach ein großer Teil der Akademiker des nationalliberalen Lagers aus dem zivilgesellschaftlichen Teil diesen Lagers, aus dem Verein- und Verbandsspektrum, aus dem studentisch-akademischen Korporationen stammen, ist ja nichts Neues, und daraus ergibt sich, gewissermaßen logisch, dass viele akademische Mitarbeiter aus diesem Bereich kommen. Von regierungskritischer Seite allerdings glaubte man hier, das Einfallstor für alle Angriffe gefunden zu haben. Im Moment ist es zwar ein bisschen ruhiger, aber die diesbezüglichen Versuche werden gewiss unvermindert weiter gehen.
Und was schließlich den angeblichen Skandal um das BVT betrifft, so weiß natürlich jeder, der ein wenig darüber nachdenkt, dass das Ganze, wenn es denn ein Skandal ist, eine politische Altlast darstellt aus der rot–schwarzen Regierungszeit. Da haben sich offenbar die österreichischen Schlapphüte allzu wenig an Gesetze gehalten und da oder dort ihre eigenen Süppchen gekocht. Interne Intrigen, ein bisschen Korruption da oder dort, und ähnliche Vorgänge werden es wohl gewesen sein, die letztlich dazu führten, dass der neue freiheitliche Innenminister durchgreifen musste. Wenn das nun zum freiheitlichen Skandal hochstilisiert wird, ist es eigentlich nur lächerlich. Insgesamt ist die Regierung eigentlich konsequent daran gegangen, ihr Programm umzusetzen. Im Bereich der Bildungspolitik, im Bereich der illegalen Migration, also der Sicherheitspolitik, im Bereich der Justizpolitik, bei der Wirtschaftspolitik und auch im außenpolitischen Bereich, wo Frau Kneissl durchaus glücklich agiert, bemüht man sich, konsequente Arbeit zu leisten, und die freiheitlichen Minister tragen ihren Anteil dazu durchaus wacker bei. Was man ihr an Zeug zu flicken versucht, etwa im Bereich der drei skizzierten Problembereiche Raucherfrage, Burschenschaften und BVT, sind eigentlich samt und sonders eher lächerliche Probleme, die zu großen Skandalen aufgebauscht werden. In der historischen Rückschau werden sie nicht einmal als Fußnoten vorkommen, aber die an sich schwache Opposition im Parlament versucht alles, um die Regierung schlecht zu reden.
Nach den vier Landtagswahlen allerdings, bei denen jeweils die Landeshauptleute bestätigt wurden und in Salzburg wohl auch noch werden, ist allerdings im Bereich von Wahlen für ein gutes Jahr Ruhe. Die Freiheitlichen als vormalige Fundamentalopposition haben in den Umfragen gewisse Einbußen hinzunehmen, weil sie regieren, das war zu erwarten. Dramatisch ist es aber vorläufig nicht und bei den Landtagswahlen haben sie überall zugewonnen, weil man eben vom Ergebnis der vorherigen Landtagswahlen ausgehen muss und nicht von dem der Nationalratswahl, das heißt also, dass trotz aller Unkenrufe die Regierung einmal ein gutes Jahr eher ruhiger Arbeit vor sich haben dürfte. Wenn da Medien für die FPÖ ein neues Knittelfeld herbeischreiben wollen und andere vom Scheitern des Wunderknaben Sebastian Kurz träumen, so ist das vorläufig nicht mehr als Wunschdenken und das ist auch gut so.


Vom Selbstmord einer alten Tante

25. Januar 2018

Die österreichischen Sozialdemokratie, die sich dereinst – lange ist es her – auch als Arbeiterbewegung verstand, wurde bekanntlich bei der jüngsten Nationalratswahl vom Wähler in die Opposition geschickt, dort ist sie aber noch nicht angekommen. Ihr zuvor zum Wunderwuzzi hochgelobter Parteivorsitzender, der sich indessen als kürzest amtierender Kanzler der Republik betrachten darf, übt sich in Selbstmitleid. Die Parteistrategen – wer ist nach dem Abgang von Silberstein noch übriggeblieben? – haben keine andere Idee, als auf Uralt-Klassenkampf-Parolen zurückzugreifen, sie jammern über den drohenden Sozialabbau. Und die ureigenste Bastion der SPÖ, das „Rote Wien“, steht offenbar vor dem Fall beziehungsweise die Wiener SPÖ vor der parteipolitischen Selbstdemontage. Die alte Tante SPÖ scheint also gegenwärtig Selbstmord begehen zu wollen.
Neben dem larmoyanten Ex-Kanzler und Parteivorsitzenden ist es ganz offensichtlich der langjährige starke Mann der Partei, der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der diesen potenziellen Suizid planvoll und mit größter Energie vorantreibt. Dass er just in den Monaten des Wahlkampfes vor der vergangenen Nationalratswahl seinen bevorstehenden Abgang verkündete, ohne sich auf einen klar definierten Kronprinzen zu einigen, dass er zwei gegensätzliche Flügel vertretende Kandidaten nunmehr ins Rennen für eine Kampfabstimmung schickt und damit die Partei zu zerreißen droht, ist schon ein starkes Stück.
Aber so ist das nun einmal. Der Abgang von scheinbar so dominanten und prägenden Politikern – man erinnere sich an den Rückzug von Erwin Pröll vor wenigen Monaten aus der niederösterreichischen ÖVP – scheint nicht ohne Blessuren, Kämpfe und Krämpfe möglich zu sein. Und irgendwie scheint Michael Häupl, der ja in seinem langen politischen Leben einen bemerkenswerten Werdegang vom radikalen Pennal-Burschenschafter bis hin zum linkslinken Migrationsbefürworter hinter sich hat, die von ihm so lang dominierte Partei lieber zerstören zu wollen, als sie stark und intakt einem Nachfolger zu übergeben. Dass im Zuge dieses Wiener SPÖ-Theaters kurzfristig auch noch Ex-Kanzler Kern als potentieller Bürgermeisterkandidat ins Spiel gebracht wurde, schlägt dem Fass tatsächlich den Boden aus. Zu Recht wird Kern von Kritikern zwar als „Prinzessin“ tituliert, dass er deshalb Häupls Kronprinz sein müsse, wäre denn doch zu viel verlangt.
Eine solcherart desorientierte Partei wie die SPÖ – und da sind sich auch parteiinterne Kritiker wie der alte Bruno Aigner oder der SPÖ-orientierte Werber Joe Kalina einig – müsse sich völlig neu erfinden.
Sie müsse sich erst in der Oppositionsrolle zurechtfi nden und dann ihre intellektuellen und ideologischen Kapazitäten neu entwickeln und definieren. Große politische Wirkmächtigkeit werde man von dieser Partei weder im Parlament noch in der übrigen realen Politik in nächster Zeit kaum erwarten dürfen. Was wundert, dass man stattdessen auf die sogenannte Zivilgesellschaft setzt. Die Demonstrationen, die vor einigen Tagen stattfanden und wohl 20.000 bis 30.000 Leute mobilisierten, scheinen da den roten Strategen wieder Hoffnung zu geben. So nach dem Motto: Was wir im Parlament nicht schaffen, werden wir nunmehr auf der Straße erwirken – nämlich breitflächigen Protest gegen die neue Mitte-Rechts-Regierung. Wie gefährlich das für eine vormals staatstragende Partei, wie es die SPÖ über Jahrzehnte war, sein kann, wird sich wohl spätestens bei den Demonstrationen gegen den Wiener Akademikerball der national-freiheitlichen akademischen Kooperationen erweisen. Wenn man nämlich gemeinsam mit den Anarchisten des Schwarzen Blocks und mit ultralinken Extremisten demonstriert, wenn man deren Ambitionen damit unterstützt und mit ihnen solidarisiert, ist man auch für deren antidemokratische Haltung, deren Zerstörungspotenzial und deren mögliche Straftaten und Vandalenakte verantwortlich.


Die Mühen der Ebene

11. Januar 2018

Kurz vor Weihnachten wurde die neue Mitte-Rechts-Regierung vom Bundespräsidenten angelobt, und statt sich nach dem anstrengenden Wahlkampf und den nicht minder strapaziösen Regierungsverhandlungen eine kleine Weihnachtspause zu gönnen, hat man sich entschlossen, durchzuarbeiten.
Und mit der Regierungsklausur in Schloss Seggau in der Weststeiermark hat man sich bereits voll ins Geschäft geworfen, die Mühen der Ebene, die Regierungsalltagsarbeit, hat begonnen. Es reicht nicht mehr, primär vom „neuen Stil“ zu sprechen und gegenseitig Liebenswürdigkeiten auszutauschen, nun ist Sachpolitik gefragt.
Österreich braucht Veränderung, haben die beiden Regierungsparteien am Beginn ihrer Zusammenarbeit postuliert, und diese Veränderung scheint nunmehr zu kommen und gar nicht so schwach. Da wird nun beispielsweise entgegen der scheinheiligen Bedenken der sich auf das Europarecht stützenden Kritiker die Kinderbeihilfe in Richtung Ausland massiv gekürzt. Jegliche Vernunft sagt uns, dass solche, wenn man sie überhaupt ins Ausland zahlt, (!?) zumindest dem Lebensstandard beziehungsweise dem Lohnniveau des jeweiligen Landes anzupassen sei. Was ergibt es denn für einen Sinn, nach Rumänien für zwei Kinder etwa monatlich jene Summe zu bezahlen, die dort ein Durchschnittsgehalt ausmacht, so wie wenn man in Österreich 1.500 Euro bekäme? Die Opposition und die linken Bedenkenträger aber sprechen davon, dass dies unmöglich sei und vor dem Europäischen Gerichtshof niemals halten werde. Na, wir werden sehen.
Oder da wird beschlossen – die freiheitliche Sozialministerin hat das ursprünglich ein kleinwenig missverstanden –, dass Menschen, die vom Bezug der Arbeitslose früher in die Sozialhilfe wechselten, nunmehr sofort in die Mindestsicherung kommen und damit wird allerdings auch der Zugriff auf ein allenfalls vorhandenes Vermögen möglich. Zweifellos eine harte Maßnahme, aber eine Maßnahme, die Sozialmissbrauch tatsächlich verhindern wird. Ob man diese Maßnahme insofern abfedern wird, indem man jene Leute, die tatsächlich arbeitswillig sind, aber wirklich keine Arbeit bekommen, weil sie beispielsweise zu alt sind, von solcher Härte ausnimmt, bleibt abzuwarten. Die linke Opposition schreit jedenfalls: Sozialabbau.
Dass im Gegenzug allerdings für Familien mit Kindern nunmehr ein steuerlicher Bonus von 1.500 Euro pro Jahr und Kind geschaffen wird, wobei man sicher noch einen Ausgleich für die Kleinverdiener, die keine Steuern zahlen, finden wird, zeigt, dass man den österreichischen Sozialstaat eben umbauen will: Weg von der sozialen Hängematte, hin zu mehr Familienförderung und zur Unterstützung der eigenen Bürger. Schlecht?
Und so scheint es die neue türkis-blaue Regierung, das Kabinett Kurz/Strache, relativ schnell und heftig angehen zu wollen. Kritik von eher missgünstigen Medien und aus der linken Opposition ist dabei selbstverständlich, damit kann die Regierung zweifellos leben. Es stellt sich allerdings die Frage, wie die Maßnahmen in der Bevölkerung ankommen, wie sehr die Menschen das tatsächlich im alltäglichen Leben und in ihrer Geldbörse spüren werden.
Der Lackmustest dafür wird bereits in kurzer Zeit bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Niederösterreich, in Kärnten, in Tirol und Salzburg gegeben werden. Allen Analysen zufolge dürfte die Regierung beziehungsweise die beiden, sie bildenden Parteien, bei diesen Landtagswahlen relativ gut abschneiden. Die ÖVP-Positionen werden gehalten oder gestärkt werden und die Freiheitlichen müssten bei allen Wahlen eigentlich massiv zulegen. Vielleicht kommt es ja sogar im einen oder anderen Bundesland ebenfalls zu einer schwarz–blauen beziehungsweise türkisblauen Zusammenarbeit.
In Kärnten etwa könnte man solcherart den roten Landeshauptmann aushebeln, in Niederösterreich könnte man der ÖVP-Landeshauptfrau mit freiheitlicher Hilfe das Weiterregieren ermöglichen.


Richtlinienkompetenz

22. Dezember 2017

Der neue Bundeskanzler Sebastian Kurz hat irgendwann einmal im Zuge des Wahlkampfs  oder kurz davor davon gesprochen, dass es aus seiner Sicht wünschenswert wäre, wenn der Bundeskanzler so wie in der Bundesrepublik Deutschland  eine politische Richtlinienkompetenz in der Regierung hätte. Prompt wurde ihm darauf ausgerichtet, dass dies in der österreichischen Verfassung und gemäß den politischen Usancen nicht vorgesehen sei. Jetzt, nach der Präsentation der Regierungsmannschaft, können wir aber erkennen, dass Kurz sich de facto so etwas wie eine Richtlinienkompetenz als Bundeskanzler erarbeitet hat – zumindest, was den ÖVP-Teil der Bundesregierung betrifft.
Während bei den Freiheitlichen die politischen  Schwergewichte der Partei – Strache, Hofer und Kickl – in die Regierung gegangen sind und mit Kunasek auch zusätzlich ein Landesparteiobmann vertreten ist, ist die Volkspartei – mit Ausnahme des Bundeskanzlers – mit lauter neuen Gesichtern in der Regierung.
Der vormalige Finanzminister Schelling, der vormalige Innenminister Sobotka, der ehemalige  Justizminister Brandstetter – alles ausgewiesene Politprofis und auch Fachleute für ihr Ressort –, sie alle verschwinden im politischen Ausgedinge. Statt ihrer müssen sich die Österreicher jetzt die Namen neuer Minister merken, die die meisten bislang wohl kaum gehört haben.
Gewiss, die Kurz-Vertraute Elisabeth Köstinger ist seit etlichen Jahren in EU-Parlament tätig gewesen und sein Kanzleramtsminister Blümel ist bereits einige Jahre Wiener Parteichef. Und der neue Justiz- und Staatsreformminister Josef Moser war langjähriger Präsident des Rechnungshofs. Das Handwerk des Regierens aber hat keiner von ihnen gelernt, sie sind Neulinge und damit auf Gedeih und Verderb auf die Unterstützung des Bundeskanzlers angewiesen. Dieser verfügt nämlich über eine langjährige Regierungserfahrung, wiewohl er der jüngste Regierungschef Europas ist.
Gewissermaßen als Ausgleich für diese mangelnde Regierungserfahrung dürften aber die neuen schwarz-türkisen Minister über bemerkenswerte Fachkompetenz verfügen. Finanzminister Löger etwa als langjähriger Spitzenmanager in der Versicherungswirtschaft oder Bildungsminister Faßmann als Wissenschafter und Universitätsprofessor. Fachkompetenz haben im übrigen auch die freiheitlichen Regierungsmitglieder in hohem Maße: Dass Karin Kneissl eine ausgewiesene Kennerin des internationalen Geschehens ist, wird niemand, nicht einmal in der linken Opposition, bezweifeln, dass Beate Hartinger sich im Sozialbereich auskennt ebenso wenig. Und dass der Finanzstaatsekretär Fuchs einer der profundesten Steuerexperten ist, kann auch niemand leugnen. Was die vier freiheitlichen Politprofis betrifft, so haben Strache, Kickl und Hofer, aber auch Kunasek das politische Geschäft auf den harten Bänken der Opposition ebenso mühsam wie umfassend erlernen müssen. Wobei Mario Kunasek als Berufssoldat selbstverständlich mehr Sachkompetenz im Bereich des Bundesheers hat als die meisten seiner Vorgänger.
Für die freiheitlichen Regierungsmitglieder wird diese De-facto-Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers also nur bedingt gelten können. Sie haben genug politisches Know-how und politisches Selbstbewusstsein, um ihre Regierungstätigkeit in Eigenverantwortung zu leisten. Der bereits bei der Präsentation der neuen Bundesregierung geäußerte Wille zum gemeinsamen, freundschaftlichem Auftreten allerdings wird dennoch für Harmonie in der Regierungsspitze sorgen. Und der Regierungssprecher Launsky- Tieffenthal als ebenso konzilianter wie mit allen Wassern gewaschener Diplomat wird das Übrige tun, um ein einheitliches Auftreten der beiden in der Bundesregierung vertretenen Parteien zu gewährleisten. Die Position aber des neuen jungen Bundeskanzlers wird zweifellos eine starke sein. Er hat sich nicht nur in der eigenen Partei durchgesetzt, er wird natürlich auch in der neuen Bundesregierung eine dominante und prägende Rolle spielen. Das steht außer Zweifel.


Eine kleine konservative Revolution?

18. Dezember 2017

Wahrnehmungen zum ­türkis–blauen Regierungsprogramm

Das Land braucht Veränderung, hieß es im vergangenen Nationalratswahlkampf, und unter diesem Schlagwort vermochte der juvenile ÖVP-Chef die Mehrheit der Wähler hinter sich zu versammeln. Wie diese „Veränderung“ aussehen soll, hat er im Wahlkampf nicht so wirklich präzisiert. Etwa 60 Prozent der Österreicher, die Wähler von ÖVP und FPÖ, haben diese Veränderung wohl so für sich interpretiert, wie sie die meisten politischen Beobachter und Analytiker deuteten: Kurz wurde wegen der sehr effektiven und offenbar glaubwürdigen Übernahme breiter Teile der freiheitlichen Oppositionsforderungen der letzten Jahre gewählt. Die Österreicher haben also in ihrer Mehrheit freiheitliche Programmatik – insbesondere in Sachen Migration und Ausländerfrage – als Maßstab für die notwendige Veränderung des Landes akzeptiert.
Das nunmehr vorliegende Regierungsprogramm scheint dem in weiten Teilen Rechnung zu tragen, und nicht umsonst wird es deshalb von der linken Opposition und den politisch-korrekten Gazetten als „retro“ – als reaktionär und rückwärtsgewandt – gebrandmarkt. Kommentatoren von Seiten des Boulevards (so etwa „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner) bewerten es hingegen als „brav“ und vielleicht sogar als notwendig im Hinblick auf viele Kurskorrekturen, aber als keineswegs großen Wurf.
Bei vordergründiger Betrachtung sieht es in der Tat so aus, als würde man in mancherlei Hinsicht, insbesondere in gesellschaftspolitischer, zurück in die Ära vor den sozialdemokratischen Reformen gehen. Das Bildungskonzept etwa sei ein Rückschritt in die 50er-Jahre, heißt es von oppositioneller Seite, und in der Tat versucht man, im Schulbereich ganz offensichtlich an jene Zeit anzuknüpfen, da Österreich eines der besten und effizientesten Schulsystem der Welt hatte, also in der Ära vor den linken Schulversuchen und ständigen Reformen und Experimenten. Man will leistungsorientiert sein, den Schülern ein klares Bewertungs- und Wertesystem vermitteln, die Lehrer in die Pflicht nehmen, zuallererst die grundlegenden Kulturtechniken Schreiben, Lesen und Rechnen vermitteln und sich an der Leitkultur des Landes – die verpflichtende Kenntnis der deutschen Staatssprache – orientieren.
Das mag in den Augen vieler Linker „retro“ sein, es ist aber vielmehr der bildungspolitische Versuch, dem Teufelskreis von Experimenten, Reformen und kulturmarxistischen Utopien zu entkommen und ein Bildungssystem wiederzubeleben, das sich über Generationen bewährt hatte. Eine Konzeption also wertkonservativ – im besten Sinne des Wortes.
Auch im wirtschaftspolitischen Bereich ist mit der angekündigten Senkung des Abgabenquote von 45 auf 40 Prozent und der geplanten Förderung des Wirtschaftsstandortes Österreich und all den ins Auge gefassten Unterstützungsmaßnahmen für den Mittelstand so etwas wie ein wertkonservativer Weg angedacht. Leistung soll sich wieder lohnen, risikofreudiger Unternehmergeist und eine sozial abgesicherte loyale Arbeitnehmerschaft sollen die sich gegenwärtig abzeichnende Belebung der Konjunktur stützen und steigern.
Im Bereich der Bevölkerungspolitik und der Zuwanderungsfrage wird es deutlich schärfere Bestimmungen geben, das Ende des Zeitalters der Massenzuwanderung sollte für die Alpenrepublik nunmehr anbrechen. An der Rückführung abgelehnter Asylsuchender und illegal im Land befindlicher Ausländer wird kein Weg vorbei führen, und für die übrigen im Land befindlichen Zuwanderer wird es eine Integrationspflicht geben, die sich zuallererst im Erwerb der deutschen Staatssprache manifestieren wird. Die durch die Massenzuwanderung in den letzten Jahren so häufig in Frage gestellte innere Sicherheit wird durch eine Stärkung der Exekutive bekämpft werden und die Landesverteidigung – gerade im Sinne des Schutzes der Außengrenzen – wird deutliche Priorität erhalten. „Home Security“ – wenn man schon den aus der Zwischenkriegszeit belasteten Begriff „Heimatschutz“ ablehnt – wird also eine vordringliche Aufgabe der neuen Regierung sein, und auch das darf als dezidiert wertkonservative Haltung eingestuft werden.
Im sozialpolitischen Bereich wird es zweifellos dazu kommen, dass die Transferleistungen des Staates primär den eigenen Staatsbürgern vorbehalten werden. Die bereits vor den Wahlen diskutierte Kürzung des Kindergeldes für im Ausland lebende Kinder ist ein Beispiel für diese Haltung. Die einheitliche Regelung der Mindestsicherung für Zuwanderer und Asylwerber stellt ebenso eine Maßnahme in diesem Sinne dar.
Auch die Verstärkung direkt-demokratischer Mechanismen durch die neue Bundesregierung darf als Teil eines wertkonservativen Programms gewertet werden. Parlamentarische, repräsentative Demokratie ist nämlich hierzulande wie auch in anderen west- und mitteleuropäischen Staaten tendenziell längst zur Funktionärs- und Parteibonzen-Politik-Demokratie degeneriert. Die Politikverdrossenheit weiter Kreise der Bevölkerung resultiert nicht zuletzt aus dem Gefühl, als Bürger ohnedies kaum oder nur minimal mitzubestimmen zu können. Wenn also nunmehr durch die Verstärkung direkt-demokratischer Elemente und der verstärkten Durchführung von Plebisziten wieder eine neue und starke Bürgerpartizipation eingeführt wird, vermag dies unter Umständen die Wertschätzung des demokratischen Systems im Bürgerbewusstsein zu heben. Natürlich gibt es auch die populistische Versuchung, solch plebiszitären Elemente zu politischen Kampagnen zu nützen, dem kann man allerdings entgegen halten, dass man eben ein gewisses Vertrauen in die Reife der Bürger und die Mündigkeit der Wähler setzen muss.
Der Wahlbürger als Souverän in der Demokratie muss schließlich und endlich die Gewissheit haben, dass das demokratische System so aufgebaut wird, dass sein Wille, der Wählerwille eben, möglichst unmittelbar und möglichst unverfälscht in der realen Politik umgesetzt werden kann. Wenn man aber schon das populistische Risiko einer verstärkten direkten Demokratie als Gegenargument anführt, muss man sich vor Augen halten, dass das diesbezügliche Risiko vor allem die jeweilige Regierung, in dem Fall also ÖVP und FPÖ, zu tragen hat. Sie riskiert nämlich, dass eine schlagkräftige Opposition, etwa linksorientierte Gewerkschaften oder ähnliche Großorganisationen, die neuen direktdemokratischen Instrumentarien nützten, um der Regierung das Leben schwer zu machen.
Wie weit in den Fragen der Kulturpolitik wieder österreichische Identität und eine lebendige Symbiose zwischen zeitgenössischer Kunst, Hochkultur und Volkskultur gefördert und propagiert werden wird, bleibt abzuwarten. Bei allem Respekt vor der Freiheit der Kunst und bei aller Toleranz gegenüber den Kunstschaffenden stellt sich doch die Frage, ob insbesondere im Bereich der Förderpolitik nicht neue Wege gegangen werden sollten, die nicht mehr in der Dauersubventionierung zeitgeistiger Vereine und allzu politisch-korrekter Staatskünstler ihr Ziel sieht, sondern in der Erweckung des Kreativ-Potenzials des Landes und seiner Menschen.
All das mag, wie gesagt, von linker und politisch korrekter Seite als rückwärtsgewandt und reaktionär angesehen werden, es stellt aber – zumindest als Absichtserklärung in Form eines Regierungsprogramms – so etwas wie eine kleine konservative Revolution dar. Eine konservative Revolution, die von einer seit Jahrzehnten wohl etablierten christlich-sozialen Partei im Bündnis mit einer rechtsdemokratischen – von ihren Gegnern als rechtspopulistisch diffamierten – Gruppierung getragen ist. Eine junge Führungstruppe in der alten Tante ÖVP, und eine über lange Oppositionsjahre gestählte freiheitliche Gruppierung könnten solcherart den Reformmotor für das Land darstellen. Für Reformen, die an den Prinzipien der Vernunft, des wohlverstandenen Eigeninteresses von Land und Leuten, der eigenen Identität und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientiert sind. Keine schlechte Perspektive, man darf also mit gedämpftem Optimismus in die Zukunft schauen.


Schlichtweg wertkonservativ

8. Dezember 2017

Veritable Rundumschläge gab es in den vergangenen Tagen gegen die türkis–blauen Bildungspläne, wie sie für das künftige Regierungsabkommen publik wurden. Rückschrittlich sei es und führe das heimische Schul- und Bildungssystem in die 50er-Jahre zurück.
Dass dies in linken Gazetten, die der Opposition nahestehen, getrommelt wurde, verwundert nicht, dass es aber vornehmlich auch angeblich ÖVP-nahe Blätter wie der „Kurier“ und die „Kleine Zeitung“ waren, die den neuen Bildungsplänen die Note „Nicht genügend“ verpassten, gibt denn doch zu denken. Es beweist nicht mehr und nicht weniger, dass das medial-intellektuelle Umfeld der angeblich bürgerlichen ÖVP weitgehend längst auch ebenso zeitgeistig, politisch-korrekt und links gepolt ist, wie man dies von der rot–grün dominierten Journaille gewohnt ist.
Aber ganz abgesehen davon soll mit den Bildungsplänen der Regierungsverhandler so etwas wie eine Korrektur der von linken Utopien verursachten Bildungsmisere eingeleitet werden: Ein leistungsorientiertes Schulsystem, das sich im klaren Notensystem ausdrückt, ein differenziertes Schulsystem, was sich in der Beibehaltung von Sonderschule, Gymnasien und der Absage an die Gesamtschule manifestiert, sowie ein Schulsystem, das sich an den grundlegenden Kulturtechniken und der österreichischen Leitkultur orientiert, was sich an der Deutschpflicht und den für die Grundschule postulierten Lehrzielen zeigt.
Retro, rückwärtsgewandt, heißt es da, dabei kann man das im Grunde nur als Kompliment sehen. Österreich hatte nämlich eines der besten Schulsysteme der Welt und seit der Einführung der Schulpflicht unter Maria Theresia vor zweieinhalb Jahrhunderten eine umfassend gebildete Bevölkerung und den Analphabetismus nahezu ausgerottet.
Heute aber können angeblich 40 Prozent der Grundschulabgänger nicht sinnerfassend lesen, und das österreichische Abschneiden in den diversen internationalen Tests ist beschämend. Natürlich sind daran die Massenzuwanderung und tendenziellen Analphabeten weitgehend schuld, es sind aber auch die linken Experimente, die permanenten Schulversuche, der Abbau jeglichen Leistungsdrucks und das, was so neckisch „Kuschelpädagogik“ genannt wird, was hier als ursächlich angeführt werden muss.
Die nunmehr eingeführte Bildungspflicht ist daher mehr als sinnvoll und ergänzt nur die seit Maria Theresia gegebene Schulpflicht, indem man davon ausgeht, dass dieselbe solange zu verlängern ist, bis die grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Grundrechnen erlernt sind. Dass es auch Fälle gibt, in denen dies schlicht und einfach nicht möglich ist, rechtfertig die Weiterexistenz der Sonderschule und die Beibehaltung beziehungsweise den Ausbau eines differenzierten Schulsystems in Form der Fortführung der Gymnasien. Aber auch die Schaffung von Schulen für Hochbegabte kann dem österreichischen Bildungsniveau nur nutzen. Insgesamt trägt also dieses bildungspolitische Programm eine deutlich wertkonservativere Handschrift.
Erfolg oder Misserfolg dieses bildungspolitischen Regierungsprogramms wird sich mittelfristig, wohl spätestens bis zum Ende der nun beginnenden Legislaturperiode zeigen. Dann nämlich, wenn Wiener Eltern ihre Kinder wieder in die ganz normale staatliche Volksschule schicken können, ohne fürchten zu müssen, dass sie dort eine Minderheit unter zahlreichen fremden Nationen darstellen, die grundlegenden Kulturtechniken nicht lernen können und kaum ein deutsches Wort hören.
Es muss also möglich sein, dass ganz normale Wiener Eltern es nicht mehr notwendig haben, für ihre Kinder teure Privatschulen zu bezahlen, sondern die ganz normale staatliche Volksschule wählen können. Das wäre wohl der deutlichste Leistungsbeweis und ein wirklicher Erfolgsnachweis für die neue Schul- und Bildungspolitik.