„Volksverräter“

25. August 2022

Es war die Chefin der Neos, die dieser Tage die Freiheitlichen als „Volksverräter“ bezeichnete. Warum? Weil sie ein Ende der Sanktionen gegen Russ­land fordern und damit, laut Frau Meinl-Reisinger, Putin in die Hände spielen würden. Nun stellt sich natürlich die Frage, was Frau Meinl-Reisinger unter „Volk“ versteht. Offenbar nicht die autoch­thonen Österreicher, sondern eher die politische Klasse oder gar die Vertreter des Brüsseler Zentralismus.
Ein Verrat am österreichischen Volk wäre es nämlich gewiss nicht, wenn man die Ursache unserer gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Krise, die schlimmste seit 1945, nämlich die Sanktionen gegen Russland, beseitigen würde. Ein Verrat am österreichischen Volk ist es allerdings, was Parteien wie jene der Frau Meinl-Reisinger, aber natürlich auch die beiden Regierungsparteien Volkspartei und die Grünen, in diesen Tagen wieder zulassen oder sogar aktiv befördern. Nämlich die neuerliche unkontrollierte Massenzuwanderung von Scheinasylanten.
Bereits in der ersten Jahreshälfte waren es nämlich über 40.000 Asylanträge, die hierzulande wieder gestellt wurden. Und wie man hört an erster Stelle von Männern, die aus Indien und Tunesien kommen. Aus Ländern also, die als Urlaubsländer gelten. Zwar lässt uns der Innenminister wissen, dass die meisten von ihnen keinerlei Chance haben, Asyl gewährt zu bekommen, abgeschoben aber werden sie deswegen noch lange nicht.
Jetzt wissen wir, dass ohnedies seit Jahren und Jahrzehnten Zuwanderung nach Österreich stattfindet, die im Wesentlichen aus illegalen Scheinasylanten besteht.
Der Höhepunkt dieser Massenmigration in unser Land und unser Sozialsystem war zweifellos die Flüchtlingswelle von 2015. Allerdings ging diese Zuwanderungsbewegung in den Jahren danach weiter, vielleicht nicht so spektakulär wie 2015, aber doch.
Das Ergebnis kennen wir: Hunderttausende, ja Millionen von Menschen fremder Herkunft bevölkern unser Land.
Gerade in unseren Tagen beklagen die Mainstream-Medien, dass eineinhalb Millionen Menschen in Österreich sich bei der Präsidentschaftswahl nicht beteiligen dürften.
Das sind genau jene, die keine Staatsbürgerschaft haben und das Ergebnis dieser lang­anhaltenden Massen­migration darstellen.
Bedenkt man jetzt, dass es hunderttausende Menschen mit Migrationshintergrund gibt, die bereits Staatsbürger sind, dann weiß man, in welch hohem Maße das österreichische Volk, die autochthonen Österreicher, durch diese Massen­migration zurückgedrängt wurden.
Und jene politischen Kräfte, die dies zugelassen haben, beziehungsweise aktiv gefördert haben, das gilt vor allen für die Linke, haben ihr Volk verraten, das muss hier einmal gesagt werden.


Österreich und Ungarn, verfreundete Nachbarn

5. August 2022

Da war nun also der ungarische Minister Präsident Viktor Orbán in Wien. Und die Mainstream-Medien und die linken Parteien haben natürlich aufgeheult. Da hieß es, er sei ein Autokrat, ein Putin-Versteher und ein notorischer EU-Querulant. Überhaupt sei sein Konzept von der illiberalen Demokratie der Weg in die Diktatur, und insgesamt müsse man sich fragen, ob dieser Orbán und seine Ungarn noch zu Europa gehören würden.
Jüngster Anlass für diese Orbán-Kritik war seine Rede, die er in Siebenbürgen gehalten hatte. Dabei habe er extreme und rassistische Positionen von sich gegeben, so hieß es in unseren Medien. Was aber hat Viktor Orbán dort wirklich gesagt. Eigentlich nur, dass die Ungarn Ungarn bleiben wollten, und nicht wie im übrigen westlichen Europa durch Massen Zuwanderung zu einer multiethnischen, multikulturellen Gesellschaft werden wollten.
Nachdem Orbán aber nun vor wenigen Tagen von Bundeskanzler Nehammer in Wien mit allen Ehren, die einem ausländischen Staatsgast gebühren, empfangen wurde, war die Kritik groß. Insgeheim mag Nehammer in Orbán durchaus ein Vorbild sehen, allein dafür ist er wohl zu schwach. Eines weiß Nehammer allerdings mit Sicherheit. Die Mehrheit der Österreicher, mit Sicherheit jedenfalls die Wähler der FPÖ und wohl auch die meisten Wähler der ÖVP dürften in Orbáns Politik auch für Österreich ein Vorbild sehen: Bedingungsloses Eintreten für das eigene Land und die eigene Bevölkerung, Erhaltung der eigenen Kultur, wenn es sein muss auch gegen die Vorgaben von Brüssel.
Insgesamt haben die Österreicher natürlich ein ambivalentes Verhältnis zu den Ungarn. Zwar lebten wir jahrhundertelang in einem gemeinsamen Staatswesen, die alten, durchaus zwischendurch auch überaus brutalen Konflikte sind aber deswegen nicht vergessen. Das begann schon bei der ungarischen Landnahme im 10. Jahrhundert. Zuerst fielen die Magyaren marodierend und plündernd bei uns ein, dann lehrten wir sie in der Schlacht auf dem Lechfeld Mores.
Später haben die Österreicher etwa nach der Revolution von 1848 tausende Ungarn, die den Aufstand gewagt hatten, an den Alleebäumen der Pußta hängen lassen. Und im Ersten Weltkrieg, so heißt es, haben die Ungarn den hungernden deutschen Österreichern kaum Lebensmittel geliefert. Andererseits aber haben wir nach dem Ungarnaufstand von 1956 wieder zehntausenden Ungarn Exil gewährt. Aber so ist das eben: Österreich und Ungarn sind so etwas wie verfreundete Nachbarn
Viktor Orbán jedenfalls dürfte weiterhin der Stachel im Fleisch des EU-Zentralismus bleiben. Er tritt als einsamer Rufer gegen die Russland-Sanktionen auf, er setzt sich als Einziger vehement gegen die anhaltende Massenzuwanderung nach Europa ein und er geißelt als einer der Wenigen die Dekadenz in den europäischen Demokratien westlichen Zuschnitts. Seine Familienpolitik ist beispielhaft, sein Patriotismus nicht zu leugnen und, was am wichtigsten ist, er hat die breite demokratische Zustimmung der ungarischen Bevölkerung. Also: Chapeau, Herr Orbán!


Ein Blitzkrieg sieht anders aus!

8. Juli 2022

Die Russen erobern nunmehr also eine Stadt des Donbass nach der anderen. Die Region Lugansk ist bereits völlig in ihrer Hand, die Landbrücke im Süden in Richtung Krim ist längst gesichert und das erste Kriegsziel des Kremls, nämlich die „Befreiung“ des weitgehend von Russen bewohnten östlichen Teils der Ukraine ist nahezu abgeschlossen. Damit, so lassen uns die Experten wissen, ist die zweite Phase des Krieges in der Ukraine beendet.
Die erste Phase war der versuchte Vorstoß der russischen Einheiten in Richtung Kiew. Nachdem dieser Vorstoß aufgegeben wurde, bedeutete dies das Ende der ersten Phase. Nunmehr, mit der weitgehenden Eroberung des Donbass, war das eben die zweite Phase.
Optimisten hoffen nun, dass Wladimir Putin erklären könnte, er habe seine Kriegsziele erreicht und sei nun zu ernsthaften Verhandlungen bereit. Andere allerdings meinen, dass jetzt eine dritte Phase des Ukraine-Kriegs vor der Tür stünde. Eine dritte Phase, die entweder gekennzeichnet sein könnte durch die Rückeroberung großer Teile des Landes durch ukrainische Einheiten, oder aber durch einen weiteren Vormarsch der Russen.
Die Äußerungen westlicher Politiker, wie zuletzt etwa jene des bundesdeutschen Kanzlers Olaf Scholz, dass Wladimir Putin den Krieg auf keinen Fall gewinnen dürfe und der offenbar kompromisslose Wille der US-Amerikaner, Russland militärisch und machtpolitisch dramatisch zu schwächen, deutet darauf hin, dass der Krieg noch lange andauern könnte.
Allerdings mehren sich die Stimmen, die darauf hinweisen, dass ein militärischer Sieg der Ukraine eigentlich illusionär ist. Natürlich spielt Kiew auf Zeit. Je länger der Krieg andauert und je realistischer die Lieferung modernster westlicher Angriffswaffen wird, desto größer werden die Chancen, die russische Armee stoppen zu können.
Das Risiko dieser Strategie besteht allerdings darin, dass ein in die Enge getriebener Kremlherr weitere Eskalationsstufen des Konflikts in Angriff nehmen würde. Und da gibt es für Putin nicht nur die Möglichkeit, den Gashahn völlig zuzudrehen, er könnte auch die Lieferung nuklearer Brennstäbe für die europäischen Atomkraftwerke stoppen und damit wäre es mit unserer Stromversorgung wirklich zu Ende.
Und natürlich gäbe es für Putin da auch noch militärische Möglichkeiten zu eskalieren. Er könnte beispielsweise mit massiven Raketenangriffen die ukrainischer Hauptstadt Kiew in Schutt und Asche legen. Er könnte nukleare Gefechtsfeldwaffen einsetzen. Und schließlich gibt es da die ultimative Eskalationsstufe, nämlich den Einsatz strategischer Atomwaffen.
Der Gedanken, Russland militärisch völlig niederwerfen zu können, sollte also sehr rasch aufgegeben werden. Zu groß wäre die Gefahr aus einem bislang begrenzten militärischen Konflikt einen europäischen Krieg, wenn nicht einen Weltkrieg zu machen. Das Säbelrasseln, das zuletzt von der NATOTagung in Madrid zu hören war, sollte als bloße Drohgebärde betrachtet werden. Dass auch auf westlicher Seite Vernunft einkehren könnte, sah man zuletzt an der Deeskalation, die im Falle von Kaliningrad/Königsberg geübt wurde.
Sollte also auf allen Seiten die Vernunft die Oberhand gewinnen – was keineswegs der Fall sein muss – so wäre folgendes Szenario denkbar und vor allem wünschenswert: Die Ukraine erkennt, dass sie den Ostteil des Landes auf Dauer nicht rückerobern und schon gar nicht halten kann. Sie ist bereit, einen Waffenstillstand und damit einen „eingefrorenen Krieg“ mit Russland zu akzeptieren.
Der Westen und die NATO erkennen, das weitere Waffenlieferungen nur den Krieg verlängern würden, keineswegs aber einen Sieg über die russische Armee erzwingen könnten. Und der Kreml akzeptiert, dass die Zerschlagung der Ukraine als Gesamtstaat weder politisch noch militärisch möglich ist. Und letztlich müsste ein solcher Waffenstillstand Verhandlungen möglich machen, die eine militärische Neutralität der Rest-Ukraine zum Ziele hätten, wobei ein EU-Beitritt eine längerfristige Perspektive sein sollte.
Insgesamt muss das wiederholt werden, was an dieser Stelle schon öfter gesagt wurde: Neben der Ukraine, die gewaltige menschliche und materielle Verluste zu verzeichnen hat, ist der zweite große Verlierer dieses Kriegs zweifellos Russland. Ein Blitzkrieg, wie ihn Wladimir Putin offenbar geplant hatte, sieht zweifellos anders aus. Und derZermürbungskrieg, durch den die Russen nunmehr einen Teil der Ost-Ukraine gewinnen konnten, ist etwas, das sowohl sinnlos als auch allzu kostenintensiv – menschlich wie militärisch – ist.


Putin darf nicht siegen ­– verlieren schon gar nicht!

2. Juni 2022

Nicht nur vom ukrainischen Präsidenten Selenski hören wir es pausenlos, nein, auch von westlichen Staatsmännern und politischen Beobachtern: Die Russen, konkret Wladimir Putin, dürfen nicht siegen, die Ukraine wird diesen Krieg gewinnen und jeder Zentimeter des ehemaligen ukrainischen Staatsgebiets zurückerobern; den Donbass natürlich und selbstverständlich auch die Krim.
Wie das gehen soll, lassen diese Apologeten des ukrainischen Sieges uns nicht so genau wissen. Dass dazu jedenfalls schwere westliche Waffen und womöglich auch die Lufthoheit über der Ukraine notwendig sein werden, steht außer Zweifel. Und dass man dazu einen Angriffskrieg gegen Russland wird führen müssen, das die Krim seit Jahren als eigenes Staatsgebiet betrachtet, steht außer Zweifel. Da stellt sich nun die Frage, wie denn eine wirkliche militärische Niederlage Russlands aussehen könnte. Wäre eine solche denkbar, ohne dass der Kreml zu ultimativen militärischen Aktionen, etwa zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen greift? Westliche Stimmen der Mäßigung und der Vernunft lassen uns immer wieder wissen, dass eine Atommacht wie Russland schlicht und einfach nicht verlieren kann! Nicht verlieren, ohne dass sie ihre letzten waffentechnischen Ressourcen, und das sind nun einmal Atomwaffen, einsetzen würde.
Genau diese Überlegungen sind es aber die einzig und allein einen Verhandlungsprozess als Lösungsmöglichkeit übriglassen. Einen Verhandlungsprozess, der möglicherweise in absehbarer Zeit keineswegs zu einem wirklichen Frieden führen könnte. Allerdings wäre ein eingefrorener Krieg besser als ein heißer militärischer Krieg, der weiter Tausende Menschenleben und größtmögliche Zerstörung des Landes zeitigen müsste.
Vorläufig ist Putin militärisch ja im Vorteil. Den Donbass dürfte er bald völlig in der Hand haben und es stellt sich nur die Frage, wie weit er die Schwarzmeerküste einschließlich der Großstadt Odessa bis hin nach Transnistrien unter seine Herrschaft bringt beziehungsweise ob er dies überhaupt will. Dieser militärische Teilerfolg der russischen Armee ändert allerdings nichts an der internationalen Isolierung Russlands und an der durch den russischen Angriffskrieg verursachten Stärkung des Nordatlantikpakts. Auch wenn Erdogan die NATO-Erweiterung gegenwärtig noch blockiert, dürften Schweden und Finnland über kurz oder lang integrierte Mitglieder des westlichen Verteidigungsbündnisses werden. Das ist für Russland gewiss kein Erfolg, da sich der Kreml dadurch zunehmend eingekreist fühlen muss. Der Schlüssel für eine wirkliche Friedenslösung liegt paradoxerweise gegenwärtig in Peking. Die EU-Europäer sind allzu sehr am Gängelband Washingtons, um hier noch als Mittler im Konflikt aufzutreten, sie sind Partei auf Seiten der Ukraine. Und deren Forderung nach einem raschen EU-Beitritt beziehungsweise kurzfristig nach weiteren Milliardenzahlungen und der Lieferung von schweren Waffen heizt den Konflikt natürlich an und bringt die Europäer in stetig wachsendem Maße in eine schwierige Position.
Die Russen dürfen also nicht siegen, so lautet das westliche Dogma, sie können aber auch nicht verlieren, so besagt es die pragmatische Vernunft, die einen Weltkrieg oder einen Nuklearkrieg verhindern will. Realpolitisch könnte dies bedeuten, dass die Russen militärisch zwar ihre strategischen Ziele im Osten und im Süden der Ukraine erreichen, dass sie aber politisch durch ihre Isolierung gewissermaßen die Verlierer der Auseinandersetzung sind.
Dass die Ukraine dabei der Hauptverlierer dieses Konfliktes ist, steht außer Zweifel. Unzählige Menschenleben und die großflächige Zerstörung des Landes und der Städte sind die Folge. Damit sind wir bei den Europäern, die natürlich ebenso Verlierer des Konfliktes sind: Nicht nur dass sie den Wiederaufbau weitgehend bezahlen werden müssen, wobei die amerikanischen Konzerne die großen Geschäfte machen. Zuerst haben sie schon die Geschäfte mit den Waffen gemacht, nun werden sie auch die Geschäfte mit dem Wiederaufbau machen. Nein, die Europäer sind auch deshalb Verlierer, die sie durch den Ukraine-Krieg wieder zunehmend in die sicherheitspolitische Abhängigkeit der USA gezwungen werden und weltpolitisch maximal als Trittbrettfahrer wahrgenommen werden.


Putin, Nehammer und die Bodyguards

13. April 2022

Da ist der österreichische Bundeskanzler also tatsächlich nach Moskau geflogen, um Wladimir Putin, dem Herrn im Kreml, die Leviten zu lesen. Einen sofortigen Waffenstillstand wollte er vom russischen Präsidenten verlangen und natürlich wollte er ihm die – vorläufig nur mutmaßlichen – Kriegsverbrechen vorhalten. Und so ist Karl Nehammer, Oberleutnant der Reserve und wohl damit neuerdings kundiger Militärexperte in Begleitung von zwei Bodyguards nach Moskau geflogen. Und wir wissen natürlich über den genauen Inhalt der Gespräche nicht wirklich bescheid, wir müssen uns da auf die offiziellen Verlautbarungen der beiden Gesprächspartner verlassen und diese sind im gewohnt diplomatischen Ton gehalten. Von „offen“ und „konstruktiv“ war da natürlich die Rede.
Österreichs Bundeskanzler hat seinen Besuch dem Vernehmen nach mit den EU-Granden, mit Scholz, mit Macron und mit der Kommissionspräsidentin Von der Leyen natürlich abgesprochen, was diese sich gedacht haben, können wir auch nur mutmaßen. Die Reaktionen dürften von Verwunderung bis Sprachlosigkeit gereicht haben oder auch bis zu homerischem Gelächter. Aber viele werden wohl zur Ansicht gekommen sein, dass sich da einer ziemlich überschätzt.Auch seriöse Kommentare in den heimischen Gazetten kamen zur Ansicht, dass man sich nicht recht erklären könne, warum der österreichische Regierungschef plötzlich zwischen Kiew und Moskau pendelt. Ob er auf den Spuren Kreiskys wandeln wolle, der tatsächlich in weltpolitischen Fragen das eine oder andere Mal als Vermittler auftrat? Oder ob er von seiner Body­guard-Affäre ablenken wollte, oder auch nur realistischerweise der österreichischen Abhängigkeit vom russischen Gas Rechnung trug? Wir wissen es nicht. Genau so wenig wissen wir nicht, wie sehr sich Wladimir Putin gefürchtet hat vor dem Besuch des Österreichers und vor dessen moralisch erhobenem Zeigefinger in punkto Kriegsverbrechen. Grund zur Sorge dürfte er jedenfalls gehabt haben wegen der beiden Bodyguards, die den Bundeskanzler angeblich begleitet haben. Die Kunde dürfte nämlich sogar nach Moskau gedrungen sein, dass mit den Bodyguards des Bundeskanzlers nicht zu scherzen ist – zumindest was das Saufen betrifft. Und da kennen wir ja schon die Mär aus den Zeiten der Staatsvertragsverhandlungen, wo Raab und Figl als trinkfeste Nieder­österreicher den russischen Verhandlungspartnern in Sachen Wodkakonsum kaum nachstanden.
Vielleicht hat sich Nehammer, der auch Niederösterreicher ist, daran erinnert und er wollte mit Wladimir bloß das eine oder andere Glas Wodka heben. Den österreichisch-russischen Beziehungen hat er damit jedenfalls sicher genützt. Nur gerade dieser Faktor wird gegenwärtig auf dem internationalen Parkett ja nicht sonderlich geschätzt.


Der Krieg der Worte

10. März 2022

Vorläufig sind es nur verbale Drohungen, Worte also, die der Herr des Kremls gegenüber dem Westen, den USA und der NATO und somit auch den meisten Ländern der Europäischen Union von sich gibt. Dabei geht er allerdings so weit, dass er mehr oder weniger deutlich die russischen Nuklearwaffen, Atomraketen also, ins Spiel bringt. Und überaus deutliche Worte verliert er auch gegenüber den neutralen Staaten Europas, gegenüber den Finnen und Schweden, aber auch gegenüber uns Österreichern. Er warnt uns davor einseitig Stellung zu nehmen, die Neutralität zu vergessen oder gar in Richtung NATO zu marschieren.
Was verbale Radikalität betrifft, ist aber Putin keineswegs alleine. Auch die ukrainische Seite greift zu überaus scharfen Formulierungen. Da brüstet sich etwa der Kiewer Bürgermeister Klitschko damit, er habe „six persons killed last night“, also sechs Leute umgebracht. Muss man da stolz sein, auch wenn Krieg herrscht? Und auch der ukrainische Staatspräsident spricht unter Beifall aller westlicher Medien davon, dass die Zivilisten in seinem Land sich doch bewaffnen müssten und Molotowcocktails basteln sollten. Dass er sie damit als Nichtkombattanten einer tödlichen Gefahr aussetzt, ist offenbar gleichgültig und mit seiner vielfach wiederholten Flugverbotszone über der Ukraine, die ja nur von der NATO verhängt werden könnte, forderte er ziemlich unverblümt eine Ausweitung des Krieges, der dann sehr schnell die Dimensionen eines Weltkrieges haben würde.Da ist es dann vergleichsweise schon harmlos, wenn ein US-Senator fordert, man möge Putin doch umbringen, wenn der amerikanische Präsident Putin als „Killer“ bezeichnet und die meisten westlichen Medien von einem Irren, von einem Verrückten sprechen.
Nun wissen wir, dass dem Krieg der Worte nur allzu leicht der ganz normale, der Krieg mit Waffen folgen kann, und wir wissen auch, dass durch Worte, allzumal durch abfällige verletzende, bösartige Worte, bei den Betroffenen bleibende Verwundungen entstehen, die nicht mehr verziehen, nicht mehr überwunden werden können. Nun könnte man sagen, ob diese Worte einen Diktator verletzen, der selbst tausende, ja zehntausende Menschenleben riskiert, sei gleichgültig. Vielleicht aber doch nicht ganz, denn irgendwann einmal wird es ja Frieden geben müssen und irgendwann einmal wird auch der Westen, werden die NATO, die USA und auch die EU-Europäer mit dem Herrn im Kreml reden müssen. Und dann könnte sich schon die Frage stellen, ob da unüberwindbarer Hass zwischen den Gesprächspartnern herrscht oder nicht. Die Wortwahl ist also so etwas, was im Frieden wie auch im Kriegsfalle von großer Bedeutung sein kann.
Auf eines darf in diesem Zusammenhang auch hingewiesen werden: Mit scharfen Formulierungen, mit verletzenden Worten beeinflusst man den Verlauf des Krieges in keiner Weise, während Deeskalation auch im verbalen Bereich dazu führen kann, dass doch vernünftige, allenfalls auch friedliche Lösungen auf beiden Seiten gesucht werden. Zuspitzung der gegenseitigen Beschuldigungen und Beschimpfungen schafften hingegen nur Hass. Solcher Hass ist die Basis aller gewalttätigen Konflikte, auch jenes in der Ukraine.


Im Zeitalter des Realitätsverlusts

10. März 2022

Beginnt ein neues Zeitalter des Irrationalen?

Was war man stolz darauf in Zeiten der Aufklärung, der offenen Gesellschaft und der liberalen wissenschaftlich fundierten Weltsicht zu leben. Das finstere Mittelalter, wir hatten es hinter uns gelassen, ebenso die Zeiten der fundamentalistisch motivierten Religionskriege und auch das 20. Jahrhundert mit seinen totalitären Ideologien, dem Faschismus und dem Sowjetkommunismus. Und mit dem Zusammenbruch des real existierende Sozialismus wähnte man gar für kurze Zeit das Zeitalter des ewigen Friedens sei angebrochen. Das Ende der Geschichte wurde proklamiert und der globale Sieg der liberalen Demokratie. Zwar versuchte die einzig verbliebene Supermacht, die Vereinigten Staaten von Amerika nämlich, letzteres weltweit durchzusetzen, beziehungsweise diese liberale Demokratie zumindest zum Maßstab für jegliche Staatlichkeit rund um den Erdball zu machen. Wie wir heute wissen, ein vergebliches und wohl auch ein unsinniges Ansinnen. Und was die offene Gesellschaft und die angebliche fortschrittliche Aufgeklärtheit der selbigen betrifft, so zeigt sich zunehmend, dass diese offene Gesellschaft zunehmend von den Maximen der Political Correctnes reguliert wird und dass statt Aufklärung im immer stärkeren Maße neue Dogmen dominieren, die sich aus zeitgeistig modischen Strömungen wie Feminismus, Gendern, Black lives Matter, „Wokeness“ und ähnlichen Schwachsinn ergeben. Und so kann sich bei näherer Betrachtung sehr rasch der Eindruck ergeben, dass wir keineswegs in einem aufgeklärten Zeitalter leben, sondern viel mehr am Beginn einer Epoche des Irrationalen stehen.
Am Anfang desselben steht einmal der „neue Mensch“, wie ihn die Linke seit der Französischen Revolution, über den Marxismus bis hin zu Frankfurter Schule konzipiert hat und auch realisieren will – wenn es ein muss mit Gewalt. Dieser „neue Mensch“, der die menschliche Natur, wie sie sie im Zuge der Evolution entwickelt hat, mit all ihren Tiefen und Untiefen schlicht negiert, wurde überall dort, wo man eben gewaltsam umzusetzen versuchte, zur Quelle von Totalitarismus und Genoziden. Deutlich wurde dies schon in der mörderischen Phase der Französischen Revolution, wo Tausende ihr Haupt unter die Guillotine legen mussten. Evident ist dies auch im Falle der mörderischen Politik Josef Stalins in der Sowjetunion, ebenso wie im Steinzeitkommunismus eines Pol Pot oder in der Kulturrevolution Mao Zedongs.
Aber nicht nur der „neue Mensch“ in der klassenlosen Gesellschaft des real existierenden Sozialismus war es, der solche Ungeheuerlichkeiten gebar. Auch der „neue Mensch“ arischen Geblüts, geboren aus Rassenwahn und Herrenmenschenideologie, sollte zur Quelle schrecklicher Gräuel werden. Weltkrieg und Genozid waren die Folge. Die Leugnung der menschlichen Natur, die mit der Konzeption des „neuen Menschen“ Hand in Hand ging, deutete bereits einen Schritt hin zur Irrationalität. Wer glaubt, in der Attitüde von Sozialingenieuren die Gesellschaft verändern zu können, indem er den Menschen in seinen Stärken und Schwächen, in seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten ignoriert, ja negiert, und anstelle der menschlichen Psychologie und Biologie ideologische Vorgaben zum Maß aller Dinge macht, muss letztlich zu Mitteln der Gewaltherrschaft und zum Ignorieren der Realität greifen, um seine Zielvorstellungen durchzusetzen. Ein Unterfangen, das im vorigen Jahrhundert leidvoll gescheitert ist, wie wir am NS-Faschismus, aber auch am Sowjetkommunismus unschwer zu erkennen vermögen. Die Technikfeindlichkeit und das Ignorieren naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, wie es als Gegenbewegung der absoluten Technikvergötzung nach der industriellen Revolution entstanden ist, stellen einen weiteren Schritt hin in ein Zeitalter des Irrationalen dar. Wenn man nach der industriellen Revolution und im Zuge der Entwicklung immer neuer und leistungsfähigerer Technologien geglaubt hat, dass mit Technik alle Probleme der Menschheit zu lösen wären, so hat sich in den letzten Jahrzehnten gewissermaßen als Gegenbewegung dazu so etwas wie eine Ideologie der Technophobie, der Technikfeindlichkeit entwickelt. Träger dieser irrationalen und ideologisierten Bewegung sind die diversen Grünparteien, die sich quer durch Europa konstituiert haben. Die neue Linke, die aus der 68er-Bewegung entstanden ist, hat schnell die Anti-Atomkraft-Bewegung für sich vereinnahmt. Aus der Anti-Vietnam-Bewegung entstand die Friedensbewegung, die überdies gegen die militärische Nutzung von Nuklearwaffen auftrat. Auf der Basis dieser Bewegungen entwickelten sich die Grünparteien, die in den 80er-Jahren dann so stark waren, dass sie in die jeweiligen Vertretungskörper und Parlamente einzogen. Ursprünglich war Umwelt- und Naturschutz eher eine Domäne wertkonservativer Gruppen. Dass just die ostmarxistische Linke ihre tiefrote Ideologie mit einem grünen Mäntelchen zu tarnen verstand, stellt gewissermaßen eine Ironie der Geschichte dar.
Die daraus resultierende allgemeine Technikfeindlichkeit, gepaart mit einer gewissen allgemeinen Wachstums- und Fortschrittskritik, bedingt eine weitere Hinwendung zur Irrationalität. Einerseits nahmen gerade die Grünen alle Segnungen des technischen Zeitalters und die Vorteile einer hochtechnisierten Zivilisation für sich in Anspruch, andererseits wurden moderne Technologien zunehmend dämonisiert. Überdies verstärkte sich in diesen Kreisen ein tiefgehendes Unverständnis für das Funktionieren von Technik selbst. In Unkenntnis und Ignoranz der Naturgesetze haben in diesen Bereichen Gesellschaftsschichten das Reden, die schlicht und einfach nicht mehr nachvollziehen können, wie und warum die Dinge funktionieren, auf welcher Basis technische Funktionen ablaufen. Man drückt den Schalter und das Licht geht an. Warum das so ist, weiß man nicht. Solcherart hat sich eine Art Wundergläubigkeit eingenistet, die jener gleicht, welche Steinzeitmenschen im Hinblick auf Naturereignisse gehabt haben dürften: Man versteht nicht, was geschieht, glaubte seinerzeit an höhere Mächte und heute an die Selbstverständlichkeit einer hochtechnologischen Zivilisation.
Dazu kommt ein weiterer Faktor, der den Realitätsverlust in unserer Gesellschaft befördert: die zunehmende Geschichtsvergessenheit. Um politische, ökonomische und gesellschaftliche Zusammenhänge verstehen und beurteilen zu können, bedürfte es tiefergehender Kenntnisse der historischen Entwicklung. Gerade aber in jenen Gesellschaftsschichten, die sich auf der Höhe des Zeitgeists sehen und deren politisch korrekte Zivilreligion der Hedonismus ist, üben in Bezug auf Geschichtswissen bewusste Informationsaskese. Dies nicht um unbeeinflusst zu eigenen Erkenntnissen zu kommen, sondern aus Ignoranz. So wie man die wahre Natur des Menschen, wie sie biologisch und psychologisch gegeben ist, zu ignorieren versucht, versucht man auch die Geschichte des Menschengeschlechts auszublenden im Glauben, dass man heute im Hier und Jetzt klüger ist als all die Generationen vor uns. Die Feststellung des Philosophen wonach jeder, der seine Geschichte nicht kennt dazu verdammt ist, sie erneut zu durchleiden, ist den Trägern des neuen irrationalen Zeitalters völlig fremd. Sogar die Gesetzlichkeiten des dialektischen Materialismus, wie wir sie seit Marx und Engels kennen, ist da völlig aus dem politisch-gesellschaftlichen Bewusstsein verschwunden. Man ist zwar zeitgeistig links, die Kenntnis der Geschichte aber glaubt man dennoch vergessen zu können.
Im Wesentlichen also sind es jene drei Phänomene – das Ignorieren der biologischen und psychologischen conditio humana durch das Streben des „neuen Menschen“, die Technikfeindlichkeit und Ignoranz der physikalischen und chemischen Naturgesetzen und die Geschichtsvergessenheit – die den Weg in ein neues in hohem Maße irrationales Zeitalter bedingen. Welch unheilvolle Folgen dieser gesamtgesellschaftliche Realitätsverlust noch nach sich ziehen wird bleibt abzuwarten. Wenn der Humanismus, die Aufklärung und die umfassende naturwissenschaftliche Forschung die Menschheit im Zuge ihrer kulturellen Evolution in lichte Höhen zu führen vermochte, wird uns das neue Zeitalter des Irrationalen mutmaßlich Gefahren aussetzen, die wir längst überwunden glaubten.


Wenn historische Vergleiche hinken

3. März 2022

Wladimir Putin, der Kriegsherr, das sei der „neue Hitler“! Das müsse man endlich einmal sagen, so der Herausgeber des zweitgrößten Boulevardblattes der Alpenrepublik. Und der Präsident des Nationalrats merkt so nebenbei an, dass die Ukrainer jetzt im Kriegsfalle doch in ihrem Heimatlande bleiben müssten. Wo käme man da hin, wenn alle im Jahre 1945 aus Österreich geflüchtet wären, anstatt ihre Heimat dann wieder aufzubauen. Und das Ansinnen, er möge auf den Vorsitz im parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die ÖVP-Korruption doch verzichten, vergleicht er mit der Selbstausschaltung des Parlaments im Jahre 1933. Dass dann zuvor in den Anti-Coronamaßnahmen-protesten Menschen mit gelben Sternen demonstrierten, ist ein weiterer Fall von einigermaßen missglückten historischen Vergleichen.
Warum missglückt? Ob Wladimir Putin tatsächlich mit Adolf Hitler gleichgesetzt werden kann, muss dann doch hinterfragt werden. Zwar hat er auch wie der Braunauer im September 1939 einen Angriffskrieg gegen Polen, heute gegen die Ukraine entfesselt, ein Weltkrieg, allzumal ein nuklearer, wird daraus hoffentlich denn doch nicht werden. Und die industrielle Vernichtung, welches Volkes auch immer, in einem zweiten Holocaust scheint Putin vorläufig auch nicht vorzuhaben. So muss man also beim gegenwärtigen Stand der Dinge sagen, dass der Vergleich des Kremlherren mit dem NS-Diktator auf eine Verharmlosung des letzteren hinausläuft! So verabscheuenswürdig und katastrophal der gegenwärtige Angriff von Russland auf die Ukraine auch sein mag.
Und was die historischen Vergleiche unseres Nationalratspräsidenten betriff, so ist da ja eher homerisches Gelächter als Empörung angebracht. Er hat nämlich in der Hektik einer TV-Diskussion das gesagt, was die meisten Österreicher seiner Generation und jene der Zeitzeugen von 1945 empfunden haben dürften: Es sind nämlich damals die Kriegssieger, die Besatzer gekommen und nicht so sehr als „Befreier“, wie wir die einrückenden alliierten Truppen heute definieren.
Sein Vergleich aber mit der Selbstausschaltung des Nationalrates im Jahre 1933 lässt dann doch tief blicken. Da ist beim Herrn Sobotka, so wie bei seinem nieder­österreichischen Parteifreund, dem gegenwärtigen Innenminister, der bekanntlich so etwas wie der Kustos eines Dollfuß-Museums ist, eine subkutane Sympathie für den seinerzeitigen Ständestaat unseligen Angedenkens erkennbar.
Was nunmehr jene Anti-Coronamaßnahmen-Demonstranten betrifft, die sich da mit dem gelben Stern schmücken, so bedeutet das wohl einen ebenso verunglückten historischen Vergleich. Sie mögen sich als Ausgegrenzte und als „Corona-Leugner“ Diffamierte zwar zu Recht diskriminiert fühlen, dies aber mit der Situation der Juden im Dritten Reich zu vergleichen, ist mehr als geschmacklos. Zwar steht dahinter gewiss keine antisemitische Absicht.
Man sieht, dass historische Vergleiche nur mit höchster Vorsicht zu ziehen sind. Allzu leicht tritt man – wenn vielleicht auch unbeabsichtigt – in irgendein Fettnäpfchen.
Und so ist die Geschichte zwar insofern ein Lehrmeister, als sie uns gewissermaßen spezielle ­Lektionen erteilt. Sie bietet allerdings niemals real anzuwendende Parallelen auf gegenwärtige Probleme.


Unsere Pseudoneutralität

23. Februar 2022

Da weilt unser Außenminister, der Herr von Schallenberg, in Kiew, um den verängstigten Ukrainern Mut zuzusprechen. Gemeinsam mit seiner bundesdeutschen Kollegin Baerbock und dem EU-Außenbeauftragten Borrell versichert er mit schmeichelweicher Stimme, dass Österreich im Falle einer russischen Offensive die schärfsten Sanktionsmaßnahmen mittragen werde. Und der Herr Bundeskanzler erklärt währenddessen in Wien, dass Österreich noch nie neutral gewesen sei, wenn es um den Frieden gehe.
Dabei bleibt die Logik einigermaßen auf der Strecke, da Neutralität ja nur im Falle von Auseinandersetzungen kriegerischer oder diplomatischer Natur einen Sinn gibt. Zweifellos ist richtig, dass unser Land längst nicht mehr neutral ist. Bereits vor 30 Jahren in einem der Irakkriege erlaubte die damalige große Koalition Überflüge von NATO-Flugzeugen über unser Territorium und den Transport von schweren Waffen. Und spätestens seit dem EU-Beitritt müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass europäische Solidarität wichtiger wäre also unsere angeblich immerwährende Neutralität. Dass Bundesheersoldaten auf der Seite der NATO in Afghanistan standen – ein kleines Kontingent zwar, aber immerhin – und dass das Bundesheer unter NATO-Kommando am Balkan tätig war, ist dann nur noch wenig überraschend. Und so spielt die immerwährende Neutralität in unserem Land im aktuellen Konflikt zwischen Russland und der NATO offenbar überhaupt keine Rolle mehr. Wenn Österreich noch im Kalten Krieg als neutraler Staat Treffpunkt für die mächtigsten Politiker der damaligen Welt, für den US-Präsidenten Kennedy und den sowjetischen KPdSU-Generalsekretär Chruschtschow war, ist es heute allenfalls ein minimaler Faktor im Rahmen der EU, die ja selbst kaum ein Gewicht hat bei der Schlichtung des gegenwärtigen Konflikts. Da spielen nur der US-Präsident Biden und der Großrusse Wladimir Putin eine Rolle. Und wenn sich diese treffen, dann wird es wohl kaum im nicht mehr neutralen Österreich sein.Überhaupt ist die Idee, dass unser Land als neutraler Staat in der Mitte Europas eine Vermittlerrolle in solchen Konflikten spielen oder zumindest ein neutraler Treffpunkt für Gespräche sein könnte, völlig verschwunden. Auch ist keinerlei Bemühen seitens unserer Regierung feststellbar, die Problemlage aus dem Blickwinkel beider Konfliktparteien zu sehen. Da wird zwar die territoriale Integrität der Ukraine beschworen, dass es aber auch legitime russische Interessen geben könnte, wird völlig missachtet. Das neutrale Österreich könnte etwa darauf hinweisen, dass es in der Ost­ukraine bis zu neun Millionen ethnische Russen gibt, für die der Kreml legitimerweise die Schutzmacht ist, und man könnte darauf aufmerksam machen, dass es in den baltischen Staaten bis zu 40 Prozent russische Bevölkerung gibt, die nach wie vor in der ach so demokratischen EU eingeschränkte Bürgerrechte haben. Österreich könnte auch darauf hinweisen, dass es ein „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ gibt und man in umstrittenen Gebieten, wie etwa der Ostukraine, doch unter internationaler Aufsicht Plebiszite durchführen könnte, um die Frage, wohin das Territorium nach dem Willen der Bevölkerungsmehrheit solle, zu klären.
Aber derlei Überlegungen werden in Wiener Regierungskreisen in keiner Weise erwogen. Man hat sich von der immerwährenden Neutralität längst verabschiedet und beschwört diese allenfalls in Sonntagsreden. Zwar hat man bislang vermieden, offiziell einem Militärbündnis beizutreten, de facto aber marschiert man mehr oder weniger unkritisch mit in den Reihen der NATO-Staaten.
Denn eines ist klar, eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik gibt es nach wie vor nicht, und die vor langen Jahren angedachte Europäisierung des Nordatlantikpaktes hat niemals stattgefunden. Dieser ist nach wie vor der verlängerte Arm der US-Amerikaner und das vorgeblich immerwährend neutrale Österreich ist somit nicht mehr und nicht weniger als ein zwar wenig bedeutender, aber doch eindeutiger Erfüllungsgehilfe der Politik dieses Militärbündnisses. Und so erweist sich die immerwährende Neutralität, die angeblich ein unverzichtbarer Bestandteil der österreichischen Identität in der Zweiten Republik geworden ist, längst als heuchlerische Konstruktion, die in den politischen Realitäten weitestgehend bedeutungslos geworden ist.


Wenn der ­russische Bär seine Krallen zeigt

27. Januar 2022

Wladimir Putin, der Herr im Kreml, ist ein Autokrat. Ein Autokrat, wie er in Russland seit den Tagen Ivans des Schrecklichen bis hin zu Leonid Breschnew die Herrschaft auszuüben pflegte. Und Wladimir Putin ist ein russischer Nationalist, ein Großrusse, der in der Tradition Peters des Großen und vielleicht sogar Josef Stalins steht, wenn es darum geht, die geopolitischen Interessen des Landes zu vertreten. Putin ist aber auch ein Realist. Ein politischer Realist, der in den globalen Konflikten der letzten zwei Jahrzehnte vielleicht keine mäßigende, aber doch eine berechenbare Rolle gespielt hat.
Die in den Medien und in den Aussagen der westlichen Politiker gegenwärtig häufig aufgestellte Behauptung, Wladimir Putin sei dabei, gegenwärtig einen großen europäischen Krieg durch eine Invasion der Ukraine anzuzetteln, ist daher wenig glaubwürdig. Gewiss, er hat eine militärische Drohkulisse gegenüber jenem Nachbarstaat aufgebaut, der über Jahrhunderte Teil des russischen beziehungsweise danach sowjetischen Imperiums war. Eine Drohkulisse, die offenbar verhindern soll, dass sich diese große Land, die Ukraine eben, dem westlichen Militärbündnis NATO anschließt. Eine Drohkulisse aber auch, die darauf hinweist, dass Putin und die Russen insgesamt offenbar nicht gewillt sind, die NATO-Osterweiterung bis hin an die Grenzen des russischen Kernlandes weiter zu akzeptieren. Eine Drohkulisse auch, die Putin offenbar als Antwort auf das gebrochene Versprechen aus dem Jahr 1989/90 betrachtet, wonach die NATO sich nicht auf ehemals sowjetisches Territorium vorwagen wolle.
Insgesamt aber steht Wladimir Putin natürlich in der Tradition der großrussischen Politik, wie wir sie seit Jahrhunderten kennen. Der größte Flächenstaat der Erde hatte stets einen Drang zu den Meerengen, zu den offenen Weltmeeren gehabt, im Norden über Murmansk zum Eismeer, in der Ostsee über das Baltikum und im Süden zu den Dardanellen. Dass das neue Russland unter Putin die baltischen Staaten verloren hat, wurde indessen im Kreml wohl akzeptiert. Die Eigenständigkeit der baltischen Völker, abgestützt durch die NATO-Mitgliedschaft ist Faktum. Ein Faktum, das allerdings relativiert wird durch die zahlenmäßig starken russischen Minderheiten in diesen Staaten. Deren bürgerliche Rechte zu stärken, sollte eigentlich ein Anliegen der Europäischen Union sein, wenn man nicht will, dass der Kreml als russische Schutzmacht dies durchsetzt.
Als die Sowjetunion zerbrach und in der Folge auch der russische Zentralstaat Randbereiche abgeben musste, war der Kreml in der Periode von Boris Jelzin in der Defensive. Erst unter Wladimir Putin war der russische Bär in der Lage, sich vom machtpolitischen Krankenbett zu erheben und nach und nach seine Krallen zu schärfen. Neben jenem Bündnis, das Russland mit Weißrussland und anderen ehemals zu Russland gehörenden Bereichen errichtete, ist es zweifellos so etwas wie ein Machtanspruch in Richtung auf alle ehemals sowjetischen Territorien, wobei der Kreml zweifellos auch auf jene Gebiete und Staaten schielt, die zum Warschauer Pakt gehörten.
Angesichts dieser historischen und geopolitischen Tatsache war es ein Gebot der Vernunft, dass die ehemaligen Ostblockstaaten auf eine beinahe überhastetete Art und Weise der EU beitraten und auch der NATO. Jahrzehntelang mussten sie das Schicksal von Satellitenstaaten der Sowjetunion und damit gegenüber den Russen erleiden, nunmehr war die Hinwendung zu Europa die logische Alternative, die auch Sicherheit bot. Und dasselbe galt natürlich auch für die drei baltischen Staaten.
Dass der Kreml indessen durch die NATO-Erweiterung ein Gefühl der Einkreisung entwickeln musste, liegt auch auf der Hand. Als in den 60er Jahren die Sowjetunion Raketen auf Kuba stationierten, fühlten sich die US-Amerikaner in derart hohem Maße bedroht, dass dies beinahe zu einem Atomkrieg geführt hatte. Wenn nunmehr moderne Waffensysteme in Polen stationiert werden, ist es also nur verständlich, dass der Kreml ebenfalls allergisch darauf reagiert. Ein Ausgreifen der NATO auf die Ukraine wäre indessen tatsächlich das Vordringen des westlichen Militärbündnisses in eine Region der ehemaligen Sowjetregion, deren Osten noch dazu in weiten Teilen auch von Russen besiedelt ist. Ob nun Wladimir Putin tatsächlich so weit gehen wird, um diesen russisch dominierten Osten der Ukraine auch militärisch zu besetzen und so wie vor wenigen Jahren die Krim der russischen Föderation einzuverleiben, bleibt abzuwarten. Mit dem Erzwingen eines Plebiszits im östlichen Landesteil könnte eine solche Maßnahme nach dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker sogar nachträglich absichern.
Die gegenwärtigen Spannungen zwischen Russland und der NATO sollten allerdings nicht von den grundsätzlichen geopolitischen Fragen ablenken. Und da ist es das zentrale Problem, wie sich EU-Europa künftig hin gegenüber Russland verhält. Vergessen werden darf ja nicht, dass die Russen mit nahezu 140 Millionen Menschen das stärkste europäische Volk sind, das allerdings auch teilweise auf asiatischen Boden siedelt. Davon leben 115 Millionen Russen in Russland selbst und immerhin 23 Millionen in anderen benachbarten Staaten. Dass der Kreml sich als Schutzmacht dieser Menschen sieht, ist legitim. Wie weit deshalb allerdings Eingriffe in die Souveränität anderer Staaten und Grenzänderungen möglich sind, ist eine andere Frage.
Aus einer historischen Perspektive gesehen ist es einigermaßen paradox, dass das größte europäische Volk, die slawischen Russen eben, das überdies ein christlich geprägtes Volk ist, von der europäischen Integration ausgeschlossen sein soll. Natürlich ist der größte Flächenstaat des Planeten nicht so einfach in die Integration nach dem Muster der Europäischen Union einzubeziehen wie die Slowakei oder auch ein größeres Land wie Polen. Und natürlich stellt sich die Frage, wie weit ein derart großes und militärisch mächtiges Land nicht hegemoniale Ansprüche im Zuge einer solchen Integration hätte. Dennoch liegt es auf der Hand, dass die Europäische Union mit dem größten europäischen Volk, mit einem anderen europäisch dominierten Staat besondere und engere Beziehungen haben müsste als mit allen anderen Bereichen auf diesem Planeten.
Solcher Art könnte die EU, die gegenwärtig ja machtpolitisch im globalen Ringen nur eine Statistenrolle zu spielen vermag, zum wirklichen weltpolitischen „Player“ werden. Ein Bündnis Europas mit Russland wäre ein veritables Gegengewicht zur abstiegsgefährdeten USA und zum immer offensiver werdenden roten Giganten China.
Natürlich gibt es da das Problem der mangelnden Demokratie und der immer wieder auftretenden Gefährdung der Menschenrechte in Russland. Da müsste der Kreml einmal daran gehen, die alten moskowitischen autokratischen Tendenzen zu hinterfragen und zu eliminieren. In der Europäischen Union allerdings sollte man diesbezüglich vom hohen Ross heruntersteigen und angesichts der eigenen Demokratiedefizite gegenüber Russland ein geringeres Maß an Selbstgerechtigkeit äußern.
Andererseits bestünde die Möglichkeit, dass das wertkonservative Gesellschaftsmodell, das in Putins Russland dominiert, die Betonung von Patriotismus, Familiensinn und Bewahrung der eigenen Kultur, befruchtend auf die einigermaßen dekadenten Gesellschaften EU-Europas einwirkt.
Die Traditionen der Aufklärung, wie sie in Europa entwickelt wurden und die Tiefe der russischen Seele sollten hier auf der Basis der christlich europäischen Kultur eine gemeinsame zukunftsträchtige Entwicklung der europäischen Kulturvölker ermöglichen. Ein Modell, das als Gegenentwurf zum hyperdekadenten Zeitgeist der US-amerikanischen gesellschaftlichen Entwicklungen mit „political correctness“, „me too“, black lives matter“, „wokeness“, etc. auf der einen Seite und auf der anderen Seite zum totalitären staatskapitalistischen Systems Chinas taugen könnte. Ob ein solches Modell allerdings angesichts der realen Verhältnisse der Gegenwart, der Zuspitzung der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen, wie wir sie in diesen Tagen erleben müssen, denkmöglich wäre, ist wenig wahrscheinlich – leider!