Nationalliberale Kandidaten

11. März 2016

Am Beispiel von Hainisch, Breitner und Gredler

Der erste Bundespräsident der Republik Österreich war Michael Hainisch. Er war zwar sein Leben lang parteilos, galt aber als prononcierter Deutschnationaler und Liberaler. Geboren am 15. August 1858 bei Schottwien als Sohn der bekannten Frauenrechtlerin Marianne Hainisch, studierte er Rechtswissenschaften an den Universitäten Leipzig und Wien. Nach der Promotion setzte er mit dem Studium der Nationalökonomie in Berlin fort. Als Privatgelehrter beschäftigte sich Hainisch mit volkswirtschaftlichen, agrar-, sozial- und bevölkerungspolitischen Problemen. Sein Gut bei Spittal am Semmering galt als Musterbetrieb, und seine Zuchtkuh Bella erlangte mit Rekordmilchleistungen bundesweite Berühmtheit.

Nicht umsonst wurde er 1920 zum Präsidenten des Direktoriums der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft gewählt.

Hainisch besaß ein ausgeprägtes soziales Empfinden und befürwortete dadurch auch die sozial-reformatorischen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Auch die Hebung der Volksbildung war ihm ein wichtiges Anliegen. Er organisierte Volksbildungsvereine und wirkte an der Gründung der Wiener Zentralbibliothek und der Deutschen Turnerschaften in Wien mit.

Der parteilose, aber großdeutsch gesinnte Hainisch wurde am 9. Dezember 1920 zum ersten Bundespräsident der Republik gewählt. Er hatte dieses Amt für zwei Amtsperioden bis zum 10. Dezember 1928 inne. Durch seine korrekte und sparsame Amtsführung verschaffte er sich in den schwierigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in allen politischen Lagern Anerkennung. In seiner Funktion förderte er insbesondere die Landwirtschaft, die Elektrifizierung der Eisenbahnen, den Fremdenverkehr, den österreichisch-deutschen Handel, das ländliche Brauchtum und auch die Schaffung des Denkmalschutzgesetzes. Nach seiner zweiten Amtsperiode als Bundespräsident fungierte er von 1929 bis 1930 als parteiloser Handelsminister in der Regierung Schober III. Geradezu selbstverständlich sprach er sich im Jahr 1938 für den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich aus. Er stand damit in einer Reihe mit dem Wiener Kardinal Innitzer und den führenden Persönlichkeiten der Sozialdemokratie wie Karl Renner und Otto Bauer.

Der Engel von Sibirien – Burghard Breitner wurde als Sohn des Schriftstellers und Archäologen Anton Breitner geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Mattsee und in Salzburg, wobei er schon als Gymnasiast Gedichte veröffentlichte. Ab 1901 studierte er an der Universität Graz Medizin und wurde Mitglied des Akademischen Corps Vandalia, gleichzeitig wirkte er als Dramaturg des Stadttheaters und inszenierte mit Erfolg einige Stücke. Lange schwankte er zwischen seiner Berufung zum Schriftsteller und der zum Mediziner. Nach seinem Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger bei den Tiroler Kaiserjägern studierte er in Wien und in Kiel zu Ende, um schließlich sub auspiciis imperatoris zu promovieren.

Als junger Arzt nahm er am ersten Balkankrieg 1912/1913 teil. Bereits am Beginn des Ersten Weltkrieges geriet er an der Ostfront in russische Kriegsgefangenschaft, wo er dann bis 1920 nördlich von Wladiwostok als Lagerarzt arbeitete. Erst mit dem letzten Heimkehrertransport im Jahre 1920 kehrte er nach Österreich zurück, wo er als „Engel von Sibirien“ gefeiert wurde. 1929 wurde er Primararzt im Wiener Rudolfspital und 1932 Vorstand der chirurgischen Universitätsklinik Innsbruck. 1952/53 war er sogar Rektor der Universität Innsbruck. Als Mediziner verfasste er über 200 wissenschaftliche Arbeiten.

Burghard Breitner empfand sich zeitlebens als Deutsch-Freiheitlicher. 1932 war er der NSDAP beigetreten und fungierte auch als beratender Chirurg der Reichswehr und später der Wehrmacht. Ab 1950 war er Präsident des österreichischen Roten Kreuzes.

Im Jahre 1951 wurde Burghard Breitner vom Verband der Unabhängigen als parteiungebundener Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten aufgestellt. Obwohl er keine einzige Wahlveranstaltung abhielt, reichte seine persönliche Popularität dafür, 15,4 % der Stimmen zu erlangen.

Der Diplomat – Willfried Gredler war der ranghöchste Diplomat, der aus freiheitlichen Kreisen stammte. Als prononcierter Liberaler vertrat er die FPÖ von 1956 bis 1963 im Nationalrat. Bereits bei der Parteigründung wurde er zum Bundesparteiobmann- Stellvertreter gewählt. Er blieb bis zu seinem Tode im Jahre 1994 Mitglied der FPÖ und Berater der Parteispitze, obwohl er gerade aus seiner liberalen Position immer wieder Kritik an verschiedenen Entwicklungen in der Partei übte.

Von Anfang an war es Willfried Gredler, der die Kontakte zu den liberalen Parteien im Ausland herstellte. Ihn, der als österreichischer Spitzendiplomat zahlreiche internationale Kontakte hatte, war es wohl auch zu verdanken, dass die FPÖ unter dem Parteiobmann Alexander Götz der Liberalen Internationalen beitreten konnte. Der Höhepunkt seines politischen Lebens war seine Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl 1980. Zwar erfüllte sich Gredlers Erwartung, sein großer Bekanntenkreis in der ÖVP werde offen für ihn eintreten und ihn somit gegen den von der SPÖ für die Wiederwahl nominierten Rudolf Kirchschläger unterstützen, nicht. Da Gredler nach seinem Ausscheiden aus der aktiven politischen Laufbahn nur noch wenig präsent gewesen war, musste er mit seinem Wahlkampfstab mangels Bekanntheitsgrades bei null beginnen. Er gewann aber von Woche zu Woche rasch an Boden und verzeichnete in der Endrunde bei einer überfüllten Großkundgebung in der Wiener Hofburg am 13. Mai 1980 einen respektablen Wählerzulauf. Ganze 751.000 Stimmen für Gredler waren dann am 18. Mai das Endergebnis der Bundespräsidentenwahl und bis dahin die höchste Stimmenzahl, die bei einer von Freiheitlichen bestrittenen Wahlen in Österreich erreicht wurde.

Die drei genannten Persönlichkeiten Michael Hainisch, Burghard Breitner und Willfried Gredler dokumentieren mit ihrer politischen Laufbahn und ihren Ambitionen auf das höchste Staatsamt der Republik sehr deutlich, dass das Dritte Lager, die national-freiheitliche Gesinnungsgemeinschaft, sehr wohl in der Lage ist, die Republik auch an führender Stelle zu repräsentieren.


Ersatzkaiser oder Staatsnotar?

9. März 2016

Freiheitliche Thesen zur Funktion des Staatsoberhaupts

Ihrer ganzen Tradition nach, die bekanntlich bis auf die bürgerliche Revolution von 1848 zurückgeht, sind Österreichs Freiheitliche überzeugte Republikaner. Für sie ist die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz eine der Grundfesten des Verfassungsstaates. Jegliches Vorrecht durch Geburt und Abstammung lehnen sie ab. Adelsprivilegien oder hohe Staatsämter durch dynastische Erbfolge sind mit diesem Denken absolut unvereinbar.

Der Freiheitsbegriff, wie er durch die griechische Philosophie und das römische Recht und die germanisch-deutsche individuelle Selbstbestimmung begründet wird, wie er durch das Gebot der christlichen Nächstenliebe, des Humanismus, der Aufklärung und schließlich durch den deutschen Idealismus definiert ist, liegt diesem Denken zugrunde. Diese durch ethische Verantwortung und staatsbürgerliche Verpflichtung gebundene Bürgerfreiheit hat nichts zu tun mit jenem Egalitarismus und der Libertinage, wie sie vom spätlinken Zeitgeist propagiert werden.

Die Gleichheit aller Menschen an Würde und die Gleichberechtigung aller Staatsbürger vor dem Gesetz schließen freiheitlichem Denken gemäß keineswegs hierarchische Strukturen im Sinne unterschiedlicher Wahrnehmung von Pflichten, Leistungen und Verantwortungen im Dienste der Gemeinschaft aus. In diesem Sinne gibt es auch im freiheitlichen Rechtsstaat eine Hierarchie der Repräsentanten der res publica. Diese Hierarchie ergibt sich aufgrund der Prinzipien der parlamentarischen Demokratie auf der Basis von freien, gleichen und geheimen Wahlen. Dieses Wahlrecht ist das vornehmste Rechte des Staatsbürgers zur demokratischen Mitbestimmung über die Repräsentanz der Republik.

Auch demokratisch verfasste Staaten mit republikanischer Verfassung benötigen in diesem Sinne eine Persönlichkeit an der Spitze, die den Gesamtstaat repräsentiert. Mit welchen Befugnissen diese Persönlichkeit ausgestattet ist, über welche Würden und Vorrechte sie verfügen kann und für welchem Zeitraum ihr dies gestattet ist, bedarf der genauesten und differenziertesten Erwägung. Es ist klar, dass in einem Lande wie Österreich, das über eine vielhundertjährige monarchische Tradition verfügt, das Amt des Staatsoberhauptes einen anderen Charakter haben wird als etwa in der Schweizer Eidgenossenschaft, wo es über Jahrhunderte direktdemokratische Mitbestimmung und kantonale Vielfalt gegeben hat. Auch die Frage, ob in Form eines Präsidialsystems das Staatsoberhaupt selbst an der unmittelbaren Tagespolitik entscheidend beteiligt ist und damit selbst im demokratischen Wettbewerb Spitzenrepräsentant einer Partei ist oder ob das Staatsoberhaupt über den Parteien zu stehen hat, muss berücksichtigt werden.

In der Verfassungsgeschichte der Ersten Republik war die Position des Staatsoberhaupts bekanntlich ein Streitfall zwischen den großen politischen Lagern. Der christlich-konservative Bereich zog bekanntlich ein Staatsoberhaupt mit dem Charakter eines Ersatzkaisers vor, während die Sozialdemokratie eine Variante präferierte, in der der Nationalratspräsident die Aufgaben des Staatsoberhaupts wahrnehmen sollte. Demnach wäre es nur eine Art Staatsnotar gewesen, der die Republik an der Spitze repräsentieren sollte. Als Kompromiss wurde dann bekanntlich im Jahre 1920 das Amt des Bundespräsidenten zwar als eigenes Staatsorgan geschaffen, seine Kompetenzen waren jedoch nur sehr schwach ausgeprägt. Dies allein deshalb, weil der Bundespräsident nur von der Bundesversammlung und nicht vom Volk gewählt wurde.

In der Verfassungsnovelle des Jahres 1929 wurde die Position des Bundespräsidenten bekanntlich unter dem Druck eher autoritär orientierter Kräfte, wie sie sich im Umfeld des christlich-sozialen Lagers, aber auch des nationalliberalen Lagers immer stärker formierten, beträchtlich aufgewertet. Zwar wurde kein wirkliches Präsidialsystem eingeführt, wohl aber als Kompromiss die Volkswahl des Bundespräsidenten sowie die Ernennung des Bundeskanzlers und auf dessen Vorschlag der Bundesminister durch das Staatsoberhaupt.

Wenn heute etwa die oppositionellen Freiheitlichen drüber debattieren, ob man das Amt des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers nicht zusammenlegen solle, ist das keineswegs als ein Anknüpfen an die autoritär orientierten Vorschläge des Jahres 1929 zu werten, da man ja sehr wohl auch das Schweizer Modell in diesem Zusammenhang ins Auge gefasst hat.

Und dieses Schweizer Modell mit seinem Rotationssystem, wonach Regierungsmitglieder abwechselnd die Rolle des Staatsoberhauptes einnehmen, ist zweifellos das Gegenmodell zu dem eines starken Präsidenten. Die freiheitlichen Diskussionsanstöße über eine Reform des höchsten Staatsamtes sind also eher dadurch motiviert, dass die verfassungsmäßig so starke Position des österreichischen Bundespräsidenten in der Realverfassung der Republik eher auf die bloße Funktion eines Staatsnotars reduziert wurde. Man scheint also gewillt zu sein, die Verfassung eher der politischen Realität anzupassen oder aber die Funktion des Staatsoberhauptes mit wirklicher politischer Gestaltungskraft zu verbinden.

Aus freiheitlicher Sicht wäre eine Redimensionierung des höchsten Staatsamtes in Richtung  Schweizer Modell durchaus auch eine akzeptable Lösung, wenn man sich etwa entschließen könnte, die Gründungszeit der Ersten Republik zum Vorbild zunehmen und das höchste Staatsamt in einem Turnussystem durch die drei Nationalratspräsidenten wahrnehmen zu lassen, wäre dies ein durchaus sinnvoller Weg. Damit würde man der hierzulande nach wie vor unausgesprochenen Sehnsucht nach einem Ersatzkaiser eine endgültige Absage erteilen und die höchste Repräsentanz der Republik aufs engste mit dem Parlamentarismus verbinden. Natürlich würde ein Bundespräsident, der im Turnus von einem der drei Nationalratspräsidenten gestellt wird, nicht mehr die Kompetenz haben, den Regierungschef und die Regierung zu bestellen oder zu entlassen. Er könnte die vom Parlament gewählte Regierung nur bestätigen bzw. angeloben und er hätte natürlich auch in keiner Weise die Möglichkeit, das Parlament aufzulösen.

Auch die Repräsentation des Staates nach außen könnte er nur gemeinsam mit dem Regierungschef beziehungsweise dem jeweils zuständigen Fachminister vornehmen und den Oberbefehl über das Bundesheer müsste er natürlich ebenso an den Regierungschef abtreten. Eine Direktwahl durch das Bundesvolk wäre mit einem höchsten Staatsamt dieses Zuschnitts ebenso unvereinbar. Das höchste Staatsamt wäre auf diese Art und Weise auf die Funktion eines parlamentarisch kontrollierten und eingebundenen Staatsnotars reduziert.

us freiheitlicher Sicht wäre aber auch die gegenteilige Entwicklung, nämlich der Weg hin zu einer tatsächlichen Präsidialrepublik denkbar. Die Zusammenlegung des Präsidentenamts mit jenem des Regierungschefs legitimiert durch eine direkte Volkswahl, die somit im höchsten Maße eine Persönlichkeitswahl wäre, wäre durchaus denkbar. Ein solcher Art starker Bundespräsident müsste allerdings – so wie in etwa in Frankreich – in Ausnahmefällen auch mit einem System der „Kohabitation“ leben können, also mit einer parlamentarischen Mehrheit, die gegen ihn ausgerichtet wird. A priori zu behaupten, eine solche Reform des höchsten Staatsamtes würde den Weg zu einem autoritär geführten System ebenen, wäre unberechtigt. Allein das Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreichs beweisen dies.

Tatsache ist jedenfalls, dass das Auseinanderklaffen zwischen der in der Verfassung gegebenen Position des Bundespräsidenten und der in der Realverfassung tatsächlich vorzufindenden Stellung desselben unbefriedigend ist – nicht nur für Verfassungsrechtler, auch für die Bevölkerung. Zu einer befriedigenden Lösung wird man allerdings nur dann gelangen können, wenn es eine neue Qualität der politischen Eliten des Landes und einen neue Qualität in den Persönlichkeiten, die hier politisch agieren, gibt. Die schönsten und ausgewogensten verfassungsmäßigen Konstrukte nützen nämlich wenig, wenn es der Politik an Ethos und an Charakter fehlt


Hofburg: Endlich einmal ein normaler Mensch…

11. Februar 2016

Die Bundespräsidenten der Zweiten Republik sind bislang schon eine merkwürdige Spezies. Einerseits kommen sie nahezu alle aus dem politischen Hoch-Establishment, anderseits beschränkten sie sich trotz verfassungsmäßig recht umfangreicher Rechte und Möglichkeiten auf die Funktion von innenpolitischen Frühstücksdirektoren und außenpolitischen Grüß-Augusten.

Da war zuerst einmal Karl Renner, der schlaue alte Fuchs, Gründervater zweier Republiken. Dann der greise Schutzbund-General Theodor Körner, dann Adolf Schärf, der klassische Typ des Beschwichtigungshofrats, schließlich Franz Jonas, biederer Wiener Partei Apparatschik, sowie Rudolf Kirchschläger, Kurt Waldheim und Thomas Klestil, der erste vormals Außenminister, der zweite UNO-Generalsekretär, der dritte Spitzendiplomat und schließlich eben Heinz Fischer. Typus: Kassier des Arbeiterbildungsvereins Simmering.

Und nun kommen die Kandidaten, die dieses Jahr in die Hofburg einziehen wollen: Der Spitzengewerkschafter und gescheiterte Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der Langzeit-Klubobmann und Nationalratspräsident Andreas Khol, die ehemalige OGH-Präsident Irmgard Griss und der Alt-Guru der Grünen, Alexander Van der Bellen. Allesamt würdige Traditionsträger der erstgenannten Präsidenten, die die Republik bislang hatte.

Und dann ist da noch Norbert Hofer, der junge Mann aus dem Burgenland, Vater von vier Kindern, HTL-Ingenieur und Zivilinvalide nach einem schweren Sportunfall. Gewiss, auch er kann auf eine Parteikarriere zurückblicken, aber auf einen Werdegang in einer Partei, die eben nicht zum politischen Establishment gehört. Einer Partei, die vielmehr kritisch gegenüber den Fehlentwicklungen der Republik des nationalen Selbsthasses und der allgemeinen gesamtgesellschaftlichen Dekadenz eingestellt ist.

Aber dieser Norbert Hofer kennt die Sorgen der kleinen Leute, der Familienväter, der Jungen, die beruflich sich mühsam ihren Weg suchen müssen und natürlich auch jener leidgeprüften Menschen, die aufgrund von Behinderung, körperlichen Gebrechen oder eines Unfalls schweres Leiden zu tragen haben. Und damit ist dieser Norbert Hofer keiner, der den Zynismus der etablierten Politik teilt, einen Zynismus, der die Nase rümpft über den viel zitierten „kleinen Mann“, ein Zynismus, dem die Ängste der Durchschnittsösterreicher nur „Suderei“ sind, ein Zynismus, der arrogant über die Sorgen und Nöte der Durchschnitts-Bürger hinweg geht. Dieser Norbert Hofer liegt nun am Beginn seiner Wahlkampagne schon ganz gut in den Umfragen. Dieser Norbert Hofer eröffnet eine Chance, die Österreich bislang seit siebzig Jahren noch nicht gehabt hat: Dass nämlich ein ganz normaler Bürger ins höchste Staatsamt, in die Hofburg einzieht.


Die Hofburg und die Taktik

27. Januar 2016

Die Freiheitlichen in der Bundespräsidenten-Zwickmühle

An sich wäre die Sache völlig klar: Eine Partei, die sich anschickt, zur stärksten des Landes zu werden – wenn letzten Umfragen nicht trüben – und die die Bundesregierung übernehmen will, eine solche Partei müsste wohl auch einen Kandidaten für das höchste Staatsamt ins Rennen schicken. Allzumal in einer Zeit, in der es nach Ansicht eben dieser Partei eine derart krisenhafte Entwicklung gibt, dass sie als wohl stärkste Bedrohung für Land und Leute seit Jahrzehnten angesehen werden muss. Die Rede ist natürlich von der FPÖ des Heinz-Christian Strache und ihrer Entscheidung in Sachen Bundespräsidentschaftskandidat. Und wenn man von Krise spricht, so ist natürlich von der Massenzuwanderung durch Asylsuchende die Rede. Nachdem die etablierten politischen Kräfte des Landes und damit auch ihre Präsidentschaftskandidaten – immer eben nach Ansicht der größten Oppositionspartei des Landes – nur Scheinlösungen zu bieten haben, Beispiel Grenzsperren, die keine sind, sondern vielmehr Willkommensanlagen und Obergrenzen, die in Wahrheit völlig unverbindliche Richtwerte darstellen, wäre es auch deshalb eine Verpflichtung, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, weil dieser Klartext in dieser Krise reden könnte und müsste. Denn ein solcher Kandidat könnte in Anbetracht der Stimmung im Lande durchaus in die Stichwahl kommen.

Die Paarung hieße dann wohl Van der Bellen gegen den FPÖ-Kandidaten und dann würde – wie es jüngst in einem Gastkommentar in der „Kleinen Zeitung“ hieß – wohl Van der Bellen Bundespräsident werden, da man von Seiten aller etablierten Kräfte gegen den FPÖ-Kandidaten agitieren würde.

Eine solche durchaus plausible Annahme dürfte nun die blauen Parteistrategen zwingen, sich eher einer taktischen Variante im Hinblick auf die Wahl zum Bundespräsidenten zu nähern: Vernünftigerweise wird man wohl eher keinen eigenen Kandidaten aufstellen und das im letzten Moment bekanntgeben. Ein starker freiheitlicher Kandidat würde wie zuvor geschildert eben zwangsläufig an der Stichwahl scheitern und dem ultralinken Grünkandidaten den Weg in die Hofburg ebnen. Ein schwacher FPÖ-Kandidat würde hingegen nur dazu führen, dass das Wählerstimmenpotential Mitte-rechts durch das Antreten des ÖVP-Kandidaten der unabhängigen Frau Irmgard Griss und des freiheitlichen Kandidaten durch drei geteilt würde, damit wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass die beiden linken Kandidaten, eben SPÖ-Hundstorfer und Van der Bellen, in die Stichwahl kämen. HC Strache und seine Parteistrategen hätten also die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Nur eine verdeckte Unterstützung von Andreas Khol im ersten Wahlgang, die diesen wohl in die Stichwahl bringen würde, und eine massive offene Unterstützung des alten Wüste Gobi-Durchquerers könnten ihn schließlich in die Hofburg katapultieren. Nur mit Hilfe des ÖVP-Wählerpotentials wird er das nicht schaffen. Als Türöffner für eine Neuauflage einer blau-schwarzen Regierungskoalition hingegen sehr wohl. Dies mag für die Wahlkampf-Strategen des gewieften Tirolers, der „die Leut‘ mog und das Land mog“ so offen angesprochen zwar peinlich sein, für die Anhänger der politisch korrekten Linken klingt es zweifellos wie Polit-Pornographie. Aus taktischer Sicht aber ist es eine unleugbare Tatsache. Und diese wird, bei der in Kürze ins Haus stehenden Entscheidung der FPÖ-Strategen zweifellos eine Rolle spielen müssen.


Die Hofburg als Geriatrie-Zentrum

21. Januar 2016

Das waren noch Zeiten, als der Autor dieser Zeilen „Krone“-Kolumnist war und bei der größten Tageszeitung des Landes eine theoretische Leserschaft von nahezu drei Millionen Menschen hatte. Immerhin war er da auch schon um die fünfzig. Im Kreise der damaligen „Krone“-Macher aber – Hans Dichand weit über achtzig – kam man sich wie ein Jüngling vor. Tatsächlich war die „Kronen Zeitung“ damals wie die KPdSU unter Leonid Breschnew: Jeder unter achtzig galt als Lausbub.
Ähnlich scheint es nunmehr bei den Bewerbern um die österreichische Bundespräsidentschaft zu sein. ÖVP-Kandidat Andreas Khol und Linksaußen-Bewerber Alexander Van der Bellen würden im Falle ihrer Wahl bei Ende der Amtsperiode immerhin rund um die achtzig sein. Irmgard Griss wäre auch vom Typus her so etwas wie eine freundliche Bundes-Uromi. Und selbst der Jungstar unter den Bewerbern, der SPÖ-Kandidat Hundstorfer, ist mit seinen vierundsechzig Jahren für einen aktiven österreichischen Politiker bereits im Pensionsalter.
Vorläufi g sieht es also so aus, als würde die Hofburg in der nächsten Amtsperiode eines österreichischen Bundespräsidenten eher ein geriatrisches Zentrum als eine politische Schaltzentrale des Landes sein. Nun weiß man zwar nicht, wen die Freiheitlichen ins Rennen schicken werden. Sollte es etwa Volksanwalt Peter Fichtenbauer sein, wäre es auch schon ein Anfang-Siebziger. Und einer der aussichtsreichen freiheitlichen Bewerben, nämlich Nationalratspräsident Norbert Hofer, hat von sich selbst gesagt, er fühle sich zu jung, für eine Bewerbung um das höchste Staatsamt.
Irgendwo scheint da in den Köpfen auch der österreichischen Parteistrategen das Bild des guten alten Kaisers Franz Joseph herumzuspuken. Diesen hat man ja vorwiegend als alten glatzköpfi gen Backenbartträger in Erinnerung, der da murmelte: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“. Und offenbar wollen – zumindest, wenn es nach den Parteistrategen geht – die Österreicher ihr künftiges Staatsoberhaupt auch als eine Art greisenhaften Ersatzkaiser, als gütigen Großvater der Nation, der alles andere macht – nur keinen Wind.
In Zeiten, in denen ansonsten in der Politik eher so etwas wie ein Juvenilität-Wahn vorherrscht, ist das vielleicht auch gar nicht so schlecht. Wenn schon der Außenminister als Patentinhaber des Geilomobils – nicht nur optisch – wie ein Studienanfänger wirkt, warum dann nicht zur Abwechslung ein altes Staatsoberhaupt. Die britische Queen, der italienische Staatspräsident, sie bewegen sich – gefühlt – auf die Hundert zu, warum also nicht auch ältere Herrschaften in der Wiener Hofburg?


Flagge zeigen!

15. Januar 2016

Warum die Freiheitlichen die Bundespräsidentenwahl nicht verschlafen sollen

Soll man oder soll man nicht? Kandidieren nämlich, bei der Wahl zum höchsten Staatsamt der Republik. Soll man die unabhängige Kandidatin Griss unterstützen? Oder soll man eine massive Kampagne für die Abschaffung des Amtes und die Zusammenlegung mit der Funktion des Bundeskanzlers anstreben? Oder soll doch der Parteichef höchstderoselbst ins Rennen gehen?
All das waren Varianten, die in den letzten Wochen und Monaten im Hinblick auf die Position der seit Jahr und Tag in den Umfragen stärksten Partei des Landes in Sachen Bundespräsidentenwahl diskutiert wurden. Dieser Tage will man sich nun entscheiden, und diese Entscheidung wird wohl nicht leicht fallen. Einerseits ist es nämlich wenig reizvoll, diesen Wahlgang zu bestreiten. Allein schon aus finanziellen Gründen, da es bekanntlich keine Wahlkampfkostenerstattung mehr gibt. Wenig reizvoll allzumal dann, wenn man sich keine realistischen Chancen auf einen Wahlerfolg, das heißt also auf das Erringen dieses höchsten Staatsamtes, ausrechnen zu können glaubt. Andererseits aber wäre es für eine Partei, die kurz- bis mittelfristig um den Eintritt in eine Bundesregierung ringt, schon aus taktischen Gründen mehr als leichtfertig, den einzigen großen Wahlgang dieses Jahres links liegen zu lassen und sich damit während der nächsten Monate zwangsläufig aus der innenpolitischen Debatte auszublenden.
Und prinzipiell stellt sich zusätzlich die Frage, ob es sich eine solche Partei, die zum Sprung in die Position der stärksten politischen Kraft des Landes ansetzt und es im Sinne der eigenen Konzepte regieren und gestalten will, erlauben kann, die Besetzung der Staatsspitze außer Acht zu lassen? Kurz gesagt: Wäre es für eine sich als staatstragend empfindende politische Gruppierung nicht geradezu verpflichtend, einen Kandidaten für das höchste Staatsamt aufzustellen?
Nun kann man, wie dies Parteichef Heinz-Christian Strache bereits angedeutet hat, mit Fug und Recht darüber debattieren, ob man im Hinblick auf die Staatsspitze nicht eine Verfassungsänderung anpeilen sollte. Man braucht sich nicht jenem Vorwurf aussetzen, den sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gegenwärtig gefallen lassen muss, dass er nämlich mittels Verfassungsänderung eine Art autoritärer Staatsführung in einem Präsidialsystem à la Putin anstreben wolle. Man kann dabei zu Recht auf Beispiele wie Frankreich mit seinem durchaus demokratisch gebändigten Präsidialsystem verweisen. Oder aber auch auf die Schweiz, wo bekanntlich die Regierungsmitglieder im Rotationssystem den Bundespräsidenten stellen.
Überhaupt erlaubt es ja der Rückgriff auf die österreichische Verfassungsgeschichte andere Varianten für das Amt des Staatsoberhaupts anzudiskutieren. Man sollte nicht vergessen, dass bis zum März des Jahres 1919 die drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung diese Funktion wahrgenommen hatten. Heute würde das etwa bedeuten, dass die Nationalratspräsidenten die Staatsspitze repräsentieren müssten. Oder denken wir an jene Ausgestaltung des höchsten Staatsamtes, die wir aus den Jahren zwischen 1920 und 1929 kennen, als der Bundespräsident zwar ein separates Staatsorgan wurde, seine Kompetenzen jedoch sehr schwach definiert waren und er nur von der Bundesversammlung und nicht vom Volk gewählt wurde.
Tatsächlich ist die Stellung des österreichischen Staatsoberhaupts, wie sie auf Grund der Verfassungsnovelle von 1929 definiert wurde, eine merkwürdige: Als eine Art Ersatzkaiser, der durch die Volkswahl eine starke und unabhängige Position innehat und verfassungsrechtlich durch sein Recht auf die Ernennung des Bundeskanzlers und auf dessen Vorschlag auch der Bundesminister eine nicht minder dominante Position sein Eigen nennt, hätte er schlechthin die Schlüsselposition in der österreichischen Innenpolitik. Und trotz seiner Bindung an Vorschlag und Gegenzeichnung würde ihn sein Recht, den Nationalrat aufzulösen, auch weitreichende parteipolitische Einflussmöglichkeiten gewähren. Wenn, ja wenn es da nicht jenen seltsamen „Rollenverzicht“ gäbe, wonach sich die Bundespräsidenten der Zweiten Republik eher in Zurückhaltung übten und sich darauf konzentrierten, ihren Einfluss hinter den Kulissen wahrzunehmen und nach außen eher repräsentative Aufgaben in den Vordergrund stellten. Dort, wo sie verfassungsmäßig durchaus veritable Macht ausüben könnten wie in anderen präsidentiellen Regierungssystemen, beschränken sie sich bis dato hierzulande darauf, ihre Autorität hauptsächlich Kraft ihrer Persönlichkeit – so vorhanden – zur Wirkung zu bringen.
Da zumindest für die in diesem Jahr ins Haus stehende Wahl des Staatsoberhauptes eine Verfassungsänderung nicht realisierbar ist, stellt sich also für die Freiheitlichen als stärkste Oppositionspartei mit dem kurz- bis mittelfristigen Anspruch auf Regierungsbeteiligung zuerst einmal die Frage, ob sie nicht selbst in der Lage ist, eine Persönlichkeit aus ihren Reihen zu präsentieren, die bei dieser Wahl realistische Chancen hätte. Bei möglicherweise fünf Kandidaten, jeweils einer von den beiden Regierungsparteien, einem grünen Kandidaten und der unabhängigen Kandidatin Griss, hätte ein fünfter freiheitlicher Kandidat möglicherweise realistische Chancen in die Stichwahl zu kommen. Und das würde schon ein politisches Erdbeben bedeuten, wie auch immer dann der zweite Wahlgang ausgehen würde. Auch nach dem durchaus achtbaren Abschneiden von Barbara Rosenkranz vor sechs Jahren gäbe es auch heute ein präsentables freiheitliches Personalreservoir.
Persönlichkeiten, die über die Seniorität – der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer fühlt sich bekanntlich zu jung für das Amt – verfügen und über die moralische Autorität, sowie das Fachwissen gibt es zweifellos in den freiheitlichen Reihen. Hilmar Kabas etwa, der Ehrenobmann der FPÖ, Volksanwalt Peter Fichtenbauer oder der emeritierte Dekan der juridischen Fakultät Wilhelm Brauneder, aber auch Ex-Minister wie Dieter Böhmdorfer oder Herbert Haupt, sie brächten diese Eigenschaften zweifellos mit. Aber auch freiheitliche Politiker der jüngeren Generation, etwa der außenpolitische Sprecher Johannes Hübner oder der Verfassungssprecher Harald Stefan, beides hochkarätige Juristen, könnten in einem dynamischen, von der ganzen Partei getragenen Wahlkampf den freiheitlichen Anspruch auf das höchste Staatsamt glaubwürdig gestalten.
Und auch das weibliche Element wäre mit der gut bürgerlichen Frontwechslerin Ursula Stenzel oder der dynamischen EU-Abgeordneten Barbara Kappel herzeigbar. Dass natürlich ein Antreten des Parteichefs selbst, so wie es etwa im französischen Falle selbstverständlich ist, die stärkste Mobilisierung der Parteisympathisanten mit sich bringen würde, steht außer Zweifel. Im österreichischen Verständnis allerdings birgt dies auch Risiken: Etwa den Vorwurf, dass er nun alles werden wolle, Wiener Bürgermeister, Bundeskanzler, Bundespräsident, womöglich auch noch Papst in Rom. Natürlich würden die konkurrierenden Parteisekretariate genau diesen Vorbehalt medial zu schüren wissen. Und überdies brächte ein wahrscheinliches Scheitern, zumindest in zweiten Wahlgang, das Risiko einer medial verstärkten persönlichen Niederlage des Parteichefs mit sich. In Frankreich wurde der Aufstieg des Front National durch das wiederholte Antreten des Parteichefs bei Präsidentschaftswahlen – und das letztliche Scheitern im zweiten Wahlgang – zwar befeuert, ob dies auch in Österreich der Fall wäre, ist hingegen fraglich.
Und dann gäbe es da noch die taktische Variante, wonach die Freiheitlichen danach trachten könnten, durch ihr Agieren im Zuge des Bundespräsidentschaftswahlkampfs einen Keil in die gegenwärtige Regierungskoalition zu treiben – etwa durch die Unterstützung eines der Kandidaten der beiden alten Parteien. Schon in der frühen Geschichte der Zweiten Republik gab es ja immer wieder Versuche, etwa einen schwarz-blauen Kandidaten zu positionieren.
Ein solcher zeichnet sich für die ins Haus stehende Präsidentschaftswahl zwar nicht ab, ausgeschlossen wäre es aber nicht, dass die FPÖ einen christlich konservativen Amtsanwärter unterstützt und dafür ganz offen einen politischen Preis einfordert.So wie Friedrich Peter seinerzeit Bruno Kreisky das kleinparteienfreundliche Wahlrecht für die Unterstützung der sozialistischen Minderheitsregierung im Jahr 1970 abringen konnte, müsste der Preis für eine freiheitliche Unterstützung eines von der ÖVP gestellten Bundespräsidentenkandidaten zumindest in der definitiven Zusicherung bestehen, dass ein FPÖ-Chef, sollte er Vertreter der stimmenstärksten Partei sein, ebenso selbstverständlich mit der Regierungsbildung beauftragt würde, wie dies bei anderen Parteichefs der Fall wäre. Und selbstverständlich müsste auch zugesichert werden, dass ein solcher als Bundeskanzler angelobt werden würde, wenn er sich auf eine parlamentarische Mehrheit stützen könnte.
All das ist nach den österreichischen Usancen und der geltenden Bundesverfassung zwar eine Selbstverständlichkeit, im Falle der über lange Jahre dämonisierten und ausgegrenzten FPÖ aber offenbar nicht. Dies beweisen nicht zuletzt die aktuellen Aussagen des grünen Kandidaten für das höchste Staatsamt.
Neben solchen Zusicherungen würde ein blauschwarzes Agreement in Sachen Bundespräsidentschaftskandidatur naturgemäß psychologisch einen weiteren tiefen Keil in die gegenwärtig bestehende Regierungskoalition treiben. Ob diese ein solches Vorgehen längerfristig überleben könnte, wäre wohl unwahrscheinlich und der Weg der Strache-FPÖ zur Regierungsverantwortung könnte sich solcherart deutlich verkürzen.
An der Jahreswende 1999/2000 bestand der Preis für die freiheitliche Regierungsbeteiligung in der Überlassung der Funktion des Bundeskanzlers an die ÖVP. Mehr als eineinhalb Jahrzehnte später, in einer Situation, in der die Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache deklariertermaßen zu einem solchen Kuhhandel niemals mehr ihre Zustimmung geben würden, könnte der Preis für die freiheitliche Übernahme der Kanzlerschaft in der Überlassung des höchsten Staatsamtes gegenüber der ÖVP bestehen. Ein Anreiz, der angesichts der zuvor skizzierten zentralen Machtmöglichkeiten des österreichischen Bundespräsidenten nicht zu verachten wäre. Allzumal dann, wenn die ÖVP-Strategen – Lopatka lässt grüßen – erkennen müssten, dass sie im freien Spiel der Kräfte bei den Präsidentschaftswahlen gegen einen sozialdemokratischen Kandidaten kaum wirkliche Chancen hätten, dass die Hofburg ohne blaue Unterstützung für einen bürgerlichen Kandidaten eine rote Domäne bleiben müsste. Für Spannung ist also gesorgt.


Geld regiert die Welt

26. Mai 2014

Die Ukraine bekommt einen neuen Präsidenten. Bei der Wahl am Sonntag konnte sich bereits im ersten Wahlgang Petro Poroschenko, ein Schokoladenfabrikant, durchsetzen. Und Poroschenko zählt zu den reichsten Männern des Landes und ist ein Oligarch. Also ein Teil jener Kaste, die im Chaos nach dem Zerfall der Sowjetunion und überhasteter Privatisierungen mit zweifelhaften Methoden zu sagenhaftem Reichtum gekommen waren.
Selbstverständlich sind demokratische Entscheidungen zu respektieren, aber trotzdem drängt sich die Frage auf, ob Poroschenko die beste Wahl für den osteuropäischen Krisenstaat ist. So ist ungewiß, ob der künftige Präsident nationale von eigenen (wirtschaftlichen) Interessen trennen kann und wird. Überhaupt erwies sich in der Vergangenheit das politische Engagement von Oligarchen in der Ukraine wie auch im benachbarten Rußland nicht als Segen für die oftmals in bitterer Armut lebende Bevölkerung. Julia Timoschenko, die vom Westen hofi erte Ikone der „Orangen Revolution“ von 2004, polarisierte und schloß für Kiew ungünstige Gaslieferverträge mit Moskau ab. Und der ehemalige russische Oligarch Michail Chodorkowski schickte sich an, mit seinen im Energiegeschäft verdienten Milliarden in der russischen Innenpolitik mitzumischen, ehe er von Wladimir Putin kaltgestellt wurde.
Neu ist in der Ukraine nun, daß ein Oligarch Präsident wird. Bisher war es eher so, daß sich Oligarchen Präsidenten gehalten haben. Das im letzten Februar gestürzte Staatsoberhaupt Viktor Juschtschenko etwa konnte lange Zeit auf die Unterstützung Rinat Achmetows zählen, des reichsten Ukrainers. Dieser war in der Schwerindustrie zu einem milliardenschweren Vermögen gekommen und wandte sich erst von seinem Schützling ab, nachdem immer fraglicher wurde, ob sich Janukowitsch im Präsidentenamt halten kann.
Wenn von Oligarchen die Rede ist, darf Österreich freilich nicht vergessen werden. Bekanntlich versuchte ein aus der Steiermark nach Kanada ausgewanderter Werkzeugmacher vor nicht allzulanger Zeit, mit seinem in der Automobil-Zuliefererindustrie erworbenen Vermögen die politische Landschaft der Alpenrepublik umzukrempeln. Da wurden Euro-Millionen in eine neue politische Partei gepumpt und Unsummen in die Wahlwerbung investiert. Die Jünger sammelten sich um den spendablen Parteigründer, dessen „Werte“ die ideologische Leere übertünchen sollten. Allerdings zeigte sich rasch, daß das Experiment zum Scheitern verurteilt war. Die Nationalratswahl 2013 brachte nicht den erhofften Erfolg, und mittlerweile versinkt das Team Stronach in politischer Bedeutungslosigkeit. Der ukrainische Oligarch wurde also ins höchste Staatsamt gewählt, während der austrokanadische rasch von seinen hochtrabenden Träumen auf den Boden der Realität zurückgeholt wurde.


US-Wahl: Alles bleibt beim Alten

22. Oktober 2012

Die Mehrheit der Europäer hofft, daß der Demokrat Barack Obama bei der Präsidentenwahl am 6. November von den US-Amerikanern für eine zweite Amtszeit bestätigt wird. Schließlich hat der Halbkenianer auf dem alten Kontinent noch immer den Nimbus eines Heilsbringers, der die Welt retten kann. Daß der mit dem Friedensnobelpreis Ausgezeichnete jedoch noch mehr Befehle zu sogenannten „gezielten Tötungen“ von tatsächlichen oder mutmaßlichen Terroristen gegeben hat als George W. Bush wird im kollektiven europäischen Gedächtnis aber genauso ausgeblendet wie die Tatsache, daß es Obamas demokratische Vorgänger im Weißen Haus waren, die die Vereinigten Staaten in die großen Kriege des 20. Jahrhunderts führten – unter Woodrow Wilson traten die USA an der Seite der Entente-Mächte in den Ersten Weltkrieg, unter Franklin D. Roosevelt traten sie gegen die Achsenmächte in den Zweiten Weltkrieg ein.

Aber daß die Demokraten ebensowenig wie die Republikaner zögern, Kriege zum Ausbau und zur Sicherung der weltweiten US-Hegemonialstellung zu beginnen, spielt hierzulande keine Rolle, zumal ihnen die Sympathien des linken Establishments entgegenschlagen. So wird aufgrund der Gesundheitsreform allen Ernstes behauptet, Obama wolle die USA „europäisieren“. Europäisieren würde aber bedeuten, daß die Vereinigten Staaten das Völkerrecht uneingeschränkt achten und internationale Zurückhaltung üben, wovon aber weit und breit nichts zu sehen ist.

Obamas republikanischer Herausforderer Mitt Romney war bis weit in den Vorwahlkampf der Republikaner hinein in Europa ein unbeschriebenes Blatt. Das überrascht nicht, weil der Mormone, der Mitte der 1960er Jahre zwei Jahre lang als Missionar in Frankreich auf Seelenfang ging, in außenpolitischen Belangen unbeschlagen ist. Aber daß ein US-Präsident eine Koryphäe in außen- und sicherheitspolitischen Fragen sein muß, ist auch gar nicht notwendig. Denn der jeweilige Resident im Weißen Haus ist weniger Entscheider als vielmehr das Sprachrohr von Lobbies und Zirkeln, die im Hintergrund die Marschrichtung vorgeben.

Zu denken ist an die Erdölindustrie und den militärisch-industriellen Komplex, die zur Steigerung des Profits neue Rohstoffressourcen erschließen und neu entwickelte High-Tech-Waffensysteme unter „realen Bedingungen“ erproben wollen. Oder an die Interessen von Wall Street und Hochfinanz, die ihre schon ohnedies sagenhaften Gewinne weiter maximieren und im Verein mit den internationalen Konzernmultis das Wirtschaftssystem der Globalisierung weiter vorantreiben wollen. Denn gerade die Vertreter dieser einflußreichen, im Verborgenen wirkenden Kräfte sind es, die in der Trilateralen Kommission oder bei den Bilderberger Treffen eine Art geheimer Weltregierung bilden.

Somit ist es egal, ob Obama oder Romney die US-Präsidentenwahl gewinnt. Denn in den USA wird alles beim Alten bleiben.