Es war einmal … ein katholisches Land

25. April 2018

Land ohne Gott, Kirche ohne Einfluss

Was war Österreich für ein katholisches Land! Wie papsttreu und gut römisch waren die Menschen. Der Kaiser war der Schützer der Kirche, nebenbei auch König von Jerusalem. Im Ständestaat wurde die Verfassung „im Namen Gottes“ erlassen. Und noch in der Zweiten Republik definierte sich die erste (und nun wieder als solche tätige) Kanzlerpartei als christlichsoziale Partei, christlich im Sinne von römisch-katholisch. Und natürlich war die Republik durch ein Konkordat mit dem Vatikan und der Kirche durch strenges Regelwerk verbunden: Von der Kirchensteuer bis zum Religionsunterricht. Und überdies war der gesamte Jahreslauf, der Lebensrhythmus der Menschen, in erster Linie von den katholischen Feiertagen geprägt: Taufen und kirchliche Eheschließungen waren – sind es teilweise noch immer – Pflicht.
Und heute? Heute stehen die Kirchen leer. An den katholischen Feiertagen haben die Geschäfte offen. Vierzig Prozent der kirchlich geschlossen Ehen werden geschieden. Zu Weihnachten kommt Santa Claus und nicht mehr das Christkind. Der Valentinstag ist wichtiger als der Karfreitag, die ÖVP ist für die Schwulenehe. Und die meisten der jüngeren Österreicher halten den Papst in Rom für den Direktor der vatikanischen Museen.
Dabei ist das Land durch nahezu zweitausend Jahre vom Christentum geprägt und durchdrungen. Schon in den römischen Provinzen Binnennoricum und Ufernoricum war die Bevölkerung gegen Ende des weströmischen Reiches weitgehend christlich. Der Kult des Nazareners hatte den Mithraskult undandere Heilslehren überfl ügelt und überwunden. Arianer waren allenfalls ostgermanische Söldner, doch die Mehrheit der keltoromanischen Bevölkerung war den römisch-katholischen Bischöfen treu ergeben.
Kein Wunder, dass der Heilige Severin die provenzalrömische Bevölkerung nach dem Fall der Donaugrenze von Lauriacum zurück nach Italien führte. Keine Frage, dass Chorbischöfe aus dem Bereich des Zollfeldes, der römischen Stadt Virunum, im Umfeld des heutigen Domes von Maria Saal in Binnennoricum tätig waren und dort dann auch die einsickernde slawische Bevölkerung römisch-katholisch machten. Die Slawenmönche Cyrill und Method konnten ihr Wirken niemals wirklich auf österreichisches Territorium ausweiten.
Und die Bajuwarische Besiedelung, die dann ab dem 7. Jahrhundert begann, erfolgte dann weitgehend schon durch christianisierte, ebenso an die römische Kirche gebundene Menschen. Karl der Große schließlich legte die Grenze zwischen dem Patriarchat von Aquileia und dem Erzbistum Salzburg an der Drau fest, was manin der „Conversio Bagoariorum et Carantanorum“ nachlesen kann. Und in der Folge waren es eben das Erzbistum Salzburg und das Bistum Passau, die die Alpen- und Donauländer kirchlich durchdrangenund organisierten. Daneben waren es die Mönchsorden, die Benediktiner, später Zisterzienser, die das Land urbar machten und gleichzeitig der römischkatholischen Kirche unterstellten. Und die Landesherren, zuerst die Babenberger und dann die Habsburger, waren stets zweifelsfrei gut katholisch. Der dritte Leopold von Babenberg sogar heiligmäßig. Als dann gegen Ende des Mittelalters mit der Pest und den Heuschrecken nach und nach da und dort die Ketzerei aufkam, die Hussiten im Norden und Albigenser und Katharer im Süden Frankreichs, begann es auch in den österreichischen Erblandenzu rumoren. Und die Worte des Mönchs von Wittenberg fanden schließlich auch in den habsburgischen Erblanden breites Gehör. Steiermark und Kärnten, große Teile Österreichs ob und unter der Enns waren dann bereits weitgehend protestantisch. Die Landstände, der Adel voran, die Bürger hinten nach und die Bauern im Irrglauben, sie könnten auch von der „Freiheit des Christenmenschen“ profi tieren. Das konnten und wollten die Habsburger nicht tolerieren. Karl V., sein Bruder Ferdinand I., sowie dessen Nachfolger bis hin zum Kaiser des Dreißigjährigen Krieges, Ferdinand II., sie setzen zum Gegenschlag an, führten die Gegenreformation quer durch die österreichischen Lande. Die Eisenreiter, die beispielsweise in Innerösterreich quer durch die Steiermark und Kärnten zogen, um gemeinsam mit der geistlichen Kommission die verblendeten Lutheraner wieder gut katholisch zu machen, sie waren eine der Speerspitzen der Gegenreformation. Und auch wenn das Land von den Religionskriegen und dem Dreißigjährigen Krieg dann nur zum Teil betroffen war, war die Rückkehr in den Schoß der Heiligen Katholischen Kirche doch eine erzwungene.
Nach dem Westfälischen Frieden aber, und im Zuge der siegreichen Abwehrkämpfe gegen die Türken und die Feldzüge des Prinzen Eugen, stellte das Lebensgefühl des Barock den Triumph des Katholizismus auch auf österreichischem Territorium wie in ganz Süddeutschland dar. Joseph I., Karl VI. und seine Tochter Maria Theresia, sie waren jene Landesfürsten, die den Sieg der katholischen Kirche kompromisslos bis in die letzten Winkel ihrer Herrschaftsgebiete durchsetzen. Noch unter Maria Theresia mussten Krypto-Protestanten, etwa aus Oberkärnten und Tirol, dort, wo sie entdeckt wurden, „transmigrieren“ und in die ungarische Reichshälfte nach Siebenbürgen ziehen, wo relative Religionsfreiheit herrschte. In Österreich selbst, im Herzogtum Kärnten, im Herzogtum Steyer und im Herzogtum Krain, in der Grafschaft Tirol gab es nur einen Glauben, nur eine Religion, die katholische. Und in der kaiserlichen Haupt- und ResidenzstadtWien gaben fanatische katholische Prediger wie der Mönch Marco d’Aviano während der Türkenbelagerung des Jahres 1683 oder Abraham a Sancta Clara den Ton an.
Nach der Reformation gab es kurz einen weiteren Rückschlag für die Kirche, als nämlich der liberale Kaiser Joseph II. im Sinne des aufgeklärten Absolutismus Toleranz gegenüber anderen christlichen Religionsgemeinschaften, insbesondere gegenüberden Protestanten, obwalten ließ. Er löste nicht produktive Klöster auf, dämmte die Herrschaft der Kirche über das Bildungswesen und über weite Bereiche des öffentlichen Raumes ein. Seine Nachfolgerallerdings setzten wieder völlig auf das Bündnis zwischen Thron und Altar, da insbesondere das Schul- und Bildungswesen voll in den Händen der Katholischen Kirche lag.
Eine Änderung brachte dann erst die Revolution von 1848 und die allgemeine Liberalisierung der Gesellschaft ab 1859. Der politische Liberalismus schließlich führte einen gezielten Kulturkampf gegen die katholische Dominanz in Staat und Gesellschaft, der letztlich von Erfolg gekrönt war. Dennoch war das alte Österreich das christlich-katholische Bollwerk schlechthin. Der Kaiser war ein apostolischer Fürst, der Einfluss auf die Papstwahl nahm (zuletzt 1903), Kirchenfürsten waren Autoritäten im Lande und die katholischen Priester waren in den dörflich-bäuerlichen Bereichen Vorbild und Führungspersönlichkeit.
Das war das katholische Österreich. Und dann kam die Republik. Der Krieg für Gott, Kaiser und Vaterland endete in einer Niederlage; in Russland errichteten die gottlosen Bolschewiken ihre Diktatur, in Bayern und in Ungarn gab es ebenso Räterepubliken, und in Österreich wurden die Austromarxisten zur tendenziell stärksten Kraft des Landes. Die kaiserliche Haupt- und Residenzstadt wurde plötzlich das „Rote Wien“ und in den Kirchen bei den Gottesdiensten lichteten sich die Reihen.
Wie tröstlich für das katholische Österreich, dass mit dem Prälaten und Theologie-Professor Ignaz Seipel ein geistlicher Herr an die Spitze der Regierung trat. Und bei den Feldmessen der Heimwehren wurden wieder Waffen gesegnet. Als dann im Jahre 1934 dem „parlamentarischen Spuk“ ein Ende bereitet wurde und die neue Verfassung „imNamen Gottes“ oktroyiert wurde, hatte der politische Katholizismus in Österreich vollends die Macht übernommen. Der christkatholische Cartellverband dominierte die Universitäten und die Beamtenschaft, die neugegründete Vaterländische Front sollte den christlichen Ständestaat, wie Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg ihn sich ausgedacht hatten, quer durch die österreichische Bevölkerung populär machen. Allein daraus wurde nichts, da ein anderer Diktator den klerikalen Diktator Österreichs zum Teufel jagte. Der Braunauer war gekommen, und obwohl er sich von den Kirchenfürsten des Landes seinen Anschluss absegnen ließ, attackierten seine Satrapen mit zahllosen Nadelstichen und schikanösen Maßnahmen die Katholische Kirche Österreichs, die ja nun eine solche der „Ostmark“ sein musste. Nach dem Kriege war es wieder das christlichsoziale Lager, das im engen Verbund mit der Sozialdemokratie den Wiederaufbau des Landes organisierte.
Und mit Julius Raab und Leopold Figl waren es auch christlichsoziale Politiker, die mit dem Staatsvertrag die Befreiung und Unabhängigkeit des Landes organisierten. Ihr politischer Katholizismus war durch das Leid der Kriegs- und Nachkriegsjahre geläutert, sie waren zum Kompromiss bereit und fähig, ihre politischen Gegner von einst in die Verantwortung einzubinden. Und sie konnten sich auf eine weitgehend intakte Katholische Kirche, samt kirchlicher Organisation quer durch die Alpenrepublik, stützen.
Das Konkordat galt weiter, die Menschen waren zu gut neunzig Prozent Katholiken, sie zahlten brav ihre Kirchensteuer, begingen die kirchlichen Feiertage und orientierten ihren gesamten Lebensrhythmus nach ihnen – Taufe, Erstkommunion, Firmung, kirchliche Eheschließung, Begräbnis für die einzelnen Bürger und schließlich was den Jahreslauf betraf, Dreikönigstag, Aschermittwoch, Palmsonntag, Karfreitag, Ostersonntag, Fronleichnam, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, und zum Ausklang des Jahres schließlich Allerheiligen, Allerseelen und das Weihnachtsfest. Und jeden Sonntag ging man in die Kirche – ausgenommen die relativ wenigen Protestanten und Agnostiker, wie sie im harten Kern der Sozialdemokratie und der nationalfreiheitlichen Parteien vorhanden waren. Und dennoch, was war Österreich damals noch für ein katholisches Land! Und dann kam das 68er Jahr mit Studentenrevolte, freier Liebe, den Beach Boys und in der Folge mit Baader-Meinhof-Gruppe und sozialistischen Regierungen quer durch Europa. Wer Bruno Kreisky im Fernsehen predigen hörte, konnte sich Kardinal König im Stephansdom getrost sparen (vielleicht war der Kardinal linker als Kreisky). Und diese Neue Linke war im Großen und Ganzen eher gottlos, ihre Heiligen waren John Lennon und Mick Jagger, Andi Warhol und Willy Brandt. Und sie frequentierten keine Fronleichnams-Prozession, sondern Woodstock oder diverse Anti-Vietnam Demos – auch in Österreich.
Im Gefolge der Neuen Linken dann kam getreu dem Motto der Selbstverwirklichung der Hedonismus. Und dieser ist bekanntlich jene Religion, in der einem nichts heilig ist außer der eigene Hintern. Das Zeitalter der Bindungslosigkeit und Verantwortungsverweigerung brach an – auch in Österreich.
Und wenn Gott nach zweitausend Jahren Christentum, nach Hexenverbrennungen und Inquisition, nach dem ersten Vatikanum und dem zweiten Vatikanum, nach Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus und nach den Lehren der Frankfurter Schule und der Political Correctness nicht gestorben ist, dann ist er zumindest mit Sicherheit jetzt tot. Und seine Stellvertreter auf Erden haben ebenso längst kapituliert. Der emeritierte Papst Ratzinger weiß dies vielleicht. Der Spaßvogel, der derzeitam Stuhle Petri sitzt, glaubt wahrscheinlich, das sei alles ein Scherz. Und seine Statthalter in Österreich müssen längst zur Kenntnis nehmen, dass sie in einem gottlosen Land leben, in dem allenfalls noch Muslime an einen Allmächtigen glauben.
Überhaupt ist es eine rein statistische Tatsache, dass der Islam längst die zweitstärkste Religion in Österreich ist. Und was die Glaubensintensität betrifft und die Anzahl der wahren Gläubigen, so hat er die des Katholizismus wahrscheinlich längst übertroffen. Gott ist tot in der ehemals so hochkatholischen Insel der Seligen. Und die Katholische Kirche ist allenfalls noch so etwas wie ein Lebenshilfeverein, der mittels Legionären mit Migrationshintergrund – wo gibt es denn noch gebürtige Österreicher im Priesterornat? – einen Notbetrieb aufrechterhält. Das hätten sich der Heilige Severin oder der Heilige Leopold, Abraham a Sancta Clara und Marco d’Aviano wahrscheinlich nicht so gedacht. So ist es aber nun einmal, und Österreich ist im europäischen Vergleich da keine Ausnahme. Mit Ausnahme Polens und Kroatiens gibt es wahrscheinlich keine katholischen Länder mehr im ehemals christlichen Abendland.


Wenn’s der Teufel will…

20. März 2013

Franz I, Bischof von Rom und Pontifex Maximus war es, der uns in diesen Tagen wieder einmal den Teufel ins Gedächtnis rief: Wer nicht an Christus glaube, gehe mit dem Satan. In einer Zeit, in der das Gutmenschen-Christentum die Existenz des Teufels beinahe in Vergessenheit geraten ließ, machte uns der Jesuiten-Papst darauf aufmerksam, dass man an Gott nur glauben könne, wenn man auch um die Existenz des Teufels, also des Bösen wisse und damit wohl auch um die Hölle und die ewige Verdammnis. Vom Teufel der Hölle und der Verdammnis auf die österreichische Innenpolitik zu kommen, erscheint vielleicht ein bisschen weithergeholt. Lug und Trug in der Politik, das Brechen von Versprechungen und Loyalitäten, der Verrat, das schamlose Wechseln der Seite und der jeweiligen Partei, der Vertrauensbruch gegenüber dem Wähler mögen in der Politik, allzumal in der kleinkarierten unserer rot-weiß-roten Alpenrepublik, zum Alltag gehören, gewissermaßen als Kavaliersdelikte lässliche Sünden betrachtet werden. Herkömmlichen christlichen Moralvorstellungen zufolge aber wären das eben Sünden und zwar schwere, solche, für die man sich dereinst zu verantworten hätte – wo auch immer. Nun mag es zwar übertrieben sein zu behaupten, da hätte der eine oder andere Politiker einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, dass er aber seine Seele verkauft habe, also seine politischen Überzeugungen, wenn er solche jemals hatte, steht fest.

Wer damit gemeint ist? Na zweifellos einmal jene, die ihre Gesinnung und ihre Partei wechseln wie die schmutzige Unterwäsche. Und dann solche, die den demokratischen Wählerwillen ignorieren, die sich kaufen lassen, durch Geld, Mandate oder Versprechungen.

Der gelernte Österreicher mag sich denken: soll sie doch der Teufel holen, diese politischen Huren am Jahrmarkt der innenpolitischen Eitelkeiten. Im allgemeinen Sprachgebrauch geht man mit dem Teufel ja eher salopp um. Vergegenwärtigt man sich aber die Worte des neuen Papstes weckt man vielleicht doch auf: Vielleicht ist es ja wirklich der Teufel, der seine Hand im Spiel hat, in einer Zeit, in der Wortbruch, Lüge, Hinterhältigkeit und Niedertracht dominieren – nicht nur in der Politik.


Wir waren Papst

20. Februar 2013

Joseph Ratzinger, der am Inn im bayrisch-österreichischen Grenzgebiet aufgewachsene Bajuware, ist zweifellos der bedeutendste katholische Theologe unserer Tage. Daß ein konservativer Deutscher Papst wurde, hat uns naturgemäß gefreut. Dessenungeachtet muß man eingestehen, daß er ein Übergangspapst war. Einer, in dessen achtjährigem Pontifikat die große, längst überfällige Kirchenreform nicht gelungen ist. Die Re-Missionierung des alten Europas, deren Notwendigkeit Ratzinger absolut klar war, konnte nicht einmal im Ansatz verwirklicht werden. Und das Zusammenführen der christlichen Religionsgemeinschaften auch nicht. Ebensowenig wurden die großen theologischen Fragen der Zeit bewältigt. Benedikts Verdienst war es, all diese Probleme erkannt und – eben auch nur ein Mensch – letztlich darüber auch verzweifelt zu haben.
Sein Vorgänger Karol Wojtyla hat einmal zur Frage des Abdankens eines Papstes gemeint: „Vom Kreuz kann man nicht herabsteigen“. Joseph Ratzinger hat dies nun getan. Vielleicht nicht nur aus physischer Schwäche, sondern aus Verzweiflung angesichts der Probleme dieser Welt. Um einen kleinen Ausflug in das Apokalyptische zu machen: Vielleicht wollte Ratzinger auch nicht jener Pontifex Maximus sein, der an der Schwelle zum Weltengericht amtierte.
Und vielleicht hat es Joseph Ratzinger, der so kluge und nahezu allwissende Theologe auch nicht gewagt, Fragen zu beantworten, die in unserer Zeit mit den herkömmlichen Mustern nicht mehr zu beantworten sind. Warum beispielsweise Frauen nicht Priester werden dürfen im katholischen Bereich. Und warum Priester nicht heiraten dürfen. Vielleicht hat er es aber auch nicht gewagt, diese Fragen in aller Offenheit gemäß der katholischen Tradition zu beantworten. Kritiker könnten ihm vorwerfen, daß da bei seinem Rücktritt auch ein wenig Feigheit mitschwingt.
Was nach Benedikt XVI. kommt, ob ein Papst aus der Dritten Welt, aus Schwarzafrika oder Lateinamerika oder doch wieder ein Italiener, vielleicht sogar Ratzingers schwächlicher österreichischer Schüler, der Kardinal von Wien, wir wissen es nicht.
Als Katholik könnte man angesichts der Schwäche und Orientierungslosigkeit dieser Kirche ebenfalls wie Ratzinger schier verzweifeln. Wer etwa die zögerliche und ängstliche Haltung des gegenwärtigen Kardinals von Wien in vielen gesellschaftspolitischen Fragen unserer Tage in den vergangenen Jahren miterleben mußte, kann sich nur schwer vorstellen, daß dieser als Papst vom Heiligen Geist in solchem Maße beflügelt werden könnte, daß er sich an die Probleme unserer Zeit und der Kirche auch nur heranwagen würde. Da war der kleine, fragile Greis aus Niederbayern, der nunmehr wohl im Kloster bis zu seinem Tode schweigend ausharren wird, früher doch aus anderem Holze geschnitzt. Und doch hat er resigniert. Sic transit gloria mundi.


Christen – Gibt’s die noch?

26. März 2012

Der Papst war nunmehr also in Mexiko und auf Kuba. Zum ersten in einem Land, in dem er von Millionen umjubelt wurde, zum zweiten in einem nach wie vor kommunistischem Staat, in dem „Opium fürs Volk“ allzu lange verfolgt und kriminalisiert worden war. Insgesamt aber war er auf einem Kontinent, in Lateinamerika nämlich, auf dem das Christentum noch ein beherrschender Faktor ist.

In Europa hingegen ist das längst nicht mehr so. Das ehemals christliche Abendland ist längst ein säkularisierter Kontinent geworden. Katholische Länder sind vielleicht noch Polen und Kroatien, im Grunde nicht einmal mehr Spanien und Portugal und Italien. Und natürlich der Vatikan, das ist klar.

Die Schwerpunkte des Christentums liegen also längst außerhalb Europas, auch wenn das Zentrum der Kirche in Rom nach wie vor ein europäisches ist. Dafür wäre die eigentliche Hauptaufgabe dieser römisch-katholischen Kirche eben die Re-Christianisierung Europas, die erneute Missionierung jenes Kontinents, auf dem das Christentum nach seiner Translatio aus dem Heiligen Land entstanden ist, groß geworden ist und auch auf die anderen Kontinente über gegriffen hat.

Neben dem Hedonismus und der absoluten Ent-Sakralisierung durch den Materialismus ist es aber in Europa zweifellos der offensiv und fundamentalistisch vordringende Islam, der das Christentum gefährdet. Die Kirche und ihre Amtsträger werden sich also nicht nur mit der Unglaublichkeit einer materialistischen Welt auseinander setzen müssen, sondern zusätzlich mit der fundamentalistischen Gläubigkeit der Muslime. Einer Gläubigkeit, die auf Einzigartigkeit besteht und deren Radikalität jener des Christentums im Mittelalter entspricht. Die islamische Gesellschaft, die bekanntlich bislang ohne Aufklärung geblieben ist, kann nicht mittels billiger Arrangements und frommer Worte eingebunden oder gar überwunden werden. Ihr wird sich das römisch-katholische Christentum im Kampfe stellen müssen – oder hoffnungslos unterliegen.

Der Logik dieser Erkenntnis ist nichts entgegen zu setzen. In Kenntnis des Kirchenpersonals, angefangen vom zwar hoch intellektuellen aber wohl allzu milden Papst Ratzinger bis hin über die Kardinäle und Bischöfe unseres Landes muss man leider bezweifeln, dass dieser Kampf gewonnen wird. Wahrscheinlich wird er nicht einmal aufgenommen werden. Und so dürfte die einzig wahrnehmbare Reaktion des europäischen Christentums in Bewegungen bestehen, wie sie etwa die heimische Pfarrer-Initiative darstellt: zeitgeistig und angepasst, lasch und lauwarm. Wie aber heißt es in der Bibel: Die Lauen werden ausgespien.


Die Pharisäer gehen um

22. März 2010

Nun hat der Heilige Vater also seinen Hirtenbrief im Hinblick auf die Mißbrauchsfälle in der irischen Kirche geschrieben. Und siehe da, die zeitgeistigen Medien, die politisch korrekten Kommentatoren, die Gerechten und Allzugerechten, die Ankläger der Kirche, sie sind damit nicht zufrieden. Es sei keine wirkliche Entschuldigung, der Papst würde nur die Kirche verteidigen, den Mißbrauchsopfern werde damit nicht Genugtuung gegeben.

Verwunderlich ist dies nicht. Tatsache ist nämlich, dass der Papst machen kann, was er will, bis hin zur Selbstzerfleischung, es würde dies den politisch korrekten Kirchenkritikern nicht reichen. Während Kaiser Heinrich IV noch im hähernen Gewande vor die Mauern von Canossa ziehen konnte, um seinen Gegner im Bischofstreit, den Mönch Hildebrand im Papstgewand dazu zwingen zu können, ihm zu verzeihen, hat man diese Chance heute nicht mehr. Die Kirche, bzw. ihre noch verbliebene moralische Macht, muss und wird demontiert werden. Ganz gleich wie viel Schuldbekenntnisse die Kirchenfürsten, die Bischöfe bis hinauf zum Papst auch machen würden. Keine Erklärung, keine Entschuldigung, keine Buße wird da auslangen.

So ähnlich ist es mit den antifaschistischen Grundsatzerklärungen freiheitlicher Politiker, im konkreten Falle die der Bundespräsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz: Sie kann erklären was sie will, es wird den zeitgeistigen Antifaschisten niemals reichen, niemals glaubwürdig genug sein. Ob es im freiheitlichen Falle die Faschismuskeule ist oder im kirchlichen Falle die Mißbrauchskeule, diese wird gnadenlos geschwungen, gilt es doch nicht etwa den Faschismus zu verhindern oder gar künftigen Kindesmißbrauch, nein, es geht darum, die betroffene Institution, also eine mißliebige Oppositionspartei im einen Falle und eine noch immer mit ihren Dogmen lästige Kirche im anderen Falle, zu demontieren.

Wirkliche Probleme werden dabei tunlichst ausgespart. Beispielsweise konnte man im vorwöchigen Spiegel im Bericht über Mißbrauchsfälle in der bundesdeutschen Ebenwaldschule lesen, dass der heute des Mißbrauchs verdächtigte langjährige Schulleiter, der offenbar durch Brutalität und über Jahre andauernde pädophile Übergriffe charakterisiert ist, auch den überregionalen Schuloberen des deutschen Reformschulwesens nicht auffiel. Und so ganz nebenbei konnte man im gegenständlichen Spiegelbeitrag lesen, dass der bundesdeutsche Reformschulpapst der langjährige Lebensgefährte des Herrn Schulleiters ist, dass es sich also um zwei Schwule handelt, wobei der eine die Trennlinie zwischen Homophilie und Pädophilie nicht zu ziehen vermochte. Diese Trennlinie nun ist ein Phänomen, das bei der gegenwärtigen Mißbrauchsdiskussion tunlichst politisch korrekt ausgeblendet wird. Die Tatsache, dass aktive Homosexuelle allzu häufig keineswegs ein Sexualleben mit in Ehren ergrauten Frisuren anstreben, sondern eben den Verlockungen der Knabenliebe erliegen – allzumal wenn sie in diversen schulischen Institutionen, Internaten und dergleichen tätig sind – wird verschwiegen und verdrängt.

Aber so ist das eben. Homosexualität ist schick, „in“ und wird gesamtgesellschaftlich vom politisch korrekten Zeitgeist gefördert. Echter oder auch nur angeblicher Mißbrauch hingegen wird gegenwärtig geradezu hysterisch verfolgt, durchaus mit Recht, aber unter Ausblendung, dass Homophilie und Pädophilie durchaus massive Überschneidungen haben. Aber so ist es eben in der Innenpolitik aber auch in der Kirchenpolitik: Die Pharisäer gehen um.