Justitia ist blind

5. März 2021

Der freiheitliche Rechtsstaat ist in Gefahr

Die allegorische Figur der Justitia ist ja bekanntlich blind bzw. sind ihre Augen verhüllt. Dies symbolisiert, dass sie ohne Ansehen der Person urteilt, dass also jedermann vor dem Recht gleich sein müsse. Und in den Händen hält sie eine Waage als Sinnbild der Gerechtigkeit. Justitia hierzulande, also in ihrer rot–weiß–roten Ausprägung, scheint aber nicht nur blind zu sein, sie ist offenbar auch von gefährlichen Krankheitserregern befallen. Diese Erreger heißen Politisierung, Ideologisierung, Kumpanei, Diffamierung und Indiskretion.
Die Symptome dieses Krankheitsbefalls äußern sich dadurch, dass Instanzen der Justiz einander bis aufs Messer bekämpfen. Da wird ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs von ermittelten Staatsanwälten aus seinem Amtsbüro herausgeholt. Da gibt es Dienstbesprechungen, wo Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geheime Mitschnitte über die Aussagen eines Spitzenbeamten des Justizministeriums machen und diesen dann anzeigen. Da agiert die eben genannte Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wie der Jakobinerklub seinerzeit in der Französischen Revolution und ermittelt gegen Regierungsmitglieder, führt überfallsartige Hausdurchsuchungen durch, geriert sich eben wie der seinerzeitige Wohlfahrtsausschuss.
Dass die Justiz in Österreich politisiert war und ist, weiß jedermann. Natürlich war es karrierefördernd, sei es als Richter, sei es als Staatsanwalt, sei es als Beamter im Justizministerium, wenn man einer der Regierungsparteien angehörte. Da gab es rote Seilschaften und natürlich auch schwarze Seilschaften, neuerdings auch grüne Seilschaften. Nur von freiheitlichen hat man, wiewohl die FPÖ auch mehrmals auch den Justizminister stellte, nie etwas gehört. Indessen allerdings – und dabei sind wir bei der Ideologisierung der Justiz angelangt – gibt es den Marsch der Linken durch die Institutionen. Die 68er haben dies seinerzeit gefordert, indessen ist es Realität: Auch in der Justiz dürfte so wie in der Medienlandschaft das Gros der Beamtenschaft linksorientiert sein. Dass dies für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zutrifft, ist ein offenes Geheimnis, wenn auch, wie auch in anderen Bereichen der Justiz, stets geflissentlich betont wird, dass man keiner Partei angehöre.
Die ÖVP-Spitze, angefangen von Sebastian Kurz, hat wiederholt von „roten Netzwerken“ in der Justiz gesprochen, als sie in den letzten Monaten und Jahren angegriffen wurde. Empört wurde diese Behauptung zurückgewiesen, und doch weiß jeder gelernte Österreicher, dass es solche Netzwerke ganz zweifelsfrei gibt. Aber es ist nicht nur eine konkrete parteipolitische Bindung, es ist eben eine ideologische Prägung, die die Vertreter der Justiz in der Verbreitung der Richter und der Staatsanwälte motiviert.
Da ist es dann nicht verwunderlich, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vorwiegend gegen freiheitliche Politiker und gegen solche der Österreichischen Volkspartei ermittelt. Zuvor waren es die Exponenten der Haider-FPÖ, die in der schwarz–blauen Regierung zwischen 2000 und 2006 vertreten waren, nun sind es Politiker der türkisen ÖVP, die hier unter entsprechendem Ermittlungsdruck stehen. Von Ermittlungen gegenüber roten oder grünen Polit-Exponenten hört man kaum etwas. Beispielsweise wird in den Medien kaum etwas berichtet über die Ermittlungen gegenüber dem ehemaligen Wiener Grün-Politiker Christoph Chorherr oder um die Causa Silberstein im Zusammenhang mit der SPÖ und dem seinerzeitigen SPÖ-Chef Christian Kern, da gibt es offenbar keine einschlägigen Bemühungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sehr wohl aber um die Frage, ob ein ehemaliger ÖVP-Justizminister als Anwalt einem Mandanten den Rat gegeben hätte, bei einer ins Haus stehenden Hausdurchsuchung ruhig zu bleiben.
In diesem Zusammenhang kommt ein weiterer unseliger Faktor ins Spiel: die weitgehend linksgepolten Mainstreammedien. Ständig wird in Österreich aus laufenden Verfahren und Ermittlungen in den Medien zitiert, ständig gibt es Indiskretionen, ständig werden hier Anschuldigungen und Verdachtsmomente kolportiert, die wiederum zu veritabler medialer Vorverurteilung führen. Die formelhaft wiederholte Litanei „es gilt die Unschuldsvermutung“ ist nur das Alibi, um missliebige Politiker medial hinzurichten, wobei die tatsächlichen Ergebnisse der Ermittlungen schon eine untergeordnete Rolle spielen, da die Verurteilung ohnedies bereits über die Medien erfolgt ist.
Und auch diesbezüglich richtet es sich mit unschöner Regelmäßigkeit gegen bürgerliche konservative oder rechte Exponenten der politischen Klasse. Kaum jemals gegen Vertreter linker Parteien, der SPÖ oder der Grünen. Da wurden FPÖ-Politiker wegen irgendwelcher schwachsinniger Liederbücher an den Pranger gestellt, da wird die türkise Volkspartei wohl keineswegs völlig zu Unrecht der breitflächigen Spendenannahme verdächtigt. Dass derlei versteckte Geldleistungen etwa auch für die Sozialdemokratie von Gewerkschaftsseite und aus ähnlichen Bereichen fließen, wird kaum jemals kritisch thematisiert. Und so gibt es gewissermaßen eine unheilige Allianz zwischen absolut linksgepolten Mainstreammedien und einer zunehmend linksgepolten Justiz. Und ohne eine türkise Volkspartei verteidigen zu wollen, wird gegenwärtig in dem solcherart linksgepolten öffentlichen Diskurs jegliche Kritik an der Justiz oder einzelnen Bereichen derselben gewissermaßen als demokratiegefährdende Majestätsbeleidigung bezeichnet.
Damit aber geraten die Grundpfeiler des freiheitlichen Rechtsstaats in Gefahr. Altüberkommene und sakrosankte Rechtsprinzipien, wie die Gleichheit vor dem Gesetz, wie die Unabhängigkit der Richter, wie die bereits zitierte Unschuldsvermutung, sie werden nach Belieben gebeugt oder im unerträglichen Maße veräußert. Traditionelle Rechtsgrundsätze wie „nulla poena sine lege“ (keine Strafe ohne Gesetz) oder „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) oder „ne bis in idem“ (nicht zweimal in derselben Sache) oder „audiatur et altera pars“ (gehört werde auch die andere Seite), werden sträflich negiert. Damit schwinden aber auch das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat und der Respekt vor der Justiz und deren Exponenten.
Ein grundsätzliches Umdenken unserer Justiz tut also not, eine radikale Ent(partei)politisierung und auch so etwas wie Objektivierung durch Entideologisierung müssen her. Es geht nicht an, dass Justitia nur auf einem Auge blind ist, nämlich auf dem linken, und es geht nicht an, dass die Waagschalen nur einseitig durch die politisch korrekten Argumente belastet werden.
Jene Auseinandersetzung, die durch eine Aussage des seinerzeitigen Innenministers Herbert Kickl hervorgerufen wurde, wonach das Recht der Politik folgen müsse, wäre wohl insofern zu lösen, als es natürlich klar ist, dass die demokratisch legitimierte Politik Recht setzt. Die Legislative, das heißt also die Volksvertretung in Österreich, der Nationalrat, schafft die Gesetze. Diese aber können niemals im Gegensatz zu den zuvor erwähnten ehernen Regeln stehen, die den freiheitlichen Rechtsstaat konstituieren. Und so gesehen agiert die Politik trotz ihrer Kompetenz zur Gesetzgebung natürlich auch im vorgegeben Rahmen eben desselben Rechtsstaats. Der Diskurs über diesen Rechtsstaat aber und natürlich auch die Kritik an den Exponenten der Justiz und damit des Rechtsstaats ist natürlich in einer freiheitlichen Demokratie zulässig.


Türkise Turbulenzen

25. Februar 2021

Von Macht-Haberern und Polit-Versagern

Die erfolgsverwöhnte türkise Truppe des Sebastian Kurz ist in jüngster Zeit ganz schön in Turbulenzen geraten: Da ist der Finanzminister und Kanzler-Intimus Blümel als Beschuldigter Zielobjekt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Da muss sich die Wirtschaftsministerin Schramböck vorhalten lassen, dass sie mit dem skurrilen Projekt „Kaufhaus Österreich“ nahezu eineinhalb Millionen Euro in den Sand gesetzt hat. Innenminister Nehammer, eine weitere Stütze des „Systems Kurz“, muss sich des Totalversagens in Sachen Terrorbekämpfung und Reorganisation des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zeihen lassen. Und Arbeitsministerin Aschbacher ging der Regierungsmannschaft wegen ihrer plagiierten akademischen Arbeiten gar völlig verlustig.

Dieses Thema wird auch in unserem neuen ZurZeit-Podcast behandelt.

Da ist die Tatsache, dass die Verteidigungsministerin Tanner das Bundesheer zur Corona-Hilfspolizei degradiert hat und dass der ebenso türkise Nationalratspräsident Sobotka offenbar enge Kontakte zu einem international gesuchten Wirecard-Betrüger gehabt hat, nachgerade zu vernachlässigen.
Der Kopf dieser glücklosen Truppe, Bundeskanzler Kurz, hat sich in diesen Tagen verdächtig rar gemacht. Er lässt in der gegenwärtig chaotisch anmutenden Corona-Bekämpfung den Fachleuten den Vortritt. Und so dürfen Virologen, Epidemiologen und andere Groß-Sanitäter als pandemische Wortspender vor die Kameras. Und auch bei der Verteidigung seiner Minister hört man vom Bundeskanzler wenig. Was Wunder also, dass die Regierung gegenwärtig in den Umfragen abzustürzen droht. Die zunehmende Unglaubwürdigkeit des grünen Koalitionspartners tut das ihre dazu. Wenn dann gegenwärtig im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Korruptionsaffäre rund um den Finanzminister die Machinationen der ÖVP im Hinblick auf die Spenden-Lukrierung thematisiert werden, wirft dies auch ein eher düsteres Bild auf die schwarz-türkisen Macht-Haberer, die seit 35 Jahren ununterbrochen in der Regierung sind.
Nach dem Ende der Ära Kreisky bzw. seines glücklosen Nachfolgers Fred Sinowatz kam es bekanntlich zur Neuauflage der großen Koalition mit ÖVP-Beteiligung. Seitdem regiert diese Partei in wechselnden Koalitionen mit der Sozialdemokratie, den Freiheitlichen und nun mit den Grünen. Kein Wunder, dass man da ein eher machiavellistisches Verständnis im Hinblick auf die Parteienfinanzierung hat und den Staat gewissermaßen als Parteieigentum betrachtet.
Man erinnere sich an die Vorgänge in der niederösterreichischen ÖVP. Da gab es die Erwin-Pröll-Privatstiftung, für die still und leise eine Million Euro bereitgestellt wurden, wovon 300.000 bereits geflossen waren. Nach heftiger Medienkritik wurde diese Stiftung des Altlandeshauptmanns aufgelöst und die 300.000 Euro zurückgezahlt. Da fragt sich der gelernte Österreicher, ob es wirklich notwendig gewesen wäre, alles zurückzuzahlen, wenn dies rechtmäßig gewesen wäre. Ob da nicht dem seinerzeitigen starken Mann innerhalb der Volkspartei auf Kosten des Landes Niederösterreich eine stattliche Apanage zugedacht war?
Oder man denke an jene Beraterfirmen, die in jüngster Zeit im Zuge der Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung Millionengeschäfte machen. Da gibt es eine Beraterfirma namens „Accenture“, die sowohl die einigermaßen unnötige „Stopp-Corona-App“ als auch das gescheiterte „Kaufhaus Österreich“ entwickelte – für Millionenhonorare versteht sich. Wobei kritische Experten meinen, dass diese Internet-Projekte von ein paar Studenten für einige Tausend Euro erledigt worden wären.
Oder man erinnere sich daran, dass das dem Nationalratspräsidenten Sobotka nahestehende Alois-Mock-Institut von der Skandalfirma Wirecard Spenden im fünfstelligen Bereich erhalten hat. Oder auch daran, dass die Wörthersee-Milliardärin Heidi Horten der ÖVP in gestückelten Tranchen Hunderttausende Euro spendete, um solcher Art die Meldung an den Rechnungshof zu vermeiden.
Nun mag es sein, dass die Volkspartei direkt weder von Waffenproduzenten, noch von Glücksspiel- oder Pharmakonzernen Spenden annimmt, im Dschungel der parteinahen Organisationen und Vereine aber gibt es viele Möglichkeiten, dies zu unterlaufen. Jenseits der politischen Inszenierung, mit der sich die Bundesregierung als Meister der Corona-Bekämpfung darzustellen versucht, scheint den türkis-schwarzen Macht-Haberern die Kontrolle entglitten zu sein. Angesichts des sich häufenden Politversagens in seinen Reihen bröckelt naturgemäß auch der Glanz des Kanzlers. Und der aus den Reihen der Opposition aufkommende Ruf nach Neuwahlen wird wohl nur aus dem Grund nicht erhört werden, dass es sich Kurz nach einem zweimaligem Bruch von Regierungskoalitionen, nur schwer erlauben kann, ein drittes Mal vorzeitig die Legislaturperiode abzubrechen.
Und natürlich liegt es an den rapide sinkenden Umfragen, sowohl für die Türkisen als auch für die Grünen, was diese dazu bewegen wird, Neuwahlen zu meiden wie der
Teufel das Weihwasser.