Vom Ende der Proporz-Republik

15. Oktober 2017

Die Teilung des Landes in Rot und Schwarz trägt nicht mehr

Angeblich sind ihre Anfänge in der Lagerstraße des Konzentrationslagers Dachau zu suchen: Die der großen Koalition zwischen Sozialdemokraten und Christlich-Konservativen, die des rot–schwarzen Proporzes in Österreich. Die von den Nationalsozialisten inhaftierten Politiker der ersten österreichischen Republik waren durch das gemeinsam durchlittene Leid demokratisch gereift und willens, die alten Konflikte aus den 20er und 30er-Jahren zu überwinden, so zumindest die politisch-romantisierende Gründungslegende für die große Koalition, den rot–schwarzen Proporz und die Herrschaft der Sozialpartner, welche die zweite österreichische Republik bislang beherrschten. Tatsächlich war im ersten Jahrzehnt nach dem Kriegsende zur Zeit der alliierten Besatzung eine Zusammenarbeit aller relevanten politischen Kräfte vonnöten, um dem Land wieder Souveränität und Freiheit zu erkämpfen. Das Ringen um den Staatsvertrag wurde zweifelsohne von Schwarz und Rot gemeinsam getragen.
Figl und Raab, Renner und Schärf, sie waren sicher Persönlichkeiten, die bis hin in die 50er-Jahre die breite Mehrheit der Österreicher repräsentierten. SPÖ und ÖVP könnten sich, gedeckt durch eine von ihnen gebildete große Koalition, das Land in allen seinen öffentlichen und halböffentlichen Bereichen bequem aufteilen. Die Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern und die ständestaatlichen Reste, die sich im Kammerstaat, in der Wirtschaftskammer, in der Arbeiterkammer primär manifestierten, stützten dieses schwarz–rote bzw. rot–schwarze Proporzsystem zusätzlich ab. Und so war die Zweite Republik von Anbeginn in zwei Reichshälften geteilt: eine rote und eine schwarze. Nachdem die große Koalition in ihrer ersten Phase von der ÖVP dominiert bis 1966 gehalten hatte, kam es danach zu einer schwarzen Alleinregierung unter Josef Klaus, die 1970 von der Minderheitsregierung Bruno Kreiskys abgelöst wurde. Die darauffolgende SPÖ-Dominanz sollte bis 1983 andauern, um dann erstmals von einer Regierung mit FPÖ-Beteiligung abgelöst zu werden. In all diesen Jahrzehnten blieb die Aufteilung des Staates in eine rote und eine schwarze Domäne aufrecht, blieb die Sozialpartnerschaft als Nebenregierung voll funktionsfähig und blieb der Proporz das Gestaltungsmodell der Zweiten Republik.
Der VdU und die Freiheitlichen, also die Parteien des nationalliberalen Lagers, galten als die zu spät Gekommenen der Zweiten Republik und wurden überdies mit dem Stigma des NS-Erbes punziert. Sie sollten an dieser Aufteilung des Staates keinen Anteil haben dürfen und liefen nicht zuletzt deshalb gegen den Proporz von Anbeginn ihres politischen Wirkens Sturm. Als die rot–blaue Koalition unter SPÖ-Chef Sinowatz und FPÖ-Obmann Steger und der damit verbundene eher schwächliche Versuch, den Proporz mit einer freiheitlich-liberalen Beteiligung zu ergänzen, im Jahre 1986 scheiterte, begann in der Folge der freiheitliche Sturmlauf gegen die rot–schwarze Aufteilung des Landes.
Der neue FPÖ-Chef Jörg Haider wandelte die alte nationalliberale Honoratiorenpartei FPÖ in eine plebiszitäre Emanzipationsbewegung gegen den rot–schwarzen Proporz. In kaum eineinhalb Jahrzehnten fundamental-oppositioneller Politik gelang es ihm mittels zunehmender Wahlerfolge, die große Koalition in ihrer zweiten Phase, welche durch den SPÖ-Chef Franz Vranitzky dominiert war, aufzubrechen. Im Jahr 2000 kam es folgerichtig zur ersten blau–schwarzen Koalition unter Wolfgang Schüssel von Haiders Gnaden. Der damit verbundene Versuch, die Macht der Sozialpartner zurück zu beschneiden und den rot–schwarzen Proporz nach und nach zu beenden, hatte nur bedingt Erfolg. Die einigermaßen tückische Politik der ÖVP, den blauen Koalitionspartner ausbluten zu lassen, zu schwächen und schließlich nach der Nationalratswahl des Jahres 2002 zum schwachen Mehrheitsbeschaffer zu degradieren, und die mangelnde Professionalität und Korruptionsanfälligkeit der haiderischen Buberlpartie ließen dieses erste blau–schwarze bzw. schwarz–blaue Regierungsmodell scheitern.
Im Jahr 2006 war es soweit: Die alte große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP konnte fröhliche Urständ feiern, um das Land für ein weiteres Jahrzehnt bis zum heutigen Tag zu regieren. Der rot-schwarze Proporz – ausgedünnt zwar durch die vorhergehende Politik der Privatisierung und Deregulierung im Wirtschaftsbereich – blieb erhalten.
Die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP war aber längst keine große Koalition mehr, sondern nur noch eine Rest-Koalition, die kaum über eine Mehrheit in der Bevölkerung verfügte und auf bloßen Machterhalt ausgerichtet war. Die gegenseitige Blockierung und die zunehmenden Antipathie zwischen den Akteuren, aber auch die Erfolglosigkeit der Koalitionsparteien gegenüber der aufstrebenden Strache-FPÖ, mussten letztlich zu jener politischen Situation führen, in der sich Österreich jetzt unmittelbar vor diesem Nationalratswahlgang befindet: Bereits bei den vorjährigen Bundespräsidentschaftswahlen müssen die Koalitionsparteien brutale Niederlagen hinnehmen, mit kaum zehn Prozent der Wählerstimmen mussten ihre Kandidaten im ersten Wahlgang abstinken. Die Sozialdemokratie, die offenbar in ihrer Panik, die Macht im Lande aus den Händen geben zu müssen, zu allen auch unmoralischen Mitteln  zu greifen bereit ist, könnte nunmehr auf einen historischen Tiefstand abstürzen. Die Volkspartei, die diesen Tiefstand in den Umfragen lange Jahre bereits innehatte, vermag sich gegenwärtig nur durch Camouflage, durch Selbstverleugnung und die Übernahme einer anderen Programmatik, nämlich jener der der oppositionellen FPÖ, auf Erfolgskurs zu halten.
Wie lange ihr neuer, juvenlier Parteichef diesen Kurs der Camouflage aufrecht zu erhalten vermag  und ob er auch nur einigermaßen in der Lage sein wird, sein Vorwahlversprechen umzusetzen, bleibt abzuwarten. Mehr oder weniger ist allerdings fix, dass  er im Falle seines zu erwartenden relativen Wahlerfolgs den Weg zurück in die überlebte schwarz–rote Altparteienkoalition nicht wagen wird können. Die Aversion des Wahlvolkes, allzumal nach den jüngsten gegenseitigen Schmutzkübel-Kampagnen, ist dafür zweifellos zu groß geworden.
Sollte die Türkis eingefärbte Kurz-ÖVP nun mehr tatsächlich den Bruch des alten rot–schwarzen Proporzsystem und eine Entmachtung der Sozialpartner-Nebenregierung wagen, indem sie sich mit den erstarkten Freiheitlichen Straches auf Regierungsebene zusammentut, muss man allerdings davon ausgehen, dass eine solche Partnerschaft auch nur beschränkt von ehrlichen gemeinsamen Reformwillen getragen sein wird.
Allzu groß dürfte die Versuchung für die ÖVP sein, jenes Spiel zu wiederholen, das Wolfgang Schüssel im Jahr 2002 gespielt hat, als er die mangelnde Professionalität des freiheitlichen Regierungspartner nützte, um die gemeinsame Koalition platzen zu lassen, und die FPÖ-Wählerschaft im wahrsten Sinne des Wortes „abräumen“ konnte. Seit den Tagen von Julius Raab gilt in der ÖVP eben die Maxime in der Politik gegenüber den Freiheitlichen: „Die werden wir inhalieren“.
Das Klima innerhalb der rot–schwarz dominierten Sozialpartnerschaft allerdings dürfte irreparabel beschädigt sein und die Bastionen des rot–schwarzen Proporzes in der öffentlichen Verwaltung, in der staatsnahen Wirtschaft, im Bildungswesen und im Gesundheitswesen, in der Versicherungs- und Bankwirtschaft haben auch längst zu bröckeln begonnen. Die Proporzrepublik, wie sie sich 1945 begründete, dürfte also ihrem Ende zutaumeln. Ob es stattdessen durch freiheitlichen Einfluss zu einem Gemeinwesen des fairen Wettbewerbs, des freien Spiels der Kräfte und der transparenten Konkurrenz zwischen den besten Idee und den besten Persönlichkeit kommt, bleibt zu hoffen. Insgesamt jedenfalls kann konstatiert werden, dass das als konsensdemokratisch geschönt bezeichnete politische System des Landes, welches durch das Prinzip Mauschelei geprägt war, durch eine eher konfliktorientierte konfrontative Politik abgelöst werden wird. Und das könnte für die demokratische Entwicklung Österreichs durchaus fruchtbar sein.


Die sich im Dreck suhlen

12. Oktober 2017

Es ist ganz einfach widerlich: Dieses Maß an Verlogenheit, Heuchelei und Niedertracht, das sich in den letzten Tagen und Wochen im Zusammenhang mit dem Wahlkampf in der Alpenrepublik offenbart hat. Da werden für Unsummen angebliche Wahlkampfexperten aus dem Ausland engagiert, verdienen viele Steuermillionen, die sie über die Parteikassen erhalten und greifen zu Mittel, die mit demokratischer Wahlwerbung nichts mehr zu tun haben. Die getürkten Internetseiten die aus dem SPÖ-Umfeld kamen, den ÖVP-Kandidaten schlecht machen sollten und all das so erscheinen hätte lassen sollen, als ob es aus FPÖ-Kreisen käme. Und es betrifft nicht nur die SPÖ, die im Mittelpunkt dieses Politskandals steht. Ungeklärt ist leider auch, wie weit die „Neue ÖVP“ des sich Türkis eingefärbten Kandidaten Kurz darin involviert ist. Das angebliche Angebot des Pressesprechers von Kurz, hunderttausende Euro – auch das wieder Steuergeld – für einen Seitenwechsel des einen oder anderen Silberstein-Knaben zu bezahlen, ist nach wie vor nicht wirklich widerlegt. Da hat etwa ein gewisser Herr Puller, einer der Helfershelfer des Herrn Silberstein, ursprünglich für die steierische Volkspartei gearbeitet, um im Wahlkampf den SPÖ-Landeshauptmann Voves zu verunglimpfen. Danach hat er sich bei den ach so braven NEOS verdingt, man bedenke, das ist das Umfeld des Herrn Haselsteiners – um schließlich bei Herrn Silberstein zu landen und indirekt für die SPÖ zu arbeiten. In einem Interview hat eben dieser Herr Puller geäußert, er sei schließlich „ein Kaufmann“ und müsse dort arbeiten, wo er Geld verdienen könne, nur – und das hat er ganz politisch korrekt und bieder betont – für die FPÖ würde er niemals arbeiten!
Danke, Herr Puller, für diese Aussage, denn sie zeigt den angewiderten Bürgern und Wählern, dass es hier im Lande offenbar nur eine saubere Seite gibt, nämlich die der freiheitlichen Opposition. Jene, die seit Jahren als rassistisch, xenophob und antisemitisch verunglimpft wird, sie ist als einzige bei diesen Machenschaften nicht involviert.
Ganz im Gegenteil, sie sollte durch die antisemitischen Untertöne der Silberstein-Kampagne als Verursacher in den Skandal hinein gezogen werden. Da weiß man dann schon recht gut, was von den Antisemitismus-Vorwürfen gegenüber der FPÖ aus den Reihen der etablierten Parteien zu halten ist. Da hört man vom politisch-superkorrekten Mauthausen-Komitee, das bekanntlich von ÖGB, katholischer Bischofskonferenz und israelitischer Kultusgemeinde getragen wird, keine mahnenden Worte, obwohl der über Silberstein verbreitete Fake-Antisemitismus solche durchaus verdienen würde. Und gewiss hat in den Reihen der wahlkämpfenden Sozialdemokraten auch niemand bedacht, dass die Malversationen des Herrn Silberstein und der ganze Skandal, der sich um seine Person rankt, alle antisemitischen Klischees, die es einmal gab – gottlob sind diese in der autochthonen, österreichischen Bevölkerung als Reste nur mehr in ganz geringen Spurenelementen vorhanden – bestätigten und somit aufwärmten. Jene, die den Freiheitlichen Antisemitismus nachsagen und andichten wollen, schüren diesen mutwillig durch Affären wie den Silberstein-Skandal.
Die auf frischer Tat ertappte SPÖ lässt das eine oder andere Bauernopfer über die Klinge springen und schreibt ansonsten: Haltet den Dieb! Und der zunehmend in die Enge getriebene SPÖ-Chef und Noch-Kanzler mimt den redlichen Politiker, der von all dem nichts gewusst haben will. Dass Tal Silberstein allerdings Experte für „Dirty Campaigning“ ist, war landläufig bekannt und auch Unkenntnis – sollte man diese den Herrn Kern abnehmen – schützt bekanntlich nicht vor Strafe.
Wie auch immer nun die Wahl ausgehen wird und ob der gelernte Österreich endlich in der Lage sein wird, dass im Land bislang dominierende Kartell aus Politheuchlern, eitlen Selbstdarstellern und Volksbetrügern endlich abzuwählen, bleibt es eine traurige Tatsache, dass die Demokratie im Lande durch diesen schmutzigsten aller Wahlkämpfe den die Alpenrepublik nach 1945 erlebt hat, massiven Schaden genommen hat.


Vom Ende der Telekratie

3. Oktober 2017

Medienpolitische Überlegungen

Was im gegenwärtigen österreichischen Nationalratswahlkampf in den Medien abläuft, ist einigermaßen grotesk. Während es beim großen bundesdeutschen Nachbarn im Wahlkampf nur eine Elefantenrunde der Spitzenkandidaten gab, und sich insbesondere die Favoritin und nachmalige Wahlsiegerin Angela Merkel auch nur einmal zur Diskussion mit ihren Gegnern stellte, gibt es in der Alpenrepublik geradezu eine Inflation an Fernsehdebatten und Konfrontationen zwischen den Kandidaten der wahlwerbenden Parteien. Da überbietet sich der öffentlich-rechtliche Staatsfunk in einer Reihe von Formaten, wobei das Radio dem Fernsehen in nichts nachsteht, da gibt es neben Zweier-Konfrontationen größere Runden und sogar Ausflüge in den Bereich des Infotainments, in dem die Kandidaten sich Quizsendungen mit Bürgern zu stellen haben. Dann gibt es mehrere Privatsender, die sich bemühen, den öffentlich-rechtlichen Sender an Originalität der Debattensendungen noch zu überbieten.
Und insgesamt sind es wohl an die hundert einzelner Diskussions- und Interviewsendungen mit den Spitzenkandidaten der Parteien, die da in Funk und Fernsehen auf den Bürger einprasseln. Nun hat es zwar vor dem Wahlkampf geheißen, dieser werde gewiss bei eben diesen Diskussionsrunden im Fernsehen entschieden und nicht mehr bei Wahlversammlungen und Wahlkampftouren quer durchs Land. Allein die Tatsache, dass man mit den Fernsehauftritten wesentlich mehr Menschen und Wähler erreicht, sprach und spricht für diese Annahme. Nicht in diese Planungen und Überlegungen einbezogen hat man allerdings, was sich nunmehr herausstellt, dass es nämlich eine Übersättigung des Fernseh- und Radiokonsumenten gibt, bei der das Interesse in Aversion und die Hilfe zu einer entsprechenden Wahlentscheidung in Apathie, ja in Ablehnung umschlägt.
Über Wochen und Monate tagtäglich dasselbe von den Wahlwerbern stumpft ab, und die Hoffnung, dass einer der Spitzenpolitiker doch bei einer dieser Sendungen einen entscheidenden Fehlermachen könnte oder etwas Skandalöses äußern würde, wird von den Spindoktoren und Beratern der Spitzenkandidaten insofern konterkariert, als man am besten überhaupt nichts mehr von der erprobten Linie Abweichendes mehr äußert. Nur keine Fehler machen, lautet da die Devise. Kantige Ansagen, kontroverse Analysen und ehrliche Antworten gibt es da nicht mehr, und die Diskutanten und Wortspender geraten in die Mühle der televisionären Gleichmacherei.
Eine scheinbar auch unwiderlegbare Weisheit der Werbeexperten lautet ja, dass Bilder mehr sagen würden als tausend Worte, weshalb in Zeiten der Telekratie natürlich auch das telegene Äußere der Kandidaten entscheidend war und wohl noch ist. In den Zeiten der digitalen hochauflösenden Großbildfernsehschirme, in der man im Gesicht des Diskutanten jede Pore, jedes Barthaar und natürlich jede Falte sieht, in einer Zeit, in der Tränensäcke wie Gebirge und Schweißtropfen wie Sturzbäche auf den Großbildschirmen aussehen, in solchen Zeiten kann man sich mangelnde Telegenität nicht erlauben. So machen uns zumindest die Werbeexperten weis.
Auch hier gibt es so etwas wie eine Übersättigung an den Bildern, eine Überreizung des Zusehers, der vor lauter gestylten Figuren, vor lauter Maske und Gel in den Haaren keine Menschen mehr sieht. Der Slim-Fit-Anzug ersetzt da das Rückgrat und zumeist ist es nur Schminke und kein Charisma, das von den Gesichtern des Polit-Diskutanten herunterleuchtet.
Zu dieser Übersättigung kommen die sich in den letzten Jahren dramatisch ändernden Konsumgewohnheiten im Hinblick auf die elektronischen Medien. Die jüngeren „User,“ wie sich die Nutzer neudeutsch zu nennen pflegen, schauen kaum mehr fern und folgen den vorgegebenen Programmen der Sender zumeist nur in geringem Maße. Stattdessen „streamen“ sie im Internet, nützen Sky und Amazon und zappen allenfalls nur noch für wenige Sekunden oder Minuten in irgendwelche politischen Diskussionssendungen. Die Quoten der Politdiskussion, die solcherart zusammenkommen, sagen über den wirklichen Konsum der Sendung, über die wirkliche Beachtung dessen, was dort gesagt und diskutiert wurde, nur mehr wenig aus. Und insgesamt sinken diese Quoten ja auch dramatisch.
Anstelle der regulären TV- und Radiostationen spielen in den letzten Jahren die sozialen Medien, spielen Facebook und Twitter und die diversen Möglichkeiten zu Postings eine immer wichtigere Rolle. Diese neue elektronische Medienwelt verdient allerdings die Bezeichnung „Asoziale Medien“, da sich die diversen Internetforen allzu oft als Stätten der ungehemmten Ressentiments und Verleumdungen erweisen. Natürlich sind diese sozialen Medien eine kostengünstige und vorläufig noch kaum durch Zensur eingeschränkte Möglichkeit für oppositionelle Gruppierung, ihre politischen Vorstellungen massenwirksam zu verbreiten. Neben dem etablierten Medienbetrieb können sich hier elektronische Parallelgesellschaften bilden, die nahezu schon geschlossene Gemeinschaften darstellen, in denen natürlich Vorurteile und Verschwörungstheorien gepflegt werden können. Allerdings auch die von den Tugendterroristen der Political Correctness unbeeinflussten Standpunkte oppositioneller und nicht etablierter Gruppierungen und Parteien.
So scheint sich das erst vor wenigen Jahren ausgerufene Zeitalter der Telekratie, das unsere westliche Demokratie bestimmen sollte, bereits als Auslaufmodell darzustellen. Zunehmende Wirkungslosigkeit durch Übersättigung des Konsumenten und Wählers und die Unmöglichkeit für authentische Politiker, in dieser politischen Medienwelt zu reüssieren, bedingen dieses Ende der Telekratie. Stattdessen scheint als primärer Einflussfaktor für Wahlbewegungen das Agieren über die sozialen Medien getreten zu sein. Die Gefahren dieser Medien sind evident, die Chancen, die sie insbesondere für nonkonformistische Gruppen bieten, allerdings auch. Die Demokratie als kleinstes aller Übel im Angebot der politischen Systeme wird sich mit all ihrer Unvollkommenheit und all ihren Gefährdungen nolens volens auch auf diese Entwicklung einstellen müssen.


Populismus seitenverkehrt

6. September 2017

Gegenwärtig scheint sich ein Wahlkampf mit kuriosen Querfronten anzukündigen. Die bislang als rechtspopulistisch gescholtene große Oppositionspartei macht auf staatstragend, die etablierten Parteien auf Populismus. Erstere, nämlich die Freiheitlichen des Heinz-Christian Strache, üben sich in staatstragender Attitüde. Warum? Natürlich, weil sie ihre Regierungsfähigkeit beweisen wollen. Zweitere, die Regierungsparteien und die kleineren politisch korrekten Oppositionsgruppen, machen in Populismus. Warum? Weil sie Wählerstimmen wollen. No na. Erkennbar ist dieser Seitenwechsel an der Populismusfront in erster Linie wohl durch die Absonderung freiheitlicher Phraseologie durch den neuen ÖVP- Chef und Umfragekaiser Sebastian Kurz. Ebenso natürlich am geradezu staatsmännischen Auftreten des bisherigen Oppositionsführers, der nicht nur durch elegante Brille und liebenswürdige Körpersprache, sondern auch durch bemerkenswert gemäßigte Rhetorik auffällt. Da präsentiert sich kein rechtsradikaler Rüpel, sondern ein routinierter Staatsmann, der im Wettbewerb der Slim-fi t-Anzüge gegenüber dem etwas älteren SPÖ-Chef und dem deutlich jüngeren ÖVP-Chef bei weitem die größte Routine aufzuweisen vermag – zumindest auf dem politischen Parkett.
Und während die rote Reichshälfte mit einigermaßen müden Versatzstücken des Klassenkampfs Popularität zu gewinnen trachtet – und das ist ja das Wesen des Populismus –, fordert der Oppositionschef, dem man früher Brachialrhetorik vorwarf, schlicht und einfach „Fairness für die Österreicher“. Dies deshalb, weil die Forderung nach Anhaltelagern für Scheinasylanten im nördlichen Afrika und die völlige Stilllegung der Mittelmeerroute ohnedies vom schwarzen Außenminister erhoben wird. Dass dann ein in die Jahre gekommener  Altmarxist die österreichische Heimat verteidigen will und somit das grüne Mäntelchen mit der Populismus-Lederhose tauscht, verwundert schon nicht mehr. Von wegen Rechtspopulismus, wo es doch solchen ebenso wirkungsvoll von links geben kann. Der Wähler ist zunächst vielleicht einmal verwirrt, gab es doch gemeinhin gemäßigte Gruppen in der Mitte und Radikalität an den linken und rechten Rändern. Einigermaßen erstaunt muss er erkennen, dass die alten gesäßgeographischen Einteilungen von links und rechts und konservativ und progressiv längst nichts mehr taugen. Und dass die politisch-ideologischen Versatzstücke des 19. und 20. Jahrhunderts nicht einmal mehr als Verständniskrücken geeignet sind. Was also bleibt dem Wähler zur Beurteilung der wahlwerbenden Gruppen und Persönlichkeiten? Letztlich sein Hausverstand und das Gespür für Redlichkeit.


Wo sind hier die Populisten?

31. August 2017

Der Wahlkampf zum Nationalrat läuft nunmehr langsam an. Ein wenig träge noch, da noch Schulferien sind und das Sommerloch noch dominiert. Die ersten Wahlkampfauftritte im Fernsehen sind zu sehen. Die Oppositionspolitiker von den Kleinparteien mehr oder weniger angriffig, mehr oder weniger interessant, der Chef der großen freiheitlichen Oppositionspartei eher  staatsmännisch und für seine Verhältnisse überau  seriös und zurückhaltend. Die Regierungsvertreter natürlich auf ihre  Verdienste pochend. Der Herr Kur mit seiner scheinbar grunderneuerten ÖVP, mühsam die Triumphgefühle wegen der exorbitant hohen Umfragewerte verbergend und der Kanzler müde und ausgelaugt wirkend, ohne jeden Kanzlerbonus.
Interessant ist, dass der in Wahlkämpfen sattsam bekannte Wettlauf in Sachen Populismus nunmehr offenbar einen schwarzen Führungsoffizier hat und einen roten Adjutanten, während der blaue Oppositionschef auf Berechenbarkeit, Seriosität und Sachlichkeit setzt. Allein die Präsentation der ÖVP-Bundesliste mit jenem Rudel an Quereinsteigern zeigt, dass hier nur populäre, sprich populistische Signale gesetzt werden sollen. Und die rote Reichshälfte scheint ausschließlich auf Klassenkampf und auf die Neidgesellschaft zu setzen.
„Nimm, was dir zusteht. Hole dir, was du glaubst verlangen zu dürfen. Nimm von den Reichen und gib den vermeintlich Armen.“ So die ziemlich einfallslose rote Wahlpropaganda.
Bei den Freiheitlichen hingegen ist es schon überraschend, dass hier keinerlei marktschreierische Töne zu vernehmen sind und dass auf allzu simplen Populismus in der Tat verzichtet wird. Das in der Vorwoche präsentierte Wirtschaftsprogramm ist nach Ansicht vieler Fachleute ein hervorragendes. Und selbst die FPÖ-kritischen Medien verzichten weitgehend darauf, es in der Luft zu zerfetzen.
Das Motto „Fairness für Österreich“, mit dem die Freiheitlichen in die Wahl ziehen, ist auch ein bemerkenswert maßvolles. Darüber hinausführend heißt es zwar „Österreich zuerst“, aber auch dieses Motto wird keineswegs aggressiv und angriffslustig gegenüber den politischen Gegnern vorgetragen.
So scheint es also die blaue Wahlkampfstrategie zu sein, sich als regierungsfähiger und regierungswilliger politischer Partner  für eine Regierungstätigkeit zu präsentieren.
Die natürlich trotzdem kommenden Angriffe vom politischen Gegner, etwa den Versuch, eine Antisemitismusdebatte zu starten, oder die untergriffige Broschüre des sogenannten Mauthausenkomitees, versucht man nach Möglichkeit zu ignorieren. Nach zwölf Jahren Parteiobmannschaft gibt Heinz-Christian Strache ganz den staatstragenden Oppositionsführer, der nunmehr den logischen Sprung in die Regierungsverantwortung plant.
Ob es allerdings so kommen wird, ist eine ganz andere Frage, denn der bequemste Weg für die bisher regierenden Parteien ist es nach wie vor, diese Partnerschaft des Stillstands und der gegenseitigen Blockade fortzusetzen. Diesmal, wenn die Umfragen recht haben, aber unter umgekehrten Vorzeichen und der Herr Kurz wird sich mit dem Herrn Doskozil von der SPÖ zweifellos einen willfährigen Partner einhandeln. Dass man einander davor in Regierungsverhandlungen mit der blauen Karte möglichst erpressen will und die eigene Position möglichst verstärken will, ist klar.
Eine schwarz–blaue oder rot–blaue Koalition ist dennoch unwahrscheinlich, da der bequemere Weg in das rot–schwarze bzw. schwarz–rote Faulbett allemal vorgezogen werden dürfte. Dass das dem Land nicht gut tut und dass das weiter den Weg der Reformverweigerung bedeutet, steht auf einem völlig anderen Blatt.


Rote Turbulenzen, schwarze Tricks

23. August 2017

Der gegenwärtig anlaufende Nationalratswahlkampf ist von den Turbulenzen geprägt, in denen sich die Kanzlerpartei SPÖ befindet. Da wird der israelische Wahlkampf-Guru des Kanzlers verhaftet, der eine oder andere Berater kommt ihm auf andere Weise abhanden, und innerhalb der Wahlkampfmaschinerie der SPÖ gibt es dem Vernehmen nach Differenzen, die sogar bis ins Tätliche gehen. Da gewinnt der sozialistische Wahlspruch „Ich hole, mir was mir zusteht“ eine ganz andere Dimension, dem Kanzler steht nämlich offenbar eine saftige Abfuhr seitens des Wählers zu, die er sich wahrscheinlich in anderthalb Monaten holen wird.
Was die in den Umfragen haushoch führende Volkspartei betrifft, so hat der neue Wunderwuzzi bislang noch nicht viel von sich hören lassen bis auf schöne Sager, die allesamt aus dem politischen Aktionsprogramm der Freiheitlichen entlehnt sind. Darüber hinaus hat er vorläufig nur mit Personalansagen geglänzt. Die Bundesliste der Volkspartei sieht aus wie ein Katalog von politischen Signalen an alle möglichen Bevölkerungsschichten des Landes.
Da gibt es die querschnittgelähmte ehemalige Spitzensportlerin Kira Grünberg, die wohl Sympathien im Bereich der Sportfans, aber womöglich auch im Bereich der Behinderten generieren soll. Dann gibt es da den gut integrierten Zuwanderer Efgani Dönmez als Signal wohl für die bereits wahlberechtigten Neubürger, dann gibt es den altgedienten Rechnungshofpräsidenten und ehemaligen FPÖ-Mitarbeiter Josef Moser, der zweifellos als Signal für den Reformwillen des Sebastian Kurz gedacht ist und wohl auch als eines an vormalige freiheitliche Wähler. Dann gibt es den Mathematiker und Wissenschaftler Rudolf Taschner als Signal an die Bildungsschichten, einen ehemaligen Polizeichef Karl Mahrer, der für Recht und Ordnung stehen soll, und so weiter und sofort. Ob all diese Quereinsteiger, die samt und sonders keine politischen Profis sind, in der Lage sein werden, eine neue Politik umsetzen zu können, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Politik ist nämlich auch ein Handwerk, das man gelernt haben sollte, und keine Spielwiese für Quereinsteiger und Profilneurotiker.
Was die wahlwerbenden Kleinparteien betrifft, und derer gibt es bei diesem Wahlgang so viele wie kaum je zuvor, so kämpfen sie allesamt ums Überleben. Die Grünen sind in der Abwärtsspirale, Peter Pilz muss schauen, wo er bleibt, die Neos werden auch hart am Existenzminimum entlang schrammen, von anderen Gruppen zahlt es sich gar nicht aus zu reden.
Und die Freiheitlichen des Heinz-Christian Strache – sie sind vorläufig das große Fragezeichen in diesem Wahlkampf. Bislang sind sie es eher ruhig angegangen, man wird sehen, ob sie nunmehr nach dem Wahlkampfauftakt Tempo und Intensität steigern können. Bislang ist ihre politische Ansage die gewesen, dass es ohne die Freiheitlichen zu keiner wirklichen Änderung in der politischen Landschaft des Landes kommen werde, und sie verkünden, was nicht sonderlich neu ist, aber zutreffender denn je: „Österreich zuerst“. Ob sie damit an die Umfrage-Höhenflüge vergangener Jahre und Monate anknüpfen werden können, bleibt abzuwarten. Ein respektables Wahlergebnis wird es allemal werden, denn die Österreicher können sehr wohl unterscheiden zwischen dem Schmied und dem Schmiedl. Da der Schmied Heinz-Christian Strache, dort der Schmiedl Sebastian Kurz und hinten nach der Noch-Kanzler Christian Kern, der insgeheim wohl schon nach einem neuen Job sucht.
Ob dieser Wahlgang für das Land etwas ändern wird oder ob alles beim Alten bleibt, und weiter eine rot–schwarze oder schwarz–rote Koalition die Regierung stellt, werden wir nach dem 15. Oktober sehen. Entgegen allen Beteuerungen bleibt eine Neuauflage dieser Alt-Koalition die wahrscheinlichste Möglichkeit, und sie garantiert den weiteren Stillstand für das Land. Das ist traurig genug.


Vom Elend unserer Polit-Stars

29. Juni 2017

Peter Pilz hat nun also gegen irgendeinen grünen Jüngel bei der Stellung der Kandidatenliste verloren. Er, der die ziemlich ausgelutschte Öko-Partei als Einziger in die Medien zu bringen vermochte, sagte also Ciao, Adieu und auf Wiedersehen und überlässt die Partei der Alt-Lesbe Lunachek und einem ultralinken Tiroler Dirndl. Na, das wird ein tolles Wahlergebnis!
Aber auch andere Polit-Stars sind in Kalamitäten: Kanzler Kern, Slim-Fit-Star der Sozialdemokratie, wirkt indessen so müde, dass seine Tränensäcke an Willi Brandt erinnern. Und der türkise Nachwuchs-Wunderwuzzi Sebastian Kurz kann sich dem allzu raschen Verschleiß vorläufi g nur dadurch entziehen, dass er von der Bildfl äche verschwunden ist. Wie er das bis zum Wahltag in dreieinhalb Monaten durchhalten will, ist ein wenig rätselhaft.
Für das Team Stronach hat sich „Krone“-Kolumnist Tassilo Wallentin verweigert, für die am politischen Existenzminimum herumkrebsenden Neos ist der verblühende Charme der Irmgard Griss auch keine Hoffnung mehr. Und so müssen sich die beiden an hyperaktive Kinder erinnernden Nachwuchsparlamentarier Robert Lugar und Matthias Strolz selbst als Volkstribune versuchen.
Wohl mit mäßigem Erfolg. Dieses Polit-Promi-Sterben ist nicht als politischer Generationenwechsel zu bezeichnen. Am ehesten noch in der ÖVP, wo Kurzens Buberl- und Mäderlpartie das Regiment übernehmen wird. Schon weniger in der SPÖ, wo Kanzler Kern die Midlifecrisis auch schon hinter sich hat. Und gar nicht bei den Grünen, wo eher Politikerinnen vom Typus postklimakterialer Religionslehrerinnen die Macht übernehmen.
Allenthalben der Versuch, neue und andere Gesichter zu präsentieren, weil die herkömmlichen Parteirepräsentanten beim Wähler nicht mehr ziehen. Einzig die FPÖ hat mit Heinz-Christian Strache seit zwölf Jahren den am längsten amtierenden Parteiobmann der Republik, der von sich sagt, er komme nunmehr erst „ins beste politische Alter“. Allerdings merkt man auch beim blauen Oppositionsführer Abnützungs- und Gewöhnungseffekte, seine Strategie aber, sich als stabiler Faktor der österreichischen Innenpolitik zu präsentieren, als einer, „auf den Österreich immer zählen“ kann, könnte angesichts der einigermaßen wirren Personalrochaden in der übrigen Parteienlandschaft durchaus erfolgversprechend sein. In schwierigen Zeiten suchen die Menschen Stabilität und Berechenbarkeit, und die Tage, da Strache als Politrabauke und ideologischer Krawallbruder hingestellt werden konnte, sind längst vorbei. Vielmehr scheint er der einzige Spitzenmann in der österreichischen Innenpolitik zu sein, der genug Zeit hatte, politisch auch zu reifen. Die meisten anderen wurden zu großen Stars hochgejubelt, um dann allzu schnell zu verglühen, Wir werden ja sehen, was Sebastian Kurz in zehn Jahren macht. Im Zweifelsfall dürfte er als weißer Elefant im Raiffeisensektor tätig sein. Wetten, dass …?