Sonnenwende – Zeitenwende

23. Juni 2017

Metapolitische Überlegungen

Mit der Sonnenwende hat das Jahr seinen Zenit schon wieder überschritten. Kaum merklich werden die Tage wieder kürzer, und auch wenn noch zwei bis drei Monate Sommer bevorstehen, ist ein weiteres Jahr dann rasch vergangen. Heute wird die Sonnenwende zum rein folkloristischen Spektakel degradiert, gut allenfalls für die Tourismuswerbung. Die Erinnerung an alte mit dieser Sonnenwende verbundenen Mythen und die archaische Kultur unserer Vorväter wird längst weitgehend ausgeblendet.
So aber wie sich mit der Sonnenwende der Jahrlauf im wahrsten Sinne des Wortes wendet, gibt es auch immer wieder Zeitenwenden, wo eine Epoche, eine Periode der politischen und gesellschaftlichen, der kulturellen und sozialen Entwicklung ihr Ende findet und von neuen Zeiten abgelöst wird. Gegenwärtig haben wir in Europa so das dumpfe Gefühl, dass wir an der Schwelle zu solch neuen Zeiten stehen, dass wir Zeugen einer möglicherweise dramatischen Zeitenwende  werden. Jenes Europa, das wir nach dem Ende des Zeiten Weltkrieges ein ganzes Menschenalter gekannt haben, das zwar bis 1989 durch die Supermacht-Konfrontation zwischen Ostblock und dem vermeintlichen freien Westen geprägt war und danach durch die europäische Integration – jenes Europa macht einen mannigfaltigen Transformationsprozess durch. Allein schon an den politischen Landschaften der einzelnen europäischen Staaten kann man das erkennen.
Traditionelle politische Parteien zerfallen und werden durch neue, scheinbar spontan entstehende Kräfte abgelöst, wie zuletzt in Frankreich. Die historisch gewachsene Teilung der politischen Landschaft zwischen Konservativen, Sozialisten und Liberalen hat weitgehend aufgehört zu bestehen. Protestbewegungen und Populisten von Links und von Rechts beherrschen die Szene, Persönlichkeiten mit messianischem Anspruch betreten die politische Bühne, ohne dass man weiß, wohin ihr Weg uns führen wird. Und insgesamt scheinen die europäischen Völker im politisch-gesellschaftlichen Notwehrmodus zu sein. Die Massenzuwanderung, die Traumatisierung durch den verlogenen Kult der Political Correctness, die Überalterung und Kinderlosigkeit sowie die allgemeine Dekadenz haben diese europäischen Völker in die totale Defensive gedrängt. Ob jene Gruppierungen, Bewegungen und Parteien, die sich dem entgegenstellen, tatsächlich die Rettung bringen, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedenfalls, dass die linken Protestgruppierungen mit ihren längst ausgedienten postmarxistischen Konzepten chancenlos sind. Von Spaßparteien wie Beppe Grillos Bewegung in Italien und ähnlichen ist ohnedies nichts zu erwarten. Und ob die Rechtsdemokraten, jene patriotischen Freiheitsparteien, die es auch quer durch Europa gibt, tatsächlich Erfolg haben können, Erfolg nicht nur in dem Sinn, dass sie an die Regierung kommen, sondern dass sie die Probleme lösen, ist auch alles andere als gesichert.
Tatsache ist nur, dass die bisherigen demokratischen Systeme durch ihr Versagen, durch die Reduktion auf rein äußerliche Rituale, durch die Politikverdrossenheit der Bürger oder schlicht und einfach durch politisch systematisches Multiorganversagen vor dem allgemeinen Kollaps zu stehen scheinen. Was aber diese bisherigen traditionellen demokratischen Systeme ersetzen kann, zeichnet sich längst nicht ab. Auch wenn es da und dort den Ruf nach dem starken Mann gibt, leben wir in einem Zeitalter, in dem es an charismatischen Persönlichkeiten mangelt. Und medial allzu rasch hochgepuschte Medienstars stürzen dafür umso schneller ab, eine nachhaltige charismatisch Politik mit der dauerhaften Fokussierung auf eine dominante Einzelpersönlichkeit ist damit auch nahezu unmöglich. Auch in ökonomischer Hinsicht scheint das Konzept eines dauerhaften Wachstums an seine Grenzen zu stoßen. Ständig steigender Konsum als Motor für dieses Wachstum und als Schmiermittel für eine funktionierende Wirtschaft ist längst zur Illusion geworden.
Aber mit Einbrüchen im materiellen Wohlstandsgefüge, mit dem Rückgang an Kaufkraft an Industrieproduktion und insgesamt mit materiellen Wohlstandsverlusten – damit sind unsere europäischen Gesellschaften ganz offenkundig überfordert. Zwar sind die sogenannten „Veränderungsverlierer“ längst Bestandteil jeder soziologischen Trivialanalyse und Verlustängste der Mittelschicht und Abstiegsängste sind nach wie vor jene Phänomene, die so etwas wie eine gesamtgesellschaftliche Depression erzeugen. Optimismus ist es wirklich nicht, was unser heutiges Gesellschaftsgefüge charakterisiert.
Dazu kommt der Import aller Probleme der Dritten Welt in das postmoderne Europa. Die Massenzuwanderung, insbesondere von muslimischen Menschengruppen und von solchen aus Schwarzafrika, wird die meisten westeuropäischen Länder mittelfristig auf das Niveau der sogenannten Schwellenländer aus der Dritten Welt drücken. Während es allerdings in jener bergauf geht, geht es in Europa bergab, was sich auch in der bereits zitierten breitflächigen Depression manifestiert.
„Wo die Gefahr groß ist, wächst auch das Rettende“, weiß der Klassiker. Allein das Rettende zeichnet sich weder im politischen noch im kulturellen Bereich der europäischen Völker bislang so wirklich ab. Die Grenzen des Wachstums scheinen aber auch in Bezug auf die globale Bevölkerungsentwicklung sichtbar zu werden. Mega-Metropolen mit vielen Millionen Einwohnern, Ameisenstaaten wie China und Indien mit einer Milliardenbevölkerung, explodierende Bevölkerungszahlen in Schwarzafrika, all das lässt uns erahnen, dass die Menschheit längst den Plafonds dessen erreicht hat, was der Planet zu tragen vermag. Und somit scheinen wir tatsächlich vor einer globalen Zeitenwende zu stehen, nicht nur vor einer europäischen. Die durch verfehlte Politik ausgelösten massenhaften Wanderungs- und Fluchtbewegungen sind ein weiteres globales Phänomen, und die planetenumspannende Kommunikation über die elektronischen Medien hat aus der Erde insgesamt ein Dorf gemacht. Ein Dorf, dass sich allerdings durch Chaos, Unübersichtlichkeit, unglaubliche Manipulationsmöglichkeiten und durch Orientierungslosigkeit auszeichnet.
Auch der kulturelle Wandel, der durch diese veränderten Kommunikationsebenen und die elektronischen Möglichkeiten gegeben ist, verweist uns auf eine welthistorisch-gewaltige Zeitenwende. Selbst in Elendsstaaten und Hungerländern verfügen die Menschen über Smartphones und haben Internetzugang. Und die jüngeren Generationen in den westlichen Industriestaaten leben zum Teil schon eher in einer virtuellen Welt als in der realen. Für diese Menschen ist das Mobiltelefon nötiger als die Luft zum Atmen und das tägliche Brot.
Der Wandel in der Kommunikation und die schrankenlose Bewegung in den damit verbunden virtuellen Welten bedingen ein absolut neues Lebensgefühl und ein neues Weltbild der Menschen. Ob die Menschheit insgesamt deshalb gewissermaßen transzendentiert, wie es in spekulativen Science-Fictions-Romanen vorkommt, ist wohl kaum zu erwarten. Der Mensch bleibt vielmehr ein an seine Physis gebundenes Säugetier von fragiler Körperlichkeit und früher oder später auch sterblich. Und er bleibt ein soziales Wesen, dass sich in Gruppen, seien es nun Familien oder die diversen kuriosen Partnerschaften, die sich gegenwärtig formierenn in Stämmen und Völkern oder auch in den diversen Sonderkulturen organisiert. Das wird auch in Zukunft bei einer Erdbevölkerung von 9 oder mehr Milliarden Menschen so bleiben. Fraglich ist nur, wie groß und wie dramatisch die Brüche in der bisherigen historisch kontinuierlichen Entwicklung sein werden, die hin zum neuen Zustand der Menschheit führt.
Unabänderlich aber, wie die Sonnenwende im Jahreslauf des Planeten, ist im Zuge der kulturellen Evolution des Menschen und der Menschheitsgeschichte die Tatsache, dass es immer wieder Zeitenwenden gegeben hat, jene von der jungsteinzeitlichen Menschheit hin zu den antiken Kulturen, jene Zeitenwende von der Antike hin zum Mittelalter und schließlich die hin zur Neuzeit. Dass es eine solche Zeitenwende in unseren Tagen gibt, steht außer Zweifel, wir können nur noch nicht wirklich sagen, wie sie aussehen wird.


Keine Ahnen – keine Mythen

2. November 2015

Metapolitische Überlegungen zu unserer Gedenkkultur

Gerade noch geduldete Pflichtübungen sind es, die rund um Allerheiligen und den vormaligen „Volkstrauertag“ in Deutschland, aber auch um den 10. Oktober in Kärnten, um das Jubiläum von Volksabstimmung und Kärntner Abwehrkampf, stattfinden.

Ein „Heldengedenken“, wie es jahrzehntelang zum Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai von den waffenstudentischen Kooperationen in Wien durchgeführt wurde, ist bereits undenkbar geworden, stattdessen feiern „die Besiegten von 1945“ begeistert die Jubiläen der Sieger.

Frau Merkel begeht mit den Vertretern der ehemaligen alliierten Mächte den Jahrestag des „D-Days“, der Landung der Invasionsflotte vor der Küste der Normandie, Putins pompöse Siegesfeiern in Moskau im vergangenen Mai wären gewiss mit hochrangigsten heimischen Vertretern beschickt worden, wenn nicht aus ganz anderen Gründen von amerikanischer Seite die Order gekommen wäre, den russischen Autokraten zu schneiden. Insgesamt aber feiert man die eigene Niederlage, gedenkt pflichtschuldigst aller Missetaten, die im Namen des eigenen Volkes wirklich oder vorgeblich begangen wurden und vergisst die eigenen Opfer tunlichst.

Es sind nur mehr Randgruppen wie etwa in den Vertriebenen-Verbänden, die der volksdeutschen Opfer, der größten Vertreibungsaktion der Geschichte, gedenken. Und wenn, wie im vergangenen Februar der Jahrestag des Bombardements auf Dresden ansteht, dann überschlagen sich die offiziellen Vertreter Deutschlands darin, die Opferzahlen herunter zu dividieren und darauf hinzuweisen, dass der Krieg schließlich von deutschem Boden ausgegangen und dann eben wieder „zurückgekehrt“ sei. So nach dem Motto, wir sind ja selbst schuld.

Aber damit ist ein Verzicht auf ein Gedenken an unsere Altvordern, an Leben und Leiden unserer Eltern, Großeltern und unserer Urgroßeltern verbunden. Die kollektive Erinnerung, etwa an die geradezu ungeheuerlichen Leiden, die – ob verschuldet oder nicht, bleibe dahingestellt – was deutsche Volk in zwei Weltkriegen zu erdulden hatte, gerät in Vergessenheit. Unsere Väter in der deutschen Wehrmacht, unsere Mütter in den ausgebombten Städten und danach als Trümmerfrauen beim Wiederaufbau, unsere Großeltern im Ersten Weltkrieg, die Großväter und Urgroßväter in der k. u. k. Armee in Galizien, an der Isonzofront, in den menschmordenden Grabenkämpfen vor Verdun, die deutschen Studenten, die massenweise vor Langemarck vom Maschinengewehrfeuer hingemäht wurden, die Landser in russischer Kriegsgefangenschaft in der Hölle von Sibirien, die U-Boot-Leute in ihren schwimmenden Särgen, alles verachtet und verlacht und letztlich vergessen. Das Schicksal unserer Ahnen interessiert uns nicht mehr, ihr Leid und ihr Leben lassen uns kalt.

Gewiss, der Armenkult, wie er bei den alten Völkern zelebriert wurde oder wie er von den Römern und bis heute in Japan in der Shinto-Religion existiert, ein solcher Ahnenkult mutet archaisch an. Authentische Völker und ihre selbst vergewisserte Kulturen, aber auch selbstsichere einzelne Individuen haben sich stets als Summe einer historischen Entwicklung und in ihrer Existenz als Resultat des Lebens und Wirkens ihrer Väter und Vorväter definiert.

Dies gilt natürlich auch für Mütter und Vormütter. Der Adel mit seinen bis heute nachwirkenden Traditionen tut dies bis in unsere Tage, und das rechtliche Prinzip des vererbbaren Eigentums geht auch davon aus, dass man auf die Leistungen seiner Vorfahren zurückgreifen kann. Auch die Zugehörigkeit zu einer Kultur, zu einer Sprachgemeinschaft, zu einem Werte-Verbund, ergibt sich für den einzelnen Menschen durch die Bezugnahme auf seine Eltern, Großeltern und Vorfahren. Solch geistig-kulturelle Einbindung korreliert naturgemäß mit genetischer Zugehörigkeit, also mit Abstammung – und das zwangsläufig.

In unseren politisch korrekten Tagen, da der Begriff der Rasse tabuisiert und strafrechtlich verfolgbar ist, da man die Existenz und Wirkmächtigkeit von Völkern und der durch sie konstituierten nationalen Gemeinschaften tunlichst leugnen will, in diesen Tagen können naturgemäß die eigenen Ahnen auch nichts zählen.

Gleichermaßen geht es den mit dem Bewusstsein um die Existenz der Ahnen verbundenen Mythen. Jede Kultur hat solche Mythen, die höchst bedeutend sind für die Gemeinschaft und das sie verbindende Gefühl, die aber auch einen Einzelmenschen in seinen seelischen Tiefen prägen.

Mythen von Göttern und Helden, von historischen oder auch fiktional aufgeblasenen Herrschergeschlechtern, Mythen und Sagen, die mit Natur- und Kulturlandschaft verbunden sind, sich etwa um die Gefahren des Hochgebirges oder der hohen See ranken, oder auch liebliche bukolische Landschaften heroisieren, solche Mythen gibt es in allen Kulturen und allen Völkern. Die Europäer und insbesondere die „Besiegten von 1945“, also die Deutschen, laufen Gefahr, diese ihre Mythen zu vergessen und zu verdrängen. Verdrängungsprozesse sind bekanntlich immer mit gewissen seelischen Defiziten und Defekten verbunden. Die eigenen Mythen- Vergessenheit ist ein Charakteristikum neurotisierter Gesellschaften.

Stattdessen eignen wir uns künstliche oder fremde Mythen an. Hollywood produziert den „Herrn der Ringe“ und sicher nicht das Nibelungenlied, es schafft Kunstwelten wie in „Games of Thrones“ und thematisiert sicher nicht die Kaisergeschichten des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Und für das heimische Durchschnittspublikum sind „Gandalf der Graue“ realer als Odin und Thor und die Figuren von „Games of Thrones“ realer als Friedrich Barbarossa und Kaiser Maximilian.

Die Gleichgültigkeit gegenüber unseren Ahnen und der Verlust der eigenen Mythen charakterisieren uns als entwurzeltes Volk und entortete Gesellschaft. Kollektive Neurosen und individuelle Sinnentehrung sind die Folgen.