Die Krise ist da, weil alle an sie glauben. Griechenland wird Pleite gehen, weil alle daran glauben. Der Euro wird zerbrechen, weil alle daran glauben. Die Inflation wird kommen, weil alle daran glauben. Niemand glaubt den halbherzigen, widersprüchlichen Rezepten der agierenden Politiker, der Spitzenbankiers und der diversen Wirtschafts-Weisen. Sie alles wissen offenbar selbst nicht, wohin die Reise geht. Sie sind genauso ratlos wie der einfache Bürger. Und nirgends gibt es Institutionen, die Halt, die Sicherheit und Orientierung geben können: Nicht die Vereinten Nationen, nicht die Europäische Union, nicht das Weiße Haus in Washington, geschweige denn der Kreml, nicht die Kirche und nicht die politischen Parteien und schon gar nicht die Gewerkschaften.
So ist die gegenwärtige Krise nicht nur eine der Staatsschulden, der Banken, der Wirtschaft und der Finanzmärkte, nein, es ist eine Krise der Institutionen und diesbezüglich primär eine Vertrauenskrise.
Bleiben wir im eigenen Lande, bei uns im kleinen Österreich. Gibt es da überhaupt noch Institutionen, denen die Bürger trauen? Die katholische Kirche als moralische Instanz hat nicht erst seit den Missbrauchsskandalen der vergangenen Jahre abgewirtschaftet. Die allzu offensichtliche Feigheit der Kirchenfürsten vor dem angeblich ach so progressiven Zeitgeist hat das Vertrauen der Schäflein in ihre Hirten nachhaltig zerstört. Wenn – wie es in der Bibel heißt – die Lauen ausgespien werden, hat Österreichs katholische Geistlichkeit vom Kardinal bis zum letzten Dorfpfarrer gute Chancen, dazu zu gehören. Das steht außer Frage.
Und die etablierten politischen Parteien, sie die seit Jahrzehnten das Schicksal der Republik lenken, die früher ideologische Ersatzkirchen waren, einerseits mit der christlichen Soziallehre andererseits mit dem Austromarxismus gewissermaßen über Welterklärungsmodelle zu verfügen glaubten, diese politischen Parteien sind im noch viel höheren Maße moralisch bankrott. Nicht erst die Korruptionsskandale, die in der jüngsten Zeit aufgebrochen sind haben dies bewirkt, nein, es handelt sich um eine bereits langandauernde Entwicklung. Heute ist nur mehr das untere Mittelmaß an Persönlichkeiten in diesen Parteien vertreten. Inkompetenz, Entscheidungsschwäche und das völlige Fehlen von Visionen kennzeichnet die heutige Führung der politischen Parteien. Zwar muss man sagen, dass die Bevölkerung genau jene politischen Repräsentanten hat, die sie verdient, weil wählt, dennoch ist es eine Binsenweisheit, dass diesen politischen Vertretern niemand mehr das geringste Vertrauen entgegen bringt.
Und die Sozialpartner? Haben sie noch Gewicht und Vertrauen in der Bevölkerung? Kaum. Die Gewerkschaft hat nicht erst seit der Konsumpleite und dem BAWAG-Fiasko abgewirtschaftet, ihr Verlust an Mitgliedern ist dabei noch geringer als der Verlust an Vertrauen. Hemdsärmeliges Bonzen-Getue vermag da niemandem mehr soziale Kompetenz zu vermitteln. Und das Gegenüber der Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Wirtschaftskammer und Industrie, gibt es hier Unternehmer mit Visionen, mit sozialer Kompetenz, Wirtschaftsführer, die das Land und seine Menschen mit Arbeitsplätzen versorgen und die ökonomischen Lebensgrundlagen für die Bevölkerung schaffen? Sicher ist, dass es auch in diesem Bereich keine Institution mehr gibt und auch keine wirklich hervorstechenden Persönlichkeiten, denen das Vertrauen der Bevölkerung gilt. Denen man zutraut, Wege aus der Krise in eine fruchtbringende Zukunft zu entwickeln.
Supranationale Organisationen, die einzelnen Staaten, die Kirchen, politische Parteien und Interessensverbände, sie alle haben in einem derart dramatischen Ausmaß an Vertrauen und Kompetenz verloren, dass ihnen zukunftsweisende Weichenstellungen nicht mehr zugetraut werden. Diese Krise des Vertrauens vor der wir stehen ist insgesamt eine Krise der sozialen und politischen Orientierung. Der Zusammenbruch eines Währungssystems oder der von einzelnen Banken ist angesichts dieser Krise gerade harmlos. Wohin diese krisenhafte Entwicklung führen wird, in ein Zeitalter des Chaos etwa, wir wissen es nicht. Vielleicht auch zu neuen Aufbrüchen und neuen Möglichkeiten. Was weiß man.