Sorge um eine alte Tante

27. September 2018

Das Chaos, das in den letzten Tagen innerhalb der österreichischen Sozialdemokratie ausgebrochen ist, hat einen Namen, und der ist Christian Kern. In den Reihen der Gegner der sozialdemokratischen Ideologie mag nun zwar gegenwärtig homerisches Gelächter zu hören sein, allein Triumphgefühle mögen nicht aufkommen. Eine funktionierende Demokratie braucht nämlich eine funktionierende Opposition und die Sozialdemokratie ist eben seit mehr als einem Jahrhundert Teil des politischen Gefüges der Republik. Frau Pamela Rendi-Wagner, die seit gerade einem Jahr Mitglied dieser Partei ist, soll nun ihr zehnter Vorsitzender in der Zweiten Republik werden, und mit ihr ist es erstmals eine Frau, die für die alte Tante SPÖ verantwortlich zeichnet.
Ob sie den Karren allerdings aus dem Dreck zu ziehen vermag, ist eine andere Sache. Aus der Wissenschaft kommend, eine Entdeckung des längst in Vergessenheit geratenen Gesundheitsministers Stöger und zu höheren Ehren gelangt unter ihrem Mentor Christian Kern, zeichnet sich die Dame zuerst einmal durch zweifelsfreie Intellektualität und unbestreitbare Telegenität aus. Ob das reichen wird, ist eine andere Frage.
Die Sozialdemokratie ist nämlich europaweit in der „Rue de la Gack“, in den großen EU-Ländern wie Italien, Frankreich oder der Bundesrepublik Deutschland sind die Sozialdemokraten nur mehr ein zweitrangiger politischer Faktor. In Spanien regieren sie zwar und in England sind sie ein kleinwenig im Aufwind, das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Misere, dass hier Parteien um den Wähler werben, deren Ideologie mit den Anforderungen des 21. Jahrhunderts schlicht und einfach nicht mehr zu Rande kommt. Ob Frau Rendi-Wagner das ausgerechnet in Österreich wird ändern können, darf bezweifelt werden.
Als Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer in den 80er Jahren des vorvorigen Jahrhunderts die österreichische Arbeiterbewegung begründeten, konnten die beiden in der Burschenschaft und der politischen Schule des Georg Ritter von Schönerers sozialisierten Männern nicht ahnen, dass ihre Gründung am Beginn des 21. Jahrhunderts ideologisch nur mehr im „Kampf gegen Rechts“ und in der Abgrenzung von der ach so bösen Burschenschaft weltanschauliches Profi l wird zeigen können. Der Kampf um die sozialpolitische Besserstellung der Schwächsten der Gesellschaft ist nämlich der zeitgenössischen Sozialdemokratie längst zum bloßen Lippenbekenntnis geronnen. Slim-fi t-Politiker wie Christian Kern und Genossen können sich im Elfenbeinturm der Polit-Schickeria in die Lebenswelt von Arbeitern kaum mehr hineindenken. Ob Frau Rendi-Wagner da eine Ausnahme sein kann? Vorläufi g deutet kaum etwas darauf hin.


Vom Selbstmord einer alten Tante

25. Januar 2018

Die österreichischen Sozialdemokratie, die sich dereinst – lange ist es her – auch als Arbeiterbewegung verstand, wurde bekanntlich bei der jüngsten Nationalratswahl vom Wähler in die Opposition geschickt, dort ist sie aber noch nicht angekommen. Ihr zuvor zum Wunderwuzzi hochgelobter Parteivorsitzender, der sich indessen als kürzest amtierender Kanzler der Republik betrachten darf, übt sich in Selbstmitleid. Die Parteistrategen – wer ist nach dem Abgang von Silberstein noch übriggeblieben? – haben keine andere Idee, als auf Uralt-Klassenkampf-Parolen zurückzugreifen, sie jammern über den drohenden Sozialabbau. Und die ureigenste Bastion der SPÖ, das „Rote Wien“, steht offenbar vor dem Fall beziehungsweise die Wiener SPÖ vor der parteipolitischen Selbstdemontage. Die alte Tante SPÖ scheint also gegenwärtig Selbstmord begehen zu wollen.
Neben dem larmoyanten Ex-Kanzler und Parteivorsitzenden ist es ganz offensichtlich der langjährige starke Mann der Partei, der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der diesen potenziellen Suizid planvoll und mit größter Energie vorantreibt. Dass er just in den Monaten des Wahlkampfes vor der vergangenen Nationalratswahl seinen bevorstehenden Abgang verkündete, ohne sich auf einen klar definierten Kronprinzen zu einigen, dass er zwei gegensätzliche Flügel vertretende Kandidaten nunmehr ins Rennen für eine Kampfabstimmung schickt und damit die Partei zu zerreißen droht, ist schon ein starkes Stück.
Aber so ist das nun einmal. Der Abgang von scheinbar so dominanten und prägenden Politikern – man erinnere sich an den Rückzug von Erwin Pröll vor wenigen Monaten aus der niederösterreichischen ÖVP – scheint nicht ohne Blessuren, Kämpfe und Krämpfe möglich zu sein. Und irgendwie scheint Michael Häupl, der ja in seinem langen politischen Leben einen bemerkenswerten Werdegang vom radikalen Pennal-Burschenschafter bis hin zum linkslinken Migrationsbefürworter hinter sich hat, die von ihm so lang dominierte Partei lieber zerstören zu wollen, als sie stark und intakt einem Nachfolger zu übergeben. Dass im Zuge dieses Wiener SPÖ-Theaters kurzfristig auch noch Ex-Kanzler Kern als potentieller Bürgermeisterkandidat ins Spiel gebracht wurde, schlägt dem Fass tatsächlich den Boden aus. Zu Recht wird Kern von Kritikern zwar als „Prinzessin“ tituliert, dass er deshalb Häupls Kronprinz sein müsse, wäre denn doch zu viel verlangt.
Eine solcherart desorientierte Partei wie die SPÖ – und da sind sich auch parteiinterne Kritiker wie der alte Bruno Aigner oder der SPÖ-orientierte Werber Joe Kalina einig – müsse sich völlig neu erfinden.
Sie müsse sich erst in der Oppositionsrolle zurechtfi nden und dann ihre intellektuellen und ideologischen Kapazitäten neu entwickeln und definieren. Große politische Wirkmächtigkeit werde man von dieser Partei weder im Parlament noch in der übrigen realen Politik in nächster Zeit kaum erwarten dürfen. Was wundert, dass man stattdessen auf die sogenannte Zivilgesellschaft setzt. Die Demonstrationen, die vor einigen Tagen stattfanden und wohl 20.000 bis 30.000 Leute mobilisierten, scheinen da den roten Strategen wieder Hoffnung zu geben. So nach dem Motto: Was wir im Parlament nicht schaffen, werden wir nunmehr auf der Straße erwirken – nämlich breitflächigen Protest gegen die neue Mitte-Rechts-Regierung. Wie gefährlich das für eine vormals staatstragende Partei, wie es die SPÖ über Jahrzehnte war, sein kann, wird sich wohl spätestens bei den Demonstrationen gegen den Wiener Akademikerball der national-freiheitlichen akademischen Kooperationen erweisen. Wenn man nämlich gemeinsam mit den Anarchisten des Schwarzen Blocks und mit ultralinken Extremisten demonstriert, wenn man deren Ambitionen damit unterstützt und mit ihnen solidarisiert, ist man auch für deren antidemokratische Haltung, deren Zerstörungspotenzial und deren mögliche Straftaten und Vandalenakte verantwortlich.


Was will Van der Bellen?

26. Oktober 2017

Die Wahl ist geschlagen, der Bundespräsident hat dem Wahlsieger den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Und mehrfach hat der ehemalige Grün-Politiker Alexander Van der Bellen während des vorjährigen Präsidentschaftswahlkampfs bekannt gegeben, dass er die Freiheitlichen des Heinz-Christian Strache nicht in einer Bundesregierung haben wolle. Warum? Weil sie seines Erachtens eine europafeindliche Partei seien.
Auf Nachfrage allerdings hat das Staatsoberhaupt irgendwann dann einmal gemeint: „Kruzitürken, wenn mir nichts anderes übrig bleibt“, ja dann würde er halt auch Freiheitliche in der Regierung akzeptieren. Welche aber und zu welchen Bedingungen, das ist eine Frage, die sich nunmehr offenbar in Kürze ganz real stellen wird. Dass es nämlich Schwarz–Blau geben wird, daran zweifelt kaum mehr jemand. Und dass der junge Wahlsieger und ÖVP-Chef ähnlich wie Wolfgang Schüssel im Jahre 2000 die Härte haben würde, die Präferenzen des Herrn Bundespräsidenten genauso wie Wolfgang Schüssel damals im Hinblick auf Thomas Klestil zu übergehen und schlicht darauf bestehen wird, dass die breite parlamentarische Mehrheit eben eine schwarz-blaue Koalition trägt, ob das dem Staatsoberhaupt genehm ist oder auch nicht, das steht außer Frage. Nun zu glauben, dass Alexander Van der Bellen das so einfach schweigend und duldend mit saurer Miene wie seinerzeit Thomas Klestil hinnehmen würde, ist wohl illusorisch. Klestil hat immerhin noch zwei FPÖ-Minister abgelehnt, obwohl er selbst ein Parteifreund des damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel war. Alexander Van der Bellen als ehemaliger Kommunist, Sozialist und Grüner wird wohl einen Teufel tun und den ÖVP-Chef keineswegs stillschweigend die Mauer machen.
Zum einen wird er sicherlich versuchen, sein Gesicht zu wahren und entsprechend demonstrativ den einen oder anderen freiheitlichen Vorschlag ablehnen oder dies zumindest versuchen. Jene FPÖ-Kandidaten, die etwa Angehörige einer Burschenschaft sind, haben gute Chance, als ach so böse „Deutschnationale“ durch Acht und Bann des Bundespräsidenten verhindert zu werden.
Medial diffamierte freiheitliche Tiefwurzler, die als „Hardliner“ abgestempelt wurden, wie etwa der langjährige Dritte Nationalratspräsident Martin Graf oder der langjährige außenpolitische Sprecher Johannes Hübner wären wohl ebenso Ziel der bundespräsidialen Ächtung. Ebenso wie jeder andere exponierte Freiheitliche, der in den Oppositionsjahren der Vergangenheit durch kämpferisches Auftreten ins Visier der linken Mainstream-Medien geriet, also jeder, der in „Standard“ oder „Falter“ als xenophob oder gar rassistisch diffamiert wurde.
Der verblichene Bärentaler hat seinerzeit angeblich Hilmar Kabas und Thomas Prinzhorn dem Bundespräsidenten im sicheren Wissen präsentiert, dass diese von Thomas Klestil abgelehnt werden. Derlei „nordische List“ wird es heute in den Reihen der Strache-FPÖ mit Sicherheit nicht mehr geben. Und präventiv hat der FPÖ-Obmann in den letzten Tagen ja bereits verlauten lassen, dass er es nicht akzeptieren könne, dass der Bundespräsident auf die personelle Auswahl einzelner Regierungsparteien Einfluss nehme.
Was kann der Bundespräsident noch tun, um sein Gesicht zu wahren? Er kann gemäß historischem Vorbild aus dem Jahre 2000 eine Präambel für das Regierungsabkommen verlangen und politisch-korrekt müssten die Freiheitlichen dort wohl allem abschwören, wofür sie als Fundamentalopposition  erfolgreich über ein Jahrzehnt eingetreten sind. Die real existierende EU ohne Wenn und Aber, vorbehaltlose Akzeptanz der europäischen Menschenrechtskonvention, Absage an jegliche Xenophobie und natürlich überdies  die Beteuerung von Selbstverständlichkeiten, wo es längst klare freiheitliche Positionen gibt, wie die Absage an Antisemitismus etc.  Derlei Überlegungen dürften dem Bundespräsidenten gegenwärtig wohl durch den Kopf gehen. Ob und wie er sie dann stellt – und wie intelligent die künftigen Koalitionäre von Schwarz und Blau darauf dann eingehen –, bleibt abzuwarten.


Nach der Wahl

24. Oktober 2017

Die Stunde der Taktiker

Die Wahlen sind geschlagen, der Bürger als Souverän der Republik hat gesprochen. Der Wählerauftrag lässt nicht nur eine Interpretation zu, sondern im österreichischen Fall des Oktober 2017 auch mehrere Varianten zu. Konkret die Neuauflage der Altkoalition zwischen Schwarz und Rot, dann eine Mitte-Rechts-Koalition zwischen Schwarz und Blau, aber auch die einer sozialistisch-freiheitlichen Koalition, gewissermaßen als Retourkutsche für die Koalitionsbildung des Jahres 2000, in der der Wahlverlierer von den Freiheitlichen zum Kanzler gemacht wurde. Und schließlich gibt es natürlich auch noch eine Minderheitsregierung des türkis eingefärbten Wahlsiegers. Verifiziert und damit letztgültig festgestellt kann dieser Wählerwille erst bei kommenden Wahlen werden, wenn es darum geht, wie weit der Wahlbürger eine dieser Varianten im Nachhinein bestätigt und mit seiner Stimme belohnt.
Nun aber hat die Stunde der Taktiker geschlagen, der Regierungsverhandler, der Parteistrategen und ihrer Berater und Einflüsterer. Und natürlich die Stunde der mehr oder minder unabhängigen Medien, die da als Begleitmusik Stimmung für die eine oder andere Variante machen.
Der Stehsatz des vergangenen Wahlkampfs und auch noch der Kommentare in der Wahlnacht lautete „Veränderung“, das Land brauche eben eine solche „Veränderung“. Wie diese aussehen soll, das hat der eigentliche Wahlsieger bislang eher im Vagen gelassen, und die zweiten Wahlsieger, die Freiheitlichen, die dieses Schlagwort auch benützen, verweisen dazu auch ganz allgemein auf ihre bisherigen langjährigen Forderungen. Was also ganz konkret und mit welchen Detailregelungen verändert werden soll in unserem Lande, das wissen wir vorläufig nicht. Erste konkrete Hinweise wird es dann wohl erst in
einem Regierungsprogramm, das mit einer der zuvor skizzierten Varianten vorgelegt werden
muss, geben.
Nun wäre es schön, wenn bei den anstehenden Verhandlungen in erster Linie das Wohl von Volk und Land, das Staatswohl, im Mittelpunkt stehen würde. Allein dies ist wohl frommes Wunschdenken. Zumeist – und das lehrt auch die österreichische
Geschichte – steht das Parteiwohl oder gar der Eigennutz der agierenden Personen im Mittelpunkt solcher Verhandlungen. Welcher Partei gelingt es besser, potentielle Partner über den Tisch zu ziehen, sie für die eigenen Ziele zu vereinnahmen? Wer wird diese oder jene hohe Funktion einnehmen, wer wird Minister, wer Staatssekretär? Wie viele aus den Reihen der eigenen Parteigänger vermag man in wohldotierten
Positionen zu versorgen?
Darüber hinaus aber geht es aus ebenso wenig uneigennützigen Gründen auch darum, wer welchen seiner Programmpunkte seines Wahlversprechens und seines Parteiprogramms umsetzt. Vorgeblich zum Nutzen des Landes, in Wahrheit eher zum Wohle der eigenen Partei, da diese ja auch in der Folge medial Zuspruch und Wählerzustimmung erhalten will.
Was die Gemeinsamkeiten der großen Akteure in diesem Spiel betrifft, so müsste es wohl diesmal zu einer schwarz-blauen Koalition kommen. Denn der junge Parteichef der Volkspartei hat die dogmengeschichtliche Verortung der Partei und deren gültiges Parteiprogramm wohl ziemlich bewusst in den Hintergrund gedrängt und viele programmatische Forderungen der oppositionellen FPÖ übernommen. Nachdem das Hauptmotiv der Wähler die Migrations- und Flüchtlingsfrage war, sollte eine entschiedene Politik zu deren Lösung nicht nur im Staatsinteresse, sondern wohl auch im Interesse der beiden Parteien liegen, sollte gemeinsames Agieren, sprich eine gemeinsame Koalitionsregierung, denkbar sein.
Allein für die Taktiker, deren Stunde, wie gesagt, geschlagen hat, ist dies natürlich zu kurz gedacht. Sie haben neben inhaltlichen Übereinstimmungen in erster Linie im Auge, welchen Nutzen, welchen Einfluss, welche Macht und Geldmittel, welche Positionen die eigene Partei in einer Koalition wird einnehmen können. Wer bekommt welches Ministerium, wer bekommt die Mittel für das eine oder andere seiner Projekte, wer vermag Einfluss auf die Medien zu nehmen, wer kann sein Klientel befriedigen, mit Wohnungen und Arbeitsstellen versorgen.
Sind dem einen die Wirtschaft, die Industrie und das Gewerbe wichtig, so ist es dem anderen der vielzitierte kleine Mann. Und natürlich geht es dabei immer auch darum, mögliche Partner oder auch politische Gegner auszubremsen, ins Messer laufen zu lassen, unmittelbar oder zumindest mittel- und langfristig zu schädigen. Das ist eine der unerfreulichen Prinzipien der Parteiendemokratie.
Wir werden nun sehen, ob sich Schwarz und Blau einigen oder ob die Sozialdemokratie der Versuchung erliegt, mithilfe der FPÖ eine Retourkutsche für die Regierungsbildung Haider/Schüssel im Jahre 2000 zu konstruieren. Oder ob es nur die Neuauflage des ewig Gleichen, nämlich der alten rot-schwarzen bzw. schwarz-roten Koalition gibt. Und wenn, zu welchen Bedingungen dann der Wahlsieger Sebastian Kurz eine dieser Koalitionen eingeht. Beispiele für besonders hinterhältiges, aber umso gelungeneres Taktieren finden sich in der jüngeren österreichischen Geschichte ja mehrere: Da ist einmal das Jahr 2000, wo der große Wahlverlierer ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel, der den Gang in die Opposition versprochen hat, mit Haiders Hilfe doch noch zum Bundeskanzler gemacht wurde. Die weitaus stärkste Partei, die Sozialdemokratie, wurde da kalt ausgebremst, und Haiders FPÖ, die ja stärker war als die ÖVP, verzichtete in vorläufiger Bescheidenheit auf das Kanzleramt. Eine Bescheidenheit, die sich – so sind sich die Zeitgeschichtler indessen einig – rächen sollte, denn die Nichtteilnahme des starken Manns der FPÖ an der Regierung barg von Anfang an großes Sprengpotential.
Oder dann ist da die Regierungsübernahme von Bruno Kreisky im Jahre 1970: Obwohl er vorläufig noch keine absolute Mehrheit erreichte, bildete er mit freiheitlicher Duldung eine Minderheitsregierung , bescherte der FPÖ ein kleinparteienfreundliches Wahlrecht, das ihr zum Überleben verhalf und errang bei Neuwahlen nach nur einem Jahr die absolute Mehrheit, die er für nahezu eineinhalb
Jahrzehnte behalten sollte.
Taktieren in dieser Perfektion wird den schwarz/türkisen Verhandlern dieser Tage wohl kaum gelingen. Eine Minderheitsregierung von Sebastian Kurz wird im Parlament vonseiten der SPÖ und der FPÖ wohl kaum über allzu große Duldung verfügen können. Und im Falle von vorgezogenen Neuwahlen wäre Kurz noch meilenweit von einer absoluten Mehrheit entfernt, wie sie Bruno Kreisky damals erringen konnte. Der von Wahlsieger Kurz aber während des Wahlkampfs viel beschworene „neue Stil“ des von ihm geplanten Regierens lässt allerdings erwarten, dass er sich diesbezüglich noch einige Winkelzüge vorbehalten hat. Ob das von ihm Geplante verfassungsmäßig zulässig ist, ob es politisch-pragmatisch funktionieren kann, und ob es Zustimmung in der Mehrheit der Bevölkerung findet, ist eine ganz andere Frage. Vorläufig aber sind einmal die Taktiker am Zug – in erster Linie jene, die hinter dem Wahlsieger stehen.


Ein massives Votum für ­freiheitliche Inhalte

23. Oktober 2017

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl brachte es am Wahlabend auf den Punkt: Nahezu 60 Prozent der Österreicher hätten für die freiheitliche Programmatik gestimmt! Tatsächlich trifft dies zu, wenn man die FPÖ- und die ÖVP-Wähler zusammenzählt, da bekanntlich Kurz – insbesondere in Sachen Migrationsproblematik – die jahrelangen freiheitlichen Forderungen nahezu eins zu eins abgekupfert hat. Und das Thema Migration war das Hauptmotiv für die blauen und türkisen Wählerstimmen.
Wenn man nun weniger in Parteikategorien denkt und eher an das Wohl von Land und Leuten, müsste man eigentlich zufrieden sein, dass eine Traditionspartei wie die ÖVP die Argumente und Forderungen einer fundamentalen Opposition, wie es die Freiheitlichen durch lange Jahre waren, übernimmt. Die Wähler haben dem jungen, sich türkis eingefärbten schwarzen Parteichef diese Übernahme der freiheitlichen Forderungen abgenommen. Nahezu ein Drittel hat Kurz die Stimme gegeben. Satte 26 Prozent allerdings auch den Freiheitlichen.
Wahlversprechen und Wahlerfolge sind eine Sache. Die Einhaltung dieser Wahlversprechen ist eine andere. Das Gesetz des Handelns liegt diesbezüglich beim Wahlsieger Sebastian Kurz. Zweifellos erhält er in diesen Tagen vom Bundespräsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung. Er muss also initiativ sein, wenn es also um Verhandlungen und Gespräche mit anderen Parteien geht.
Nun sind die Freiheitlichen gebrannte Kinder aufgrund der Entwicklung zwischen den Jahren 2000 und 2002 bzw. 2000 und 2006. Sie wurden damals vom großen Wahlverlierer Wolfgang Schüssel über den Tisch gezogen. Er hat massiv zu ihrem Scheitern beigetragen und konnte dann auch 2002 bei den vorgezogenen Nationalratswahlen einen grandiosen Sieg für seine Volkspartei einfahren – zu Lasten der FPÖ, die auf ein Drittel ihrer Wählerstimmen reduziert wurde. Dieses Schicksal wollen die Freiheitlichen verständlicherweise nicht noch einmal erleiden.
Zweifellos wird es auch von Seiten der geschlagenen SPÖ unsittliche Angebote gegenüber den Freiheitlichen geben, da sich die rote Reichshälfte nunmehr spiegelverkehrt für die Regierungsbildung 2000 revanchieren könnte. Für die erfolgreiche FPÖ des Heinz-Christian Strache allerdings wird sich die Frage stellen, welche Entscheidung sie als Königsmacher zum Wohle des Landes und seiner Menschen treffen werde müssen. In taktischer Hinsicht mag ein gemeinsamer Weg mit den Sozialdemokraten verlockender sein. Von der Programmatik her müsste man sich wohl mit Sebastian Kurz zusammentun, wenn, ja, wenn er wirklich ehrlich gewillt ist, seine Wahlversprechen umzusetzen, und wenn er in der Lage ist, einen freiheitlichen Koalitionspartner fair, offen und ehrlich in die Regierungsarbeit einzubinden.
Vielleicht aber steigt das Ganze dem jungen Wahlsieger zu Kopfe und er glaubt wie weiland Bruno Kreisky im Jahre 1970 mit einer Minderheitsregierung antreten zu können, nach deren parlamentarischem Scheitern er ein Jahr später Neuwahlen provoziert hätte, und hier dann noch stärker zu gewinnen hofft. Aber Kreisky ist der Herr Kurz halt doch keiner, und absolute Mehrheiten wie in den 70er Jahren sind heute, gleich für welche Partei, eher undenkbar. Aus all diesen Gründen ist die wahrscheinlichste und sinnvollste Regierungskonstellation halt doch Schwarz–Blau.


Vom Ende der Proporz-Republik

15. Oktober 2017

Die Teilung des Landes in Rot und Schwarz trägt nicht mehr

Angeblich sind ihre Anfänge in der Lagerstraße des Konzentrationslagers Dachau zu suchen: Die der großen Koalition zwischen Sozialdemokraten und Christlich-Konservativen, die des rot–schwarzen Proporzes in Österreich. Die von den Nationalsozialisten inhaftierten Politiker der ersten österreichischen Republik waren durch das gemeinsam durchlittene Leid demokratisch gereift und willens, die alten Konflikte aus den 20er und 30er-Jahren zu überwinden, so zumindest die politisch-romantisierende Gründungslegende für die große Koalition, den rot–schwarzen Proporz und die Herrschaft der Sozialpartner, welche die zweite österreichische Republik bislang beherrschten. Tatsächlich war im ersten Jahrzehnt nach dem Kriegsende zur Zeit der alliierten Besatzung eine Zusammenarbeit aller relevanten politischen Kräfte vonnöten, um dem Land wieder Souveränität und Freiheit zu erkämpfen. Das Ringen um den Staatsvertrag wurde zweifelsohne von Schwarz und Rot gemeinsam getragen.
Figl und Raab, Renner und Schärf, sie waren sicher Persönlichkeiten, die bis hin in die 50er-Jahre die breite Mehrheit der Österreicher repräsentierten. SPÖ und ÖVP könnten sich, gedeckt durch eine von ihnen gebildete große Koalition, das Land in allen seinen öffentlichen und halböffentlichen Bereichen bequem aufteilen. Die Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern und die ständestaatlichen Reste, die sich im Kammerstaat, in der Wirtschaftskammer, in der Arbeiterkammer primär manifestierten, stützten dieses schwarz–rote bzw. rot–schwarze Proporzsystem zusätzlich ab. Und so war die Zweite Republik von Anbeginn in zwei Reichshälften geteilt: eine rote und eine schwarze. Nachdem die große Koalition in ihrer ersten Phase von der ÖVP dominiert bis 1966 gehalten hatte, kam es danach zu einer schwarzen Alleinregierung unter Josef Klaus, die 1970 von der Minderheitsregierung Bruno Kreiskys abgelöst wurde. Die darauffolgende SPÖ-Dominanz sollte bis 1983 andauern, um dann erstmals von einer Regierung mit FPÖ-Beteiligung abgelöst zu werden. In all diesen Jahrzehnten blieb die Aufteilung des Staates in eine rote und eine schwarze Domäne aufrecht, blieb die Sozialpartnerschaft als Nebenregierung voll funktionsfähig und blieb der Proporz das Gestaltungsmodell der Zweiten Republik.
Der VdU und die Freiheitlichen, also die Parteien des nationalliberalen Lagers, galten als die zu spät Gekommenen der Zweiten Republik und wurden überdies mit dem Stigma des NS-Erbes punziert. Sie sollten an dieser Aufteilung des Staates keinen Anteil haben dürfen und liefen nicht zuletzt deshalb gegen den Proporz von Anbeginn ihres politischen Wirkens Sturm. Als die rot–blaue Koalition unter SPÖ-Chef Sinowatz und FPÖ-Obmann Steger und der damit verbundene eher schwächliche Versuch, den Proporz mit einer freiheitlich-liberalen Beteiligung zu ergänzen, im Jahre 1986 scheiterte, begann in der Folge der freiheitliche Sturmlauf gegen die rot–schwarze Aufteilung des Landes.
Der neue FPÖ-Chef Jörg Haider wandelte die alte nationalliberale Honoratiorenpartei FPÖ in eine plebiszitäre Emanzipationsbewegung gegen den rot–schwarzen Proporz. In kaum eineinhalb Jahrzehnten fundamental-oppositioneller Politik gelang es ihm mittels zunehmender Wahlerfolge, die große Koalition in ihrer zweiten Phase, welche durch den SPÖ-Chef Franz Vranitzky dominiert war, aufzubrechen. Im Jahr 2000 kam es folgerichtig zur ersten blau–schwarzen Koalition unter Wolfgang Schüssel von Haiders Gnaden. Der damit verbundene Versuch, die Macht der Sozialpartner zurück zu beschneiden und den rot–schwarzen Proporz nach und nach zu beenden, hatte nur bedingt Erfolg. Die einigermaßen tückische Politik der ÖVP, den blauen Koalitionspartner ausbluten zu lassen, zu schwächen und schließlich nach der Nationalratswahl des Jahres 2002 zum schwachen Mehrheitsbeschaffer zu degradieren, und die mangelnde Professionalität und Korruptionsanfälligkeit der haiderischen Buberlpartie ließen dieses erste blau–schwarze bzw. schwarz–blaue Regierungsmodell scheitern.
Im Jahr 2006 war es soweit: Die alte große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP konnte fröhliche Urständ feiern, um das Land für ein weiteres Jahrzehnt bis zum heutigen Tag zu regieren. Der rot-schwarze Proporz – ausgedünnt zwar durch die vorhergehende Politik der Privatisierung und Deregulierung im Wirtschaftsbereich – blieb erhalten.
Die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP war aber längst keine große Koalition mehr, sondern nur noch eine Rest-Koalition, die kaum über eine Mehrheit in der Bevölkerung verfügte und auf bloßen Machterhalt ausgerichtet war. Die gegenseitige Blockierung und die zunehmenden Antipathie zwischen den Akteuren, aber auch die Erfolglosigkeit der Koalitionsparteien gegenüber der aufstrebenden Strache-FPÖ, mussten letztlich zu jener politischen Situation führen, in der sich Österreich jetzt unmittelbar vor diesem Nationalratswahlgang befindet: Bereits bei den vorjährigen Bundespräsidentschaftswahlen müssen die Koalitionsparteien brutale Niederlagen hinnehmen, mit kaum zehn Prozent der Wählerstimmen mussten ihre Kandidaten im ersten Wahlgang abstinken. Die Sozialdemokratie, die offenbar in ihrer Panik, die Macht im Lande aus den Händen geben zu müssen, zu allen auch unmoralischen Mitteln  zu greifen bereit ist, könnte nunmehr auf einen historischen Tiefstand abstürzen. Die Volkspartei, die diesen Tiefstand in den Umfragen lange Jahre bereits innehatte, vermag sich gegenwärtig nur durch Camouflage, durch Selbstverleugnung und die Übernahme einer anderen Programmatik, nämlich jener der der oppositionellen FPÖ, auf Erfolgskurs zu halten.
Wie lange ihr neuer, juvenlier Parteichef diesen Kurs der Camouflage aufrecht zu erhalten vermag  und ob er auch nur einigermaßen in der Lage sein wird, sein Vorwahlversprechen umzusetzen, bleibt abzuwarten. Mehr oder weniger ist allerdings fix, dass  er im Falle seines zu erwartenden relativen Wahlerfolgs den Weg zurück in die überlebte schwarz–rote Altparteienkoalition nicht wagen wird können. Die Aversion des Wahlvolkes, allzumal nach den jüngsten gegenseitigen Schmutzkübel-Kampagnen, ist dafür zweifellos zu groß geworden.
Sollte die Türkis eingefärbte Kurz-ÖVP nun mehr tatsächlich den Bruch des alten rot–schwarzen Proporzsystem und eine Entmachtung der Sozialpartner-Nebenregierung wagen, indem sie sich mit den erstarkten Freiheitlichen Straches auf Regierungsebene zusammentut, muss man allerdings davon ausgehen, dass eine solche Partnerschaft auch nur beschränkt von ehrlichen gemeinsamen Reformwillen getragen sein wird.
Allzu groß dürfte die Versuchung für die ÖVP sein, jenes Spiel zu wiederholen, das Wolfgang Schüssel im Jahr 2002 gespielt hat, als er die mangelnde Professionalität des freiheitlichen Regierungspartner nützte, um die gemeinsame Koalition platzen zu lassen, und die FPÖ-Wählerschaft im wahrsten Sinne des Wortes „abräumen“ konnte. Seit den Tagen von Julius Raab gilt in der ÖVP eben die Maxime in der Politik gegenüber den Freiheitlichen: „Die werden wir inhalieren“.
Das Klima innerhalb der rot–schwarz dominierten Sozialpartnerschaft allerdings dürfte irreparabel beschädigt sein und die Bastionen des rot–schwarzen Proporzes in der öffentlichen Verwaltung, in der staatsnahen Wirtschaft, im Bildungswesen und im Gesundheitswesen, in der Versicherungs- und Bankwirtschaft haben auch längst zu bröckeln begonnen. Die Proporzrepublik, wie sie sich 1945 begründete, dürfte also ihrem Ende zutaumeln. Ob es stattdessen durch freiheitlichen Einfluss zu einem Gemeinwesen des fairen Wettbewerbs, des freien Spiels der Kräfte und der transparenten Konkurrenz zwischen den besten Idee und den besten Persönlichkeit kommt, bleibt zu hoffen. Insgesamt jedenfalls kann konstatiert werden, dass das als konsensdemokratisch geschönt bezeichnete politische System des Landes, welches durch das Prinzip Mauschelei geprägt war, durch eine eher konfliktorientierte konfrontative Politik abgelöst werden wird. Und das könnte für die demokratische Entwicklung Österreichs durchaus fruchtbar sein.


Die sich im Dreck suhlen

12. Oktober 2017

Es ist ganz einfach widerlich: Dieses Maß an Verlogenheit, Heuchelei und Niedertracht, das sich in den letzten Tagen und Wochen im Zusammenhang mit dem Wahlkampf in der Alpenrepublik offenbart hat. Da werden für Unsummen angebliche Wahlkampfexperten aus dem Ausland engagiert, verdienen viele Steuermillionen, die sie über die Parteikassen erhalten und greifen zu Mittel, die mit demokratischer Wahlwerbung nichts mehr zu tun haben. Die getürkten Internetseiten die aus dem SPÖ-Umfeld kamen, den ÖVP-Kandidaten schlecht machen sollten und all das so erscheinen hätte lassen sollen, als ob es aus FPÖ-Kreisen käme. Und es betrifft nicht nur die SPÖ, die im Mittelpunkt dieses Politskandals steht. Ungeklärt ist leider auch, wie weit die „Neue ÖVP“ des sich Türkis eingefärbten Kandidaten Kurz darin involviert ist. Das angebliche Angebot des Pressesprechers von Kurz, hunderttausende Euro – auch das wieder Steuergeld – für einen Seitenwechsel des einen oder anderen Silberstein-Knaben zu bezahlen, ist nach wie vor nicht wirklich widerlegt. Da hat etwa ein gewisser Herr Puller, einer der Helfershelfer des Herrn Silberstein, ursprünglich für die steierische Volkspartei gearbeitet, um im Wahlkampf den SPÖ-Landeshauptmann Voves zu verunglimpfen. Danach hat er sich bei den ach so braven NEOS verdingt, man bedenke, das ist das Umfeld des Herrn Haselsteiners – um schließlich bei Herrn Silberstein zu landen und indirekt für die SPÖ zu arbeiten. In einem Interview hat eben dieser Herr Puller geäußert, er sei schließlich „ein Kaufmann“ und müsse dort arbeiten, wo er Geld verdienen könne, nur – und das hat er ganz politisch korrekt und bieder betont – für die FPÖ würde er niemals arbeiten!
Danke, Herr Puller, für diese Aussage, denn sie zeigt den angewiderten Bürgern und Wählern, dass es hier im Lande offenbar nur eine saubere Seite gibt, nämlich die der freiheitlichen Opposition. Jene, die seit Jahren als rassistisch, xenophob und antisemitisch verunglimpft wird, sie ist als einzige bei diesen Machenschaften nicht involviert.
Ganz im Gegenteil, sie sollte durch die antisemitischen Untertöne der Silberstein-Kampagne als Verursacher in den Skandal hinein gezogen werden. Da weiß man dann schon recht gut, was von den Antisemitismus-Vorwürfen gegenüber der FPÖ aus den Reihen der etablierten Parteien zu halten ist. Da hört man vom politisch-superkorrekten Mauthausen-Komitee, das bekanntlich von ÖGB, katholischer Bischofskonferenz und israelitischer Kultusgemeinde getragen wird, keine mahnenden Worte, obwohl der über Silberstein verbreitete Fake-Antisemitismus solche durchaus verdienen würde. Und gewiss hat in den Reihen der wahlkämpfenden Sozialdemokraten auch niemand bedacht, dass die Malversationen des Herrn Silberstein und der ganze Skandal, der sich um seine Person rankt, alle antisemitischen Klischees, die es einmal gab – gottlob sind diese in der autochthonen, österreichischen Bevölkerung als Reste nur mehr in ganz geringen Spurenelementen vorhanden – bestätigten und somit aufwärmten. Jene, die den Freiheitlichen Antisemitismus nachsagen und andichten wollen, schüren diesen mutwillig durch Affären wie den Silberstein-Skandal.
Die auf frischer Tat ertappte SPÖ lässt das eine oder andere Bauernopfer über die Klinge springen und schreibt ansonsten: Haltet den Dieb! Und der zunehmend in die Enge getriebene SPÖ-Chef und Noch-Kanzler mimt den redlichen Politiker, der von all dem nichts gewusst haben will. Dass Tal Silberstein allerdings Experte für „Dirty Campaigning“ ist, war landläufig bekannt und auch Unkenntnis – sollte man diese den Herrn Kern abnehmen – schützt bekanntlich nicht vor Strafe.
Wie auch immer nun die Wahl ausgehen wird und ob der gelernte Österreich endlich in der Lage sein wird, dass im Land bislang dominierende Kartell aus Politheuchlern, eitlen Selbstdarstellern und Volksbetrügern endlich abzuwählen, bleibt es eine traurige Tatsache, dass die Demokratie im Lande durch diesen schmutzigsten aller Wahlkämpfe den die Alpenrepublik nach 1945 erlebt hat, massiven Schaden genommen hat.


Silberstein-Strategie

7. Oktober 2017

Kurz anschütten, der FPÖ unterschieben, das Ausland mobilisieren

Victor Adler, Otto Bauer, Bruno Kreisky, wo immer Ihr auch seid’s, schaut’s oba! Was ist aus Eurer Partei geworden? Aus der altehrwürdigen Arbeiterbewegung, der rot–weiß–roten Sozialdemokratie, jener Partei, die die hundertjährige Geschichte der Republik mit viel Würde und in Ehren begleitet hat? Die von Karl Renner, dem Staatskanzler des Gründungsjahres, bis hinauf in unsere Tage Bundespräsidenten und Bundeskanzler gestellt hat. Zuletzt allerdings einen, der seinen politischen Ahnherren offenbar nicht mehr gerecht werden kann. Und jetzt steht diese große, traditionsreiche politische Bewegung vor der schmählichsten Niederlage ihrer Geschichte. Und zu danken hat sie das einem Klüngelvon Wahlkampfberatern, das die alte Tante SPÖ aufgeschminkt hat wie eine billige Nutte, die sich nur durch Vernadern und Denunzieren ihrer Mitbewerberinnen über Wasser halten kann.
Die „Silberstein-Strategie“ könnte man das nennen, was da nun zutage gekommen ist. Da versucht man einen überraschend stark antretenden, jungen Konkurrenten, den neuen ÖVP-Chef Kurz, zum Ziel einer Schmutzkübel-Kampagne zu machen. Und wie das in diesen Tagen so gängig ist, natürlich über die Social Medias. Und diese bilden mit ihrer Anonymität gleich die Möglichkeit, die Schuld dafür dem zweiten gefährlichen Konkurrenten zuzuschieben: nämlich den oppositionellen Freiheitlichen! Der Stil dieses „Dirty Campaigning“ – bewusst auf rassistisch und antisemitisch hingetrimmt – sollte letztlich natürlich den Anwurf rechtfertigen, dass dies nur vom rechten Rand der Freiheitlichen kommen könne. Wobei man den Boden für diese Anschuldigungen durch die Kampagne gegen den außenpolitischen Sprecher der FPÖ, Johannes Hübner, aufbereitet hat. Auch diese war zweifellos strategisch in den Silbersteinschen Sudelküchen geplant, und wurde dann über linkslinke Medien vorgetragen. Da hätte man dann das Bild einer zumindest an ihren extremen Rändern nach wie vor antisemitischen, rechtsextremen Partei allzu schön abrunden können.  Und was die Finanzierung der Kampagne betrifft, so muss man sich schon an jene Großspender  erinnern, die im Vorjahr für die  Kampagne gegen den freiheitlichen Bundespräsidentschaftskandidaten  Norbert Hofer ganz offen große Summen gesetzt haben. Wie etwa jener Baulöwe, der den Freiheitlichen den Öxit unterzujubeln versuchte.
Und noch einen Aspekt dieses Dirty Campaignings, das da in der Silbersteinschen Sudelküche konzipiert wurde, sollte man nicht vergessen: Im Falle einer roten Wahlniederlage sollte offenbar, so wie bereits vor Jahrzehnten bei der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten und im Jahr 2000 bei der Bildung der blau-schwarzen Regierung durch Jörg Haider und Wolfgang Schüssel, das Ausland mobilisiert werden.
SPÖ-Chef Christian Kern hat es nach dem jüngsten EU-Gipfel  bereits sehr deutlich durchklingen lassen: Die europäischen Staatschefs hätten „reihum“ ihre Befürchtungen über eine freiheitliche Regierungsbeteiligung geäußert. Ganz ähnlich haben im Winter 1999/2000 der damalige SPÖ-Chef Viktor Klima und der seinerzeitige Bundespräsident Thomas Klestil geklungen.
Ebenso wie vor mehr als 30 Jahren Fred Sinowatz, als er unter schrillen Begleittönen aus der Sozialistischen Internationale und dem World Jewish Congress bekannt gab, dass, wenn schon nicht Waldheim bei der SA gewesen wäre, so zumindest dessen Pferd.
Victor Adler, Otto Bauer und Bruno Kreisky, sie mögen also getrost in ihren Gräbern rotieren. Christian Kern wird das kaum tangieren, wenn er demnächst wieder auf einem hochdotierten Posten in der staatsnahen Wirtschaft zurückkehrt oder vielleicht Nationalbankpräsident oder dergleichen wird.


Vom Ende der Telekratie

3. Oktober 2017

Medienpolitische Überlegungen

Was im gegenwärtigen österreichischen Nationalratswahlkampf in den Medien abläuft, ist einigermaßen grotesk. Während es beim großen bundesdeutschen Nachbarn im Wahlkampf nur eine Elefantenrunde der Spitzenkandidaten gab, und sich insbesondere die Favoritin und nachmalige Wahlsiegerin Angela Merkel auch nur einmal zur Diskussion mit ihren Gegnern stellte, gibt es in der Alpenrepublik geradezu eine Inflation an Fernsehdebatten und Konfrontationen zwischen den Kandidaten der wahlwerbenden Parteien. Da überbietet sich der öffentlich-rechtliche Staatsfunk in einer Reihe von Formaten, wobei das Radio dem Fernsehen in nichts nachsteht, da gibt es neben Zweier-Konfrontationen größere Runden und sogar Ausflüge in den Bereich des Infotainments, in dem die Kandidaten sich Quizsendungen mit Bürgern zu stellen haben. Dann gibt es mehrere Privatsender, die sich bemühen, den öffentlich-rechtlichen Sender an Originalität der Debattensendungen noch zu überbieten.
Und insgesamt sind es wohl an die hundert einzelner Diskussions- und Interviewsendungen mit den Spitzenkandidaten der Parteien, die da in Funk und Fernsehen auf den Bürger einprasseln. Nun hat es zwar vor dem Wahlkampf geheißen, dieser werde gewiss bei eben diesen Diskussionsrunden im Fernsehen entschieden und nicht mehr bei Wahlversammlungen und Wahlkampftouren quer durchs Land. Allein die Tatsache, dass man mit den Fernsehauftritten wesentlich mehr Menschen und Wähler erreicht, sprach und spricht für diese Annahme. Nicht in diese Planungen und Überlegungen einbezogen hat man allerdings, was sich nunmehr herausstellt, dass es nämlich eine Übersättigung des Fernseh- und Radiokonsumenten gibt, bei der das Interesse in Aversion und die Hilfe zu einer entsprechenden Wahlentscheidung in Apathie, ja in Ablehnung umschlägt.
Über Wochen und Monate tagtäglich dasselbe von den Wahlwerbern stumpft ab, und die Hoffnung, dass einer der Spitzenpolitiker doch bei einer dieser Sendungen einen entscheidenden Fehlermachen könnte oder etwas Skandalöses äußern würde, wird von den Spindoktoren und Beratern der Spitzenkandidaten insofern konterkariert, als man am besten überhaupt nichts mehr von der erprobten Linie Abweichendes mehr äußert. Nur keine Fehler machen, lautet da die Devise. Kantige Ansagen, kontroverse Analysen und ehrliche Antworten gibt es da nicht mehr, und die Diskutanten und Wortspender geraten in die Mühle der televisionären Gleichmacherei.
Eine scheinbar auch unwiderlegbare Weisheit der Werbeexperten lautet ja, dass Bilder mehr sagen würden als tausend Worte, weshalb in Zeiten der Telekratie natürlich auch das telegene Äußere der Kandidaten entscheidend war und wohl noch ist. In den Zeiten der digitalen hochauflösenden Großbildfernsehschirme, in der man im Gesicht des Diskutanten jede Pore, jedes Barthaar und natürlich jede Falte sieht, in einer Zeit, in der Tränensäcke wie Gebirge und Schweißtropfen wie Sturzbäche auf den Großbildschirmen aussehen, in solchen Zeiten kann man sich mangelnde Telegenität nicht erlauben. So machen uns zumindest die Werbeexperten weis.
Auch hier gibt es so etwas wie eine Übersättigung an den Bildern, eine Überreizung des Zusehers, der vor lauter gestylten Figuren, vor lauter Maske und Gel in den Haaren keine Menschen mehr sieht. Der Slim-Fit-Anzug ersetzt da das Rückgrat und zumeist ist es nur Schminke und kein Charisma, das von den Gesichtern des Polit-Diskutanten herunterleuchtet.
Zu dieser Übersättigung kommen die sich in den letzten Jahren dramatisch ändernden Konsumgewohnheiten im Hinblick auf die elektronischen Medien. Die jüngeren „User,“ wie sich die Nutzer neudeutsch zu nennen pflegen, schauen kaum mehr fern und folgen den vorgegebenen Programmen der Sender zumeist nur in geringem Maße. Stattdessen „streamen“ sie im Internet, nützen Sky und Amazon und zappen allenfalls nur noch für wenige Sekunden oder Minuten in irgendwelche politischen Diskussionssendungen. Die Quoten der Politdiskussion, die solcherart zusammenkommen, sagen über den wirklichen Konsum der Sendung, über die wirkliche Beachtung dessen, was dort gesagt und diskutiert wurde, nur mehr wenig aus. Und insgesamt sinken diese Quoten ja auch dramatisch.
Anstelle der regulären TV- und Radiostationen spielen in den letzten Jahren die sozialen Medien, spielen Facebook und Twitter und die diversen Möglichkeiten zu Postings eine immer wichtigere Rolle. Diese neue elektronische Medienwelt verdient allerdings die Bezeichnung „Asoziale Medien“, da sich die diversen Internetforen allzu oft als Stätten der ungehemmten Ressentiments und Verleumdungen erweisen. Natürlich sind diese sozialen Medien eine kostengünstige und vorläufig noch kaum durch Zensur eingeschränkte Möglichkeit für oppositionelle Gruppierung, ihre politischen Vorstellungen massenwirksam zu verbreiten. Neben dem etablierten Medienbetrieb können sich hier elektronische Parallelgesellschaften bilden, die nahezu schon geschlossene Gemeinschaften darstellen, in denen natürlich Vorurteile und Verschwörungstheorien gepflegt werden können. Allerdings auch die von den Tugendterroristen der Political Correctness unbeeinflussten Standpunkte oppositioneller und nicht etablierter Gruppierungen und Parteien.
So scheint sich das erst vor wenigen Jahren ausgerufene Zeitalter der Telekratie, das unsere westliche Demokratie bestimmen sollte, bereits als Auslaufmodell darzustellen. Zunehmende Wirkungslosigkeit durch Übersättigung des Konsumenten und Wählers und die Unmöglichkeit für authentische Politiker, in dieser politischen Medienwelt zu reüssieren, bedingen dieses Ende der Telekratie. Stattdessen scheint als primärer Einflussfaktor für Wahlbewegungen das Agieren über die sozialen Medien getreten zu sein. Die Gefahren dieser Medien sind evident, die Chancen, die sie insbesondere für nonkonformistische Gruppen bieten, allerdings auch. Die Demokratie als kleinstes aller Übel im Angebot der politischen Systeme wird sich mit all ihrer Unvollkommenheit und all ihren Gefährdungen nolens volens auch auf diese Entwicklung einstellen müssen.


Populismus seitenverkehrt

6. September 2017

Gegenwärtig scheint sich ein Wahlkampf mit kuriosen Querfronten anzukündigen. Die bislang als rechtspopulistisch gescholtene große Oppositionspartei macht auf staatstragend, die etablierten Parteien auf Populismus. Erstere, nämlich die Freiheitlichen des Heinz-Christian Strache, üben sich in staatstragender Attitüde. Warum? Natürlich, weil sie ihre Regierungsfähigkeit beweisen wollen. Zweitere, die Regierungsparteien und die kleineren politisch korrekten Oppositionsgruppen, machen in Populismus. Warum? Weil sie Wählerstimmen wollen. No na. Erkennbar ist dieser Seitenwechsel an der Populismusfront in erster Linie wohl durch die Absonderung freiheitlicher Phraseologie durch den neuen ÖVP- Chef und Umfragekaiser Sebastian Kurz. Ebenso natürlich am geradezu staatsmännischen Auftreten des bisherigen Oppositionsführers, der nicht nur durch elegante Brille und liebenswürdige Körpersprache, sondern auch durch bemerkenswert gemäßigte Rhetorik auffällt. Da präsentiert sich kein rechtsradikaler Rüpel, sondern ein routinierter Staatsmann, der im Wettbewerb der Slim-fi t-Anzüge gegenüber dem etwas älteren SPÖ-Chef und dem deutlich jüngeren ÖVP-Chef bei weitem die größte Routine aufzuweisen vermag – zumindest auf dem politischen Parkett.
Und während die rote Reichshälfte mit einigermaßen müden Versatzstücken des Klassenkampfs Popularität zu gewinnen trachtet – und das ist ja das Wesen des Populismus –, fordert der Oppositionschef, dem man früher Brachialrhetorik vorwarf, schlicht und einfach „Fairness für die Österreicher“. Dies deshalb, weil die Forderung nach Anhaltelagern für Scheinasylanten im nördlichen Afrika und die völlige Stilllegung der Mittelmeerroute ohnedies vom schwarzen Außenminister erhoben wird. Dass dann ein in die Jahre gekommener  Altmarxist die österreichische Heimat verteidigen will und somit das grüne Mäntelchen mit der Populismus-Lederhose tauscht, verwundert schon nicht mehr. Von wegen Rechtspopulismus, wo es doch solchen ebenso wirkungsvoll von links geben kann. Der Wähler ist zunächst vielleicht einmal verwirrt, gab es doch gemeinhin gemäßigte Gruppen in der Mitte und Radikalität an den linken und rechten Rändern. Einigermaßen erstaunt muss er erkennen, dass die alten gesäßgeographischen Einteilungen von links und rechts und konservativ und progressiv längst nichts mehr taugen. Und dass die politisch-ideologischen Versatzstücke des 19. und 20. Jahrhunderts nicht einmal mehr als Verständniskrücken geeignet sind. Was also bleibt dem Wähler zur Beurteilung der wahlwerbenden Gruppen und Persönlichkeiten? Letztlich sein Hausverstand und das Gespür für Redlichkeit.