Vom Ende des Christentums

13. April 2022

Europa ist längst ein gottloser Kontinent

Die Kirchen in Europa sind leer. Zwar sind die Kathedralen, die wehrhaften romanischen Kaiserdome am Rhein, die gotischen Leuchttürme Gottes von Reims und Chartres, von Ulm und St. Stephan in Wien, nach wie vor vorhandene Zeugen von der Kraft des Christentums. Sie zeugen aber nur von einer vergessenen Spiritualität, so wie die Paläste Versailles, der El Escorial, Schönbrunn vom einstigen Glanz einstiger Monarchen sprechen, so eben diese Dome von der einstigen Bedeutung des Christentums.
Doch heute hat Jesus Europa, das alte, ehemals christliche Abendland offenbar verlassen. Möglich, dass er bisweilen noch in Polen und in Kroatien präsent ist, ansonsten aber ist dieses Christentum zwar noch ein Faktor, der gewissermaßen als kultureller Unterbau den Jahreslauf und auch den Lebenslauf der Menschen bestimmt. Die christliche Lehre insgesamt, die Katholische Kirche mit ihren Dogmen, ist nur mehr eine geradezu verdrängte Erinnerung. Die Dreifaltigkeit mitsamt Gottvater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, die Auferstehung, der jüngste Tag, das Paradies, die Engel und schließlich Satan und die Hölle, das Fegefeuer, all dies sind religiöse Postulate, an die kaum mehr jemand in Europa zu glauben vermag.
Zwar ist mit der Orthodoxie im Osten, in der slawischen und christlichen Welt noch eine Sonderentwicklung vorhanden, die in den postkommunistischen Staaten noch einmal Wirkmächtigkeit zu entfalten vermochte. Das Lutheranertum, der Protestantismus, ist längst zur politisch korrekten Lebenshilfe-Organisation verkommen. Die römische Kirche taumelt von der Aufarbeitung eines Missbrauchs-Skandals zum nächsten, und der emeritierte bayerische Papst ist längst entrückt, während sein argentinischer Nachfolger mittels platter Signale vorgeblicher Bescheidenheit nur dem Zeitgeist hinterher hechelt.
Und so ist das Christentum, allzumal das römisch-katholische, längst einer politisch korrekten Zivilreligion gewichen, in der Cancel Culture und Wokeness wichtiger sind als die zehn Gebote. Und vormals sich christlich nennende politische Parteien haben das „hohe C“ bei ihrem Namen längst verdrängt und die christliche Sozialllehre auf dem Altar eines spätlinken Zeitgeists geopfert.
Was war dieses Christentum einst? Ursprünglich wohl so etwas wie eine jüdische Sekte in der Nachfolge eines legendenumwobenen Messias, die dann erst von Paulus, dem römischen Bürger, zur Kirche gemacht wurde, die den Anspruch erhob, allen Menschen zugänglich zu sein. Dieses Christentum war in der Nachfolge des Judentums natürlich eine monotheistische Religion. Eine Religion aber, die noch in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens mit Spaltungen, Glaubensstreit, Schisma und vielfältigen Konflikten eine Religion mit der Dreifaltigkeit, mit Engeln, mit zahllosen Heiligen, mit kultisch verehrten Gegenständen, Bildern, Reliquien und ähnlichem wurde. Eine Religion, deren jüdische Wurzeln mit den Mechanismen der römischen Staatsreligion und nach der Völkerwanderung mit germanischen spirituellen Vorstellungen angereichert wurde, eine Religion, die solcherart für die romanische, die germanische und die slawische Welten Europas zum zentralen geistigen und spirituellen Faktor wurde.
Und im Namen dieser Religion wurden Millionen Menschen gemetzelt, wurden Ströme an Blut vergossen, wurden Glaubenskriege geführt, Hexen verbrannt und Ketzer verfolgt. Die Christianisierung Alteuropas mag ein Bekehrungsprozess gewesen sein, begleitet wurde dieser aber von Blutbädern sonder Zahl. Die Kreuzzüge des Hochmittelalters mögen im Kampf um die Befreiung des Grabes Christi geführt worden sein, sie waren auch mörderische Eroberungskriege. Die Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts bis hin zum Dreißigjährigen Krieg dezimierten die Bevölkerung Europas in ähnlichem Maße wie die Pest.
Dennoch, das Christentum als monotheistische Religion, deren zentrales Gebot die Nächstenliebe ist, war wohl der maßgebliche Faktor einer Entwicklung, die man als kulturelle Evolution, als Ansporn für die christlich geprägte Menschheit, der Gewalt zu entsagen, definieren kann. Und heute, da die universalen Menschenrechte theoretisch im Mittelpunkt der neuen Zivilreligion stehen, muss gesagt werden, dass auch diese ohne den Anspruch des Christentums, wonach alle Menschen mit der gleichen Würde geboren seien, Kaiser, König, Edelmann, Bürger Bauer, Bettelmann, Sklave die Basis dafür darstellt.
Nun scheint es so, als stünde dieses Christentum im alten Europa vor seinem Ende. Gewiss, in diesen Tagen wird auch in unseren Tagen das Osterfest begangen, mit allerlei folkloristischen Weihwerk, vom Osterhasten, den Ostereiern, bis hin zur Kärntner Fleischweihe, und dennoch muss die Frage gestellt werden, wer dabei noch an die Auferstehung Christi, an die Himmelfahrt und an das dem jeweiligen Individuum bevorstehende Jüngste Gericht denkt. Der argentinische Papst in Rom mag da die Füße irgendwelcher Obdachloser waschen, und seinen Segen Urbi et orbi mögen viele Millionen Menschen via Bildschirm mitbekommen, bedeuten tut all dies kaum etwas.
Vielleicht ist das Christentum längst zu einer Religion der Dritten Welt geworden, die in Schwarzafrika, in Lateinamerika und vielleicht sogar in Teilen Südostasiens eine Rolle spielt. Dass der Papst ein Lateinamerikaner ist, trägt dem ja Rechnung. Konsequenter Weise sollte man allerdings auch den Sitz des Kirchenoberhaupts nach Schwarzafrika oder nach Lateinamerika verlegen und aus dem Vatikan ein einziges Museum machen.
Tatsache ist jedenfalls, dass die Europäer das Christentum vergessen, wenn nicht gar verdrängt haben. Zwar lässt man seine Kinder taufen und bemüht einen Geistlichen bei Eheschließungen und Begräbnissen, begeht das Weihnachtsfest und wie schon erwähnt das Osterfest. Die spirituelle Bedeutung all dessen aber ist längst in hohem Maße in den Hintergrund gerückt. Stattdessen gibt es in den zeitgeistigen Kreisen eben die neue Zivilreligion der Political Correctness mit all ihren Begleiterscheinungen wie dem Plicht-Antifaschismus, dem radikalen Feminismus, das Gendern und neuerdings eben mit Wokeness, Cancel Culture und Black Lives Matter und ähnlichem Irrsinn.
Jene Bereiche der ganz normalen Menschen, an denen diese Moden des Zeitgeists eher vorübergehen, sind deswegen allerdings auch kaum mehr Christen im wahrsten Sinne des Wortes, sie sind vielmehr Teil einer absolut materialistischen Kultur, die einerseits wirtschaftlichen Wachstumsfetischismus lebt, andererseits Hedonismus und sehr oberflächliche Selbstverwirklichung anstrebt.
Statt der ewigen Seligkeit im Jenseits strebt man die Maximierung des eigenen Wohlergehens im Diesseits an, und das Postulat der christlichen Nächstenliebe wird durch eine diffuse politisch korrekte Allerwelts- und Fernstenliebe ersetzt, die sich meist mit schönen Worten und Wohlmeinung begnügt. Der Anspruch, ein christliches Leben zu führen und ein guter Christenmensch zu sein, gilt als lächerlich und antiquiert, und mit dem Begriff Sünde oder gar der Vergebung der Sünden durch Beichte und Absolution verbindet die Menschen kaum mehr etwas. Und so muss man unter Beachtung all dieser Entwicklungen zum traurigen Schluss kommen, dass das Christentum in Europa wohl vor seinem Ende steht.


Es war einmal … ein katholisches Land

25. April 2018

Land ohne Gott, Kirche ohne Einfluss

Was war Österreich für ein katholisches Land! Wie papsttreu und gut römisch waren die Menschen. Der Kaiser war der Schützer der Kirche, nebenbei auch König von Jerusalem. Im Ständestaat wurde die Verfassung „im Namen Gottes“ erlassen. Und noch in der Zweiten Republik definierte sich die erste (und nun wieder als solche tätige) Kanzlerpartei als christlichsoziale Partei, christlich im Sinne von römisch-katholisch. Und natürlich war die Republik durch ein Konkordat mit dem Vatikan und der Kirche durch strenges Regelwerk verbunden: Von der Kirchensteuer bis zum Religionsunterricht. Und überdies war der gesamte Jahreslauf, der Lebensrhythmus der Menschen, in erster Linie von den katholischen Feiertagen geprägt: Taufen und kirchliche Eheschließungen waren – sind es teilweise noch immer – Pflicht.
Und heute? Heute stehen die Kirchen leer. An den katholischen Feiertagen haben die Geschäfte offen. Vierzig Prozent der kirchlich geschlossen Ehen werden geschieden. Zu Weihnachten kommt Santa Claus und nicht mehr das Christkind. Der Valentinstag ist wichtiger als der Karfreitag, die ÖVP ist für die Schwulenehe. Und die meisten der jüngeren Österreicher halten den Papst in Rom für den Direktor der vatikanischen Museen.
Dabei ist das Land durch nahezu zweitausend Jahre vom Christentum geprägt und durchdrungen. Schon in den römischen Provinzen Binnennoricum und Ufernoricum war die Bevölkerung gegen Ende des weströmischen Reiches weitgehend christlich. Der Kult des Nazareners hatte den Mithraskult undandere Heilslehren überfl ügelt und überwunden. Arianer waren allenfalls ostgermanische Söldner, doch die Mehrheit der keltoromanischen Bevölkerung war den römisch-katholischen Bischöfen treu ergeben.
Kein Wunder, dass der Heilige Severin die provenzalrömische Bevölkerung nach dem Fall der Donaugrenze von Lauriacum zurück nach Italien führte. Keine Frage, dass Chorbischöfe aus dem Bereich des Zollfeldes, der römischen Stadt Virunum, im Umfeld des heutigen Domes von Maria Saal in Binnennoricum tätig waren und dort dann auch die einsickernde slawische Bevölkerung römisch-katholisch machten. Die Slawenmönche Cyrill und Method konnten ihr Wirken niemals wirklich auf österreichisches Territorium ausweiten.
Und die Bajuwarische Besiedelung, die dann ab dem 7. Jahrhundert begann, erfolgte dann weitgehend schon durch christianisierte, ebenso an die römische Kirche gebundene Menschen. Karl der Große schließlich legte die Grenze zwischen dem Patriarchat von Aquileia und dem Erzbistum Salzburg an der Drau fest, was manin der „Conversio Bagoariorum et Carantanorum“ nachlesen kann. Und in der Folge waren es eben das Erzbistum Salzburg und das Bistum Passau, die die Alpen- und Donauländer kirchlich durchdrangenund organisierten. Daneben waren es die Mönchsorden, die Benediktiner, später Zisterzienser, die das Land urbar machten und gleichzeitig der römischkatholischen Kirche unterstellten. Und die Landesherren, zuerst die Babenberger und dann die Habsburger, waren stets zweifelsfrei gut katholisch. Der dritte Leopold von Babenberg sogar heiligmäßig. Als dann gegen Ende des Mittelalters mit der Pest und den Heuschrecken nach und nach da und dort die Ketzerei aufkam, die Hussiten im Norden und Albigenser und Katharer im Süden Frankreichs, begann es auch in den österreichischen Erblandenzu rumoren. Und die Worte des Mönchs von Wittenberg fanden schließlich auch in den habsburgischen Erblanden breites Gehör. Steiermark und Kärnten, große Teile Österreichs ob und unter der Enns waren dann bereits weitgehend protestantisch. Die Landstände, der Adel voran, die Bürger hinten nach und die Bauern im Irrglauben, sie könnten auch von der „Freiheit des Christenmenschen“ profi tieren. Das konnten und wollten die Habsburger nicht tolerieren. Karl V., sein Bruder Ferdinand I., sowie dessen Nachfolger bis hin zum Kaiser des Dreißigjährigen Krieges, Ferdinand II., sie setzen zum Gegenschlag an, führten die Gegenreformation quer durch die österreichischen Lande. Die Eisenreiter, die beispielsweise in Innerösterreich quer durch die Steiermark und Kärnten zogen, um gemeinsam mit der geistlichen Kommission die verblendeten Lutheraner wieder gut katholisch zu machen, sie waren eine der Speerspitzen der Gegenreformation. Und auch wenn das Land von den Religionskriegen und dem Dreißigjährigen Krieg dann nur zum Teil betroffen war, war die Rückkehr in den Schoß der Heiligen Katholischen Kirche doch eine erzwungene.
Nach dem Westfälischen Frieden aber, und im Zuge der siegreichen Abwehrkämpfe gegen die Türken und die Feldzüge des Prinzen Eugen, stellte das Lebensgefühl des Barock den Triumph des Katholizismus auch auf österreichischem Territorium wie in ganz Süddeutschland dar. Joseph I., Karl VI. und seine Tochter Maria Theresia, sie waren jene Landesfürsten, die den Sieg der katholischen Kirche kompromisslos bis in die letzten Winkel ihrer Herrschaftsgebiete durchsetzen. Noch unter Maria Theresia mussten Krypto-Protestanten, etwa aus Oberkärnten und Tirol, dort, wo sie entdeckt wurden, „transmigrieren“ und in die ungarische Reichshälfte nach Siebenbürgen ziehen, wo relative Religionsfreiheit herrschte. In Österreich selbst, im Herzogtum Kärnten, im Herzogtum Steyer und im Herzogtum Krain, in der Grafschaft Tirol gab es nur einen Glauben, nur eine Religion, die katholische. Und in der kaiserlichen Haupt- und ResidenzstadtWien gaben fanatische katholische Prediger wie der Mönch Marco d’Aviano während der Türkenbelagerung des Jahres 1683 oder Abraham a Sancta Clara den Ton an.
Nach der Reformation gab es kurz einen weiteren Rückschlag für die Kirche, als nämlich der liberale Kaiser Joseph II. im Sinne des aufgeklärten Absolutismus Toleranz gegenüber anderen christlichen Religionsgemeinschaften, insbesondere gegenüberden Protestanten, obwalten ließ. Er löste nicht produktive Klöster auf, dämmte die Herrschaft der Kirche über das Bildungswesen und über weite Bereiche des öffentlichen Raumes ein. Seine Nachfolgerallerdings setzten wieder völlig auf das Bündnis zwischen Thron und Altar, da insbesondere das Schul- und Bildungswesen voll in den Händen der Katholischen Kirche lag.
Eine Änderung brachte dann erst die Revolution von 1848 und die allgemeine Liberalisierung der Gesellschaft ab 1859. Der politische Liberalismus schließlich führte einen gezielten Kulturkampf gegen die katholische Dominanz in Staat und Gesellschaft, der letztlich von Erfolg gekrönt war. Dennoch war das alte Österreich das christlich-katholische Bollwerk schlechthin. Der Kaiser war ein apostolischer Fürst, der Einfluss auf die Papstwahl nahm (zuletzt 1903), Kirchenfürsten waren Autoritäten im Lande und die katholischen Priester waren in den dörflich-bäuerlichen Bereichen Vorbild und Führungspersönlichkeit.
Das war das katholische Österreich. Und dann kam die Republik. Der Krieg für Gott, Kaiser und Vaterland endete in einer Niederlage; in Russland errichteten die gottlosen Bolschewiken ihre Diktatur, in Bayern und in Ungarn gab es ebenso Räterepubliken, und in Österreich wurden die Austromarxisten zur tendenziell stärksten Kraft des Landes. Die kaiserliche Haupt- und Residenzstadt wurde plötzlich das „Rote Wien“ und in den Kirchen bei den Gottesdiensten lichteten sich die Reihen.
Wie tröstlich für das katholische Österreich, dass mit dem Prälaten und Theologie-Professor Ignaz Seipel ein geistlicher Herr an die Spitze der Regierung trat. Und bei den Feldmessen der Heimwehren wurden wieder Waffen gesegnet. Als dann im Jahre 1934 dem „parlamentarischen Spuk“ ein Ende bereitet wurde und die neue Verfassung „imNamen Gottes“ oktroyiert wurde, hatte der politische Katholizismus in Österreich vollends die Macht übernommen. Der christkatholische Cartellverband dominierte die Universitäten und die Beamtenschaft, die neugegründete Vaterländische Front sollte den christlichen Ständestaat, wie Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg ihn sich ausgedacht hatten, quer durch die österreichische Bevölkerung populär machen. Allein daraus wurde nichts, da ein anderer Diktator den klerikalen Diktator Österreichs zum Teufel jagte. Der Braunauer war gekommen, und obwohl er sich von den Kirchenfürsten des Landes seinen Anschluss absegnen ließ, attackierten seine Satrapen mit zahllosen Nadelstichen und schikanösen Maßnahmen die Katholische Kirche Österreichs, die ja nun eine solche der „Ostmark“ sein musste. Nach dem Kriege war es wieder das christlichsoziale Lager, das im engen Verbund mit der Sozialdemokratie den Wiederaufbau des Landes organisierte.
Und mit Julius Raab und Leopold Figl waren es auch christlichsoziale Politiker, die mit dem Staatsvertrag die Befreiung und Unabhängigkeit des Landes organisierten. Ihr politischer Katholizismus war durch das Leid der Kriegs- und Nachkriegsjahre geläutert, sie waren zum Kompromiss bereit und fähig, ihre politischen Gegner von einst in die Verantwortung einzubinden. Und sie konnten sich auf eine weitgehend intakte Katholische Kirche, samt kirchlicher Organisation quer durch die Alpenrepublik, stützen.
Das Konkordat galt weiter, die Menschen waren zu gut neunzig Prozent Katholiken, sie zahlten brav ihre Kirchensteuer, begingen die kirchlichen Feiertage und orientierten ihren gesamten Lebensrhythmus nach ihnen – Taufe, Erstkommunion, Firmung, kirchliche Eheschließung, Begräbnis für die einzelnen Bürger und schließlich was den Jahreslauf betraf, Dreikönigstag, Aschermittwoch, Palmsonntag, Karfreitag, Ostersonntag, Fronleichnam, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, und zum Ausklang des Jahres schließlich Allerheiligen, Allerseelen und das Weihnachtsfest. Und jeden Sonntag ging man in die Kirche – ausgenommen die relativ wenigen Protestanten und Agnostiker, wie sie im harten Kern der Sozialdemokratie und der nationalfreiheitlichen Parteien vorhanden waren. Und dennoch, was war Österreich damals noch für ein katholisches Land! Und dann kam das 68er Jahr mit Studentenrevolte, freier Liebe, den Beach Boys und in der Folge mit Baader-Meinhof-Gruppe und sozialistischen Regierungen quer durch Europa. Wer Bruno Kreisky im Fernsehen predigen hörte, konnte sich Kardinal König im Stephansdom getrost sparen (vielleicht war der Kardinal linker als Kreisky). Und diese Neue Linke war im Großen und Ganzen eher gottlos, ihre Heiligen waren John Lennon und Mick Jagger, Andi Warhol und Willy Brandt. Und sie frequentierten keine Fronleichnams-Prozession, sondern Woodstock oder diverse Anti-Vietnam Demos – auch in Österreich.
Im Gefolge der Neuen Linken dann kam getreu dem Motto der Selbstverwirklichung der Hedonismus. Und dieser ist bekanntlich jene Religion, in der einem nichts heilig ist außer der eigene Hintern. Das Zeitalter der Bindungslosigkeit und Verantwortungsverweigerung brach an – auch in Österreich.
Und wenn Gott nach zweitausend Jahren Christentum, nach Hexenverbrennungen und Inquisition, nach dem ersten Vatikanum und dem zweiten Vatikanum, nach Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus und nach den Lehren der Frankfurter Schule und der Political Correctness nicht gestorben ist, dann ist er zumindest mit Sicherheit jetzt tot. Und seine Stellvertreter auf Erden haben ebenso längst kapituliert. Der emeritierte Papst Ratzinger weiß dies vielleicht. Der Spaßvogel, der derzeitam Stuhle Petri sitzt, glaubt wahrscheinlich, das sei alles ein Scherz. Und seine Statthalter in Österreich müssen längst zur Kenntnis nehmen, dass sie in einem gottlosen Land leben, in dem allenfalls noch Muslime an einen Allmächtigen glauben.
Überhaupt ist es eine rein statistische Tatsache, dass der Islam längst die zweitstärkste Religion in Österreich ist. Und was die Glaubensintensität betrifft und die Anzahl der wahren Gläubigen, so hat er die des Katholizismus wahrscheinlich längst übertroffen. Gott ist tot in der ehemals so hochkatholischen Insel der Seligen. Und die Katholische Kirche ist allenfalls noch so etwas wie ein Lebenshilfeverein, der mittels Legionären mit Migrationshintergrund – wo gibt es denn noch gebürtige Österreicher im Priesterornat? – einen Notbetrieb aufrechterhält. Das hätten sich der Heilige Severin oder der Heilige Leopold, Abraham a Sancta Clara und Marco d’Aviano wahrscheinlich nicht so gedacht. So ist es aber nun einmal, und Österreich ist im europäischen Vergleich da keine Ausnahme. Mit Ausnahme Polens und Kroatiens gibt es wahrscheinlich keine katholischen Länder mehr im ehemals christlichen Abendland.


Wir waren Papst

20. Februar 2013

Joseph Ratzinger, der am Inn im bayrisch-österreichischen Grenzgebiet aufgewachsene Bajuware, ist zweifellos der bedeutendste katholische Theologe unserer Tage. Daß ein konservativer Deutscher Papst wurde, hat uns naturgemäß gefreut. Dessenungeachtet muß man eingestehen, daß er ein Übergangspapst war. Einer, in dessen achtjährigem Pontifikat die große, längst überfällige Kirchenreform nicht gelungen ist. Die Re-Missionierung des alten Europas, deren Notwendigkeit Ratzinger absolut klar war, konnte nicht einmal im Ansatz verwirklicht werden. Und das Zusammenführen der christlichen Religionsgemeinschaften auch nicht. Ebensowenig wurden die großen theologischen Fragen der Zeit bewältigt. Benedikts Verdienst war es, all diese Probleme erkannt und – eben auch nur ein Mensch – letztlich darüber auch verzweifelt zu haben.
Sein Vorgänger Karol Wojtyla hat einmal zur Frage des Abdankens eines Papstes gemeint: „Vom Kreuz kann man nicht herabsteigen“. Joseph Ratzinger hat dies nun getan. Vielleicht nicht nur aus physischer Schwäche, sondern aus Verzweiflung angesichts der Probleme dieser Welt. Um einen kleinen Ausflug in das Apokalyptische zu machen: Vielleicht wollte Ratzinger auch nicht jener Pontifex Maximus sein, der an der Schwelle zum Weltengericht amtierte.
Und vielleicht hat es Joseph Ratzinger, der so kluge und nahezu allwissende Theologe auch nicht gewagt, Fragen zu beantworten, die in unserer Zeit mit den herkömmlichen Mustern nicht mehr zu beantworten sind. Warum beispielsweise Frauen nicht Priester werden dürfen im katholischen Bereich. Und warum Priester nicht heiraten dürfen. Vielleicht hat er es aber auch nicht gewagt, diese Fragen in aller Offenheit gemäß der katholischen Tradition zu beantworten. Kritiker könnten ihm vorwerfen, daß da bei seinem Rücktritt auch ein wenig Feigheit mitschwingt.
Was nach Benedikt XVI. kommt, ob ein Papst aus der Dritten Welt, aus Schwarzafrika oder Lateinamerika oder doch wieder ein Italiener, vielleicht sogar Ratzingers schwächlicher österreichischer Schüler, der Kardinal von Wien, wir wissen es nicht.
Als Katholik könnte man angesichts der Schwäche und Orientierungslosigkeit dieser Kirche ebenfalls wie Ratzinger schier verzweifeln. Wer etwa die zögerliche und ängstliche Haltung des gegenwärtigen Kardinals von Wien in vielen gesellschaftspolitischen Fragen unserer Tage in den vergangenen Jahren miterleben mußte, kann sich nur schwer vorstellen, daß dieser als Papst vom Heiligen Geist in solchem Maße beflügelt werden könnte, daß er sich an die Probleme unserer Zeit und der Kirche auch nur heranwagen würde. Da war der kleine, fragile Greis aus Niederbayern, der nunmehr wohl im Kloster bis zu seinem Tode schweigend ausharren wird, früher doch aus anderem Holze geschnitzt. Und doch hat er resigniert. Sic transit gloria mundi.


Die Krise des Vertrauens

10. Oktober 2011

Die Krise ist da, weil alle an sie glauben. Griechenland wird Pleite gehen, weil alle daran glauben. Der Euro wird zerbrechen, weil alle daran glauben. Die Inflation wird kommen, weil alle daran glauben. Niemand glaubt den halbherzigen, widersprüchlichen Rezepten der agierenden Politiker, der Spitzenbankiers und der diversen Wirtschafts-Weisen. Sie alles wissen offenbar selbst nicht, wohin die Reise geht. Sie sind genauso ratlos wie der einfache Bürger. Und nirgends gibt es Institutionen, die Halt, die Sicherheit und Orientierung geben können: Nicht die Vereinten Nationen, nicht die Europäische Union, nicht das Weiße Haus in Washington, geschweige denn der Kreml, nicht die Kirche und nicht die politischen Parteien und schon gar nicht die Gewerkschaften.

So ist die gegenwärtige Krise nicht nur eine der Staatsschulden, der Banken, der Wirtschaft und der Finanzmärkte, nein, es ist eine Krise der Institutionen und diesbezüglich primär eine Vertrauenskrise.

Bleiben wir im eigenen Lande, bei uns im kleinen Österreich. Gibt es da überhaupt noch Institutionen, denen die Bürger trauen? Die katholische Kirche als moralische Instanz hat nicht erst seit den Missbrauchsskandalen der vergangenen Jahre abgewirtschaftet. Die allzu offensichtliche Feigheit der Kirchenfürsten vor dem angeblich ach so progressiven Zeitgeist hat das Vertrauen der Schäflein in ihre Hirten nachhaltig zerstört. Wenn – wie es in der Bibel heißt – die Lauen ausgespien werden, hat Österreichs katholische Geistlichkeit vom Kardinal bis zum letzten Dorfpfarrer gute Chancen, dazu zu gehören. Das steht außer Frage.

Und die etablierten politischen Parteien, sie die seit Jahrzehnten das Schicksal der Republik lenken, die früher ideologische Ersatzkirchen waren, einerseits mit der christlichen Soziallehre andererseits mit dem Austromarxismus gewissermaßen über Welterklärungsmodelle zu verfügen glaubten, diese politischen Parteien sind im noch viel höheren Maße moralisch bankrott. Nicht erst die Korruptionsskandale, die in der jüngsten Zeit aufgebrochen sind haben dies bewirkt, nein, es handelt sich um eine bereits langandauernde Entwicklung. Heute ist nur mehr das untere Mittelmaß an Persönlichkeiten in diesen Parteien vertreten. Inkompetenz, Entscheidungsschwäche und das völlige Fehlen von Visionen kennzeichnet die heutige Führung der politischen Parteien. Zwar muss man sagen, dass die Bevölkerung genau jene politischen Repräsentanten hat, die sie verdient, weil wählt, dennoch ist es eine Binsenweisheit, dass diesen politischen Vertretern niemand mehr das geringste Vertrauen entgegen bringt.

Und die Sozialpartner? Haben sie noch Gewicht und Vertrauen in der Bevölkerung? Kaum. Die Gewerkschaft hat nicht erst seit der Konsumpleite und dem BAWAG-Fiasko abgewirtschaftet, ihr Verlust an Mitgliedern ist dabei noch geringer als der Verlust an Vertrauen. Hemdsärmeliges Bonzen-Getue vermag da niemandem mehr soziale Kompetenz zu vermitteln. Und das Gegenüber der Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Wirtschaftskammer und Industrie, gibt es hier Unternehmer mit Visionen, mit sozialer Kompetenz, Wirtschaftsführer, die das Land und seine Menschen mit Arbeitsplätzen versorgen und die ökonomischen Lebensgrundlagen für die Bevölkerung schaffen? Sicher ist, dass es auch in diesem Bereich keine Institution mehr gibt und auch keine wirklich hervorstechenden Persönlichkeiten, denen das Vertrauen der Bevölkerung gilt. Denen man zutraut, Wege aus der Krise in eine fruchtbringende Zukunft zu entwickeln.

Supranationale Organisationen, die einzelnen Staaten, die Kirchen, politische Parteien und Interessensverbände, sie alle haben in einem derart dramatischen Ausmaß an Vertrauen und Kompetenz verloren, dass ihnen zukunftsweisende Weichenstellungen nicht mehr zugetraut werden. Diese Krise des Vertrauens vor der wir stehen ist insgesamt eine Krise der sozialen und politischen Orientierung. Der Zusammenbruch eines Währungssystems oder der von einzelnen Banken ist angesichts dieser Krise gerade harmlos. Wohin diese krisenhafte Entwicklung führen wird, in ein Zeitalter des Chaos etwa, wir wissen es nicht. Vielleicht auch zu neuen Aufbrüchen und neuen Möglichkeiten. Was weiß man.


Die Pharisäer gehen um

22. März 2010

Nun hat der Heilige Vater also seinen Hirtenbrief im Hinblick auf die Mißbrauchsfälle in der irischen Kirche geschrieben. Und siehe da, die zeitgeistigen Medien, die politisch korrekten Kommentatoren, die Gerechten und Allzugerechten, die Ankläger der Kirche, sie sind damit nicht zufrieden. Es sei keine wirkliche Entschuldigung, der Papst würde nur die Kirche verteidigen, den Mißbrauchsopfern werde damit nicht Genugtuung gegeben.

Verwunderlich ist dies nicht. Tatsache ist nämlich, dass der Papst machen kann, was er will, bis hin zur Selbstzerfleischung, es würde dies den politisch korrekten Kirchenkritikern nicht reichen. Während Kaiser Heinrich IV noch im hähernen Gewande vor die Mauern von Canossa ziehen konnte, um seinen Gegner im Bischofstreit, den Mönch Hildebrand im Papstgewand dazu zwingen zu können, ihm zu verzeihen, hat man diese Chance heute nicht mehr. Die Kirche, bzw. ihre noch verbliebene moralische Macht, muss und wird demontiert werden. Ganz gleich wie viel Schuldbekenntnisse die Kirchenfürsten, die Bischöfe bis hinauf zum Papst auch machen würden. Keine Erklärung, keine Entschuldigung, keine Buße wird da auslangen.

So ähnlich ist es mit den antifaschistischen Grundsatzerklärungen freiheitlicher Politiker, im konkreten Falle die der Bundespräsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz: Sie kann erklären was sie will, es wird den zeitgeistigen Antifaschisten niemals reichen, niemals glaubwürdig genug sein. Ob es im freiheitlichen Falle die Faschismuskeule ist oder im kirchlichen Falle die Mißbrauchskeule, diese wird gnadenlos geschwungen, gilt es doch nicht etwa den Faschismus zu verhindern oder gar künftigen Kindesmißbrauch, nein, es geht darum, die betroffene Institution, also eine mißliebige Oppositionspartei im einen Falle und eine noch immer mit ihren Dogmen lästige Kirche im anderen Falle, zu demontieren.

Wirkliche Probleme werden dabei tunlichst ausgespart. Beispielsweise konnte man im vorwöchigen Spiegel im Bericht über Mißbrauchsfälle in der bundesdeutschen Ebenwaldschule lesen, dass der heute des Mißbrauchs verdächtigte langjährige Schulleiter, der offenbar durch Brutalität und über Jahre andauernde pädophile Übergriffe charakterisiert ist, auch den überregionalen Schuloberen des deutschen Reformschulwesens nicht auffiel. Und so ganz nebenbei konnte man im gegenständlichen Spiegelbeitrag lesen, dass der bundesdeutsche Reformschulpapst der langjährige Lebensgefährte des Herrn Schulleiters ist, dass es sich also um zwei Schwule handelt, wobei der eine die Trennlinie zwischen Homophilie und Pädophilie nicht zu ziehen vermochte. Diese Trennlinie nun ist ein Phänomen, das bei der gegenwärtigen Mißbrauchsdiskussion tunlichst politisch korrekt ausgeblendet wird. Die Tatsache, dass aktive Homosexuelle allzu häufig keineswegs ein Sexualleben mit in Ehren ergrauten Frisuren anstreben, sondern eben den Verlockungen der Knabenliebe erliegen – allzumal wenn sie in diversen schulischen Institutionen, Internaten und dergleichen tätig sind – wird verschwiegen und verdrängt.

Aber so ist das eben. Homosexualität ist schick, „in“ und wird gesamtgesellschaftlich vom politisch korrekten Zeitgeist gefördert. Echter oder auch nur angeblicher Mißbrauch hingegen wird gegenwärtig geradezu hysterisch verfolgt, durchaus mit Recht, aber unter Ausblendung, dass Homophilie und Pädophilie durchaus massive Überschneidungen haben. Aber so ist es eben in der Innenpolitik aber auch in der Kirchenpolitik: Die Pharisäer gehen um.


Missbrauch mit dem Missbrauch

10. März 2010

Eines der dominanten Themen dieser Tage sind die Kindesmissbrauchs-Fälle im Bereich katholisch-kirchlicher Schulen und Institutionen. Da wird quer durch Europa, von Irland über die Bundesrepublik Deutschland bis nach Österreich debattiert, was in kirchlichen Internaten in den 60er, 70er und 80er Jahren an angeblichen und echten Missbrauchs-Fällen vorgekommen ist. Gleich einer Lawine melden sich immer wieder Missbrauchs-Opfer, zum Teil bereits angejahrte Herrschaften, die in ihrer Kindheit offenbar systematischer Päderastie seitens der geistlichen Herren ausgesetzt waren.

Nun ist Kindesmissbrauch wohl eines der verabscheuungswürdigsten Verbrechen, die es in unserer Gesellschaft gibt. Die Gewalt, die da kindlichen Seelen angetan wird, ist schlichthin im Nachhinein nicht mehr gut zu machen. Dennoch scheint es so, als wäre im aktuellen Phänomen des Missbrauchs-Aufdeckens eine gehörige Portion Hysterie verborgen. Man erinnere sich beispielsweise an den, bereits mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden Fall des damaligen österreichischen Kardinals Groër. Was da von einem offenbar psychisch eher verhaltensauffällig gestörten Jüngling über die Internantstätigkeit des früheren Jugenderziehers Groër in einem niederösterreichischen Stift aufgedeckt wurde, war schon mehr als skurril – und das in einem zeitgeistigen, bekannt kirchenfeindlichen österreichischen Wochenmagazin. Bekanntlich hat das gereicht, um den Kardinal ins klösterliche Ausgedinge zu verbannen und der Kirche schweren Schaden zuzufügen.

Dies scheint auch ein gesellschaftspolitisches Ziel der gegenwärtigen Kampagne zu sein. Missbrauchs-Fälle, die 30 oder mehr Jahre zurückliegen sind mittlerweile kaum mehr nachweisbar und hängen wohl auch vom persönlichen Empfinden und den persönlichen Erinnerungen der Betroffenen ab. Nicht, dass man diese leugnen oder verharmlosen dürfe. Tatsache ist aber, dass insbesondere in der, von sexuellen und Überreaktionen geprägten Ära der 50er und 60er Jahre manches überinterpretiert worden sein könnte. Heute jedenfalls ist es so, dass die US-amerikanische Kirche, die irische Kirche, die bundesdeutsche Kirche, die österreichische Kirche Missbrauchs-Fälle eingestehen und untersuchen und damit gleichzeitig Massen-Kirchenaustritte und eine Schwächung der in ihrem Kern noch immer konservativen Institution Kirche in Kauf nehmen müssen. Der Heldenmut der geistlichen Herren, insbesondere der Kirchenfürsten, ist dabei ein durchaus beschränkter.

Nehmen wir beispielsweise den österreichischen Kardinal, der jüngst eine Sühne-Pressekonferenz in Sachen Kindesmissbrauch geben musste. Ihm fiel nichts Besseres ein, als einen medialen Befreiungsschlag zu starten, der darin bestand, sich von der freiheitlichen Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz zu distanzieren. So viel zur politischen Abstinenz der katholischen Kirche in Österreich. Diese besteht leider nur darin, sich politisch korrekt heuchlerisch auf die Seite der Stärkeren zu stellen.

Insgesamt ist es wohl so, dass uns allen die repressive und von verschmitzter und verklemmter Sexualität geprägte Atmosphäre schulischer Institutionen beziehungsweise von Internaten, insbesondere solcher unter kirchlicher Führung, aus früheren Jahrzehnten bekannt ist. Kindesmissbrauch ist aber längst keine alleinige Domäne geistlicher Herren. Wer sich etwa die Berichte aus dem politischen Vorleben des rot-grünen EU-Stars Daniel Cohn-Bendit ansieht, wird von dessen Experimenten mit Kleinkindern hören, die nach heutigem Empfinden ebenso am hart am Kindesmissbrauch vorbei schrammen. Die verklemmte Sexualität zölibatärer Existenzen und die angeblich freie Liebe der 68er-neuen Linken haben da offenbar gewisse Berührungspunkte. Und was schließlich die heutige berechtigte Ächtung des Kindesmissbrauchs betrifft, soll man doch nicht vergessen, dass insbesondere im Bereich der Homophilie es ja keineswegs immer um das spießige Eheleben zweier angejahrter Frisöre geht, sondern auch um das Phänomen der Knabenliebe und, dass Homophilie und Päderastie durchaus gemeinsame Wurzeln haben.

Abgesehen davon aber: es tut der Kirche und auch weltlichen Schulen durchaus gut, sich von rigiden Erziehungsmethoden in der Vergangenheit und von Missbrauchsfällen, dort wo es sie wirklich gegeben hat, zu distanzieren, ja sie auch zu sühnen und das auch im strafrechtlichen Sinne. Wenn das Ganze aber eine politisch korrekte, hysterische Kampagne wird, um etwa verbliebene Restinstitutionen wie die Kirche endgültig zu vernichten, muss man dem doch kritisch gegenüber stehen.