Italienische Verhältnisse

29. September 2022

Zwei Wahlgänge waren es, die uns in den vergangenen Tagen beschäftigten: die Wahlen im Heiligen Land Tirol und jene jenseits des Brenners, in Italien. Das Wahlsystem in Italien ermöglicht Parteienbündnisse. Und so konnte ein Rechtsbündnis gegen die zerstrittene Linke reüssieren. Die einzelnen italienischen Parteien erreichen maximal auch nur um die 20 Prozent, wären also für sich alleine oder auch in Zweierkoalitionen kaum stark genug für eine Regierung.
Das italienische Parteiensystem hat sich bereits vor mehreren Jahren grundlegend transformiert. Die alte Democrazia Cristiana und ihr Gegenpart, die Sozialistische Partei, haben an Bedeutung verloren, beziehungsweise sind überhaupt verschwunden. Stattdessen haben sich neue politische Bewegungen begründet, auf der linken Seite die Fünf-Sterne-Bewegung und rechts die Lega, sowie Berlusconis Forza. Und die Fratelli d’Italia der Frau Meloni, die jetzt als Wahlsieger dastehen, sind trotz ihrer neofaschistischen Vergangenheit im Grunde auch eine neue Partei.
Eine solche Transformation des Parteienspektrums könnte der österreichischen Parteienlandschaft erst bevorstehen. Der Niedergang der Volkspartei, der sich auch im Ergebnis der Tiroler Landtagswahlen zeigt, könnte in einem Democrazia-Cristiana-Schicksal enden. Ob die Freiheitlichen in der Lage sein werden das Erbe der ÖVP anzutreten, wird sich weisen, oder ob wie in Italien neue Rechtsparteien entstehen werden. Und die Sozialdemokratie ist trotz ihres gegenwärtig bescheidenen Vorsprungs in den Umfragen ganz offensichtlich nicht jene Kraft, die das Parteiensystem führend neu zu organisieren vermag.
Und die Grünen? Nun, sie spielen in Italien keine wesentliche Rolle und hierzulande scheinen sie ihren Zenit bereits überschritten zu haben. Sie sind im Grunde niemals eine neue politische Kraft gewesen, sondern nur die linkslinke Absplitterung aus dem Spektrum der Linken insgesamt. Für Österreichs Freiheitliche stellt sich die Frage, ob sie von den Menschen als Bestandteil des alten politischen Spektrums wahrgenommen werden oder als Bewegung, die für einen Neubeginn der heimischen Politik steht. Sicher dürfte jedenfalls sein, dass jene gewissermaßen „gottgewollte Dreiteilung“ des politischen Systems in Österreich, wie es der Historiker Adam Wandruszka seinerzeit diagnostizierte, in einen nationalliberalen, einen sozialdemokratisch-austromarxistischen und einen christlich-konservativen Bereich, überholt ist. Aber auch das Experiment von Regierungskoalitionen diametral unterschiedlich ideologisch ausgerichteter Parteien scheint gescheitert zu sein. Das beweist die Abwahl der schwarz–grünen Regierung in Tirol. Die scheinbar so „charmante“ Kombination einer konservativen und wirtschaftsfreundlichen Partei mit einer progressiven, politisch korrekten Gruppierung mündete nämlich nur in gegenseitiger Blockade und letztlich in einer Dominanz des linken Zeitgeists, etwas, was die Wähler offenbar in Österreich nicht wirklich wollen.
Und so könnte das italienische Beispiel in Österreich Schule machen: Ein Rechtsbündnis aus bestehenden und sich neu formierenden, rechts der Mitte stehenden Parteien gegen eine abgenutzte und ideenlose Linke, die sich in immer neuen allzu zeitgeistigen Splittergruppen verzettelt. Ob dann allerdings auch die Instabilität der politischen Verhältnisse, wie wir sie aus Italien kennen, in Österreich Einzug hält, ist eine andere Frage.
Das Zeitalter der alten staatstragenden Volksparteien dürfte jedenfalls zu Ende sein


Erbfeind und Sehnsuchtsland

8. September 2022

Von unserer Hassliebe zu Italien und den Italienern

Das Verhältnis der Deutschen und insbesondere der Österreicher zu Italien und den Italienern ist ein ambivalentes. Einerseits ist das Land seit mehr als zwei Jahrtausenden das Sehnsuchtsland all jener, die aus dem Norden kommen. Das Land wo die Zitronen blühen, das Land des Weines und des hervorragenden Essens. Das Land der Kunst, der Musik und der schönen Frauen. Das Land, durch das wir das Erbe der Antike erhalten haben, über zwei Jahrtausende Zentrum der Christenheit und Inbegriff großer Kultur. Und genauso ambivalent ist das Verhältnis zu den Menschen, die dieses Land bewohnen, also zu den Italienern. Einerseits gelten sie uns als kultiviert, elegant, als Schöpfer großer Kunstwerke, als Meister der weltbesten Küche und der edelsten Weine, als Erzeuger der elegantesten Mode und überhaupt also ein Volk, begnadet für das Schöne, für Farben und Formen.
Andererseits war und ist uns dieses Italien über Jahrhunderte Gegner, wenn nicht gar Erbfeind gewesen. Bereits unseren germanischen Vorfahren waren die Römer als Eroberer und Zwingherren verhasst. Und andererseits versuchten sie permanent, dieses südliche Sehnsuchtsland zu erobern, zu plündern und zu beherrschen. Im Mittelalter war dieses Italien, mit dem päpstlichen Rom im Zentrum der permanente Gegner der römisch-deutschen Kaiser. Von Karl dem Großen, über die Ottonen, die Staufer bis hin zu den Habsburgern mussten sie in schöner Regelmäßigkeit über die Alpen ziehen, um die unbotmäßigen Italiener, den Papst, die lombardischen Städte und was es da so alles gab, zur Räson zu bringen.
Und dann war da die italienische Einigungsbewegung, deren Hauptgegner natürlich das habsburgische Österreich war. Und schließlich der Verrat der Italiener im Ersten Weltkrieg, in dem sie uns als vormalige Verbündete in den Rücken fielen. Und danach der Zweite Weltkrieg, in dem sie zeitgerecht die Seiten wechselten, um im Gegensatz zu Deutschen und Österreichern letztlich zu den Siegern zu gehören. Und vom Ersten Weltkrieg bis herauf in unsere Tage das Problem mit Südtirol, das die Italiener uns raubten – so zumindest der Terminologie vergangener Jahrzehnte. Und so verhält es sich auch mit den italienischen Menschen. Auch sie gelten uns andererseits als leichtsinnig, als unzuverlässig, ja sogar verräterisch. Von der „welschen Tücke“ zu sprechen, war einst allgemein üblich. Und heute noch gilt es keineswegs als Ressentiment, wenn man der Ansicht ist, dass die Italiener in hohem Maße zur Korruption neigen, dass unter ihnen die Mafia weitgehend bestimmend ist und dass sie so etwas wie eine Affinität zum organisierten Verbrechen haben.
Und ähnlich verhält es sich auch hinsichtlich unserer Ansichten über die italienische Politik. Wir wissen natürlich, dass es seit Ende des Zweiten Weltkriegs in Italien mehrere Dutzend Regierungen gegeben hat und dass sich das politische System des Landes durch hohe Instabilität auszeichnet. Wir wissen auch, dass Italien jenes Land ist, das sich durch überaus hohe Staatsschulden auszeichnet und das damit in höchstem Ausmaß von EU-Hilfen abhängig ist, also von öffentlichen Mitteln, die im Wesentlichen von den europäischen Nettozahlern, also vor allem von den Österreichern und Deutschen, beglichen werden müssen. Und uns allen ist der allzu enge Kontakt der italienischen Politik zum organisierten Verbrechen – dies war zumindest zu Zeiten der Democrazia Christiana der Fall – bekannt.
Andererseits aber ist die politische Kultur in Italien eine, die längst nicht in so hohem Maße von der political correctness korrumpiert und traumatisiert wurde, wie das in deutschen Landen der Fall ist. Kein Zufall ist es nämlich, dass gerade Italien nunmehr vor der Regierungsübernahme des Rechts-Bündnis zwischen Fratelli d‘Italia, Lega Nord und Berlusconi-Partei steht. Zwar demonstrieren die Mainstream-Medien allesamt politischen Alarmismus und malen den Teufel an die Wand für den Fall einer rechten Regierung in Rom, die italienischen Wähler aber scheint dies kaum zu beeindrucken. So ist das Verhältnis von Deutschen und Österreichern zu Italien und den Italienern also ein über aus zwiespältiges. Unbestritten aber ist, dass unser südliches Nachbarland Stätte der höchsten Kultur ist, welche eine Vielzahl der bedeutendsten Kunstwerke der Menschheitsgeschichte hervorgebracht hat. Die politische Zerrissenheit Italiens seit dem Mittelalter hat eine Vielzahl von kulturellen Zentren entstehen lassen. Ähnlich wie in Deutschland, wo die Kleinstaaterei zum selben Ergebnis führte, haben die italienischen Stadtstaaten, von Mailand und Genua über Venedig und Florenz, bis hin zu Neapel und Messina eine Fülle von kulturellen Zentren geschaffen, die jeweils eine Vielzahl von künstlerischen Höchstleistungen ermöglichten.
Für den zeitgenössischen Kulturreisenden ist Italien schlichtweg das Eldorado. Die Fülle an sehenswerten historischen Städten, die Italien zu bieten hat, wird in keinem anderen europäischen Land überboten. Und in der Mitte Roma eterna, das Zentrum der Christenheit, der Sitz des Stellvertreters Gottes auf Erden in der Vatikanstadt. Und gleich daneben die Engelsburg, das Kolosseum und das Forum Romanum, Zeugen eines tausendjährigen Weltreichs. Und damit ist man wieder bei den Beziehungen Italiens zum deutschen Bereich, ist doch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation der Erbe dieses antiken Imperium Romanum. Und waren doch Kaiser und Papst jenes Zwillingspaar, in sakraler wie in politischer Hinsicht, das die europäisch-abendländische Geschichte über ein Jahrtausend geprägt hat. Dass diese enge Beziehung zwischen Italienern und Deutschen letztlich dazu geführt hat, dass auch den Italienern der nördliche Nachbar einerseits eng vertraut, andererseits aber auch verhasst ist, gehört zu den Kuriositäten der abendländischen Geschichte.
Doch jenseits von Geschichte und Kultur, jenseits historischer Hypotheken und geschichtsmächtiger Gemeinsamkeiten zwischen uns und Italienern gibt es die ganz trivialen Realitäten des Alltagslebens: Die italienische Küche, die italienische Mode, den Tourismus, die italienische Autoindustrie und auch italienische Musik.
Was schließlich den Tourismus betrifft, so ist Italien nicht nur das weltweit wichtigste Reiseland, es ist auch der eigentliche Erfinder des Tourismus. Ironisch könnte man bereits die Germanen der Völkerwanderung als Italien-Touristen bezeichnen, ebenso die Romzüge der deutschen Kaiser mit ihren Ritterheeren. Ganz sicher eine Art von Tourismus waren bereits die Kulturreisen, wie sie bereits Johann Wolfgang von Goethe mit seiner Italienreise unternahmen. Und heute gibt es wohl kaum einen Deutschen oder Österreicher, der im Laufe seines Lebens nicht einmal oder öfter in Italien Urlaub gemacht hat.
Um zurückzukehren zur gegenwärtigen politischen Situation, muss gesagt werden, dass ein Rechtsruck in Italien durchaus ein Signal für das übrige Europa sein kann. Jene, die gemeint haben, der Höhenflug der sogenannten Rechtspopulisten in den EU-Staaten sei längst vorbei, könnten da eines Besseren belehrt werden. Italien, eine der großen EU-Nationen könnte im Verein mit den Visegrad-Staaten eine grundlegende Neu-
orientierung der europäischen Politik erzwingen, was möglicherweise auch in der aktuellen Problematik der Sanktionen gegen das kriegführende Russland Auswirkungen haben könnte. Und es könnte Impulse auf die anderen rechtsdemokratischen Freiheitsparteien innerhalb der EU, auch auf die österreichische FPÖ und die deutsche AfD, auslösen.
So bleibt Italien, dieses Sehnsuchtsland, mit dem uns diese historische Hassliebe verbindet, ein Schlüsselfaktor für die europäische Zukunft. In kultureller Hinsicht ist es ohnedies so etwas wie ein Hotspot der abendländischen und europäischen Kultur. In ökonomischer Hinsicht ist das Land bei allem Chaos, in dem es immer wieder versinkt, doch einer der innovativsten und kreativsten Faktoren in Europa. Nicht zu vergessen ist, dass der oberitalienische Raum eine der stärksten Wirtschaftsregionen des Planeten ist. Und dieser Raum strahlt naturgemäß auf Österreich die Schweiz und auch Deutschland aus.
Insgesamt sind also Wirtschaft, Kultur und Politik Italiens für uns Deutsche und Österreicher, aber wohl für die Europäer insgesamt von größter Bedeutung


Die Vilimsky-Strategie

23. April 2019

Die Freiheitlichen integrieren Europas Rechtsdemokraten

Schon der Aufstieg der Freiheitlichen Partei unter Jörg Haider galt europaweit als Vorbild für rechte Oppositionsparteien. Allerdings war es Haider nach dem EUBeitritt Österreichs, der bekanntlich ja gegen die politischen Intentionen der FPÖ im Jahre 1995 erfolgte, kein Anliegen, mit ähnlich positionierten politischen Gruppierungen aus den übrigen europäischen Ländern in Kontakt zu treten. Im Gegenteil, er vermied es ausdrücklich. Dies zeigte sich insbesondere im Verhältnis zu den Vertretern des Front National unter Jean-Marie Le Pen, der zur gleichen Zeit ebenso erstarkte. Die freiheitlichen Vertreter im EU-Parlament, angefangen von Susanne Riess-Passer und Mathias Reichhold bis hin in der Folge zu Hans Kronberger und Daniela Raschhofer, hatten innerparteiliche Order, jeglichen Kontakt tunlichst zu vermeiden.
Dies änderte sich erst, als im Zuge des Niedergangs der Haider-FPÖ während der Regierungsbeteiligung mit der Volkspartei unter Wolfgang Schüssel im Jahre 2004 der Verfasser als alleiniger FPÖ-Mandatar in das EU-Parlament einzog.
Er nahm – zuerst gegen den ausdrücklichen Willen der Parteiführung, dann ab 2005 mit ausdrücklicher Unterstützung des neuen Parteichefs Heinz-Christian Strache – vom Anbeginn seines Mandats Kontakte zu Vertretern anderer oppositioneller Rechtsparteien auf. Es gelang ihm, insbesondere mit Jean-Marie Le Pen und Bruno Gollnisch als den wesentlichsten Vertretern des französischen Front National, aber auch mit den damaligen Vertretern der Lega Nord wie Mario Borghezio und den damals im EU-Parlament stark vertretenen Vertretern des Vlaams Blok unter Frank Vanhekke gute Beziehungen aufzubauen. In diesem Kreise mit dabei war Alessandra Mussolini, die in späteren Jahren dann mit Hilfe der konservativen Partei Berlusconis im italienischen Parlament saß.
Erste Treffen von Vertretern dieser politischen Bewegungen hat es bereits in der Ära der Haider-FPÖ auf Initiative Andreas Mölzers als Herausgeber der Wochenzeitung ZurZeit in Österreich gegeben. Dies hatte in der damaligen Parteispitze bei Susanne Riess-Passer, die ja als Vizekanzlerin in der österreichischen Bundesregierung saß, erhebliche Irritationen ausgelöst. Später, ab 2005, unter der neuen Parteiführung von Heinz-Christian Strache, war es nun möglich, auf offi zielle Einladung der FPÖ hin ein erstes Treffen offi zieller Parteienvertreter in Wien zu organisieren. Nach Vorschlägen von Andreas Mölzer wurde dabei eine sogenannte „Wiener Erklärung“ verabschiedet, auf deren Basis in der Folge im Jahre 2007 im Europäischen Parlament im Rahmen einer ersten authentischen Rechtsfraktion eine Zusammenarbeit zwischen rechtsdemokratischen und patriotischen Freiheitsparteien zustande kam. Unter den Namen „Identität, Tradition, Souveränität“ unter dem Präsidenten Bruno Gollnisch vom Front National schaffte es diese Fraktion immerhin, zwei Jahre parlamentarische Oppositionspolitik zu betreiben. In Folge des Streits zwischen den rumänischen Mitgliedern dieser Fraktion und Alessandra Mussolini zerbrach diese Fraktion dann allerdings.
In der Legislaturperiode des Europäischen Parlaments von 2009 bis 2014 blieben die Freiheitlichen, wie ein Teil der anderen europäischen Rechtsparteien auch, fraktionslos. Hinter den Kulissen aber gingen die Intensivbestrebungen zur Vertiefung der Kontakte zwischen den europäischen Freiheitsparteien weiter. Neben der konsequenten Pfl ege der Beziehungen zum Front National – auch unter dessen neuer Führung mit Marine Le Pen –, der weiteren Intensivierung des Kontakts zum fl ämischen Vlaams Belang gelang es Mölzer mit ausdrücklicher Unterstützung von Bundesparteiobmann Strache, insbesondere die Beziehung zur italienischen Lega Nord, aber auch das Verhältnis zu den Vertretern der holländischen Freiheitspartei unter Geert Wilders und jenen der Dänischen Volkspartei und der Schwedendemokraten zu intensivieren. Zu diesem Zwecke wurde in Wien eine Reihe von europathemenbezogenen Parteientreffen organisiert.

Der Aufstieg einer neuen Rechtsfraktion

Wegen einer Medienkampagne im Zuge des EU-Wahlkampfes schied der Autor dieser Zeilen aus der aktiven Politik aus, und Harald Vilimsky übernahm die Leitung der freiheitlichen EU-Delegation. Mit einem Wahlergebnis von knapp 20 Prozent vermochte er insgesamt vier EU-Mandate zu erlangen und konnte somit mit neuer Stärke zum Motor der Einigung der europäischen Rechtsdemokraten und Freiheitsparteien im EU-Parlament werden.
Der ebenso massiv gestärkte Front National, der sich in der Folge Rassemblement National nennen sollte, und die ebenso massiv gestärkte Lega Nord wurden gemeinsam mit den Freiheitlichen und der Wilders-Partei aus den Niederlanden zum Zentrum einer neuen europäischen Rechtsfraktion, die sich „Europa der Nationen und Freiheit“, also ENF, nannte. Die österreichische Delegation unter Harald Vilimsky konnte sich als politischer und organisatorischer Motor dieser neuen Gruppe im Parlament profi lieren. Dies lag weniger an der Anzahl der österreichischen EU-Abgeordneten, die ja vergleichsweise zu den Italienern und Franzosen aufgrund der geringeren Bevölkerungsanzahl Österreichs relativ klein war, sondern an der Qualität der politischen Arbeit der Vilimsky- Delegation und insgesamt an der politischen Bedeutung der FPÖ.
Der Aufstieg der Freiheitlichen in Österreich selbst, die ja rund um das Jahr 2016 in allen Umfragen die stärkste Partei des Landes war, der freiheitliche Wahlerfolg im Herbst 2017 und schließlich der Eintritt der FPÖ in eine neue Mitte-Rechts-Regierung in Wien verschafften der FPÖ auch im Kreise der europäischen Rechtsund Freiheitsparteien ein beispielgebendes Renommee. Während das französische Rassemblement National bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich unterlag und damit zwischenzeitlich in eine Krise schlitterte, gelang es der Lega Nord, mit der eher linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung in Italien eine Regierung zu bilden. Seitdem schaffte es Lega-Chef Matteo Salvini, beinhart rechtskonservative Vorstellungen politisch umzusetzen.
Attackiert von den linksliberalen Mainstream-Medien quer durch Europa wurde Salvini so etwas wie das Aushängeschild der europäischen Rechtsdemokraten, die von ihren Gegnern als „Rechtspopulisten“ diffamiert werden. Aufgrund seiner Erfolge und seiner Popularität, insbesondere in der konsequenten Umsetzung seiner restriktiven Ausländerpolitik, vermochte Salvini und mit ihm die EU-Gruppe um Rassemblement National und FPÖ, verstärkte Kontakte zur konservativen Regierung Polens und insbesondere zur ungarischen Regierung und zur Fidesz-Partei Viktor Orbáns aufzubauen. Polen und Ungarn, die wegen ihrer patriotischen Politik seit Jahren ein Dorn im Auge der EU-Zentralisten sind, konnten in Salvinis Italien einen neuen Verbündeten für ihre Positionen finden. Das gleiche galt auch gegenüber Österreich unter der neuen Mitte-Rechts-Regierung von Bundeskanzler Kurz und FPÖ- Chef Heinz-Christian Strache. Insbesondere Österreichs Innenminister Herbert Kickl vermochte in Matteo Salvini einen kongenialen Innenminister eines EU-Landes zu finden. Die sogenannten Visegrád-Staaten, also Polen, Ungarn, die Slowakei und Tschechien, sowie Österreich und Italien bilden somit in der Europäischen Union eine bedeutende Staatenfamilie, welche der europäischen Integration in Zukunft eine neue Richtung geben könnte.
Insbesondere die Flüchtlingsinvasion des Jahres 2015 und die seitdem überbordenden Integrationsprobleme, vor allem in Deutschland, Österreich, aber auch in Frankreich und Italien, sind Motiv für eine solche neue Politik der Europäischen Union: Der Schutz der europäischen Außengrenze, der Stopp der illegalen Zuwanderung, die Erhaltung der Identität der europäischen Nationen und die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und Stärkung der nationalen Souveränität der Mitgliedstaaten sind die Maximen einer solchen neuen Politik.

Vilimskys Einigungsstrategie

Dieser zu erwartende stärkere Wählerzuspruch für die Parteien der ENF-Fraktion ist es aber nicht alleine, was eine Veränderung der Machtverhältnisse im Europäischen Parlament und damit in der Europäischen Union insgesamt nach ziehen könnte. Es sind vielmehr die Verwerfungen im Zuge des Brexit, die sich in der politischen Landschaft des EU-Parlaments zwangsläufig ergeben, aber auch der Orientierungswechsel in Polen und Ungarn, der sich möglicherweise anbahnt, was die Verschiebung der Machtverhältnisse bewirken könnte.
Der Brexit mit Ende März des Jahres (bei Abfassung dieses Beitrags war noch nicht bekannt, ob er zu diesem Zeitpunkt stattfindet) oder auch eine kurzfristige Verschiebung des Brexits auf Ende Juni 2019 würde ja bedeuten, dass die Briten sich an der EU-Parlamentswahl nicht mehr beteiligen und dass es keine britischen Abgeordneten mehr im Europaparlament gäbe. Bislang waren ja die Abgeordneten der britischen Konservativen nicht in der Fraktion der Europäischen Volkspartei vertreten, sondern in der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer. Diese Fraktion pflegte zwar zumeist mit der Europäischen Volkspartei zusammenzuwirken, sie war aber doch wesentlich EU-kritischer als die Volkspartei. Neben den Tories waren in dieser Fraktion bislang auch die polnischen Konservativen der PiS-Partei von Jaroslaw Kaczynski. Sollten nun die Briten ausscheiden, würde diese EU-Parlamentsfraktion naturgemäß zerbrechen und die starke polnische Gruppe – Polen ist eben auch ein großes EU-Land – würde mit einiger Sicherheit einer neuen vergrößerten Fraktion rechtdemokratischer Freiheitsparteien beitreten. Dies planen Vilimsky, Salvini und Marine Le Pen.
Ebenso verhält es sich mit jener EU-kritischen Rechtsfraktion, die sich bislang um die Abgeordneten der United Kingdom Independence Party (UKIP) scharte, die zuvor Nigel Farage, einer der wichtigsten Betreiber des Brexit, aufgebaut hatte. Sollten die UKIPAbgeordneten im Zuge des Brexit aus dem Europaparlament ausscheiden, würde wohl auch diese Fraktion zerbrechen und deren bisherige Mitgliedsparteien, insbesondere die skandinavischen Rechtsparteien, wohl auch zur neuen großen Rechtsfraktion von FPÖ und Lega und Rassemblement National stoßen.
Eine besonders wichtige Rolle könnten die deutschen Abgeordneten der Alternative für Deutschland (AfD) spielen, die allen Umfragen zufolge bei den Europawahlen dramatisch gestärkt ins EU-Parlament einziehen könnten. Zu dieser Gruppe hat insbesondere Harald Vilimsky in den vergangenen Jahren intensive Kontakte aufgebaut, die nunmehr Früchte tragen könnten. Deutschland als größtes EU-Land hat naturgemäß am meisten EU-Abgeordnete, was sich bei einem Wahlerfolg der AfD entsprechend auswirken würde.
Das bisherige Übergewicht des Rassemblement National, also der französischen Abgeordneten in der ENF-Fraktion, welches in der Vergangenheit bisweilen auch zu Problemen geführt hat, dürfte somit durch eine Vielzahl deutscher EU-Parlamentarier, italienischer aber auch polnischer, relativiert werden.
Dazu kommt die ungarische Option. Sollte die Fidesz von Viktor Orbán aufgrund ihrer EU-kritischen Politik und ihrer aktuellen EU-kritischen Wahlkampagne von der Europäischen Volkspartei ausgeschlossen werden, könnte noch eine größere Gruppe ungarischer Abgeordneter zur neuen Rechtsfraktion stoßen. Natürlich dürfte sich Viktor Orbán hüten, von sich aus den Austritt aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei zu betreiben. Die Vilimsky-Strategie läuft also darauf hinaus, im Europa-Parlament eine große Fraktion rechtsdemokratischer EU-Reform-orientierter Freiheitsparteien zu schaffen, welche den aktuellen Umfragen zufolge die Chance hätte, zur zweitstärksten Kraft im Europaparlament direkt hinter der Europäischen Volkspartei zu werden. Stärker als die Sozialdemokraten und überragend gegenüber den Grünen, den Liberalen und den Ultra-Linken.
Eine solche politische Kraft könnte naturgemäß massiven Einfluss nehmen auf die künftigen Politik der Europäischen Union, aber auch auf personalpolitische Entscheidungen. Die Wahl eines neuen Kommissionspräsidenten wäre in diesem Falle ohne Zustimmung der neuen großen Rechtsfraktion nur sehr schwer möglich. Und politische Projekte wie der Schutz der europäischen Außengrenzen würden eine völlig neue Dynamik erhalten. Dass eine solche Fraktion mit ihrer Absage an den Brüsseler Zentralismus auf eine verstärkte Position der Nationalstaaten innerhalb der EU hinarbeiten würde und insgesamt der europäischen Integration ein völlig neues Gesicht geben würde, ist auch klar.
Die Vilimsky-Strategie sieht nun vor, dass das Gesicht dieser Einigungsbewegung der Rechtsdemokratischen Freiheitspartei Europas der italienische Innenminister Matteo Salvini wird. Als dynamischer Repräsentant eines großen EU-Mitgliedstaates und als einer, der sich von den Dogmen der political correctness niemals abschrecken ließ, stellt er mit seiner volksnahen Hemdsärmeligkeit den neuen Typus des populären Rechtspolitikers dar, eine wirkliche Alternative zum Brüsseler Establishment, wie es bislang von EU-Kommissionspräsident Juncker repräsentiert wurde. Im Übrigen ist Salvini Regierungspolitiker und hat damit bewiesen, dass er nicht nur Oppositionskritik zu üben vermag, sondern auch in der Umsetzung konsequent und stark sein kann. Das gleiche trifft zwar auf Vilimsky zu, der als Generalsekretär der in Österreich mitregierenden FPÖ absolut auch als Regierungspolitiker angesehen werden muss, er ist aber eben der Vertreter eines kleinen EU-Staates und dürfte sich damit in kluger Selbstbescheidung mit der Rolle des Drahtziehers und Strategen im Hintergrund begnügen. Marine Le Pen, die natürlich ebenso Vertreterin eines großen EU-Staates ist, ist gerade erst dabei, sich innenpolitisch als staatstragende Oppositionsführerin wiederzufi nden, und die deutsche AfD ist vielleicht eine zu junge Partei, um eine Führungsrolle in so einer neuen europäischen Gruppe zu übernehmen. All das spricht für Salvini als logische Führungsfi gur. Die Überwindung der Anta gonismen – Eine solche Einigungsstrategie in der Folge eines möglichen Wahlerfolgs der europäischen rechtsdemokratischen Freiheitsparteien ist eine Sache. Aufgrund der vielfältigen Kontakte und Gespräche, die insbesondere Vilimsky, aber naturgemäß auch Marine Le Pen und Matteo Salvini in alle schon angeführten Richtungen geführt hat und aufgrund der strategischen Veränderung der politischen Landschaft im Europäischen Parlament nach dem Brexit wäre eine solche große Einigung auf eine gemeinsame Parlamentsfraktion und auf ein gemeinsames Agieren auf der EU-Ebene nicht nur möglich, sondern auch durchaus logisch. Nach einer solchen Einigung kämen allerdings erst die wirklichen Pro-bleme auf eine solche Rechtsfraktion zu.
Die rechtsdemokratischen Freiheitsparteien der EU-Mitgliedstaaten sind nämlich naturgemäß auch die hervorragendsten Vertreter der jeweiligen nationalen Identität dieser Mitgliedstaaten und sie sind auch die bewussten Erben der jeweiligen Geschichte dieser Mitgliedstaaten. Und sie sind damit auch Träger und Erben der alten, nationalen Gegensätze zwischen den europäischen Nationen, der historischen Antagonismen zwischen denselben.
Polnische Patrioten etwa misstrauen naturgemäß nationalbewussten Deutschen, welche möglicherweise nach wie vor mit einer gewissen Nostalgie auf die Territorien östlich der Oder und Neiße schielen. Und französische Patrioten rund um Marine Le Pen sind nicht selten von einem gewissen antideutschen Reflex bewegt, der sich zwar in den letzten Jahren primär gegen die Politik Angela Merkels richtete, der aber wohl auch den Vorstellungen von Vertretern der Alternative für Deutschland widersprechen könnte. Dies sind nur einige Beispiele für die zahlreichen historisch gewachsenen Gegensätze und Belastungen, die es zwischen den europäischen Völkern offen oder auch nur unterschwellig bis zum heutigen Tage gibt. Abgesehen davon gibt es gewaltige strukturelle Unterschiede zwischen den möglichen Schwesterparteien in einer solchen neuen EU-Rechtsfraktion: Da sind beispielsweise die Franzosen des Rassemblement National absolute Etatisten, die für ethnische Minderheiten keinerlei Verständnis aufbringen. Für zentralistisch orientierte Franzosen sind Autonomieforderungen, etwa der Bretonen oder der Elsässer oder der Korsen, völlig irrelevant. Im Gegensatz dazu ist die Lega Nord in Italien ja ursprünglich eine regionalistische Partei gewesen, die für Norditalien einen eigenen Staat namens Padanien propagiert hat. Und der Vlaams Belang in Belgien wäre gar eine separatistische Partei, die eigentlich eine Loslösung Flanderns in Belgien im Auge hatte. Aus solch grundsätzlichen Positionierungen resultieren naturgemäß eine Fülle von politisch gegensätzlichen Folgerungen und Forderungen. Daraus ergäbe sich allerdings als logische Konsequenz, dass sich eine solche EUParlamentsfraktion, aber auch insgesamt die Kooperation der dahinter stehenden Parteien auf eine gewisses Minimal-Programm und einen gewissen Minimal-Konsens einigen müssten.
Die Vilimsky-Strategie läuft nun auf jenes Prinzip hinaus, das auch in der Regierungserklärung der gegenwärtigen österreichischen Bundesregierung festgelegt ist: Die Europapolitik hat sich primär nach dem Prinzip der Subsidiarität zu orientieren. Das heißt also, dass gemäß dem Subsidiaritätsprinzip alles das, was auf kommunaler Ebene bestimmt und beschlossen werden kann, dort geschehen soll, das, was auf regionaler Ebene, etwa auf Bundesländerebene gemacht werden kann, genau hier zu geschehen hat, dass also die nationalstaatliche Kompetenz unbestritten sein muss und nur jene Bereiche, die auf diesen untergeordneten Ebenen nicht erledigt werden können, auf der europäischen Ebene stattfinden sollten. Eine damit klar gegebene Absage an den Brüsseler Zentralismus und an das Projekt der „Vereinigten Staaten von Europa“ und somit die Stärkung der nationalstaatlichen Souveränität im Rahmen eines Europäischen Staatenbundes müsste also wohl das übergeordnete Ziel aller Mitglieder einer solchen neuen Parteienfamilie sein, überdies der Schutz der nationalen Identität der europäischen Völker durch rigorosen Schutz der EU-Außengrenzen und die Unterbindung jeglicher illegalen Zuwanderung. Dass die europäische Integration auf der Basis dieser Prinzipien weiterhin ein Hort für Frieden, Freiheit und Wohlstand in einer immer chaotischer werdenden globalisierten Welt bleiben muss, steht ohnedies außer Zweifel.

Und die nötige Wählerunterstützung?

Voraussetzung für all diese Entwicklungen und für die Vilimsky-Strategie insgesamt wäre allerdings eine entsprechende Wählerzustimmung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament selbst. 20 Prozent der Wählerstimmen bei einer Wahlbeteiligung von kaum 50 Prozent hieße, dass etwa die Hälfte des freiheitlichen Elektorats der vergangenen Nationalratswahlen den freiheitlichen EU-Kandidaten ihre Stimme zukommen ließe. Nicht unbedingt berauschend, allerdings verständlich, wenn man bedenkt, dass EU-Kritiker, wie sie den Kern der diesbezüglichen FPÖ-Wählerschaft ausmachen, dazu neigen, die Wahl zum Europaparlament zu vernachlässigen oder sogar abzutun.
Für die Freiheitlichen und insbesondere für Spitzenkandidat Harald Vilimsky wird es in erster Linie drum gehen, die möglichen Wähler und FPÖ-Sympathisanten überhaupt zu einer Wahlbeteiligung zu animieren. Diesbezüglich gäbe es nun bei den Europa-Wahlen des Jahres 2019 eine völlig andere strategische Ausgangsposition als bei den Wahlgängen zuvor.
Wenn der Autor bei den EU-Wahlen des Jahres 2004 mittels einer Vorzugsstimmenkampagne als Drittplatzierter auf der Kandidatenliste bei einem Wahlergebnis von sechs Prozent gerade ein Mandat für sich gewinnen konnte, um dieses Ergebnis im Jahre 2009 mit nahezu 14 Prozent mehr als zu verdoppeln, konnte Harald Vilimsky 2014 bereits mit nahezu 20 Prozent auf den damaligen Stand der freiheitlichen Wahlerfolge aufschließen. Und dies trotz des Umstandes, dass eben EUKritiker und EU-Skeptiker wenig motiviert sind, an solchen Wahlen überhaupt teilzunehmen. Diesmal im Jahr 2019 haben die Freiheitlichen unter Spitzenkandidat Harald Vilimsky trotz der Beteiligung an der Bundesregierung, die sich als proeuropäisch deklariert, unter allen wahlwerbenden Gruppierungen das Alleinstellungsmerkmal der EU-Kritik und den Anspruch, eine EU-Reform-Gruppe zu bilden. Kein Öxit also, nicht EU-Austritt, sondern Richtungswechsel in der Europäischen Integration, Reform der Union also, ist das Ziel.
Deklarierte EU-Gegner und Europa-Hasser, derer es laut Umfragen immer weniger im Land gibt, werden sich vielleicht also auch der freiheitlichen EU-Kandidatur versagen. EU-Kritiker allerdings könnten sich nach dem Motto „Wer Europa liebt, muss die EU kritisieren und verändern“ mit ihrer Stimme dem freiheitlichen Kandidaten anschließen. Und in diesem Jahr käme eine besondere Motivation dazu, nämlich die Chance, mit einer starken Rechtsfraktion im EU-Parlament, wie sie zuvor geschildert wurde, tatsächlich einen Richtungswechsel in Brüssel und in Straßburg durchzusetzen. Diesmal könnten die EU-Kritiker mit ihrer Stimme für die FPÖ und für Harald Vilimsky wirklich etwas bewirken. Eine starke Rechtsfraktion würde, wie gesagt, die europäische Politik von Grund auf ändern. Nicht die EU zerstören, sondern Europa durch einen Richtungswechsel in der europäischen Integration stärken und zukunftssicherer machen. Die 22 bis 24 Prozent, die gegenwärtig für die Freiheitlichen bei den kommenden EU-Wahlen prognostiziert werden, könnten noch erhöht werden. Die Aussage des freiheitlichen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache, wonach Vilimsky nicht nur der FPÖ-Spitzenkandidat für diese Wahl sei, sondern insgesamt jener Kandidat, der die europapolitische Linie der Bundesregierung umzusetzen gewillt sei, entspricht nämlichder Realität. ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas ist nämlich nach wie vor ein deklarierter Verfechter der „Vereinigten Staaten von Europa“ und des Brüsseler Zentralismus, was dem Regierungsprinzip der Subsidiarität in europapolitischen Fragen diametral widerspricht.
Dass Bundeskanzler und ÖVP Chef Sebastian Kurz Karas mehr oder weniger zwangsläufig wieder zum ÖVP-Spitzenkandidaten machen musste, resultiert alleinaus taktischen innerparteilichen Überlegungen innerhalb der ÖVP. Vilimsky könnte also mit einer moderaten, kritischen, aber doch konstruktiven europapolitischen Linie durchaus auch in das ÖVP Elektorat eindringen. Dass man seitens der linksliberalen Mainstream-Medien und seitens der Opposition und wohl auch seitens gewisser Kreise in der ÖVP im Zuge des Wahlkampfs immer wieder behaupten wird, Vilimsky habe sich für den Öxit ausgesprochen und seine politische PartnerinMarine Le Pen wolle die EU zerstören, ist sicher. Wahlkämpfe sind eben keine Wettbewerbe in intellektueller Redlichkeit. Ob sich aber der gelernte Österreicher als Wähler davon beeindrukken lässt, ist eine andere Frage. Die Vilimsky-Strategie könnte jedenfalls sowohl auf der großen europapolitischen Ebene als auch auf der Ebene der österreichischen Innenpolitik im Zuge des gegenwärtigen Wahlkampfgeschehens völlig neue Perspektiven eröffnen.


Das große Köpferollen

15. November 2011

Wie hatte er beim Tod Muammar Gadaffis so trefflich gesagt: Sic transit gloria mundi. Nun hat es Silvio Berlusconi selbst getroffen. Italiens Langzeit-Prämie hat unter dem Triumphgeheul der Mainstream-Medien unserer politischen Gegner den Hut genommen. Er, der dem Land, das ansonsten durch ständigen Regierungswechsel durchgebeutelt worden war, Stabilität gegeben hat, er, der von den Medien – solange sie nicht ihm gehörten – systematisch heruntergeschrieben wurde, musste nun, als gewissermaßen als Schuldiger für die italienische Krise, abtreten. Ob für immer, oder doch nur bis zum nächsten Wahlgang, das weiß man noch nicht.

Insgesamt gibt es so etwas wie ein Köpferollen quer durch Europa, bedingt durch die Staatsschuldenkrise. In Irland gab es bereits vor Jahr und Tag einen Regierungswechsel. Griechenlands Papandreou hatte vor wenigen Tagen den Hut genommen, Spaniens Linksregierung droht die Abwahl so wie sie in Portugal bereits erfolgte, in Dänemark stürzte die Rechtsregierung, in der Slowakei gab es einen Regierungswechsel und bei den kommenden Wahlgängen der Jahre 2012 und 2013 dürfte auch kein Stein auf dem anderen bleiben. Allen Umfragen zufolge haben Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel auch mit der Ablöse zu rechnen. Ebenso möglicherweise Österreichs rot-schwarze Koalition.

Doch was dann? Werden die Nachfolger die diversen Übergangsregierungen, die Fachleute, wie sie wahrscheinlich in Italien bestellt werden, oder die neugewählte vormals Opposition, die nun in die Ministerämter kommt, die Probleme lösen? Wird sich die Staatsschuldenkrise damit in Luft auflösen? Werden die europäischen Staaten vor den Augen der amerikanischen Ratingagenturen plötzlich Gnade finden und wieder hinaufgestuft werden? Wohl kaum. Möglich ist allerdings, dass neugewählte Regierungen, die nicht sofort wieder Neuwahlen zu befürchten haben, dass Kabinette, bestehend aus Fachleuten, die sich überhaupt keiner Wiederwahl zu stellen haben, die schmerzhaften und unpopulären Maßnahmen, die zur Behebung der Schuldenmisere notwendig sind, leichter durchsetzen könnten. Sie werden sich vielleicht auch eher gegenüber den Finanzmärkten und den internationalen Großbanken behaupten können. Die Regierungsmaxime dürfte überall – ganz gleich ob es sich um Fachleute-Regierungen, linke oder rechte Parteien handelt, die Gleiche sein: Blut, Schweiß und Tränen für die Bevölkerung und Fesseln, also neue und scharfe Regeln für Finanzmärkte und Banken. Ob das dann durchzuhalten ist über die Zahl jener Jahre, die notwendig wäre um die Einsparungen durchzuführen und die notwendige Stabilität zu erreichen, ist ungewiss. Man darf gespannt sein wer früher revoltiert dagegen. Die Banken- und Börsespekulanten oder die Völker Europas. In einem vorrevolutionären Zustand befinden wir uns allemal.


Torheit – bei Regierenden und Regierten

16. Februar 2011

In Tunesien und Ägypten ist bekanntlich in den letzten Tagen die Demokratie ausgebrochen – so hört man es zumindest von der etablierten Politik und aus den etablierten Medien. Kurios nur, dass im neuerdings so demokratischen Tunesien sich Abertausende aufmachen, um den gefahrvollen und auch teuren Weg – die Schlepper kosten eben – nach Europa einzuschlagen. Bekanntlich wird die italienische Insel Lampedusa gegenwärtig von Flüchtlingen gestürmt. Flüchtlinge aber wovor, vor welcher Gefahr? Wenn das mit der Demokratie stimmt, dann gibt es keine Gefahr. Es sind also keine Flüchtlinge, sondern Wirtschaftsmigranten, die die europäischen Sozialsysteme und die Benefizien unseres Systems schlicht und einfach für aussichtsreicher und ergiebiger halten als jene ihres Heimatlands.

Was folgt daraus? Zuerst einmal, dass das Rückführungsabkommen zwischen Italien und Tunesien rigoros umzusetzen ist. Dass jeder dieser vermeintlichen Flüchtlinge von Lampedusa nicht aufs italienische Festland und damit auf das Territorium der Europäischen Union transferiert werden darf, sondern schnurstracks retour nach Nordafrika. Darüber hinaus aber bedeutet das, dass die Europäische Union mit ihrer Grenzschutzagentur Frontex insgesamt tätig werden muss. Italiens Außenminister Maroni hat schon recht, wenn er sagt, dass der Maghreb dabei ist zu explodieren. Und das darf nicht zu Lasten Europas geschehen.

Die Torheit der Regierenden ist hierzulande so groß, dass sie die Ereignisse in Ägypten, Tunesien und in der arabischen Welt insgesamt bejubelt, als Wende zu Demokratie lobpreist und dabei übersieht, dass es vorerst nur eine Wende hin zum Chaos ist, die wir da erleben.

Aber auch die Torheit der Regierten ist groß. Diese lassen sich in großer Zahl einreden, dass ordnungspolitische Maßnahmen, wie etwa die zuvor verlangte Rückführung von Wirtschaftsflüchtlingen oder – um in die Innenpolitik zu wechsel – beispielsweise das jüngst in Österreich debattierte Bettelverbot, von Übel seien. Zumindest der eher zeitgeistige und linksorientierte Teil der Bevölkerung teilt diese Torheit.

Nehmen wir das Bettelverbot, das dieser Tage in der Steiermark und in Kärnten, aber auch darüber hinaus debattiert wurde. Bettelei, wenn sie organisiert ist durch mafiose Strukturen unter Missbrauch von Kindern und Behinderten, ist zweifellos verbrecherisch. Da sind wir uns doch hoffentlich alle einig. Und unorganisierte Bettelei, die wirklich aus der Not entspringt, ist eine Schande, die in einem Lande mit sozialer Mindestsicherung einfach nicht notwendig ist und auch nicht toleriert werden muss. Bettler aus wirklicher Not sind schlicht und einfach von der Gesellschaft und vom Sozialstaat zu versorgen. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass Bettelei ein Unding ist, das es sie schlicht und einfach nicht geben darf in unserem Land, einem der reichsten des Planeten.

Solch simple Logik ist angesichts der Torheit der Regierten, also breiter Bevölkerungsschichten, die sich vom Zeitgeist lenken lassen und von der medialen Manipulation, offenbar nicht vermittelbar. Da gibt es dann Proteste in den Medien, unter Hinweis auf die Menschenrechte und Ähnliches. Absurd!

Das sind nur zwei relativ geringfügige Beispiele aufgrund gegenwärtiger Aktualitäten. Sie zeigen aber, dass die Dummheit jene grassierende Seuche ist, die vor Niemandem Halt macht: Nicht vor den Regierenden und nicht vor den Regierten, nicht vor den Mächtigen und nicht vor den Ohnmächtigen.

Wenn wir uns mit dem Aufbruch der arabischen Welt beschäftigen und diesen in Relation zu anderen Revolutionen der jüngeren Geschichte setzen, so stochern wir im Grunde im Nebel. Natürlich wissen wir genauso wenig, wie dieser arabische Aufbruch ausgehen wird, wie andere politische Beobachter. Wir sind uns nur nicht ganz so sicher, dass das Ganze in eitel Wonne, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat münden wird. Dass ausgerechnet in der islamischen Welt, die von ihrem spirituell-religiösen Hintergrund her gewissermaßen in voraufklärerischen Verhältnissen lebt, mit den einigermaßen simplen Mechanismen des Internet von Facebook und Twitter nunmehr Pluralismus, Toleranz und Demokratie ausbrechen soll, ist denn doch einigermaßen unwahrscheinlich. Und ohne jetzt gleich den gewerbsmäßigen Miesmacher zu geben, darf man diesbezüglich doch große Skepsis anmelden: Verlass ist nämlich nur auf eines, auf die Dummheit der Regierten und der Regierenden. Leider!


Erst Faschist, nun Moralist

11. November 2010

Die seltsamen Wandlungen des Gianfranco Fini

Gegenwärtig kann er sich nicht genug entrüsten über die erotischen Eskapaden seines Regierungschefs: Der Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer wird weltweit als der Wortführer der regierungsinternen Gegner von Italiens Premierminister Silvio Berlusconi wahrgenommen. Die moralinsaure Empörung über den Lebenswandel und die Aussagen des Regierungschefs füllt gegenwärtig die Spalten der internationalen Gazetten. Und sie findet allenthalben Zustimmung bei den politisch korrekten Kommentatoren.

Nun ist Berlusconi zwar „Single“ weil geschieden und der Umgang mit dem weiblichen Geschlecht kann ihm also nur schwer vorgeworfen werden, seine Aussagen, er halte es lieber mit jungen Frauen als schwul zu sein, stoß naturgemäß aber bei den zeitgeistigen Kommentatoren auf Empörung und natürlich auch bei Fini. Dieser hat sich gegenwärtig zum Joker im Kampf um die Erhaltung der Mitte-Rechts-Regierung in Italien entwickelt, seine Kritik Berlusconis könnte die Regierung platzen lassen. Inhaltlich wendet sich Finis Kritik aber insbesondere gegen die Lega Nord, die er als verantwortungslos, rassistisch und extremistisch zu punzieren versucht.

In Wahrheit dürfte Fini die zunehmenden Erfolge der Lega fürchten, die nicht nur in Oberitalien zu einer wirklichen rechten Volkspartei geworden ist und die dabei konsequent für die Erhaltung der nationalen, oberitalienischen Identität kämpft, gegen Massenzuwanderung und Islamisierung. Fini selbst ist ideologisch bekanntlich längst nicht so konsequent geblieben. Der einstige Jung-Faschist und Mussolini-Bewunderer hat sich zum politisch korrekten Zeitgeist-Apostel gewandelt, der pflichtschuldigst nach Yad Vashem gepilgert ist und zunehmend geradezu linksliberale gesellschaftspolitische Thesen vertritt: für entsprechende Zuwanderung, gegen Diskriminierung von Schwulen und Schein-Asylanten und vieles dergleichen mehr.

Fini ist ein Beispiel, wie rechte Politiker als erstes ihre Wurzeln verleugnen, sich dann zunehmend in die Mitte bewegen, dort den Anschluss an das politische Establishment suchen, in hohe Regierungsämter gelangen und schließlich nach ihrer Ideologie auch ihre politische Bewegung verraten. Bekanntlich hat er erst vor Jahr und Tag seine Partei, die postfaschistische Allianza Nazionale aufgelöst und in Berlusconis „Populo de la Libertà“ eingebracht. Erst in jüngster Zeit, als sein Traum, Berlusconis Nachfolger zu werden verblasste und der Cavaliere deutlich machte, dass er keineswegs beabsichtige, in absehbarer Zeit abzutreten, begann Fini über so etwas wie eine Parteistruktur aufzubauen. Er sammelte Abgeordnete, um eine Gruppe namens „Futuro e Libertà per l’Italia“ zu bilden, die nunmehr austreten könnte.

Aber auch bei den jüngsten Entwicklungen kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass Fini in erster Linie die eigene Karriere und die eigene Position im Auge hat. Präsident des Abgeordnetenhauses reicht dem einstigen Faschisten, der sich nun als Moralist geriert, gewiss nicht. Er will Italiens Ministerpräsident werden. Das steht fest – und wenn er dabei zum Links-Politiker werden muss.