Das Forum der Republik

11. März 2018

Der Heldenplatz und sein genius loci

Bei der Zweiten Türkenbelagerung Wiens im Sommer 1683 war es just der Raum vor der Wiener Burgbastei, wo die opferreichsten Kämpfe des Osmanischen Heeres gegen die Verteidiger stattfanden.
Etwas mehr als ein Jahrhundert später, im Jahre 1809, besetzte Napoleon die Reichshaupt- und Residenzstadt. Vor ihrem Abzug sprengten die französischen Truppen Teile der Stadtbesfestigung, darunter die Burgbastei. Deren Reste wurden bis 1819 entfernt, wodurch der äußere Burgplatz entstand. Im Zuge der Errichtung der Ringstraße wurde dann dieser Burgplatz unter Kaiser Franz Joseph als Teil eines gewaltigen Kaiserforums konzipiert. Dieses wurde jedoch nie vollendet. Aufgestellt wurden allerdings die beiden Reiterdenkmäler, die Anton Dominik von Fernkorn  geschaffen hatte. Das ältere ist dasjenige des Erzherzog Karls, des „Kämpfers für Deutschlands Ehre“ , das 1860 enthüllt wurde, das jüngere ist die Reiterstatue Prinz Eugens, die später fertiggestellt wurde.
Just 140 Jahre ist es nunmehr her, dass im Jahre 1878 dieser imperiale Raum den Namen „Heldenplatz“ bekam, eben wegen der beiden habsburgischen Kriegshelden, deren Denkmäler den Platz zieren. Den Abschluss dieses Heldenplatzes bildet bis zum heutigen Tag das äußere Burgtor, das schon im Jahre 1824 errichtet wurde und als Denkmal für die Soldaten der Napoleonischen Kriege gedacht war. In der Folge sollte es zu einem Denkmal für alle Kriegsgefallenen werden. Dies war wohl auch der Grund, warum der Wiener Korporationsring in der Zweiten Republik sein Totengedenken vor der Krypta des äußeren Burgtors abhält. Der Ballhausplatz später war von Anbeginn Raum großer staatlicher Festakte und militärischen Zeremoniells. Ursprünglich jedenfalls war er Raum für imperiale Selbstdarstellung der Habsburger-Monarchie.
In der Republik sollte der Heldenplatz  so etwas wie ein Staatsforum  werden. Die Ausrufung  der Republik fand zwar noch eher auf der Ringsstraße, im Raum vor dem Parlament statt, bereits im Ständestaat allerdings gab es große Veranstaltungen auf dem Heldenplatz, wie etwa beim Katholikentag in den 30er Jahren.
Vollends zum symbol befrachteten Raum wurde der Heldenplatz, als der Braunauer am 15. März des Jahres 1938 am Balkon der Neuen Burg vor den versammelten und jubelnden Massen den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich verkündete und „Vollzugsmeldung vor der Geschichte“ machte. Hunderttausende Österreicher waren es, die damals euphorisch über die Richtung Großdeutschlands jubelten. Der Terror des NS-Regimes und die Tragödien sollten den „Ostmärkern“ die Jubelstimmung allerdings bald austreiben. Und nach 1945 wurde der Heldenplatz beziehungsweise seine Rolle in den Märztagen des Jahres 1938 zu so etwas wie einem blinden Fleck im österreichischen Selbstverständnis und Geschichtsbewusstsein.
In der Zweiten Republik findet am Heldenplatz anlässlich des Staatsfeiertags am 26. Oktober regelmäßig eine Großveranstaltung des Bundesheers statt. Dabei wird traditionell die Angelobung der Jungmänner unter Präsenz des Bundespräsidenten vorgenommen und immer wieder gab es auch eine Leistungsschau der österreichischen Armee.
Nachdem im Jahre 2012 unter dem Denkmal des toten Soldaten im äußeren Burgtor ein verstecktes NS-Pamphlet gefunden wurde und man auch die Namen von SS-Leuten der Totenbücher enthüllte, ließ das zuständige Bundesheer die Gedenkräume leeren. Dies mochte auch im Zusammenhang mit dem Totengedenken des Wiener Korporationsrings gestanden sein, das insbesondere von linker Seite heftig kritisiert worden war.
Man behauptete dabei, dass Wiener Korporationen nicht der Toten gedächten, sondern vielmehr den Untergang des Dritten Reiches und die Kriegsniederlage betrauern würden.
Um dies zu konterkarieren, ließ der sozialistische Verteidigungsminister im Jahre 2013 anlässlich des Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai 2013 erstmals eine Mahnwache des Bundesheeres für die Opfer des Nationalsozialismus aufmarschieren. Zusätzlich fand, angeregt vom Mauthausen Kommitee und den Wiener Symphonikern, ein Fest der Freude mit einem großen Festkonzert statt. Nunmehr ist der Heldenplatz der Raum für die drei provisorischen Pavillons, in denen das österreichische Parlament wegen  der Renovierung des historischenParlamentsgebäudes für etliche  Jahre tagen muss. Auch in diesem Zusammenhang erweist sich der Heldenplatz als zentraler politischer Raum der Republik. Geschichtsbeladen, aber auch offen für die Bürger des Landes. Der ORF bringt am 15. März des Jahres eine große Dokumentation über den Heldenplatz.


Feiertage – Trauertage

9. März 2018

Rot–weiß–rote Hochämter im Wandel der Zeit

Einst war es Kaisers Geburtstag, konkret der 18. August jeden Jahres zwischen 1848 und 1916. Kaiser Franz Joseph, der als 18-Jähriger den Thron der Habsburger Monarchie bestiegen hatte, feierte Geburtstag, und seine Völker feierten mit ihm. Das Gottesgnadentum des Monarchen rechtfertigte eine Form von Personenkult, der zwischen feudalem Paternalismus, Patriotismus und religiöser Verehrung pendelte.
Führers Geburtstage kaum 20 Jahre nach dem Ableben des altösterreichischen Monarchen hatten einen anderen Charakter. Sie waren zwar mit Ausnahme des 50. Geburtstags des Braunauers am 20. April 1939 keine staatlichen Feiertage, sondern nur „besonders begangene Tage“. Dennoch waren sie Anlass für die Mobilisierung von Millionen, angefangen bei den Pimpfen bis zu den SA-Männern, um den Kult des „größten Deutschen aller Zeiten“ zu zelebrieren. Dort, wo in Österreich zu Beginn vielleicht in breiten  Schichten der Bevölkerung echte Begeisterung dafürvorhanden war, musste dies später zunehmend vom Regime organisiert und erzwungen werden, und wenn angeblich heute noch da und dort am 20. April in Wirtshäusern Eiernockerln mit grünem Salat serviert werden – des Braunauers Lieblingsspeise –, so ist das nicht einmal mehr witzig oder bloß geschmacklos, sondern absolut abzulehnen.
Im Wilhelminischen Deutschland wurde der 18. Jänner zwischen 1871 und 1918 als Reichsgründungstag und somit als staatlicher Feiertag begangen. Dies war den damaligen Reichsdeutschen bedeutsamer als Kaiser Wilhelms Geburtstag. In der Weimarer Republik war zwischen 1921 und 1932 der 11. August als Tag der Unterzeichnung der Verfassung des Deutschen Reichs zum Nationalfeiertag erklärt worden. Das konstitutionelle und demokratische Selbstverständnis der jungen deutschen Republik war aber offenbar so schwach, dass dieser Nationalfeiertag nicht einmal ein reichsweiter gesetzlicher Feiertag werden konnte.
Anders war es da schon in Österreich, dort wurde am 25. April 1919 im Parlament der jungen Republik der 12. November im „immerwährenden Gedenken an die Ausrufung des Freistaates Deutsch-Österreich“ zum Staatsfeiertag erklärt, gleichzeitig erhob man allerdings, den 1. Mai zum „Ruhe- und Festtag“. Dieser 1. Mai war weltweit seit den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts mit Streiks und Demonstrationen als Arbeiterfesttag begangen worden. Der Einfl uss der Sozialdemokraten in der jungen Republik Deutsch-Österreich erwirkte es nun, dass er auch hierzulande staatlicher Feiertag wurde. Dass allerdings der 12. November als Tag der Ausrufung der Republik zum Staatsfeiertag wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: In Wahrheit war die junge Republik Deutsch-Österreich nämlich bereits am 30. Oktober 1918 mit gleichzeitigen Demonstrationen unter schwarz-rot-goldenen Fahnen in der Wiener Herrengasse, dem damaligen Sitz des Niederösterreichischen Landtags, mit dem Staatsgesetzblatt Nr. 1 entstanden. Ein Faktum, das in der Gedenkkultur der Republik bis heute nicht richtig gewürdigt wird.
Doch zurück zum 1. Mai: Dieser blieb sogar im austrofaschistischen Ständestaat Staatsfeiertag, wurde allerdings aus Anlass der Proklamation der Mai-Verfassung des Jahres 1934 begangen. Und im Dritten Reich behielt sogar der Nationalsozialismus den Tag der Arbeit bei, wobei er ihn zum Tag der „Tag der deutschen Arbeit“ stilisierte. In der zweiten österreichischen Republik wurde er mit Parlamentsbeschluss vom 20. August 1949 wieder als Staatsfeiertag eingeführt.
Im Jahrzehnt der alliierten Besatzung hatte die Zweite Republik ansonsten keinen Staatsfeiertag, erst nach der Wiedererlangung der Souveränität durch den Staatsvertrag dachte man dann an die Festsetzung eines offiziellen Staats- bzw. Nationalfeiertags. Die Initiative dazu ging vom konservativen Unterrichtsminister Heinrich Drimmel aus, der die Lehrer des Landes aufforderte, den Schülern die Bedeutung des 25. Oktober 1955, des Tages des endgültigen Abzugs der alliierten Besatzungstruppen, zu vermitteln. Und zwar sollte dies durch das feierliche Hissen der österreichischen Flagge geschehen. Am 11. September des Jahres 1956 beschloss dann der Ministerrat, wiederum auf Betreiben von Unterrichtsminister Drimmel, den „Tag der österreichischen Fahne“ alljährlich am 26. Oktober zu begehen. Die Verschiebung um einen Tag kam deshalb zustande, da es der Bundesregierung damals offenbar wichtiger war, die Neutralitätserklärung zu betonen als den Abzug der letzten Besatzungssoldaten. Im Jahre 1965 kam es dann im Wiener Parlament und in der Bundesregierung zu Beratungen, welcher Tag als Nationalfeiertag begangen werden sollte. Infrage kamen dazu der 12. November als Tag der Ausrufung der Ersten Republik, der 27. April als jener Tag, an dem im Jahre 1945 die wiederentstandenen österreichischen Parteien in Berufung auf die Moskauer Deklaration die Selbstständigkeit Österreichs proklamierten und eine provisorische Staatsregierung gebildet hatten, überdies der 15. Mai als der Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrages im Jahr 1955 und eben der 26. Oktober, der Tag der Beschlussfassung der österreichischen Neutralität.
Die meiste Zustimmung fand die letzte Variante, und so verabschiedete der Nationalrat am 25. Oktober 1965 einstimmig das Bundesgesetz über den österreichischen Nationalfeiertag. In der Präambel zu diesem Nationalfeiertagsgesetz heißt es, dass Österreich „seinen Willen erklärt hat, für alle Zukunft und unter allen Umständen seine Unabhängigkeit zu wahren und sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen und in eben demselben Bundesverfassungsgesetz seine immerwährende Neutralität festgelegt hat und in der Einsicht des damit bekundeten Willens, als dauernd neutraler Staat einen wertvollen Beitrag zum Frieden in der Welten leisten zu können“. Aber erst im Jahr 1967 wurde für diesen Nationalfeiertag auch die Feiertagsruhe beschlossen. Anzumerken ist noch, dass jene politischen Kräfte, die sich auch in der Zweiten Republik zur deutschen Kulturnation bekennen und den Begriff einer „österreichischen Nation“ als problematisch empfinden, weiterhin die Bezeichnung „Staatsfeiertag“ für den 26. Oktober verwendeten.
Wenn man sich mit den Feiertagen des Gemeinwesens der Zweiten Republik befasst, kommt man nicht umhin, auch die Trauertage zu beleuchten. Als einer der bedeutendsten derselben gilt der 13. März in Angedenken an den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im Jahre 1938. Ungeachtet der Tatsache, dass auch ohne Manipulation und staatlichen Druck die Volksabstimmung über den Anschluss im April 1938 zweifellos eine Mehrheit für das Deutsche Reich gebracht hätte und ungeachtet der Tatsache, dass ein guter Teil der Österreicher den Einmarsch der deutschen Truppen, insbesondere die Triumphfahrt Adolf Hitlers nach Wien, bejubelt hat, wird dieser Tag heute als das Ende der Selbstständigkeit Österreichs und als der Beginn jener Tragödien betrachtet, die auch unser Land in den Zweiten Weltkrieg hineinzogen.
Der letzte Bundeskanzler der Republik, der allerdings auch ein autoritär regierender Diktator war, nämlich der Chef der Vaterländischen Front, Kurt von Schuschnigg, sagte in seiner Rücktrittsrede am 11. März 1938: „Herr Bundespräsident beauftragt mich, dem österreichischen Volke mitzuteilen, dass wir der Gewalt weichen. Wir haben, weil wir um keinen Preis, auch in diesen ernsten Stunden nicht, deutsches Blut zu vergießen gesonnen sind, unserer Wehrmacht den Auftrag gegeben für den Fall, dass der Einmarsch durchgeführt wird, ohne Widerstand sich zurückzuziehen und die Entscheidung der nächsten Stunden abzuwarten… So verabschiede ich mich in dieser Stunde von dem österreichischen Volk mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch: Gott schütze Österreich!“ Wenige Tage später redete dann der Braunauer vom Balkon der Hofburg zu den Massen am Heldenplatz, um eine Vollzugsmeldung „vor der Geschichte“ zu machen und den Eintritt seiner österreichischen Heimat in das Deutsche Reich zu verkünden. Für die jubelnden Massen schämt sich das offizielle Österreich bis zum heutigen Tag. Dass der Anschluss allerdings der Beginn des Weges in ein historisch einmaliges Unheil war, steht heute allgemein außer Frage.
Ein weiterer Trauertag der Republik ist der 5. Mai. Seit dem Jahre 1997 ist der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen offizieller „Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus in Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus“. Seit einigen Jahren allerdings wird auch der 27. Jänner, der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz durch die Sowjet-Armee, als „internationaler Holocaust-Gedenktag“ begangen. Ebenso gedenkt man am 9. und am 10. November, als in der Nacht zwischen den beiden Tagen im Jahre 1938 das Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung stattgefunden hatte, das früher euphemistisch als „Reichskristallnacht“ bezeichnet worden war, den Verbrechen des Nationalsozialismus. Im April des Jahres 2009 beschloss das Europäische Parlament, den 23. August als gesamteuropäischen Gedenktag „für sämtliche Opfer totalitärer und undemokratischer Regime in Europa“ zu machen. Am 23. August 1939 wurde nämlich das Ribbentrop-Molotow-Abkommen unterzeichnet und mit der Festlegung dieses Gedenktags wollte man sowohl an die Opfer von Kommunismus, Nazismus und Faschismus erinnern. Dieser Beschluss fand allerdings keineswegs allgemeine Zustimmung: Der israelische Holocaust-Forscher Yehuda Bauer kritisierte die Gleichsetzung der beiden Regime als Relativierung des Holocausts. Für ihn bedeutete der Beschluss des EU-Parlaments Geschichtsklitterung. Und auch in Österreich erklärte die Historikerin Heidemarie Uhl,  dass dieser Gedenktag so etwas wie ein „Gegengedenktag zum 27. Jänner, dem Holocaust-Gedenktag“ sei.
Das Totengedenken des Wiener Kooperationsrings, das seit den 90er-Jahren bis zum Jahr 2012 jeweils am 8. Mai am Wiener Heldenplatz abgehalten wurde, war der Versuch der Wiener nationalfreiheitlichen Studentenverbindungen, einen Trauertag für die Opfer des Zweiten Weltkriegs unter besonderer Berücksichtigung der eigenen Opfer zu veranstalten. Dabei gedachte man zwar allgemein aller Kriegsopfer, im Speziellen aber der gefallenen Österreicher, jener, die in der Gefangenschaft umkamen, der Opfer des Bombenkriegs und auch jener Menschen, die bei der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten ums Leben kamen. Diese Veranstaltung wurde von ihren Kritikern als „Heldengedenken und Trauerkundgebung über die Niederlage des Dritten Reiches und der Deutschen Wehrmacht“ dargestellt. Die Erklärung der Veranstalter, dass dies in keiner Weise stimme, wurde allerdings in der breiten Öffentlichkeit und in den Mainstream-Medien kaum wahrgenommen. Seit dem Jahr 2000 gab  es daher zunehmend Protestkundgebungen gegen diese koperationsstudentische Trauerkundgebung.
Um den Heldenplatz am 8. Mai eine andere Bedeutung zu verleihen, veranstaltet die Bundesregierung seit dem Jahr 2013 eine Mahnwache des Bundesheers und ein Festkonzert der WienerSymphoniker als „Bekenntnis zur Demokratie und Freiheit zu Österreich“, was man als „Fest der Freude“ bezeichnet. Und so manifestieren die Trauertage der Republik eine Geschichtspolitik, in der die eigenen Opfer der Tragödien des 20. Jahrhunderts kaum Beachtung finden.
Der Antifaschismus als politisch-korrekte Zivilreligion hingegen hat es geschafft, seine Hochämter zu Staatsakten hochzustilisieren. Und daran dürfte auch die nunmehrige Regierungsbeteiligung jener Freiheitlichen nichts ändern, die bis zum heutigen Tag bei derlei politisch-korrekten Denkveranstaltungen dezidiert ausgeschlossen bleiben und die in den vergangenen Jahren da und dort auch noch das Gedenken an die eigenen Opfer verteidigt hatten.


Warum nicht…„Mailath-Pokorny-Ring“?

24. April 2012

Jetzt räumen wir aber endlich einmal auf in diesem Land! In einem Land, in dem es Plätze, Straßen und Gassen gibt, die nach Antisemiten, Rassisten, Nazi-Mitläufern und Anschlussbefürwortern benannt sind! Karl-Lueger-Ring? Weg damit. Die diversen Otto-Kernstock-Gassen? Tilgt sie aus den Straßenkarten. Karl-Renner Ring? Ausradiert. Der Mann hat den Anschluss begrüßt. Kärntnerstraße? Ausradiert. Das ist schließlich jenes Land, in dem dieser Proto-Nazi Haider sein Regime errichten konnte! Heldenplatz? Helden – und seien es auch solche aus den Türkenkriegen oder aus napoleonischen Kriegen – sind etwas für Rechtsextremisten. Und überhaupt. Jede topgrafische Bezeichnung, die den Namen eines Zeitgenossen der dunklen Jahre zwischen 1933 und 1945 trägt, welcher nicht nachweislich im KZ war, gehört getilgt. Der Verdacht, dass es sich dabei um Mitläufer oder stillschweigende Sympathisanten der braunen Despotie handelte, ist einfach zu naheliegend. Alles klar?

Aber was dann? Wie benennen wir unsere Straßen, Plätze und Gassen? Wie finden wir uns in unseren Dörfern und Städten zurecht? Nummerieren wir die Straßen einfach durch wie New York oder geben wir ihnen einfach die Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge als Kennzeichnung? Das wäre doch ein wenig zu phantasielos. Die einzig wirkliche Lösung ist doch, die in moralischer Hinsicht zweifellos über jede Kritik erhabenen Großmeister der Political Correctness, die Hohepriester des Antifaschismus und die Säulenheiligen des Gutmenschentums als Namensgeber für unsere topografischen Bezeichnungen herzunehmen. Etwa den roten Langzeit Kultur-Zerwalter von Wien, oder die jeweiligen Vorsitzenden des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, natürlich den Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde, die Funktionäre des republikanischen Klubs (gibt’s den noch?), alle Mitglieder des grünen Parlamentsklubs und so weiter und so fort.

Ein Mailath-Pokorny-Ring, ein Ariel-Muzicant-Platz und vielleicht dann noch ein Heribert-Schiedel-Gässchen stellen die Alternative dar. Zweifellos!


Antifa-Liturgie

9. Mai 2011

Da hat am vergangenen Wochenende das jährliche Mauthausen-Gedenken stattgefunden. Ein Gedenken, das nur recht und billig ist, da es zweifellos im Hinblick auf die historische Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus und deren Opfer keinen Schlußstrich geben kann. Es ist auch recht und billig, daß dort die Repräsentanten der Regierung anwesend sind, wobei man beim einen oder anderen schon das Gefühl hat, daß er die zur Schau gestellte Betroffenheit eher als Pflichterfüllung denn als moralischen Auftrag empfindet. Weniger recht und billig ist da schon, daß bei den diversen Reden natürlich – auch das ist beinahe schon Routine – stets auf die freiheitliche Opposition und auf das Dritte Lager hin gehackt wird. In diesem Jahr speziell auf das Totengedenken der national-freiheitlichen Studentenverbindungen auf dem Wiener Heldenplatz, bei dem bekanntlich der FPÖ-Chef hätte sprechen sollen.

Derselbe war bekanntlich verhindert, was jene zeitgeistigen Wortspender und Mundwerksburschen, die sich über seinen möglichen Auftritt im Vorfeld maßlos empört hatten, mit Triumph erfüllen dürfte. Hat man dem FPÖ-Obmann doch zuvor ins Stammbuch geschrieben: Wer bei den bösen Burschenschaftern, die bekanntlich am 8. Mai immer wieder den Untergang des Dritten Reichs betrauerten, auftrete, könne sich die Ambitionen auf jegliches höheres Staatsamt in der Republik Österreich abschminken.

Nun wurde es zwar sattsam erklärt, daß die studentischen Verbindungen am 8. Mai am Heldenplatz aller Opfer des Zweiten Weltkriegs gedenken, natürlich auch jener, die durch die Verbrechen des Nationalsozialismus zu Tode gekommen sind. Allerdings auch der Opfer aus dem eigenen Volk, der gefallenen und vermißten Soldaten, der im alliierten Bombenterror umgekommenen Greise, Frauen und Kinder, der bei der Flucht und Vertreibung aus dem Osten zu Tode gekommenen Altösterreicher – alle sie im weiteren Sinne natürlich auch Opfer des Nationalsozialismus und des von diesem entfesselten Kriege. Auch für dieses Opfergedenken kann es natürlich keinen Schlußstrich geben. Und dieses Erinnern stets in den Geruch der nationalsozialistischen Wiederbetätigung und der unverbesserlichen ewig Gestrigkeit zu stellen, ist eine polemische Sauerei.

Diesem polemischen Pseudo-Antifaschismus nicht auf dem Leim zu gehen, wäre für die freiheitliche Opposition und für die dahinter stehende Gesinnungsgemeinschaft von großer Bedeutung. Wer den polemischen Trug der etablierten Kräfte in solchen zentralen Fragen nachgibt, hat schon verloren. Wenn beispielsweise der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf wie von ihm vielfach verlangt – auch von der Nationalratspräsidentin Prammer – seine Mitgliedschaft bei seiner Burschenschaft Olympia aufgegeben hätte, wäre dies nicht nur persönlich von ihm eine politisch-moralisch-ideologische Bankrotterklärung gewesen. Es wäre Bankrotterklärung des gesamten Dritten Lagers. Und genau solche Bankrotterklärungen wünscht sich der politische Gegner. Und es wäre irrig zu glauben, daß man nach solchen Bankrotterklärungen vom politischen Establishment eher geduldet wäre bzw. die Chance erhielte, in eine Regierung zu kommen.

Erinnern wir uns an das Konstrukt des Andreas Khol vom „Verfassungsbogen“. Er erklärte in den 90er Jahren die Haider-FPÖ befinde sich außerhalb eines von ihm nicht näher definierten Verfassungsbogens. Er nahm sich auch nicht die Mühe wirklich zu erklären, warum dies so sei. Zurückgenommen hat Andreas Khol diese Ausgrenzung der FPÖ nicht weil Jörg Haider irgendeine brave, politisch korrekte, entsprechend antifaschistische Erklärung abgegeben hat – solche Erklärungen hat er im übrigen in einer Vielzahl abgegeben – sondern erst als die Freiheitlichen bei Wahlen stärker als die ÖVP waren. Als die ÖVP mit freiheitlicher Hilfe trotz hoher Wahlverluste im Herbst 1999 in der Folge den Bundeskanzler stellen durfte, waren die Freiheitlichen des Jörg Haider plötzlich wieder innerhalb des Khol‘schen Verfassungsbogens.

Auch in unseren Tagen wäre es mit Sicherheit gleich: Die Freiheitlichen des Heinz-Christian Strache werden keineswegs politisch und gesellschaftlich akzeptiert werden, wenn sie irgendwelchen zentralen Inhalten, Tradition oder ideologischen Überzeugungen abschwören, sie werden nur dann akzeptiert werden, wenn sie vom Wähler entsprechend stark legitimiert sind. Darum ist es gut und recht, wenn das Dritte Lager weiter aller Opfer des Zweiten Weltkrieges gedenkt und sich keineswegs einreden läßt, daß dies Nazi-Nostalgie sei. Und es ist gut und recht, daß führende Repräsentanten der FPÖ weiter zu ihren studentischen Kooperationen stehen und zu deren deutsch-romantischen Traditionen. Und es ist gut und recht, daß die FPÖ im neuen Parteiprogramm sich wieder auf die deutsche Volks- und Kulturgemeinschaft berufen wird, weil dies eine edle Tradition des alten national-liberalen Lagers ist. Eine Tradition, derer man sich nicht schämen muß. Wer daraus NS-Verherrlichung schließen will, beweist nur die eigene Unbildung.

Die billige Polemik der Gegner, die mangelnde historische und dogmengeschichtliche Bildung vieler zeitgeistigen Wortspender und eigene Ängstlichkeit, das ist es, was einer rot-weiß-roten Reformpartei, die fest in deutscher Kultur, in patriotischer Heimatverbundenheit und in sozialer Verantwortung verwurzelt ist, zur Gefahr werden kann. Das und nur das.