Es galt vor einem Jahrzehnt gewissermaßen als hohe Ehre, in die Eurozone eintreten zu dürfen. Nur wer die harten Maastricht Kriterien erfüllte, wer seine Staatsschulden im Griff hatte, sein Budget in Ordnung zu bringen vermochte, durfte in den privilegierten Kreis der Euro-Inhaber. Die Europäische Zentralbank sollte in der Nachfolge der Deutschen Bank zum Gralshüter der Hartwährungspolitik werden und Maastricht-Sündern drohten harte Strafen. Selbst Eurokritiker wie etwa die österreichischen Freiheitlichen vernahmen dann mit kaum verhohlenem Stolz, dass der Euro drauf und dran gewesen sei, den US-Dollar als Welt-Leitwährung abzulösen.
Jetzt stehen die Dinge anders. Ständig wird man mit der Frage konfrontiert, ob der Euro noch zu retten ist, wann die Euro-Zone zusammenbricht und ob es irgendwelche Wege gibt, aus der Krise wieder heil heraus zu kommen. Jene Länder, die bei der Euro-Einführung abgewinkt hatten, etwa die Briten mit ihrem Pfund oder die Skandinavier, sie dürften sich insgeheim ins Fäustchen lachen, haben sie doch nach wie vor die Hoheit über ihre eigene Währung und gelten dennoch als hervorragende Europäer. Und jene EU-Mitgliedsstaaten im Osten des Kontinents die zu Beginn ihrer Mitgliedschaft sehnsüchtig nach dem Euro geschielt haben, sie winken gegenwärtig dankend ab wenn es darum geht, recht bald Mitglied der Eurozone zu werden. Ja sogar die Kroaten, die wohl in einem Jahr EU-Mitglied werden dürften und deren Währung bereits seit längerem so wie einst an die D-Mark nunmehr an den Euro gekoppelt ist, werden sich hüten, für sich selbst die europäische Gemeinschaftswährung zu wünschen.
Angesichts dieser Fakten muss man die Fragen stellen, was denn so schlimm wäre, wenn das eine oder andere Land nicht mehr Mitglied der Eurozone sein könnte. Der nunmehr von allen Seiten als mehr oder weniger unvermeidlich angesehene massive Schuldenschnitt für Griechenland allein wird nämlich das Problem nicht lösen. Nur ein gleichzeitiger Austritt aus der Eurozone und die Rückkehr zu Drachmen könnte den Hellenen helfen. Aber nein, so heißt es aus Brüssel, dann wäre die Gefahr eines Dominoeffekts zu groß und die EU bräche womöglich wirklich auseinander. Wenn die Dänen und die Schweden gute Europäer sein können ohne Euro, warum nicht auch die Griechen, warum nicht auch die Portugiesen? Und wenn man konsequent weiterdenkt, warum nicht auch Italiener, Spanier und – ja sogar – die Franzosen?
Wer glaubt mit der Erweiterung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und mit einem Haircut für Griechenland würde die Krise enden, der irrt nämlich gewaltig. Man muss nur die Nachrichten aus der Finanzwelt verfolgen. In den letzten Tagen wurde Italien weiter herab gestuft, Spanien, Portugal sowieso und nunmehr sogar französische Banken. Ihre Kreditwürdigkeit wird eben laufend geringer und man darf dafür nicht die ach so bösen Ratingagenturen aus den Vereinigten Staaten verantwortlich machen. Es war schon die mehr als leichtfertige Schuldenpolitik der besagten Länder, die dazu führte. Und nun werden sie eben auch einen Preis dafür zahlen müssen, dass sie allzu lange Jahre auf Pump gelebt haben.
Andererseits könnte man darüber nachdenken, ob es nicht einen umgekehrten Weg gäbe: Wenn die Schuldenländer nicht aus der Eurozone austreten wollen oder dürfen, warum treten dann nicht die wirtschaftlich einigermaßen gesunden Länder die in der Lage sind, eine harte Währung volkswirtschaftlich mitzutragen aus der Eurozone aus? Sollen Griechen, Portugiesen, Spanier, Italiener, Franzosen und Iren den Euro behalten, wenn Deutschland, die Niederlande, Finnland und Österreich sich daraus zurückziehen könnten, um einen gemeinsamen kerneuropäischen Hartwährungsverbund zu bilden. Damit könnten sie ihre Bonität erhalten und wären ihrerseits auch währungs- und finanzpolitisch in der Lage europäische Solidarität zu üben, um den südeuropäischen Euroländern Hilfe zu gewähren.
Wenn sie hingegen selbst in der Eurozone bleiben und über einen aufgeblähten Stabilitätsmechanismus vervielfacht durch die sogenannte Hebelwirkung ständig Milliardenzahlungen zu leisten haben, könnte ihre Bonität selbst über kurz oder lang schwinden. Und damit ihre Fähigkeit zu helfen. Das Problem dabei ist natürlich das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland. Die Verbindung zwischen diesen beiden großen EU-Ländern ist ja der Kern der europäischen Integration, wenn diese Verbindung zerbricht ist diese Integration tatsächlich in ihrem Zentrum gefährdet. Nur wenn man sich mit dem Gedanken vertraut macht, dass die gemeinsame Währung nicht unbedingt das zentrale Wesenselement der europäischen Einigung sein muss, wird man diese Gefahr überwinden können. Das Beispiel jener Staaten, die nicht in der Eurozone sind und die dennoch als gute Europäer gelten, sollte uns da diesbezüglich Hoffnung geben.