Haben Nationen Freunde?

2. Juli 2013

Bismarck soll es gesagt haben: Nationen haben keine Freunde, sie haben nur Interessen. Wenn man die gegenwärtigen Spannungen zwischen den USA und den Europäern unter diesem Aspekt betrachtet, wundert man sich jedenfalls nicht. Angeblich sind die Amerikaner ja die engsten Verbündeten der Europäer im Zuge der atlantischen Wertegemeinschaft. Und dennoch haben sie uns schamlos ausspioniert. Haben die EU-Gebäude in Brüssel verwanzt, das deutsche Kanzleramt abgehört und vieles mehr.

Tut man das unter Verbündeten? Ist das womöglich ein normaler Vorgang, das man eben auch über Staaten mit denen man keine Konflikte hat Daten und Fakten sammelt? Oder könnte man solche nicht vielmehr auf völlig legalem und offiziellem Wege mittels Nachfrage bekommen, da man doch miteinander verbündet ist?

Tatsache ist jedenfalls, dass die US-amerikanischen Geheimdienste sich eben auch als Vertreter der einzigen Weltmacht sehen. Sie tuen weltweit alles was sie wollen, greifen ungeniert auf alle Quelle zurück, spionieren alle aus, sammeln Daten, Fakten und Geheimnisse über Freund und Feind. Ähnlich wie das US-Militär als Streitmacht der einzigen Weltmacht an jeden Ort zu jeder Zeit auf diesem Planeten US-amerikanische Interessen durchzusetzen vermag, ähnlich agieren die Geheimdienste im nachrichtendienstlichen Bereich.

Ein eigenes und durchaus auch bedrückendes Kapitel ist es, dass die Briten hier offenbar gemeinsam mit den Amerikanern und gegen die Europäer agiert haben. Gegen jene Europäer, zu denen die Briten doch selbst im Rahmen der Europäischen Union gehören. Oder eben etwa doch nicht? Fühlen sie sich vielmehr im anglo-amerikanischen Boot wesentlich wohler als im europäischen? Die Politik David Camerons macht es uns wieder einmal deutlich. Und die Daten-Spionage-Affäre erst recht.

Eines ist jedenfalls klar, das vielgepriesene transatlantische Verhältnis, die Waffenbrüderschaft vieler europäischer Länder mit den Amerikanern im Zuge der Nato, alles das ist nicht viel Wert, wenn die einzige Weltmacht ganz andere Interessen hat. Und klar sollte auch sein, dass die Europäer eine eigene globale Außen- und Sicherheitspolitik erst dann betreiben werden können, wenn sie sich von den US-Amerikanern emanzipieren. Das gilt für die NATO ebenso wie für den geheimdienstlichen Bereich und das gilt erst recht für die Wirtschaft. Das gegenwärtig so hoch gepriesene Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa ist nämlich im Grunde auch nur die wirtschaftspolitische Durchsetzungsebene der US-amerikanischen imperialistischen Interessen. Und es dient viel eher den US-dominierten multinationalen Konzernen als den europäischen (gibt es solche überhaupt noch)?

Der Friedensengel und Friedensnobelpreisträger Obama jedenfalls entpuppt sich zunehmend als ganz normaler US-amerikanischer Machtpolitiker, unter dem es das Foltercamp in Guantanamo nach wie vor gibt, unter dem die europäischen Bündnispartner ausspioniert werden und unter dem durchaus auch militärische Schläge an den verschiedenen Krisenorten des Planten denkbar sind. War wohl ein wenig vorschnell, dieser Friedensnobelpreis, oder?


Wir gläsernen Menschen

19. Juni 2013

Gewusst haben wir es ja schon immer! Nun wurde es allerdings wieder einmal aufs Neue bestätigt: Die Amerikaner – und nicht nur sie – wissen alles über uns. Sie können uns zu jeder Stunde orten, sie wissen, welche Telefongespräche wir führen, mit wem und warum und sie haben Zugriff auf alle unsere Daten. Getrost dürfen wir annehmen, dass das was die amerikanische NSA mit diesen Daten macht dann über kurz oder lang auch die großen – auch US-amerikanisch dominierten – Konzerne machen können: Nämlich auf all unsere Daten zugreifen, unsere Konsumgewohnheiten, unsere Lebensumstände, unsere Vermögensverhältnisse auskundschaften und für ihre wirtschaftlichen Zwecke nutzen.

Besonders traurig ist, dass ausländischen Medien (wie etwa die französische Tageszeitung „Le Monde“) zu berichten wissen, dass Österreich „das trojanische Pferd der Amerikaner“ in der EU ist. Dass also Washington und seine Geheimdienste in der Alpenrepublik besonders willfährig mit den Daten der heimischen Bürger versorgt werden. Das Unbehagen darüber wird nicht geringer wenn man dann erfährt, dass europäische Nachrichtendienste wie der deutsche Bundesnachrichtendienst oder auch das österreichische Abwehramt das gleiche machen.

Alles das natürlich unter dem Vorwand, man müsse den Terrorismus und die organisierte Kriminalität bekämpfen. Die Amerikaner beherrscht seit dem 11. September 2001 ja geradezu eine Art von Paranoia, was diesen Kampf gegen den Terrorismus betrifft. Und sie sind bereit, diesem alles an Bürgerrechten und an Privatsphäre zu opfern. – Nur müssen wir Europäer diese Paranoia unbedingt teilen? Und ist es tatsächlich wahr, dass man auf diese Art den Terrorismus bekämpfen kann und die organisierte Kriminalität eindämmen?

Anzunehmen ist, dass Mafia-Bosse und Terror-Häuptlinge längst wissen, wie man diese Kontrollmechanismen umgeht. Unbequeme Bürger hingegen, eigenwillige und non-konformistische Menschen sind dieser Überwachung vollständig ausgeliefert. „INDECT“ heißt das EU-Projekt, welches mittels völliger Datenerfassung den gläsernen Europäer herbeiführen möchte. Und wir dürfen darauf wetten, dass damit wesentlich mehr unbequeme EU-Gegner in das Netz der Daten-Spione gehen werden, als Drogendealer und Al Qaida Kämpfer. Die Freiheitsrechte des mündigen Bürgers, sein Privatleben, seine Intimsphäre werden dadurch jedenfalls schrittweise immer weiter eingeengt. Einer neuen Generation, die sich mittels „social medias“ wie Facebook und dergleichen ohnedies ständig gegenüber aller Welt preisgibt mag das nicht so bedenklich erscheinen. Wer aber noch etwas auf individuelle Freiheit hält und auf Nonkonformismus, muss angesichts dieser Entwicklung Angst bekommen. – Nicht nur vor den Amerikanern.