Vom Reiz der Ochlokratie

25. November 2022

Wenn Populismus zur ­Lumpenherrschaft wird

Die offene Gesellschaft in demokratischer Verfasstheit, gepaart mit liberaler Marktwirtschaft in sozialer und ökologischer Verantwortung, gilt gemeinhin in den westlichen Industriestaaten als das ideale politische Modell. Ein Gesellschaftsmodell allerdings, das zahlreichen Gefahren ausgesetzt ist und eine Fülle von Irrwegen kennt. Da heißt es einerseits, dass am Liberalismus die Völker zu Grunde gehen, also ihre Identität verlieren. Und andererseits gibt es natürlich so etwas wie einen Totalitarismus der Mitte, dies insbesondere im Zeitalter der political correctness. Überdies birgt die liberale Marktwirtschaft die Gefahr in sich, einen grenzenlosen Wachstumsfetischismus zu entwickeln, oder aber nur mehr die Gewinnmaximierung multinationaler Konzerne zur möglichen.
Trotzdem erscheint uns diese Form von Demokratie westlicher Ausprägung, wie es heißt, bei allen Schwächen und vielen Fehlentwicklungen als alternativlos. Die politisch-kulturelle Evolution wie sie die europäischen Nationen im Zuge des letzten Jahrtausends durchgemacht haben, nach Feudalismus, Absolutismus, zwei Weltkriegen und totalitären Regimen lässt uns dieses Gesellschaftmodell jedenfalls als das beste erscheinen.
Dass diese Staatsform, unsere Demokratie, die stets auch mit dem Parteienstaat, also mit politischen Parteien als Wahlorganisationen für die Volksvertretungen verbunden ist, beinhaltet auch andere Gefahren, nämlich jene des Populismus. An sich ist Populismus, also das Bestreben, die Meinungen und Wünsche des Volkes zu vertreten, ein Grundprinzip der Demokratie. Die Alternative dazu stellt der volkspädagogische Ansatz dar, jener nämlich, das gewissermaßen dumme und unbedarfte Volk zu belehren und zu den jeweiligen eigenen politischen Zielen hin zu erziehen. Dieser volkspädagogische Ansatz allerdings wirft die Frage auf, ob politische Entscheidungsträger prinzipiell klüger sind als das Volk und wer über die Qualität, über Sinn und Unsinn ihren politischen Ziele entscheidet.
Genau wegen dieses Problems erweist sich Populismus im Sinne der Vertretung der Ansichten und des Begehrens des Volkes eigentlich als der einzig demokratische Politiansatz. Die Gefahr dieses Populismus ist es allerdings, aus allzu opportunistischen Gründen, zumeist wahltaktischen, die niedrigen Instinkte der Menschen zu bedienen und ihre Vorurteile, Neid, Gier und Niedertracht zur Stimmenmaximierung zu missbrauchen. Solch negativer Populismus führt zwangsläufig zur Lumpenherrschaft.
Ochlokratie, also Lumpenherrschaft, zeichnet sich zumeist aus durch das Agieren catilinarischer Persönlichkeiten. Selbsternannte Volkstribune, Schein-Charismatiker reden dabei dem Wahlvolk nach dem Maul, schüren Ängste und bestärken Ressentiments, suchen Sündenböcke, anstatt reale Probleme nüchtern zu benennen und dafür Lösungen anzubieten.
Das eigentliche Ziel der Träger solcher Lumpenherrschaft ist stets im besten Falle der Nutzen der eigenen Partei oder der jeweiligen Bewegung. Im schlechteren Fall ist es persönliche Bereicherung oder persönliche Eitelkeit und persönliches Machtstreben. Naturgemäß ist dies mit Korruption und Machtmissbrauch verbunden. Ochlokratie ist also stets die Herrschaft der Lüge, ist Eigennutz und des Egoismus. Das Gemeinwohl, das Gedeihen der Res publica ist dabei unwichtig und wird bloß als verbaler Vorwand für solche Lumpenherrschaft genutzt.
Die europäische Geschichte kennt zahlreiche Beispiele solcher Lumpenherrschaft. Verkommene Machthaber und korrupte Eliten haben zu allen Zeiten und in allen Breiten des Kontinents immer wieder ihr Unwesen getrieben. Und auch die österreichische Geschichte kennt genug derlei. Das jüngste Beipiel ist wohl das türkise Regime innerhalb der Volkspartei, dass ja auch jahrelang die österreichische Bundesregierung stellte. Die türkisen Mechanismen rund um die Drehscheibe, dem bekannten Herr Schmidt mit seinen Chats, zeigt überdeutlich, wie ein solches System funktioniert. Da werden telegene Persönlichkeiten an die Spitze gestellt, die mittels manipulativer Medienstrategien Sympathie im Wahlvolk erlangen. Sie teilen Benefizien aus, behaupten Erfolge, wie etwa die viel zitierte Schließung der Balkanroute, und täuschen das Volk in nahezu allen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Belangen.
Zwar ist anzumerken, dass Lumpenherrschaft zumeist, so auch im jüngsten österreichischen Fall, nur kurzlebig ist und bald entlarvt wird. Zumeist ist es das Ausbleiben realer Problemlösungen und auch die Erkenntnis im Wahlvolk, dass hier nur des Kaisers neue Kleider präsentiert wurden, was zum Ende der Ochlokratie führen kann. Im einen oder anderen historischen Fall führte solche Lumpenherrschaft aber auch zu Tragödien welthistorischen Ausmaßes, wie im Falle der Bolschewiki oder der NSDAP leicht nachprüfbar ist.
Allerdings muss auch angemerkt werden, dass der Übergang zwischen bloßem Populismus und Lumpenherrschaft ein fließender ist. Es kann durchaus opportun sein, die Meinung des Wählers, auch wenn sie negativ konnotiert ist, politisch zu instrumentalisieren. Die Frage ist dabei allerdings, ob dies zu Lasten von Grundrechten anderer Mitbürger oder zu Lasten zwischenstaatlicher Beziehungen geht. Und die wesentliche Frage dabei ist, ob dies ohne Korruption, ohne persönliche Bereicherung und ohne Bedienung bloßer individueller Eitelkeiten vonstattengeht.
Und natürlich kann man es nicht dem Urteil der jeweiligen politischen Gegner überlassen, ob Maßnahmen und politische Bewegungen nurmehr als populistisch oder bereits im Bereich der Lumpenherrschaft zu beurteilen sind. Die Tendenz in unserer gegenwärtigen Demokratie alles, was vom politischen Mitbewerber kommt, zu verurteilen und diesem jeweils die schlechtesten Absichten zu unterstellen, ist ja unübersehbar.
Ein weiteres Kriterium für die Lumpenherrschaft ist die sinkende intellektuelle und moralische Qualität der politischen Akteure. Wenn in der politischen Klasse schrankenloser Jugendlichkeitswahn um sich greift und nur noch Telegenität und flottes Aussehen zählen, wenn berufliche und menschliche Qualifikation, finanzielle Unabhängigkeit und Erfahrung keine Kriterien für die Auswahl der politischen Führungspersönlichkeiten darstellen, ist die Gefahr der Korrumpierbarkeit und damit der Lumpenherrschaft übergroß.
Die populistische Versuchung ist also in unserer Form der Demokratie für alle politischen Akteure, für alle politischen Parteien, gegeben. Und die Gefahr, dass dieser Populismus dann in Ochlokratie, also in Lumpenherrschaft abgleitet, gibt es ebenfalls für alle Politiker und alle politischen Parteien. Das sehr einseitige Wirken der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beweist dies hierzulande überaus anschaulich. Dies betrifft zwar aktuell zumeist die türkise ÖVP und auch die freiheitliche Haider- und die Strache-Ära, ist aber im Rückblick auf die Geschichte der Zweiten Republik sehr wohl auch auf die Sozialdemokratie anzuwenden. Und wie der aktuelle Prozess gegen den Grün-Granden Chorherr beweist, gilt dasselbe für die Grünen. Die Ochlokratie ist jedenfalls die schlimmste Verfallsform unserer Demokratie westlicher Prägung. Sie zu bekämpfen, wäre eine zentrale Aufgabe für alle wirklichen Demokraten


Die Russen waren’s – wer sonst?

6. Oktober 2022

Da wurden dieser Tage also die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 in der Ostsee gesprengt. Ein schwieriges Unterfangen, das zweifellos nicht von irgendwelchen Nebenerwerbs-Terroristen durchgeführt werden konnte, sondern schon spezielles militärisches Know-how erforderte. Ein Anschlag jedenfalls, der Europas Versorgung mit russischem Gas endgültig unterband und der überdies zeigte, wie verletzlich Europas lebenswichtige Infrastruktur ist.
Und natürlich hieß es von Seiten der Mainstream-Medien und der etablierten Politik sofort: die Russen waren’s! Wieder einmal habe Wladimir Putin, jener ultimative Bösewicht der Weltgeschichte, einen Anschlag gegen den Westen verüben lassen und – wenn es auch noch nicht letztendlich bewiesen ist – neuerlich gezeigt, wozu er fähig ist. Nach seinem, wie es heißt, völlig unmotivierten Angriffskrieg gegenüber der Ukraine, neben seinen ständigen Drohungen mit der Atombombe, nunmehr eben auch terroristische Anschläge auf unsere kritische Infrastruktur. Diese Russen – schlimmer als Dschingis Khan und Hitlers SS …
Und überdies müssen diese Russen, allen voran Wladimir Putin, verdammt irrational und unlogisch denken und handeln. Warum würden sie sonst eine ihrer wirksamsten Waffen gegenüber ihren westlichen Gegnern, nämlich die Möglichkeit Gas zu liefern oder eben nicht zu liefern, durch das Kappen der Pipelines entkräften? Und warum machen sie sich die Mühe, diese Pipelines aufwändig und umständlich am Meeresboden zu zerstören, anstatt sie schlicht und einfach auf russischem Boden abzudrehen? Schon merkwürdig, diese Russen.
Dass der US-Präsident Biden bereits zu Jahresbeginn davon gesprochen hat, den Betrieb der Pipelines mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterbinden, spielt natürlich keine Rolle. Und dass erst kürzlich in eben jener Region der Ostsee, in der jetzt die Explosionen hoch gegangen sind, Seemanöver der NATO und der USA stattgefunden haben, ist natürlich auch völlig irrelevant. Das alles ist ebenso uninteressant wie die Tatsache, dass Polens Präsident Duda bereits im August den Abriss der Pipeline Nord Stream 2 gefordert hat und dass Greenpeace bereits im Juni mit polnischen Aktivisten zu den Pipelines getaucht ist, um gegen diese zu demonstrieren.
All dies ist natürlich Ausdruck des westlichen, beziehungsweise US-amerikanischen Willens, die Gaslieferungen Russlands an die Europäer zu unterbinden. Und genau dieser Willen stellt natürlich auch das einzig logische Motiv für die Sprengung der Pipelines dar. Einzig und allein die antirussischen Kräfte, also die USA, die NATO und allenfalls die Ukraine selbst, können ein Interesse an der Zerstörung von Nord Stream 1 und Nord Stream 2 haben. Und natürlich auch die EU-Europäer selbst, da sie machtpolitisch längst Trittbrettfahrer der Amerikaner geworden sind: ohne ihre eigenen Interessen im Auge zu haben und in geradezu sklavischer Abhängigkeit, militärisch wie politisch.
Auch hierzulande wissen dies die Menschen, zumindest jene, die noch zu einigermaßen kritischem Denken fähig sind. Die Politik allerdings und die meisten Medien des Landes verkünden mehr weniger lautstark das Gegenteil: Die Russen sind schuld! Und darum müssen wir die Sanktionen natürlich aufrechterhalten und möglicherweise sogar noch verschärfen. Deshalb müssen wir auch dafür sein, dass die Ukraine in die NATO kommt, koste es was es wolle! Und sogar, wenn dies den Atomkrieg bedeutet. Und die am lautstärken in dieses Horn stoßen, sind die Grünen und die übrigen Linken, jene die von sich behaupten, Pazifisten zu sein. Wahrlich eine verrückte Welt …


Europas ­„Bloodlands“

6. Mai 2022

Von Schlachtfeldern und Friedensregionen (Teil II)

Die „Bloodlands“ zwischen Baltikum und Schwarzen Meer – die Ukraine: Der amerikanische Historiker Timothy Snyder schilderte in seinem heftig diskutierten Buch „Bloodlands“ drei miteinander verknüpfte Geschichten, nämlich Stalins Terrorkampagnen, Hitlers Holocaust und den Hungerkrieg gegen die Kriegsgefangenen und die Zivilbevölkerung. Blutige Tragödien, die sich zur gleichen Zeit und am gleichen Ort, nämlich im Raum rund um die Ukraine zugetragen haben. Damit wirft er einen Blick auf diesen tragischen Teil der Geschichte des 20. Jahrhunderts, der zeigt, dass es dieses dritte zentrale Schlachtfeld zwischen Bug und Don, zwischen Baltikum und Karpaten war, in dem sich unsägliche Tragödien abspielten.
Natürlich gab es in diesem Raum auch im Laufe der Jahrhunderte vor den zwei Weltkriegen und vor unseren Tagen blutiges Völkerringen. Die Gründung des Reichs der Rus-Wikinger in Kiew und dann die Expansion des zaristischen Russlands seit Iwan dem Schrecklichen war mit gewaltigem Blutvergießen verbunden. Davor die Herrschaft der Mongolen, der Goldenen Horde, stellte ebenso eine blutrünstige Despotie dar. Auch die Kriegszüge des schwedischen Königs Karl XII. forderten zahlreiche Opfer.
Einen ersten Höhepunkt des kriegerischen Schlachtens stellt zweifellos der Napoleonische Russ­landfeldzug aus dem Jahr 1812 dar. Die zaristische Strategie der verbrannten Erde, der Untergang der französischen Grande Armée und die Opfer der russischen Zivilbevölkerung und der Streitkräfte Kutusows deuteten bereits an, was ein Jahrhundert später in dieser Region stattfinden sollte: Im Ersten Weltkrieg war die Ostfront zwischen dem Ostseestrand und den Karpaten gekennzeichnet von beispiellosen Menschenmorden.
Allein die k. u. k. Armee verlor in Galizien, das heute bekanntlich zur Ukraine gehört, in den ersten Kriegsmonaten im Herbst des Jahres 1914 mehr als eine Million Soldaten. Und die Russen trieben die zum Teil schlecht ausgebildeten und schlecht bewaffneten Muschiks in den Schlachten gegen die preußisch-deutschen Armeen im Norden und im Karpatenbereich gegen die habsburgischen Truppen gnadenlos an die Front. Menschenopfer zählten nur wenig. Bis zum Ende des Zarenreichs und bis zum Frieden von Brest-Litowsk Anfang März 1918 fielen Millionen Soldaten, Russen, Österreicher und Deutsche auf dem Territorium dieser „Blood­lands“. Und der darauffolgende Bürgerkrieg zwischen roten und weißen Einheiten in den frühen Jahren der Sowjetunion forderte weitere zahllose Opfer.
Doch damit nicht genug, forderte Stalins „Holodomor“ insbesondere in der ukrainischen Sowjetrepublik Millionen Todesopfer. Die vom sowjetischen Diktator mutmaßlich willentlich verursachte Hungernot und die politischen Säuberungen und die Maßnahmen gegen die Kulaken verursachten insgesamt wohl an die 30 Millionen Tote.
Das solcherart geschundene Land, vergrößert durch Ostpolen, das durch den Hitler-Stalin-Pakt in den Machtbereich der Sowjets fiel, sollte in der Folge zum Hauptkriegsschauplatz des deutschen Russlandfeldzuges werden. Keineswegs nur die gefallenen Soldaten, sondern Millionen sowjetischer Kriegsgefangener wurden zum Opfer des Vernichtungskriegs der Nationalsozialisten.
Vice versa kamen in der Folge Millionen deutscher Kriegsgefangener in sowjetischen Lagern um. Und auf dem gleichen Territorium fanden die von den sogenannten Einsatzgruppen verursachten Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung statt, wobei diese bereits vor dem Einmarsch der Deutschen im hohen Maße als „Klassenfeinde“ Opfer der sowjetischen Geheimdiensteinheiten geworden waren. Blutgetränkte Erde also in dieser europäischen Großregion zwischen Baltikum und Schwarzem Meer, zwischen Bug und Don, „Bloodlands“, wie es Timothy Snyder, der amerikanische Historiker formuliert.
Wenn man gehofft hatte, dass nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts und mit der Gründung demokratischer Staaten, beziehungsweise Systeme, den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts die Chance für die Entwicklung einer dauerhaften Friedensregion gegeben wäre, sollte letztlich in unseren Tagen dann auch eines Besseren belehrt werden.
Nach der vorübergehenden Schwäche Russlands unter Boris Jelzin war es das Bestreben des Kremls unter dem neuen „Zaren“ Wladimir Putin, die Großmachtstellung Russlands wiederherzustellen. „Make Russia great again“, mochte sich der Kremlherr in Anlehnung an die Devise Donald Trumps gedacht haben, als er erst im Kaukasus, dann auf der Krim und in der Ostukraine militärische Gewalt obwalten ließ. Die Hoffnung des Westens, insbesondere der EU-Europäer, dass die Demokratisierung der Staaten Mittel- und Osteuropas auch Russland erfassen könnte, blieb Illusion.
Die EU-Ostererweiterung festigte allerdings den Staatengürtel zwischen Baltikum und Balkan. Der NATO-Beitritt der meisten dieser Länder allerdings musste im Kreml das Bedrohungsszenario einer militärischen Einkreisung hervorrufen. Wladimir Putins aktueller Einmarsch in der Ukraine darf zwar als Reaktion auf diese Entwicklung definiert werden, dies stellt aber keinesfalls auch nur irgendeine Form von Rechtfertigung dafür dar.
Und wieder ist die Ukraine Schlachtfeld. Und so erweist sich, dass die Balkankriege der 90er Jahre keineswegs die letzte militärische Auseinandersetzung in Europa darstellten. Die „Blood­lands“ im Osten Europas werden neuerlich zur Stätte großflächiger militärischer Gewalt. Die Zerstörung von Städten und Dörfern, Flucht und Vertreibung von Millionen Menschen, zehntausende gefallene Soldaten und traumatisierte Zivilisten sind die Folge dieses Angriffskriegs. Von der Möglichkeit, in diesem Bereich Osteuropas auch nur langfristig so etwas wie eine Friedensregion, vergleichbar etwa mit der Alpen-Adria-Region oder dem deutsch-französischen Bereich westlich des Rheins herzustellen, wagt man nicht einmal mehr zu träumen.
Auf den europäischen Schlachtfeldern rund um Verdun und auch im Tal der Soca, wie der Isonzo heute heißt, künden nur mehr Soldatenfriedhöfe und Gedenkstädten vom einstigen großen Morden. Dort hat man sich längst auf gemeinsame Geschichtsbilder geeinigt und ist nicht mehr auf gegenseitige Schuldzuweisungen an den einstigen Gräueln angewiesen.
Friedensregionen zeichnen sich durch gemeinsames und grenzüberschreitendes Opfergedenken aus. Ein gemeinsames Opfergedenken, wie es etwa durch die Aktivitäten der Kärntner Konsensgruppe im südlichsten Bundesland Österreichs im Hinblick auf die Opfer des Nationalsozialismus und auf jene der Partisanenverbrechen längst üblich ist. Im Herzen des Balkans rund um die Schädelstätte von Srebrenica ist man allerdings noch nicht so weit. Vorläufig schweigen dort aber wenigstens die Waffen. Im Donbass tobt der Kriegsfuror weiter, wird das alte Schlachtfeld neuerlich mit frischem Blut gedüngt.


Wenn der ­russische Bär seine Krallen zeigt

27. Januar 2022

Wladimir Putin, der Herr im Kreml, ist ein Autokrat. Ein Autokrat, wie er in Russland seit den Tagen Ivans des Schrecklichen bis hin zu Leonid Breschnew die Herrschaft auszuüben pflegte. Und Wladimir Putin ist ein russischer Nationalist, ein Großrusse, der in der Tradition Peters des Großen und vielleicht sogar Josef Stalins steht, wenn es darum geht, die geopolitischen Interessen des Landes zu vertreten. Putin ist aber auch ein Realist. Ein politischer Realist, der in den globalen Konflikten der letzten zwei Jahrzehnte vielleicht keine mäßigende, aber doch eine berechenbare Rolle gespielt hat.
Die in den Medien und in den Aussagen der westlichen Politiker gegenwärtig häufig aufgestellte Behauptung, Wladimir Putin sei dabei, gegenwärtig einen großen europäischen Krieg durch eine Invasion der Ukraine anzuzetteln, ist daher wenig glaubwürdig. Gewiss, er hat eine militärische Drohkulisse gegenüber jenem Nachbarstaat aufgebaut, der über Jahrhunderte Teil des russischen beziehungsweise danach sowjetischen Imperiums war. Eine Drohkulisse, die offenbar verhindern soll, dass sich diese große Land, die Ukraine eben, dem westlichen Militärbündnis NATO anschließt. Eine Drohkulisse aber auch, die darauf hinweist, dass Putin und die Russen insgesamt offenbar nicht gewillt sind, die NATO-Osterweiterung bis hin an die Grenzen des russischen Kernlandes weiter zu akzeptieren. Eine Drohkulisse auch, die Putin offenbar als Antwort auf das gebrochene Versprechen aus dem Jahr 1989/90 betrachtet, wonach die NATO sich nicht auf ehemals sowjetisches Territorium vorwagen wolle.
Insgesamt aber steht Wladimir Putin natürlich in der Tradition der großrussischen Politik, wie wir sie seit Jahrhunderten kennen. Der größte Flächenstaat der Erde hatte stets einen Drang zu den Meerengen, zu den offenen Weltmeeren gehabt, im Norden über Murmansk zum Eismeer, in der Ostsee über das Baltikum und im Süden zu den Dardanellen. Dass das neue Russland unter Putin die baltischen Staaten verloren hat, wurde indessen im Kreml wohl akzeptiert. Die Eigenständigkeit der baltischen Völker, abgestützt durch die NATO-Mitgliedschaft ist Faktum. Ein Faktum, das allerdings relativiert wird durch die zahlenmäßig starken russischen Minderheiten in diesen Staaten. Deren bürgerliche Rechte zu stärken, sollte eigentlich ein Anliegen der Europäischen Union sein, wenn man nicht will, dass der Kreml als russische Schutzmacht dies durchsetzt.
Als die Sowjetunion zerbrach und in der Folge auch der russische Zentralstaat Randbereiche abgeben musste, war der Kreml in der Periode von Boris Jelzin in der Defensive. Erst unter Wladimir Putin war der russische Bär in der Lage, sich vom machtpolitischen Krankenbett zu erheben und nach und nach seine Krallen zu schärfen. Neben jenem Bündnis, das Russland mit Weißrussland und anderen ehemals zu Russland gehörenden Bereichen errichtete, ist es zweifellos so etwas wie ein Machtanspruch in Richtung auf alle ehemals sowjetischen Territorien, wobei der Kreml zweifellos auch auf jene Gebiete und Staaten schielt, die zum Warschauer Pakt gehörten.
Angesichts dieser historischen und geopolitischen Tatsache war es ein Gebot der Vernunft, dass die ehemaligen Ostblockstaaten auf eine beinahe überhastetete Art und Weise der EU beitraten und auch der NATO. Jahrzehntelang mussten sie das Schicksal von Satellitenstaaten der Sowjetunion und damit gegenüber den Russen erleiden, nunmehr war die Hinwendung zu Europa die logische Alternative, die auch Sicherheit bot. Und dasselbe galt natürlich auch für die drei baltischen Staaten.
Dass der Kreml indessen durch die NATO-Erweiterung ein Gefühl der Einkreisung entwickeln musste, liegt auch auf der Hand. Als in den 60er Jahren die Sowjetunion Raketen auf Kuba stationierten, fühlten sich die US-Amerikaner in derart hohem Maße bedroht, dass dies beinahe zu einem Atomkrieg geführt hatte. Wenn nunmehr moderne Waffensysteme in Polen stationiert werden, ist es also nur verständlich, dass der Kreml ebenfalls allergisch darauf reagiert. Ein Ausgreifen der NATO auf die Ukraine wäre indessen tatsächlich das Vordringen des westlichen Militärbündnisses in eine Region der ehemaligen Sowjetregion, deren Osten noch dazu in weiten Teilen auch von Russen besiedelt ist. Ob nun Wladimir Putin tatsächlich so weit gehen wird, um diesen russisch dominierten Osten der Ukraine auch militärisch zu besetzen und so wie vor wenigen Jahren die Krim der russischen Föderation einzuverleiben, bleibt abzuwarten. Mit dem Erzwingen eines Plebiszits im östlichen Landesteil könnte eine solche Maßnahme nach dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker sogar nachträglich absichern.
Die gegenwärtigen Spannungen zwischen Russland und der NATO sollten allerdings nicht von den grundsätzlichen geopolitischen Fragen ablenken. Und da ist es das zentrale Problem, wie sich EU-Europa künftig hin gegenüber Russland verhält. Vergessen werden darf ja nicht, dass die Russen mit nahezu 140 Millionen Menschen das stärkste europäische Volk sind, das allerdings auch teilweise auf asiatischen Boden siedelt. Davon leben 115 Millionen Russen in Russland selbst und immerhin 23 Millionen in anderen benachbarten Staaten. Dass der Kreml sich als Schutzmacht dieser Menschen sieht, ist legitim. Wie weit deshalb allerdings Eingriffe in die Souveränität anderer Staaten und Grenzänderungen möglich sind, ist eine andere Frage.
Aus einer historischen Perspektive gesehen ist es einigermaßen paradox, dass das größte europäische Volk, die slawischen Russen eben, das überdies ein christlich geprägtes Volk ist, von der europäischen Integration ausgeschlossen sein soll. Natürlich ist der größte Flächenstaat des Planeten nicht so einfach in die Integration nach dem Muster der Europäischen Union einzubeziehen wie die Slowakei oder auch ein größeres Land wie Polen. Und natürlich stellt sich die Frage, wie weit ein derart großes und militärisch mächtiges Land nicht hegemoniale Ansprüche im Zuge einer solchen Integration hätte. Dennoch liegt es auf der Hand, dass die Europäische Union mit dem größten europäischen Volk, mit einem anderen europäisch dominierten Staat besondere und engere Beziehungen haben müsste als mit allen anderen Bereichen auf diesem Planeten.
Solcher Art könnte die EU, die gegenwärtig ja machtpolitisch im globalen Ringen nur eine Statistenrolle zu spielen vermag, zum wirklichen weltpolitischen „Player“ werden. Ein Bündnis Europas mit Russland wäre ein veritables Gegengewicht zur abstiegsgefährdeten USA und zum immer offensiver werdenden roten Giganten China.
Natürlich gibt es da das Problem der mangelnden Demokratie und der immer wieder auftretenden Gefährdung der Menschenrechte in Russland. Da müsste der Kreml einmal daran gehen, die alten moskowitischen autokratischen Tendenzen zu hinterfragen und zu eliminieren. In der Europäischen Union allerdings sollte man diesbezüglich vom hohen Ross heruntersteigen und angesichts der eigenen Demokratiedefizite gegenüber Russland ein geringeres Maß an Selbstgerechtigkeit äußern.
Andererseits bestünde die Möglichkeit, dass das wertkonservative Gesellschaftsmodell, das in Putins Russland dominiert, die Betonung von Patriotismus, Familiensinn und Bewahrung der eigenen Kultur, befruchtend auf die einigermaßen dekadenten Gesellschaften EU-Europas einwirkt.
Die Traditionen der Aufklärung, wie sie in Europa entwickelt wurden und die Tiefe der russischen Seele sollten hier auf der Basis der christlich europäischen Kultur eine gemeinsame zukunftsträchtige Entwicklung der europäischen Kulturvölker ermöglichen. Ein Modell, das als Gegenentwurf zum hyperdekadenten Zeitgeist der US-amerikanischen gesellschaftlichen Entwicklungen mit „political correctness“, „me too“, black lives matter“, „wokeness“, etc. auf der einen Seite und auf der anderen Seite zum totalitären staatskapitalistischen Systems Chinas taugen könnte. Ob ein solches Modell allerdings angesichts der realen Verhältnisse der Gegenwart, der Zuspitzung der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen, wie wir sie in diesen Tagen erleben müssen, denkmöglich wäre, ist wenig wahrscheinlich – leider!


Erbfeind­schaften ­überwinden!

23. Juli 2021

Der lange Weg zur nationalen Internationale

Die Geschichte Europas, jene des früher so genannten „christlichen Abendlandes“, vom Ende der Antike bis herauf in unsere Tage ist geprägt von großen Gemeinsamkeiten der Kulturnationen, aber auch von andauernden, überaus blutigen und brutalen Konflikten. Als sich nach der Völkerwanderung die Grundgestalt der europäischen Völkerfamilien, eben die romanische Welt, die germanische Welt und die slawische, durchsetzt von Splittern alter Völker wie etwa der Basken und aufgemischt durch aggressive Zuwanderung wie etwa der Magyaren, herauskristallisierte, war dies von Anbeginn von kriegerischen Konflikten begleitet. Der Kampf um Territorien, um natürliche Ressourcen, um Macht- und Herrschaftsansprüche, der permanente Konflikt zwischen imperialem gesamtabendländischen Machtanspruch und territorialer Herrschaft und die Auseinandersetzung zwischen sakraler Macht und imperialer prägten die Entwicklung der europäischen Völker. So gesehen ist die gesamteuropäische Geschichte eine nahezu nahtlose Abfolge von Gefechten, Schlachten, Kriegen und gewaltsam ausgetragenen Konflikten.
Daneben gibt es allerdings auch ein gemeinsames geistiges Erbe, das – in unterschiedlicher Qualität und Stärke natürlich – nahezu von allen abendländischen Kulturnationen rezipiert und weiterentwickelt wurde. Da sind die griechische Philosophie, das römische Recht, der germanische Freiheitswille und der vom Judentum übernommene Monotheismus des Christentums. Diese geistig-kulturelle Gemeinsamkeit bündelt sich machtpolitisch am stärksten im Sacrum Imperium, dem Heiligen Römischen Reich, das später „deutscher Nation“ genannt wurde. Dieses christlich-katholische Abendland, dem vom Anbeginn die slawisch dominierte Orthodoxie Osteuropas gegenübersteht, spaltete sich nach der Reformation in einen katholischen und einen protestantischen Teil, der sich in den Glaubenskriegen bis hin zum Westfälischen Frieden gegenseitig zerfleischte. Und bei allen machtpolitischen Anta­gonismen, die dieses alte Europa, dieses christliche Abendland, zerrissen, gab es mit der islamischen Welt einen gemeinsamen geistlig-kulturellen, also religiösen, aber auch geopolitischen Gegner. Dieser stürmte im Frühmittelalter von Nordafrika kommend über die Iberische Halbinsel vor und im Spätmittelalter und in der Neuzeit dann über den Balkan.
Aus all diesen historischen Entwicklungssträngen kristallisierte sich im 18. und 19. Jahrhundert jenes europäische Gleichgewicht heraus, das die europäischen Großmächte bis hin ins Zeitalter der zwei Weltkriege im gegenseitigen Verhältnis ausbalancierte. Diese beiden Weltkriege indessen, die auch so etwas wie „europäische Bürgerkriege“ waren, und durch die jeweiligen Flankenmächte, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika und das kommunistische Russland, letztendlich gewonnen wurden, führten nach vielen Millionen Toten und der Zerstörung des halben Kontinents zur Einsicht, dass die blutigen Gegensätze zwischen den europäischen Völkern überwunden werden müssen. Der darauf aufbauende Integrationsprozess Europas konnte sich aber erst nach dem Zusammenbruch des Sowjetkommunismus und des Warschauer Pakts voll entfalten. Der solcherart entstehende Staatenverbund, der ursprünglich vorwiegend nach ökonomischen Prämissen konzipiert war als Wirtschaftsgemeinschaft und Zollunion, hat spätestens mit den Maastricht-Verträgen und mit der Wahl eines politischen Kurses hin zum Zentralismus, wenn nicht gar zum Projekt der „Vereinigten Staaten von Europa“, auch massive Gegenkräfte hervorgerufen. Gegenkräfte, die auch in einem integrierten Europa das Prinzip der nationalen Souveränität bewahren wollen und ihre kulturelle Identität nicht zu Gunsten eines europäischen Meltingpots aufgeben wollen. Träger dieses Widerstands gegen die Errichtung eines europäischen Superstaats sind logischerweise patriotische, nationalorientierte Parteien, aber nach der EU-Osterweiterung insbesondere auch die sogenannten „Visegrad-Staaten“.
Bereits bei Anbeginn der europäischen Integration in den Nachkriegsjahren war klar, dass diese nur durch einen Ausgleich unter den vormals untereinander führenden europäischen Nationen möglich sein würde. Natürlich waren dabei auch machtpolitische Überlegungen im Hintergrund wirkmächtig, wo es etwa bei der Montanunion, der sogenannten „Gemeinschaft für Kohle und Stahl“, darum ging, das deutsche Industriepotential unter Kontrolle zu halten. Bereits aber die 1957 gegründete europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG basierte im Wesentlichen auf der Überwindung der Erbfeindschaft zwischen Deutschen und Franzosen. Repräsentiert durch den Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, und den französischen Staatspräsident Charles de Gaulle, wurde diese Überwindung der Erbfeindschaft erarbeitet. Im Gegensatz zur EWG war im westlichen Verteidigungsbündnis NATO, das ja in sicherheitspolitischer Hinsicht nach wie vor neben dem integrierten Europa besteht, damals die Maxime vorhanden, dieses nordatlantische Bündnis sei in erster Linie dazu da, um die Sowjets draußen, die Deutschen unten und die Amerikaner drinnen zu halten.
Dass sich die EWG schließlich zur Europäischen Gemeinschaft und dann zur Europäischen Union entwickeln konnte, war neben der Überwindung der deutsch-französischen Erbfeindschaft das Zuschütten von vielerlei anderen Gräben, die historisch bedingt zwischen den europäischen Nationen bestanden. So war es beispielsweise in der Frühphase der EWG für die Beneluxstaaten notwendig, das Misstrauen gegenüber den Deutschen, unter denen man in zwei Weltkriegen gelitten hatte, abzubauen. Für Österreich galt es beim EU-Beitritt im Jahre 1995 die Südtirol-Problematik, die das Verhältnis zu Italien belastete, zu historisieren. Auch das historisch nicht immer einfache Verhältnis zwischen Franzosen und Briten bedurfte vor dem seinerzeitigen Beitritt des Vereinten Königreichs der Abklärung. Und vollends kompliziert wurde es mit der EU-Ostereiterung, wo das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen ein besonderes Problem darstellte, aber auch jenes zwischen Österreichern und Tschechen, das durch die Beneš-Dekrete bis zum heutigen Tag belastet ist. Aber auch das Verhältnis Ungarns zu seinen Nachbarstaaten, insbesondere zu Rumänien und zur Slowakei, war durch komplizierte historische Konflikte, insbesondere durch die gewaltigen Verluste an Staatsgebiet, die Ungarn durch den Frieden von Trianon zu verkraften hatte, belastet.
Nun sind historisch gegebene territoriale Ansprüche innerhalb der Europäischen Union längst obsolet geworden. Probleme mit ethnischen Minderheiten, die jeweils jenseits der Staatsgrenzen leben, gibt es aber dennoch. Und alte nationale Antipathien und Ressentiments gedeihen subkutan nach wie vor.
Und die jeweils innenpolitischen Erben dieser gegenseitigen Erbfeindschaften und Ressentiments, die ja auch einen guten Teil der jeweiligen nationalen Identität der europäischen Nationen ausmachen, sind natürlich jene politischen Bewegungen, die nationalorientierte patriotische Einstellungen vertreten. Aber auch diesbezüglich gibt es eine reiche Palette an historisch bedingten unterschiedlichen Haltungen. Der Rassemblement National, der frühere Front National, kultiviert beispielweise auch heute noch unter Marine Le Pen gewisse antideutsche Haltungen. Insbesondere, wenn es darum geht, die Politik der Bundeskanzlerin Merkel oder die Haltung Deutschlands in der Währungsfrage zu kritisieren. Andererseits war aber Jean-Marie Le Pens Front National auch ein Erbe des petainistischen Frankreichs, das bekanntlich mit den Deutschen kollaboriert hatte und damit von einer gewissen Deutschfreundlichkeit geprägt war.
Oder etwa der Vlaams Belang, der frühere Vlaams Blok, der in der Tradition jener flämischen politischen Kraft stand, die in zwei Weltkriegen mit den Deutschen sympathisierte, wenn nicht kollaborierte. Im Gegensatz dazu die patriotischen Parteien Hollands oder Dänemarks, die gegenüber deutschen Machtansprüchen immer kritisch eingestellt waren. Überhaupt ist es eine interessante historische Konstante, dass man zumindest unterschwellig den patriotischen Kräfte jener Länder, die in den zwei Weltkriegen an der Seite der Mittelmächte oder der Deutschen standen, auch heute noch eine gewisse Deutschfreundlichkeit zuordnen kann. Und dies zeigt sich auch nunmehr im Verhältnis der patriotischen Parteien der diversen EU-Staaten zueinander. Während die Kroaten und Ungarn und natürlich auch die österreichischen Freiheitlichen und der belgische Vlaams Belang, aber auch die Spanier und Italiener keine Probleme mit der deutschen AfD, der „Alternative für Deutschland“ haben, ist dies insbesondere mit der polnischen PiS-Partei völlig anders.
Wenn nunmehr also ein politischer Prozess im Gange ist, in dem sich jene politischen Kräfte der EU-Mitgliedstaaten, die gegen den Brüsseler Zentralismus und für die nationale Souveränität der eigenen Länder eintreten, einander annähern, ist dies nur möglich, wenn die alten historischen Hypotheken abgetragen werden und die vielfältigen und zahlreichen Gräben, die es zwischen den europäischen Nationen historisch bedingt gibt, zugeschüttet werden.
Politische Beobachter aus den Reihen der Mainstream-Medien konstatieren in diesen Tagen voller Häme, dass die Unterschiedlichkeiten zwischen jenen 16 Parteien, die die jüngste Deklaration der patriotischen Parteien auf EU-Ebene unterfertigt haben, viel größer seien als die Gemeinsamkeiten. Sie übersehen aber, dass es eben das Bestreben gibt, diese Unterschiedlichkeiten zu überwinden, die historischen Hypotheken abzutragen und dass es so etwas wie einen Minimalkonsens im Hinblick auf die wichtigsten Fragen gibt, der diese Gruppierungen eint.
Allen gemeinsam ist ihnen nämlich das Streben nach Erhaltung der eigenen nationalen, kulturellen und ethnischen Identität sowie die Erhaltung der nationalen Souveränität ihrer jeweiligen Staaten, bei einem durchaus positiven Bekenntnis zu einer rechtverstandenen europäischen Integration. Es geht ihnen nicht um die Zerschlagung der EU, sondern vielmehr um eine Reform derselben in Richtung auf ein gemeinsames und geeintes Europa der Vaterländer. Zusätzlich gemeinsam ist ihnen allen ein Eintreten für die eigenen Familien und eine pro-natalistische Politik sowie die Ablehnung der Massenmigration und des Asylmissbrauchs.
Allein diese Ziele sind von derartiger Bedeutung für den Fortbestand der europäischen Kulturvölker, dass sie die Überwindung alter nationaler Antagonismen, der alten Erbfeindschaften eben mehr als legitimieren. Historisch mehr als berechtigte Sorgen der Polen, beispielsweise zwischen der europäischen Führungsmacht Deutschland und dem immer selbstbewusster werdenden Russland Putins marginalisiert zu werden, sollten eine Kooperation mit der deutschen AfD künftighin nicht mehr unmöglich machen.
Und es sollte auch für die polnische PiS-Partei denkbar sein, das positive Verhältnis dieser europäischen patriotischen Parteienfamilie hin zu Putins Russland mitzutragen, dies deshalb, da Putin für sein Land ganz offensichtlich einen guten Teil jener Werte lebt, wie eben Patriotismus, Familiensinn und wertkonservative Haltungen, die eben die europäischen Rechtsparteien auch pflegen.
Das alte, eher zynisch anmutende Bonmot, dass nämlich Nationen keine Freunde, sondern Interessen hätten, mag zutreffen. Und es mögen diese Interessen der europäischen Nationen nach wie vor in vielerlei Hinsicht unterschiedlich sein. Ein zentrales gemeinsames Interesse teilen sie aber jedenfalls: Das ihrer Existenzerhaltung.
Und diese ihre Existenz als geistig-kulturelle, als sprachliche Identitäten und auch als politische Organisationsformen wird wohl nur gewährleistet werden können, wenn die europäischen patriotischen Freiheitsparteien in ihrem Kampf genau dafür erfolgreich sind. Und das wird nur gemeinsam möglich sein.


Dekadenz als Staatsräson

29. Juni 2021

Politisch korrekt gegen das einst „Normale“

Was gab es da in den letzten Tagen an Aufregung über ein angeblich homophobes Gesetz, das Ungarns Regierung unter Viktor Orbán erlassen habe. Die gesamte Europäische Union empörte sich, die Kommissionspräsidentin bezeichnete das Gesetz als „Schande“ und sogar der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz unterschrieb den Protestbrief an Orbán. Homosexuelle, Lesben und Trans-Gender-Menschen würden diskriminiert, an den Pranger gestellt. Ein Gesetz, das absolut gegen die europäischen Werte verstoße.
Was aber steht tatsächlich im ungarischen Gesetz: Dieses „Anti-Pädophilie-Gesetz“, wie es sich selbst versteht, sagt entgegen der Behauptungen in den Mainstreammedien folgendes: Der Staat schützt zum einen die Rechte der Kinder auf ihre geschlechtliche Identität, wie sie seit der Geburt vorgegeben ist.
Dieses Gesetz verbietet weiters, Kinder unter 18 Jahren pornographische Inhalte zugänglich zu machen und Sexualität in „unangemessener Weise darzustellen“, sowie Propaganda für das Abweichen von der Geburt entsprechenden Identität, für Geschlechstumwandlungen und für Homosexualität.
Weiters wird in dem Gesetz die Sexualerziehung in den Schulen reguliert, um das Recht der Eltern auf sexuelle Aufklärung ihrer Kinder zu gewährleisten und Frühsexualisierung zu verhindern.
Und zu guter Letzt soll ein Register von Sexualstraftätern angelegt werden, um ein härteres Vorgehen gegen Kinderpornografie zu ermöglichen.
Warum nun das politisch-mediale Establishment in der EU gegen dieses Gesetzesvorhaben Sturm läuft, ist nur verständlich, wenn man weiß, dass indessen politisch korrektes Eintreten für sexuelle Randgruppen, für militanten Feminismus, für sprachliches und schriftliches Gendern, für die aus den USA kommenden Bewegungen wie „#metoo“ und“ Black Lives Matter“ längst zur offiziösen Ideologie der Europäischen Union, sozusagen zur Staatsdoktrin geworden sind. Längst geht es nicht mehr um Toleranz und Akzeptanz von Menschengruppen mit abweichenden sexuellen Orientierungen, sondern es scheint sich viel mehr um die Dominanz derselben zu handeln.
Tatsächlich sind in der EU politische Kräfte, die für ein konservatives Familienbild eintreten, und sich dagegen wehren, Schwule, Lesben und Transgender zu einem gesamtgesellschaftlichen Vorbild hochzujubeln, massiv im Rückzug. Auch in den christdemokratischen Parteien in der Europäischen Union gibt es kaum noch jemanden, der das ursprüngliche christliche Familienbild oder die katholische Position zur Homosexualität zu vertreten wagt. Die Kirche selbst, sogar der Vatikan und der Heilige Stuhl sind diesbezüglich längst auf den Zeitgeist eingeschwenkt und nur in Ausnahmefällen wie gegenwärtig beim italienischen Staat gibt es ein Beharren auf konservative Positionen.
Selbst der an sich unpolitische Sport – zuletzt bei der Fußball-Europameisterschaft – wird für die Propagierung dieser Ideologie der Libertinage missbraucht. Da trägt der deutsche Teamkapitän Manuel Neuer eine Armschleife in Regenbogenfarben, da soll gar das Münchner Allianz-Stadion in denselben Farben erstrahlen und statt der schwarz–rot–goldenen Nationalfarben werden quer durch ganz Deutschland diese Regenbogenfahnen ausgehängt. Und die linksliberalen Mainstreammedien hetzen gegen Ungarn in einer Art und Weise, die alles andere als partnerschaftlich ist und das mit politischer Begleitmusik etwa des holländischen Regierungschefs, der den Ungarn den EU-Austritt empfiehlt.
Tatsächlich sind es die ost-mitteleuropäischen EU-Staaten wie Polen und in geringerem Maße die baltischen Länder, in denen das herkömmliche Familienbild, gepaart mit wertkonservativen Ansichten und einem gesunden Patriotismus, noch vorherrschend sind. Und außerhalb der Europäischen Union ist es Wladimir Putins Russland, in dem diese Wertvorstellungen gepaart mit einer zunehmenden Hinwendung zur Orthodoxen Kirche dominant sind.
Für den dekadenten westlichen Bereich der Europäischen Union erscheinen diese Haltungen, reaktionär, rassistisch und inhuman, eben den „Europäischen Werten“ widersprechend.
Solcherart tut sich zwischen diesem dekadenten Bereich der Europäischen Union und den Visegrad-Staaten eine zunehmende Kluft auf, die durch völlig differierende Gesellschaftsmodelle und Staatsziel-Vorstellungen geprägt ist. Während man in Ungarn, in Polen und in den anderen östlichen Ländern die Erhaltung des eigenen Volkstums und der eignen Kultur in den Mittelpunkt stellt, sind es im Dekadenz-Gürtel der Europäischen Union die Maxime der politischen Korrektheit, die zur Staatsdoktrin erhoben werden.
Ein zentrales Element dieser Ideologie ist die Migrationsbefürwortung, das, was man seit 2015 „Willkommenkultur“ nennt. Und kurioserweise sind die solcherart entstandenen Parallelgesellschaften Residuen reaktionärer, ja atavistische Gesellschaftsmodelle. Homosexualität ist bekanntlich im muslimischem Bereich absolut stigmatisiert und Feminismus und Genderismus haben in diesen Bereichen ebenso wenig Bedeutung.
Und der Pflicht-Antifaschismus und Pflicht-Antirassismus, der in der liberalen Gesellschaft längst jenseits jeglicher Diskussion steht, wird in diesen Parallelgesellschaften nur in sehr geringem Maße verinnerlicht werden. Ob beispielsweise die türkischen Communities oder die arabischen Clan-Gemeinschaften in Zukunft pflichtschuldigst die diversen Holocaust-Gedenkfeiern begehen werden, darf bezweifelt werden.
Jedenfalls ist es kein Zufall, dass sich die patriotischen Freiheitsparteien quer durch die Europäischen Union zunehmend der politischen Linie der Visegrad-Staaten annähern und dass Viktor Orbán und der starke Mann der polnischen PiS-Partei, Kaczynski, einer Marine Le Pen, einem Matteo Salvini oder einem Herbert Kickl heute näher stehen als die diversen Exponenten der christlich konservativen Parteien in der EU. Auf der einen Seite steht das wertkonservative Europa, auf der anderen Seite der dekadente Teil der EU.
Wer von diesen beiden Bereichen siegen und wer auf der Strecke bleiben wird, bleibt abzuwarten. Im historischen Zusammenhang ist jedenfalls festzustellen, dass die Dekadenz eine gewisse Neigung zur Selbstzerstörung aufzuweisen hat: Gesellschaften, die keine Kinder haben, die die eigene Kultur nicht hochhalten, das eigene Land nicht zu schützen ­bereit sind, die schaffen sich irgendwann einmal ab.


Macron, ­Marine und Michel

3. Juni 2021

Die Grande Nation und Europas Zukunft

Wenn Michel Houellebecqs „Submission“ die Islamisierung Frankreichs beschreibt, könnte er sich als Prophet erweisen. In Houellebecqs­ Dystopie kommt es bei französischen Präsidentschaftswahlen zur Konfrontation zwischen dem starken rechten Kandidaten – in der Realität wäre das Marine Le Pen – und einem islamistischen Präsidentschaftskandidaten. Die vereinte Linke und der gesamtgesellschaftliche politisch-korrekte Bereich unterstützen den Islamisten, um den ach so bösen Rechten den Erfolg zu verwehren. Der Islamist siegt und die politisch-korrekte Mitte der Gesellschaft biedert sich zuerst dem neuen Herrn an, um letztlich aktiver Teil der Islamisierung zu werden.
Nun besagen die Meinungsumfragen ein gutes Jahr vor der französischen Präsidentschaftswahl, dass der amtierende Präsident Emmanuel Macron der rechts-nationalistischen Herausforderin, der Chefin des Rassemblement National, Marine Le Pen, unterliegen könnte. Und im Gegensatz zur Dystopie des Schriftstellers zeichnet sich vorläufig kein islamistischer erfolgversprechender Präsidentschaftskandidat ab. Sehr wohl absehbar ist allerdings, dass sich alle politischen Kräfte des Landes, von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften, von den Kulturschaffenden bis zu den diversen Migrantenverbänden gegen die ach so böse Rechtspopulistin verbünden dürften, um deren Obsiegen im zu erwartenden zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen zu verhindern. Und dies könnte das Überleben des amtierenden Präsidenten ermöglichen.
Insgesamt ist Frankreich zweifellos das Land, in dem die Islamisierung Europas am weitesten vorangeschritten ist. Nicht nur in den Banlieues von Paris, sondern auch in den entsprechenden Vierteln der anderen französischen Städte, gibt es längst „No-go-Areas“, in denen die französische Obrigkeit, der Staat, die Polizei keinerlei Machtmonopol haben. Längst gelten dort die Scharia oder das Gesetz der diversen Migranten-Clans und die Autorität der diversen Parallelgesellschaften. Und der politische Islam, der fundamentalistische Islamismus, ist in diesem Bereich zweifellos zum zentralen Faktor aufgestiegen. Ein Faktor, durch den der Kampf der Kulturen ins Innere Europas, ins Innere der „Grande Nation“ getragen wurde. Und die Kohorten des Islamismus, gesteuert zumeist aus der islamischen Welt, von Organisationen wie der Moslembruderschaft und anderen ähnlichen Gruppierungen, sie sind in Frankreich – zumindest unter der Oberfläche der politischen Landschaft – längst nicht mehr zu unterschätzende Kräfte beziehungsweise Gefahren. Die Spitze dieser Eisberge sind dann Selbstmordattentäter und fanatisierte Mörder, was bis zum Köpfen missliebiger Islamkritiker führt.
Dementsprechend ist Frankreich auch das einzige europäische Land, in dem es von der Regierungsspitze heißt, dass es sich „im Krieg“ befinde. Anders als in Deutschland oder auch in Österreich, wo man zu hören bekommt, dass der Islam zu Europa gehöre, hat die französische Obrigkeit diese Kriegserklärung des Islamismus als solche zur Kenntnis genommen und ist dementsprechend auch bereit, zurückzuschlagen. Wenn es allerdings um den Kampf gegen Rechts geht, dann sind die politisch-korrekten Kräfte des Landes offenbar bereit, diesen Kampf hintanzustellen.
Solcherart hat die französische Innenpolitik auch Signalcharakter für die Europäische Union. Dies nicht nur, weil Frankreich gemeinsam mit Deutschland nach dem Ausscheiden der Briten verstärkt zum bestimmenden Faktor der europäischen Politik geworden ist. Nein, auch deshalb, da Frankreich kulturell als eine der zentralen europäischen Kulturnationen gilt, deren gesellschaftliche Entwicklung gewissermaßen immer auch als europäische Avantgarde wahrgenommen wird. Von Frankreich ging seinerzeit die revolutionäre Entwicklung gegen die Monarchie aus. Die meisten europäischen Revolutionen der letzten 200 Jahre hatten ihre jeweiligen Vorläufer in Paris, bis hinauf zur Studentenrevolte des Jahres 1968. Und auch der europäische Einigungsprozess der EWG, dann in der EG und schließlich in der EU, wird bekanntlich vom französisch-deutschen Motor vorangetrieben. Wenn also Frankreich den Versuchen der Islamisierung erliegt, könnte dies die gesamteuropäische Entwicklung in dieselbe Richtung führen. Die Aufklärung hat seinerzeit ihren Ursprung in Frankreich gefunden, tragisch wäre es, würde die Islamisierung Europas nunmehr auch in Frankreich ihren Anfang finden.
Wenn nunmehr Teile der konservativen Eliten, repräsentiert etwa durch führende Vertreter der Generalität ihrer Besorgnis Ausdruck verleihen, und vor dem Weg Frankreichs in das Chaos warnen, erweist sich allerdings, dass es auch Kräfte des Widerstands gibt. Zum einen ist es auch sicherlich die Partei von Marine Le Pen, die diesen Widerstand artikuliert, zum anderen sind es Bereiche der konservativen Eliten, deren Kaderschmieden Präsident Macron mit dem Schließungen der Eliteschulen gerade liquidiert, die sich diesen Entwicklungen verweigern. Sowohl die politischen Erben des gaullistischen Frankreichs als auch die Erben des petainistischen Frankreichs müssten sich in der Ablehnung der kulturellen Überfremdung und der Islamisierung des Landes finden. Der traditionelle republikanische Egalitarismus der Franzosen, der nicht so sehr auf Herkunft und religiösen Hintergrund, sondern vielmehr auf staatsbürgerliche Loyalität ausgerichtet ist, ermöglichte über lange Jahrzehnte die Integration von Menschen aus den andern Kulturkreisen, insbesondere aus den ehemaligen französischen Kolonien.
Heute verweigern die solcherart entstandenen muslimischen Parallelgesellschaften jegliche republikanische Solidarität. Ob die Warnungen, wie sie nunmehr aus der französischen Armee kommen, bereits zu spät artikuliert werden, oder ob die französische Gesellschaft noch Selbstheilungskräfte aufzubieten vermag, wird man sehen. So lange von Links bis zu gaullistischen Mitte alle in politisch-korrekter Einigkeit gegen den vermeintlichen Rechtspopulismus der Marine Le Pen und ihre Anhänger auftreten, bietet dies den Islamisten die Möglichkeit, sich als Keil in der französischen Gesellschaft zu positionieren und diese zu spalten.
Überdies sind die ökonomischen und sozialen Probleme des Landes in den Monaten der Corona-Krise dramatisch gesteigert worden. Die sozialen Abstiegsängste, wie sie die Gelbwesten-Bewegung artikulierte, bedrücken einen großen Teil der Franzosen, insbesondere in den ländlichen Gebieten. Und die französische Wirtschaft mit ihrer gewaltigen Verschuldung ist bekanntlich in Wahrheit nicht in der Lage, eine starke gemeinsame europäische Währung, wie sie der Euro darstellen sollte, mitzutragen. Es ist zwar in der letzten Zeit in der politischen Debatte in den Hintergrund getreten, Tatsache bleibt aber, dass Frankreich nur dank des deutschen Flankenschutzes Teil der Eurozone zu bleiben vermag. Frankreichs zentrales Interesse, aus der Europäischen Union eine Schulden- und Haftungsunion zu machen, ist in den Monaten von Corona deutlich näher gerückt. Die Bereitschaft des deutschen Partners, diese Linie mitzutragen, ist in derselben Zeit ebenfalls gewachsen.
Und damit scheint die französische Entwicklung schicksalhaft für Gesamteuropa zu sein. Im politisch-kulturellen Bereich ist es eben die Frage der Islamisierung, die, von Frankreich ausgehend, die gesamte EU vor gewaltige Herausforderungen stellt. Und im ökonomischen Bereich ist es das Problem der gemeinsamen Haftung für Schulden der wirtschaftlich schwachen Mitgliedstaaten, die, befeuert auch durch die französische Politik, die weitere Entwicklung der europäischen Union prägen könnte. Und solcherart dürfte es nicht „gloire“, der Ruhm also der „Grande Nation“, sein, was für Europa ausschlaggebend ist, sondern die zentral Frankreich betreffenden Probleme der Massenzuwanderung der Islamisierung, des sozialen Abstiegs breiter Bevölkerungsschichten und der auf Europa abgewälzten Schuldenpolitik sein, für die das Land steht. Aus gesamteuropäischer Sicht ist also Frankreich zurzeit nicht Teil der Lösung, sondern ein gewichtiger Teil des Problems.


Österreichs Freiheitliche und der Islam

1. April 2021

Wenige Wochen nach einem mörderischen islamistisch motivierten Anschlag im Wiener Judenviertel mit vier Toten ist es überaus schwierig, eine emotionslose Antwort zu formulieren auf einen Report, der das Verhältnis der österreichischen Freiheitlichen zum Islam beleuchtet. Allzumal dann, wenn dieser Report resümierend zum Ergebnis kommt, es müsse „die Freiheitliche Partei isoliert und politisch geächtet werden“. Und wenn diese demokratiepolitisch höchst bedenkliche Forderung gegenüber einer demokratisch legitimierten Parlamentspartei Österreichs von drei Wissenschaftlern der Universität Salzburg erhoben wird, wobei einer von ihnen im unmittelbaren Anschluss an das erwähnte Attentat von den österreichischen Ermittlungsbehörden der verdeckten Nähe zur Moslem-Bruderschaft verdächtigt wird, ist diese Aufgabe umso schwieriger. Dennoch sei hier der Versuch unternommen, dem vorliegenden Report im Hinblick auf allzu verzerrende Verkürzungen und allzu einseitige Betrachtungsweisen zulasten der österreichischen Freiheitlichen eine entsprechende Entgegnung zukommen zu lassen.
Zum historischen Hintergrund: Österreichs nationalliberales Lager, zurückgehend auf die bürgerliche Revolution von 1848, basierend auf der Gedankenwelt der deutschen Klassik und der deutschen Romantik, insbesondere den Ideen eines Johann Gottfried Herder, war und ist einem „ethnopluralistischen“ Denkansatz in Hinblick auf das Wirken und den Wert von Kulturen und Ethnien verbunden. In Bezug auf die islamische Welt gab es da stets eine gewisse Ambivalenz: Einerseits wurde der Islam und sein machtpolitisches Ausgreifen – im Frühmittelalter über Spanien, bis hin zur Schlacht von Tours und Poitiers und in der Neuzeit mit der zweimaligen Belagerung Wiens 1529 und 1683 – als der zentrale Antagonismus zum „christlichen Abendland“ gesehen. Dabei wurde im nationalliberalen Bereich dieses „christliche Abendland“ nicht unter theologischen Aspekten, sondern unter kulturellen definiert.
Andererseits gewann die islamische Welt spätestens seit dem 19. Jahrhundert innerhalb des nationalliberalen deutschen Bürgertums, auf dessen Tradition dann auch die heutige FPÖ fußt, so etwas wie einen romantischen Zauber. Die Märchenwelt von „1001 Nacht“ und die Jugend- und Reiseliteratur Karl Mays rund um „Kara Ben Nemsi“ mit der damit verbundenen positiven Konnotierung der islamischen Welt gehörten zum Bildungskanon eben dieses Bürgertums. Und die „Waffenbrüderschaft“ mit dem Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg tat ein Übriges.
Ebenso war es die britische und französische Kolonialpolitik im Nahen Osten und Nordafrika, die innerhalb dieses nationalliberalen Lagers auf Ablehnung stieß. Auch der in den letzten Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit in allen politischen Lagern, insbesondere aber zweifellos in nationalliberalen Lagern, wirkmächtige Antisemitismus und in der Folge Antizionismus bewegte dieses Lager zu einer gewissen Sympathie mit der „arabisch-islamischen Sache“. Damit im historischen Kontext mag auch die Unterstützung der NS-Führung für den Großmufti von Jerusalem stehen.

Und nach 1945 fand die pro-arabisch, pro-palästinensische Politik eines Bruno Kreisky und die Haltung von Kurt Waldheim als UNO-Generalsekretär weitgehende Zustimmung innerhalb des nationalliberalen freiheitlichen Lagers. Auch die zweifellos guten Beziehungen Jörg Haiders in den arabischen Bereich zu Gaddafi und Saddam Hussein sind eine Folge dieser grundsätzlichen pro-arabischen, pro-islamischen Haltung.
Rechtspopulismus und Zuwanderungs-Islam: Mit dem Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus und des Warschauer Pakts in den Jahren 1989 ff. ging auch eine grundlegende Veränderung der politischen Landschaft in den westeuropäischen Demokratien Hand in Hand. Der beginnende Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen in Frankreich, in Italien, in Belgien und in den skandinavischen Ländern und primär mit der Haider-FPÖ auch in Österreich vollzog sich in den 90er-Jahren, aber keineswegs in erster Linie als Reaktion auf Zuwanderung und Migrationsbewegung. Dieser Aufstieg basierte vielmehr auf einer allgemeinen Anti-Establishment-Politik nach dem Motto „Wir da unten gegen die da oben“. Allerdings waren alle dieser rechtspopulistischen Bewegungen in unterschiedlicher Gewichtung der jeweiligen eigenen nationalen und kulturellen Identität verpflichtet.
So etwas wie eine Anti-Immigrationspolitik deutete sich in Österreich erstmals im Jahre 1993 an, als Haider das Volksbegehren „Österreich zuerst“ startete. Auch die damit verbundene Zuwanderungskritik richtete sich keineswegs primär gegen den Islam, sie war vielmehr weitgehend gegen Zuwanderung aus Ost- und Südosteuropa gerichtet.
Das genuin antiklerikal orientierte nationalliberale Lager und die daraus erwachsende freiheitliche Partei hatten stets eine kritische Distanz zum politischen Katholizismus, der ja in erster Linie vom christlichsozialen Lager und von der Österreichischen Volkspartei vertreten wurde. Im Zuge der populistischen Neuorientierung der Partei, wonach man mit einer gewissen inhaltlichen Beliebigkeit für alle Wählerschichten offen sein wollte beziehungsweise die Hemmschwellen für ideologisch andersorientierte Wählerschichten senken wollte, auch im Hinblick auf die katholischen Österreicher, wurde innerhalb der freiheitlichen Parteiführung, insbesondere rund um den fundamentalistischen Katholiken Ewald Stadler die These vom „wehrhaften Christentum“ entwickelt. Damit wurde der Antagonismus zum Islam zwangsläufig verstärkt, allzumal es gerade in jenen Jahren zu einer zunehmenden Zuwanderung aus der islamischen Welt nach Österreich kam. Wie im gegenständlichen Report referiert, waren es im Jahre 1971 gut 22.000 Muslime, die in Österreich lebten, im Jahr 1991 knapp 160.000, im Jahre 2002 rund 500.000 und schließlich im Jahr 2016 rund 700.000 und gegenwärtig wohl 800.000 bis 900.000 Seelen. Alleine diese explosionsartige Zunahme der muslimischen Bevölkerung in Österreich auf gegenwärtig mehr als zehn Prozent erklärt die zunehmenden Abwehrmechanismen der autochthonen Bevölkerung, artikuliert im politischen Bereich eben von Mitte der 90er-Jahre an durch die FPÖ.
Im Zuge dieser Entwicklung kippte die eher islamfreundliche Stimmung innerhalb des freiheitlichen Lagers hin zur zunehmend islamkritischen Sichtweise. Das österreichische Islamgesetz von 1912, das ja im Hinblick auf die muslimischen Bosnier, die damals ja Angehörige der Habsburger Monarchie waren, geschaffen wurde, sollte sich für den massiven Zuwanderungsislam und die damit entstehenden Parallelgesellschaften als untauglich erweisen. Das Islamgesetz vom Februar 2015 mit seinen restriktiven Bestimmungen resultiert nun zweifellos – wie im gegenständlichen Report angesprochen – auf dem politischen Druck, den die FPÖ auf die damaligen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP auszuüben vermochte. Die zweifellos vorhandene Ungleichbehandlung des Islam, etwa durch das Verbot der ausländischen Finanzierung, durch die Überwachung religiöser Institutionen und andere Maßnahmen, stellt de facto so etwas wie die stillschweigende Anerkennung des Prinzips dar, dass der Islam eben nicht Teil der österreichischen Leitkultur sei.
Der Anti-Islamismus der Strache-FPÖ: Mit der Übernahme des Parteivorsitzes der FPÖ durch den Wiener Heinz-Christian Strache im Jahre 2005 wurde das Auftreten gegen den politischen Islam und gegen den Islamismus zweifellos zu einem der zentralen Themen der Freiheitlichen. Grundsätzlich aber versuchte man sehr wohl, zwischen dem zu respektierenden Islam als Weltreligion, auch in der Zuwanderungsbevölkerung, und islamistischem Extremismus auch von freiheitlicher Seite zu differenzieren­. So formulierte der Autor dieser Zeilen zu Jahresbeginn 2008 (ZurZeit 5/2008): „Der Islam als eine der monotheistischen Weltreligionen verdient unseren Respekt. Den Islam als solchen als Übel anzusehen, ist nicht angebracht. Die gemeinsamen Wurzeln des Islam mit dem Christentum und dem Judentum als abrahamitische Religionen weisen vielmehr auch auf Überschneidungen mit unseren Wertvorstellungen hin. Der Islam mit seinen fast 1,3 Milliarden Anhängern, einem Fünftel der Menschheit als zweitgrößte Religion der Welt, kann auf Traditionen und Errungenschaften zurückblicken, die unser christliches Abendland wesentlich mitgeprägt haben. Über 700 Jahre stand die Iberische Halbinsel, das katholische Spanien, unter der Herrschaft der muslimischen Mauren, die kulturellen Leistungen, Moscheenbau, Miniaturen-Malerei, aber auch Kalligraphie, sind Schöpfungen einer Hochkultur, die der gebildete Mensch nicht missen will. Ebenso wird niemand die wissenschaftlichen Leistungen der arabischen Kultur in Medizin, Mathematik und Astronomie ernsthaft in Abrede stellen. Wir Europäer müssen daher jenen Kulturen, die den islamischen Hintergrund haben, durchaus Respekt zollen. Die geopolitische Bedeutung des Islam ist so akzeptieren… Von Nigeria bis Kasachstan, von Marokko bis Indonesien sind die Mehrheitsbevölkerungen­ vom Islam, wenn auch in sehr unterschiedlichen Ausrichtungen, entscheidend geprägt. Vor allem für die arabische Welt stellt der Islam die bedeutende Klammer für ein selbstbewusstes Auftreten in der Zukunft dar. Als identitätsbewusste Bewegung unterstützt das nationalfreiheitliche Lager die Bestrebungen der islamischen Welt, sich von Fremdbestimmung zu emanzipieren. Eine verantwortungsvolle europäische Außenpolitik muss den Ausgleich mit der islamischen Welt suchen und darf sich nicht von den USA instrumentieren lassen. Daher unterstützt die FPÖ auch die Bestrebungen der Palästinenser, die in ihrem eigenen Staat leben wollen. Die aggressive Unterdrückungspolitik Israels gegen die Palästinenser ist menschenverachtend und verurteilenswert … Der einzige Weg für einen dauerhaften Frieden ist eine Zweistaatenlösung, deren Ausgangspunkt die Grenzen von 1967 sind. Ebenso haben die Freiheitlichen auch den US-amerikanischen Krieg gegen den Irak und Afghanistan immer wieder verurteilt, wenn es gegen das Völkerrecht ging und ohne UNO-Mandat geschah …“
Allerdings wurde auch schon damals formuliert, dass der islamische Fundamentalismus für die europäischen Gesellschaften wegen der muslimischen Massenzuwanderungen eine immer größer werdende Bedrohung darstelle und bereits damals verlangten die Freiheitlichen absolut legitim ein klares Bekenntnis der österreichischen Muslime und ihrer Vertretungskörper zu unseren europäischen Werten. Klar war auch, dass dies eine Absage an die Scharia und an archaische Sitten, wie sie in der islamischen Welt da oder dort vorkommen, wie Ehrenmorde, Zwangsehen und Mädchenbeschneidung umfassten. Die damals erhobene Forderung, die Islamisierung Europas und den Vormarsch des radikalen Islamismus in Europa zu stoppen, wurde allerdings durch die realpolitischen Ereignisse der Folgejahre, insbesondere durch die Massenzuwanderung des Jahres 2015, konterkariert.
Die Folge dieser Ereignisse war allerdings in Hinblick auf die österreichische Innenpolitik, dass die Österreichische Volkspartei nach dem Obmannwechsel hin zu Sebastian Kurz die freiheitlichen Forderungen und Strategien in Bezug auf Zuwanderung und auch in Bezug auf den Islam weitgehend übernahm. Tatsächlich gelang es der türkis umgefärbten Volkspartei im Jahre 2017, mit dieser Strategie die Nationalratswahlen zu gewinnen und in der Folge gemeinsam mit dem Freiheitlichen als Juniorpartner eine Mitte-Rechts-Regierung zu bilden. Als nach deren Scheitern und nach den Wahlen des Jahres 2019 die türkise ÖVP mit den Grünen eine Mitte-Links-Regierung bildete, veränderte sich die Regierungspolitik nicht grundlegend gegenüber den Muslimen im Lande. Die ÖVP des Sebastian Kurz war und ist nicht gewillt, ihre Erfolgsstrategie, die sie von den Freiheitlichen plagiierte, auf Wunsch der Grünen zu ändern. Allerdings hat das Höchstgericht die eine oder andere „überzogene“ Maßnahme der Mitte-Rechts-Regierung – wie etwa das Kopftuchverbot für Grundschülerinnen – zurückgenommen.
Resümee: Insgesamt ist die Islamismus-kritische Haltung der Freiheitlichen in Österreich weitgehend zum Mainstream geworden und das auch unter einer von ÖVP und Grünen gebildeten Mitte-Links-Regierung. Zwar wurde die eine oder andere überschießende Maßnahme, wie etwa das Kopftuchverbot für Schulmädchen, vom Höchstgericht zurückgenommen, dennoch bleiben wesentliche Restriktionen, wie etwa das der ausländischen Moscheenfinanzierung, aufrecht. Wie wir spätestens aus den „Qatar-Papers“ wissen, wird dieses Verbot allerdings immer wieder unterlaufen. Und völlig zu Recht stellen sich die Bürger etwa in den Landeshauptstädten Graz und Klagenfurt die Frage, wie die bescheidenen lokalen muslimischen Gemeinschaften aus den Spendenmitteln von muslimischen Kleingewerbetreibenden Millionen-Bauprojekte für Großmoscheen finanzieren wollen.
Die Tatsache, dass gegenwärtig etwa zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung zugewanderte Muslime darstellen und dass Phänomene wie der Familiennachzug für weitere Zuwanderung und wie der größere Kinderreichtum der muslimischen Bevölkerung, dazu führen werden, dass in einer Generation­ tendenziell ein Viertel der österreichischen Bevölkerung muslimisch sein dürfte, erweckt in der autochthonen Bevölkerung naturgemäß Ängste. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass der Souverän der Republik, nämlich eben die Bürger und Wähler, niemals im Lauf der letzten Dezennien wirklich gefragt wurden, ob sie eine derart massive Zuwanderung aus der muslimischen Welt befürworten. Die damit verbundenen kulturellen Verwerfungen, wie die Existenz von Parallelgesellschaften, Ghettos und die auch in Österreich beginnenden Ausschreitungen – man denke an Favoriten – oder der europaweit existente islamistische Terror, bestätigen diese
Befürchtungen.
Österreichs Freiheitliche mögen diese problematischen Entwicklungen „populistisch“ für ihre Agitation genutzt haben. Sie erfüllten damit aber auch die in der Demokratie überaus legitime Funktion einer Oppositionspartei, Probleme aufzuzeigen und Ängste der Bürger zu thematisieren.
Die Radikalisierung junger Muslime in der zweiten und dritten Zuwanderungsgeneration, wie sie sich bei den Übergriffen junger türkischstämmiger Männer gegenüber der Kurdendemonstration im letzten Jahr äußerte, die Krawalle in einer Kirche in Favoriten und die Ausschreitungen afghanischer Jugendlicher am vergangenen Silvester in Favoriten beweisen die Existenz dieses Problems. Der mörderische Anschlag im Wiener Judenviertel stellt den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung dar. Wer all diese Probleme verharmlost oder gar negiert, tut der Masse der friedlichen und integrationswilligen Muslime, die in Österreich leben, keinen guten Dienst, und wer stattdessen die „Ächtung“ und „Isolierung“ einer migrationskritischen Partei, wie es die FPÖ ist, fordert, schadet unserer der Demokratie.

Verteidiger der Islamisierung Europas?
Linke US-amerikanische ThinkTanks polemi­sieren gegen angebliche Islamfeinde in Europa

Die sogenannte „Brookings Institution“ ist eine Denkfabrik in Washington DC, die laut Wikipedia bereits 1916 vom „Philanthropen“ Robert Somers Brookings gegründet worden war (wohl eine ähnlicher „Philanthrop“ wie George Soros). Bereits 1970 spricht der damalige Präsidentenberater Patrick Buchanan über die „institutionalisierte Macht der Linken, die in Stiftungen gebündelt ist, die der demokratischen Partei nahe stehen“. Dies trifft ganz offenbar auf die „Brookings Institution“ zu. Bezeichnenderweise berichtet im Jahre 2014 die „New York Times“ über die Einflussnahme der Regierung von Katar auf diese Denkfabrik. Angeblich habe das hoch islamistische Katar der Brookings Institution eine Spende von nahezu 15 Millionen Dollar zugesagt, wenn die Denkfabrik auf Kritik an der Regierung Katars verzichtet.
Da wundert es dann nicht, dass diese Brookings Institution in unseren Tagen offenbar „wissenschaftliche“ Studien finanziert, die die anti-islamistischen Politik der europäischen Rechtsparteien analysieren und an den Pranger stellen. Konkret wird von Lehrenden der Universität Salzburg im Auftrag der Brookings Institution eine Analyse zum Thema „Neue Rechte: Österreichs Freiheitliche und der Islam“ erarbeitet. Unter der Leitung des renommierten Politikwissenschafters Reinhard C. Heinisch arbeiten Eric Miklin und Farid Hafez an dieser Studie. Letzterer geriet erst Ende des vergangenen Jahres in die Schlagzeilen, als der österreichische Staatsschutz in einer groß angelegten Polizeiaktion gegen Exponenten der Moslembrüder in der Alpenrepublik vorging. Farid Hafez bekam damals auch Besuch von den Staatsschützern, da er verdächtigt wurde, einer der führenden Exponenten der Moslembruderschaft in Österreich zu sein.
Auf Ersuchen der Verfasser dieser Studie sollte auch eine Gegenstimme, die das Problem
gewissermaßen aus freiheitlicher Sicht analysiert, zu Wort kommen. Konkret wurde ZurZeit-Herausgeber Andreas Mölzer von Professor Heinisch ersucht, dies zu tun. Nachstehend drucken wir diesen Text aus der Feder Mölzers ab, der versucht, die überaus islamfreundliche und die Politik der FPÖ apodiktisch verurteilende Analyse der drei Salzburger Universitätslehrer zu relativieren und streckenweise zu widerlegen. Der Vorgang an sich, dass hier eine linkslastige US-Denkfabrik, die Spenden aus islamistischen Bereichen der Golfstaaten in Millionenhöhe erhält mit „wissenschaftlichen“ Studien gegen die islamkritische Politik der europäischen Rechts- und Freiheitsparteien vorgeht, gibt zu denken. Man könnte jedenfalls zur Ansicht kommen, dass hier sehr gezielt der Islamisierung Europas gewissermaßen wissenschaftlicher Flankenschutz gewährt wird, indem man die Kritiker der Islamisierung stigmatisiert.


Europa – nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems

26. März 2021

Es gab Zeiten nach 1945, da galten Europa und die europäische Integration als die große Lösung für alle Probleme des Kontinents und seiner Menschen. Europa, das bedeutete die Hoffnung auf Frieden, Freiheit und Wohlstand. Die EWG, danach die EG und schließlich die EU, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die Europäische Gemeinschaft und dann die Europäische Union als institutionelle Formen dieses sich integrierenden Europas waren also die große Hoffnung für die europäischen Völker und damit auch für die Bürger der betreffenden Staaten.
In den letzten Jahren hat sich dies massiv geändert: Die Europäische Union bzw. das Brüsseler zentralistische System ist längst nicht mehr Hoffnungsfaktor für die Europäer, es ist zu einer Hypothek, zu einem Mühlstein, zu einer Belastung geworden. Dies hat sich in nahezu allen großen Krisen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte gezeigt: Bei der Finanzkrise des Jahres 2007/2008, bei der Flüchtlingskrise des Jahres 2015 und
nunmehr bei der aktuellen Coronakrise.
Schon zu Beginn der Pandemie hat man sich in der Europäischen Union in keiner Weise auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Vielmehr dominierten sehr schnell nationale Egoismen und höchst unterschiedliche Vorgehensweisen in der Krisenbekämpfung. Und das Dogma vom „grenzenlosen Europa“ wurde auch sofort und ohne Skrupel zu Grabe getragen. Plötzlich waren die Grenzen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wieder dicht wie in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Und auch regionale Zusammenschlüsse wie jene zwischen Elsass und Baden-Württemberg, zwischen Südtirol und Nordtirol, zwischen Friaul und Kärnten wurden knallhart liquidiert.
Am deutlichsten trat das EU-Versagen dann allerdings in der Frage der Impfstoffverteilung zutage. Obwohl im Bereich der EU-Staaten die größten Fördermittel für die Pharmakonzerne und die Impfstoffentwicklung locker gemacht wurden, obwohl Produzenten in hohem Maße innerhalb Europas situiert sind – AstraZeneca ist ein schwedisch-britischer Konzern, und Biontec sitzt bekanntlich in Deutschland –, gerieten die EU-Staaten im Bereich der Durchimpfung – verglichen mit anderen Gegenden des Planeten – sofort ins Hintertreffen. Während etwa in den USA rasant geimpft wurde und wird, während Großbritannien sich bald der Herdenimmunität nähern dürfte, Israel diese ohnedies bereits für sich beanspruchen kann und sogar Schwellenländer wie Serbien ein hohes Impftempo vorlegen konnten, hinken die EU-Staaten hinten nach.
Dazu kamen Probleme mit der Impfgerechtigkeit, wobei finanzschwächere EU-Staaten, wie etwa Bulgarien, massiv benachteiligt wurden und natürlich die Probleme mit dem Impfstoff von AstraZeneca. Im Fall der Vereinbarungen mit dem schwedisch-britischen Konzern zeigte sich die Unfähigkeit der EU-Spitze, zumindest konkrete und juristisch korrekte Verträge abzuschließen.
Aufgrund einer eher fahrlässig formulierten Vereinbarung war es dem Konzern möglich, Lieferungen an die EU hintanzustellen und andere Bereiche zu bevorzugen. Auch in diesem Fall zeigte sich, dass die Europäische Union nicht Teil der Lösung ist, sondern eher Teil des Problems.
Staaten, die ihre Impfstoffe eigenmächtig und ohne Brüsseler Zwischenstation bestellten, wie eben das bereits genannte Serbien, konnten ein wesentlich höheres Impftempo vorlegen.
Auch das Versagen der Union in Bezug auf die Reisefreiheit ist eklatant. Während man in den Vereinigten Staaten, die ebenso Corona-gebeutelt waren wie Europa, problemlos von Bundesstaat zu Bundesstaat reisen kann, ist dies innerhalb der EU auch auf regionaler Ebene nahezu unmöglich. Reisefreiheit scheint es nur für illegale Migranten zu geben. Der Zustrom über den Balkan und ebenso über das Mittelmeer und über die Kanarischen Inseln ist ungebremst, während den EU-Bürgern Grenzübertritte nur mittels langwieriger Quarantäne-Regelungen möglich sind. Damit hat sich aber eine der wenigen wirklich positiven Auswirkungen der Europäischen Integration, nämlich die grenzüberschreitende Reise- und Niederlassungsfreiheit, in Luft aufgelöst und ad absurdum geführt.
Und von den Unsummen an EU-Wirtschaftshilfen, die im Vorjahr zur Bekämpfung zur ökonomischen Folgen der Corona-Krise beschlossen wurden, war auch nur in den Medien die Rede. Sie scheinen bislang das Papier nicht wert zu sein, auf das sie geschrieben wurden. Satte 800 Milliarden Euro sollten auf die EU-Staaten verteilt werden, geflossen ist bisher nicht einmal ein Bruchteil.
Dafür aber versucht die Union, sich aufs Neue als Hochburg der Apologeten der Menschenrechte zu profilieren. Erst am jüngsten EU-Gipfel dieser Tage wurden demnach Sanktionen gegenüber Russland, China, dem Iran und anderen Ländern beschlossen. Dass man damit den Menschenrechten in den betroffenen Staaten keinerlei Unterstützung zukommen lässt, dafür aber die eigene europäische Wirtschaft schädigt, tut da offenbar nichts zur Sache. Insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zu Russland lässt sich die Europäische Union da nach wie vor von den USA gängeln und drängeln.
Das derzeit wohl beste Beispiel ist die Auseinandersetzung um die Gas- und Erdölpipeline Nord Stream 2, die Washington offenbar um jeden Preis verhindern will. Fest steht jedenfalls, dass die Europäische Union im globalen ökonomischen Wettkampf auf der Strecke zu bleiben droht.
Gegenüber den Vereinigten Staaten und insbesondere gegenüber China fällt die Wirtschaftsleistung der EU-Europäer zunehmend ab.
Dafür steigt die Verschuldung ins Gigantische und die als Damokles-Schwert über der europäischen Wirtschaft hängende Drohung einer zunehmenden Inflation lässt schlechte Zukunftsaussichten erahnen.
Im soziokulturellen Bereich wird die Europäische Union durch die anhaltende Massenzuwanderung und die damit entstehenden Parallelgesellschaften ohnedies zunehmend zur potenziellen Bürgerkriegs-Kampfzone. Ein offensiver Islam und die terroristischen Auswüchse des Islamismus bedrohen den sozialen Frieden. Und ein veritabler Kulturkampf zwischen den zunehmend dogmatischen Verfechtern der politischen Korrektheit und den historisch tradierten europäischen Werten verunsichert die Menschen zusätzlich.
So ist das sich integrierende Europa, dessen Vision es war, ein Hort relativen Friedens, relativen Wohlstands und relativer Freiheit in einer zunehmend chaotischer werdenden Welt zu sein, zunehmend in Gefahr, machtpolitisch, ökonomisch, sozial und kulturell deklassiert zu werden. Der diesbezügliche Abstieg der europäischen Nationen wird durch die Europäische Union als deren organisatorischer Rahmen nicht bekämpft, sondern nur noch befördert. Die Coronakrise hat es erneut gezeigt, und die europäische Vision verblasst zusehends.


Die EU – ein „failed state“?

21. Januar 2021

Die Europäische Union in einer Spirale des Versagens

Seit bald einem Jahr hält die Corona-Pandemie den Planeten und insbesondere den alten Kontinent in ihren Klauen. Europa, das alte christliche Abendland, das nach Renaissance, Humanismus, Aufklärung, Industrialisierung und – unterbrochen allerdings vom unseligen Jahrhundert der beiden Weltkriege – der Menschheit Demokratisierung und so etwas wie eine Weltzivilisation geschenkt hat, dieses sich seit bald 70 Jahren integrierende Europa erweist sich immer mehr als ein versagendes Staatengebilde. Versagend in Hinblick auf die Erhaltung der ethnischen Substanz der Völker, die dieses Europa tragen, versagend im Hinblick auf die Erhaltung der Kultur dieser Völker, versagend im Hinblick auf die Sicherheit dieser Völker und letztlich auch versagend im Hinblick auf die wirtschaftliche Prosperität dieser europäischen Völker.
Als vor knapp einem Jahr die besagte Corona-Epidemie in einem beispiellosen weltweiten Dominoeffekt auch die EU-Staaten, die Regierungen, aber auch die Bürger erfasste, schaffte man es nicht, eine gemeinsame Vorgangsweise zur Bekämpfung der Epidemie zu entwickeln. Die Maßnahmen der EU-Mitgliedsländer waren im hohen Maße unterschiedlich, und zu Beginn der Krise gab es sogar eine höchst unsolidarische Konkurrenz um primitivste Utensilien zur Seuchenbekämpfung wie Masken und dergleichen. Auch die Versuche, sich voneinander abzuschotten, ließen jegliche europäische Solidarität missen und die vielbeschworene Reise- und Niederlassungsfreiheit der EU war sehr schnell nicht einmal das Papier wert, auf dem sie festgeschrieben war. Immerhin aber verständigte man sich gemeinsam auf ein gewaltiges Förderungspaket von etwa 800 Milliarden Euro, um die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns und des seuchenbedingten Einbruchs im Bereich der Produktivität und des Handels abzufedern. Doch auch hier manifestierte sich das Versagen der Union und der Gemeinschaftspolitik, da diese am Papier stehenden gewaltigen Summen bisher kaum geflossen, geschweige denn wirksam geworden sind.
Und um dieses EU-Versagen ins geradezu Groteske­ zu steigern, war es der Union, den Brüsseler Zentralbehörden, auch unmöglich, eine gemeinsame Impf-Strategie zu entwickeln. Zwar pumpte man viele hunderte Millionen Euro an Förderung in die pharmazeutische Industrie, war aber nach der erfolgreichen Herstellung von Impfstoffen nicht in der Lage, die entsprechende Menge für Europa zu sichern und die Logistik für den massenhaften Impfprozess selbst vorzubereiten. Dass die aus der EU scheidenden Briten einen eigenen Weg im Hinblick auf den Impfstoff gingen, war klar, dass die Franzosen, die aus Prestigegründen auch einen Impfstoff bereitstellen wollten, diesbezüglich versagten, verwundert auch nicht. Und so ist Europa nicht nur in der Bekämpfung der Corona-Epidemie und bei den Maßnahmen uneins, es schafft auch keine gemeinsame Impf-Strategie, während Chinesen und Russen, aber auch schon Briten und die US-Amerikaner, in millionenfacher Impfung den Weg zur Herdenimmunität suchen.
Das gleiche EU-Versagen kennen wir natürlich in Bezug auf jenes Problem, das seit Jahrzehnten zur zentralsten politischen Frage für die Europäer geworden ist: im Hinblick auf die Massenmigration. Trotz schöner Worte in Politiker-Sonntagsreden, trotz milliardenschwerer EU-Projekte, ist die EU-Außengrenze nach wie vor löchrig wie ein Schweizer Käse. Und nach wie vor gelangen jährlich hunderttausende illegale Migranten über das Mittelmeer, über den Balkan und neuerdings auch über den Atlantik in Richtung Kanarische Inseln auf EU-Territorium. Keineswegs gibt es entsprechende gemeinsame Strategien zur Bekämpfung dieser illegalen Migration, vielmehr gibt es innerhalb der Union und insbesondere im Hintergrund der politischen Entscheidungsprozesse Kräfte, die diese illegale Zuwanderung befördern. Der EU-Migrationspakt zeigt dies ganz deutlich. Und solcherart haben die meisten EU-Mitgliedsländer, mit Ausnahme der osteuropäischen Staaten, längst gewaltige soziale und ökonomische Probleme mit einer Zuwanderungsbevölkerung, die kaum integrationswillig und häufig auch gar nicht integrationsfähig ist.
Die negative Spitze dieses Migrationseisberges ist der islamistische Terror, der längst nicht nur in den alten Kolonialstaaten wie Frankreich, England oder Spanien existiert, sondern bekanntlich auch Österreich, die einstige Insel der Seligen, erreicht hat. Auch im Hinblick auf den Islam und dessen negative Spielart, den militanten Islamismus, konnte sich die Europäische Union bislang zu keiner gemeinsamen Haltung, geschweige denn zu einer gemeinsamen Abwehrstrategie durchringen.
Im Gegenteil: Jene Stimmen, die euphemistisch davon sprechen, dass der Islam zu Europa gehört oder im Einzelfall zu Deutschland oder zu Österreich, zeigten sich dann Krokodilstränen vergießend tief betrübt, wenn islamistische Assassinen und Dschihadisten schreckliche Bluttaten verüben. Randale und gewalttätige Übergriffe in einzelnen Ausländerbezirken, wie in dem Pariser Banlieues oder auch im Wiener Favoriten, sind der Anfang, geköpfte Lehrer, Bombenanschläge und schwer bewaffnete Amokläufe stellen dann den Höhepunkt dar. Der Dschihad hat die Europäische Union längst erreicht, aber Brüssel betreibt einen
skurrilen Migrationspakt.
Verwunderlich ist es angesichts dieser Entwicklungen nicht, dass die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Union immer stärker werden. Der erst vor wenigen­ Wochen abgeschlossene Brexit, mitsamt den unsäglichen Verhandlungen, die diesem über Jahr und Tag vorausgingen, ist ein Vorgang, den man als Europäer nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Damit ist immerhin eine der großen europäischen Nationen, die der Briten, aus dem Integrationsprozess ausgeschieden. Eine Nation immerhin, die der Brückenkopf zur gesamten angelsächsischen Welt, zu Nordamerika, Südafrika und Australien darstellt, deren Sprache nach wie vor als Lingua Franca auch in der EU ohne das Vereinigte Königreich gesprochen wird, die Mutter der Demokratie und ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.
Zentrifugale Kräfte sind aber auch feststellbar im Hinblick auf das Verhältnis der Visegrad-Staaten zur Brüsseler Zentrale. Die ständigen Sticheleien, die Polen und Ungarn von Seiten der anderen EU-Staaten hinnehmen müssen, die Tatsache, dass diese Visegrad-Staaten, aber auch Slowenien und andere Länder des Westbalkans. die Idee der europäischen Integration zunehmend negativ sehen, all das ist höchst bedenklich. Und die Unfähigkeit der Europäischen Union, mit dem großen östlichen Nachbarn, mit dem Russland des Wladimir Putin, zu einem gedeihlichen Auskommen zu gelangen, ist ebenso als negativer Faktor zu verbuchen. Nur eine europäisch-russische Achse wäre in der Lage, das Abgleiten des alten Kontinents in die politische und
wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit zu verhindern.
Das indessen 20 Jahre alt gewordene 21. Jahrhundert scheint nämlich alles andere zu werden als ein europäisches Jahrhundert. Trotz aller schönen Worthülsen, die aus der Brüsseler Zentrale in regelmäßigen Abständen zu vernehmen sind, dürfte dieses Jahrhundert das chinesische werden. Und Europa droht immer mehr marginalisiert zu werden im globalen Wettstreit, den die USA, Russland und China bestreiten. Aber auch andere Faktoren, wie die islamische Welt, wie Indien, wie die südamerikanischen Schwellenstaaten, drohen Europa zu überflügeln. Gerade die Massenbewegungen aus Staaten der Dritten Welt, aus dem schwarzafrikanischen Bereich und aus der islamischen Welt, drohen Europa ebenso zu einem Drittweltstaat zu machen, dessen Produktivität und zivilisatorische Standards durch zunehmende soziokulturelle Konflikte und wachsenden Produktivitätsverlust gefährdet sind.
Wer glaubt, dass beispielsweise der vormalige Exportweltmeister Deutschland seine Industrieproduktion und seine wirtschaftliche Innovationsfähigkeit mit einer multikulturellen Bevölkerung, organisiert in zahlreichen Parallelgesellschaften, beherrscht von arabischen Clans, anatolischen Großfamilien und schwarzafrikanischen Communities, aufrecht erhalten kann, macht sich zweifellos Illusionen.
Europa befindet sich also im Abstieg, wenn es auch übertrieben wäre, es insgesamt als „failed state“ zu bezeichnen. Und dennoch ist dieses Europa, ist die europäische Integration alternativlos angesichts der globalen Entwicklung. Verglichen mit den gewaltigen ökonomischen und militärischen Machtzentren in Nordamerika, in Russland und in China und in Anbetracht der Probleme der Schwellenländen und der Drittweltländer sind die einzelnen europäischen Staaten schlicht und einfach zu klein. Auch Frankreich, auch Deutschland, geschweige denn Spanien, Italien und die kleineren EU-Länder. Insgesamt muss Europa geradezu zwingend im globalen Konzert mit einer Stimme sprechen. Die Wege allerdings, die diese europäische Integration zu beschreiten hat, die Art und Weise, wie dieses Europa integriert sein soll, kann wohl offenbar nicht dem herkömmlichen Brüsseler Muster folgen.
Wie aber ein Europa der Vaterländer, das einerseits nach innen föderativ gestaltet ist und nach außen hin gegenüber dem Problem Weltpolitik mit einer gemeinsamen und starken Stimme sprechen soll, wie ein solches Europa organisiert sein muss, ist offen. Allzu diffus, allzu widersprüchlich und allzu unkonkret sind jene Konzepte, die bisher von den EU-Skeptikern, etwa von den europäischen Freiheitsparteien, wie sie im Europaparlament zusammen arbeiten, vorgelegt wurden. Ein solches Alternativkonzept für Europa auszuarbeiten, ist das Gebot, nicht nur der Stunde, sondern der nächsten Jahrzehnte. Ein auf Dauer versagendes Europa können wir, die europäischen Völker, die Bürger Europas, uns auf Dauer nicht leisten.