Das Türken-Trauma

5. August 2020

Über Janitscharen, Gastarbeiter und Graue Wölfe

Von großem Hass zeugt der Spruch, der sich auf dem Südturm des Wiener Stephansdoms findet: „Schau Muhamed, du Hund“. Und wenn dieser auch von den politisch korrekten Kirchenoberen unserer Tage stets aufs Neue übermalt wird, ist er doch eine unleugbare Erinnerung daran, dass der „Goldene Apfel“, also Wien, zwei Mal von osmanischen Heerscharen belagert und beinahe eingenommen wurde. Sowohl 1529 als auch 1683 war dieses Wien für die türkischen Eroberer nicht nur das Einfallstor nach Mitteleuropa, sondern als Haupt- und Residenzstadt des römisch-deutschen Kaisers eine Stadt von hohem Symbolwert, deren Eroberung den Triumph des osmanischen Islams über die Christenheit bedeutet hätte.
Überhaupt waren die Türkenkriege vom ausgehenden Spätmittelalter bis hinein ins 18. Jahrhundert primär so etwas wie ein Kampf der Kulturen zwischen christlicher und islamischer Welt. So wie Jahrhunderte zuvor das Vordringen des Islams über Nordafrika und die Iberische Halbinsel auf fränkisches Territorium bei der Schlacht von Tours und Poitiers durch Karl Martell, dem Karolinger, gestoppt wurde, sollte es zur Aufgabe der Habsburger werden, das Vordringen dieses Islams über die östliche Flanke Europas, also über den Balkan, zu verhindern. Was Karl Martell im 8. Jahrhundert für das christliche Abendland bedeutete, sollten der Wien-Verteidiger Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg, der Polenkönig Johann Sobieski und zu guter Letzt Prinz Eugen für die habsburgischen Lande des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation werden: Retter des Abendlands eben.
Diese letztlich siegreichen Türkenkriege waren für das Österreich der Habsburgermonarchie, aber auch jenes der ersten Republik, identitätsstiftend. Türkensagen, Abbilder von „Tatarmännern“ in den entlegensten Kärntner und steirischen Gräben, Jubiläumsfeiern zur Schlacht am Kahlenberg und Schaustücke in Wiener Museen, wie etwa das Zelt des Wien-Belagerers Kara Mustafa, symbolisierten dies. Keineswegs hinderlich war das allerdings für das Bündnis der späten Habsburgermonarchie mit dem späten Osmanischen Reich, welches bis hin zur Waffenbrüderschaft im Ersten Weltkrieg führte. Nicht hinderlich war das auch dafür, dass die frühe kemalistische Türkei von ihrer Gründung bis weit über den Zweiten Weltkrieg hinaus eine ausgesprochene Germanophilie pflegte, also eine Deutschfreundlichkeit, welche wohl auch der Grund für die ursprüngliche Neutralität der Türkei im Krieg gegen Hitler-Deutschland war.
Dennoch, insbesondere für die Österreicher blieben die Türken der verdichtete Inbegriff des Antagonismus zwischen Morgenland und Abendland, zwischen Islam und Christenheit, zwischen Orient und Okzident. Als dann ab den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts Gastarbeiter nach Mitteleuropa, insbesondere in die Bundesrepublik Deutschland und nach Österreich, geholt wurden, um als kostengünstige Arbeitskräfte der boomenden Wirtschaftswunder-Industrie dienlich zu sein, schien dieser jahrhundertelange „Clash of Civilizations“ keine Rolle zu spielen. Es handelte sich dabei ja doch um bescheidene, anpassungswillige und durch ihre islamische Religion so gar nicht auffällige Menschen, die ohnedies nach einigen Jahren der Erwerbstätigkeit in ihren Gastländern wieder zurück in ihre Heimat kehren sollten.
Allein es kam völlig anders. Diese Deutsch-Türken und Austro-Türken, indessen Millionen Menschen, allein in Österreich an die 500.000, blieben auf Dauer. Indes in der dritten Generation sind sie zumeist eingebürgert, wobei sie häufig insgeheim eine Doppelstaatsbürgerschaft ihr eigen nennen können und jedenfalls zu allermeist ihre Bindungen an die anatolische Heimat, an ihre türkische Herkunft in keiner Weise aufgegeben haben. Die von ihnen gebildeten Parallelgesellschaften sind überdies der zunehmenden Islamisierung ausgesetzt, die in der zweiten und dritten Generation dieser türkischen Zuwanderer in vielen Bereichen auch zu einer religiösen und politischen Radikalisierung geführt haben. Die in der Türkei selbst seit Jahren über die Erdogan-Partei AKP feststellbare Islamisierung hat parallel dazu auch in der türkischen Diaspora in Mitteleuropa stattgefunden. Dass dann in der Folge innertürkische Konflikte, wie etwa der mit den Kurden, die von Ankara ja als „Berg-Türken“ betrachtet werden, auch auf österreichischem und deutschem Boden ausgetragen werden, ist nur die logische Folge dieser Entwicklung. Die jüngsten Ausschreitungen in Wien-Favoriten sind nur der jüngste Beleg dafür.
Bei der historischen Türkenbelagerung im Jahre 1529 und danach im Jahre 1683 haben die osmanischen Heerführer die Elitetruppen des Sultans vor die Mauern Wiens geführt. Janitscharen waren es, die den Kern dieser türkischen Armeen gebildet haben. Sie entstammten der sogenannten „Knabenlese“, die die osmanischen Besatzer, insbesondere in den von ihnen dominierten christlichen Ländern auf dem Balkan, durchführten, um solcher Art Nachschub für ihre Elitetruppen zu bekommen.
Heute sind es keine Janitscharen, sondern die Söhne und Enkel der biederen anatolischen Gastarbeiter, die da bescheiden in den 60er- und 70er-Jahren ins Land gekommen sind, die nunmehr für Probleme sorgen. Und sie bilden die fünfte Kolonne für Erdogans Machtpolitik in Richtung EUEuropa.
Trotz der Islamisierung des Landes und trotz seiner Ansprüche als regionale Großmacht in Richtung islamische und arabische Welt hat Erdogan den Anspruch auf den EU-Beitritt der Türkei nicht ad acta gelegt. Einerseits sind da sicher die vielen Milliarden an EU-Heranführungshilfe, die Ankara damit kassieren kann, andererseits aber ist es nach wie vor die Verlockung, durch einen EU-Eintritt zum größten und bevölkerungsstärksten Land der Union zu werden, was hier als Motivation im Hintergrund wirken dürfte.
Die Politik der modernen Türkei ist alles andere als stringent. Einerseits gefällt sich Erdogan in der Rolle eines neuen autokratisch herrschenden Sultans, andererseits als Erbe der Hohen Pforte in Form seiner neoosmanischen politischen Ansätze. Überdies will er den Protektor der Turkvölker weit hinein nach Zentralasien spielen und gleichzeitig Mitglied der Europäischen Union werden. Tatsache ist aber, bei all diesen Widersprüchen, dass die Türkei als Schwellenland zwischen Europa und Asien, zwischen islamischer Welt und den westlichen Demokratien der Europäischen Union ein neues Gewicht und ein neues Selbstbewusstsein entwickelt hat. Manche – allerdings auch in Brüssel seltener werdende Stimmen – meinen, dass dieses neue Gewicht auch zu Gunsten Europas in der weltpolitischen Waagschale wirksam werden könnte. Skeptiker hingegen sehen zu Recht, dass die Türkei primär die Islamisierung Europas und die dahinter stehenden Kräfte fördert, dass sie in militärischen Konflikten von Syrien bis Libyen überaus eigennützig nur die eigenen türkischen machtpolitischen Interessen im Auge hat. Nun ist kaum anzunehmen, dass der Machthaber in Ankara Recep Tayyip Erdogan den „Goldenen Apfel“ auf den Spuren von Großwesir Kara Mustafa neuerlich erobern möchte. Dass er ihn aber von innen her mit Hilfe der türkischen Diaspora etwa in Wien-Favoriten gerne aushöhlen und damit für sich beanspruchen würde, dürfte schon stimmen. Mehrere Millionen Deutsch-Türken und Austro-Türken wären für Erdogans Türkei im Falle eines EU-Beitritts oder auch nur einer engeren Assoziation ein nicht zu übergehender Beeinflussungs- und Machtfaktor. Das steht außer Frage.
So hat also jenes Türken-Trauma, das insbesondere wir Österreicher aus den jahrhundertelangen Abwehrkriegen gegen die Osmanen historisch entwikkelt haben, in unseren Tagen neue Nahrung bekommen. Gute drei Jahrhunderte nach dem Friede von Passarowitz im Jahre 1718, durch den die osmanische Macht am Balkan durch den siegreichen Prinzen Eugen und seine Heere zurückgedrängt wurde, stehen die Türken nicht vor unseren Toren, sie befinden sich bereits massiv im inneren unseres Kulturraums. Die Frage ist nun, ob sie sich zu einem integrierten Bestandteil dieses unseres Kulturraums entwickeln oder ob sie ein Fremdkörper mit zunehmenden Ansprüchen bleiben.


Osmanische Wunschträume

17. Juli 2020

Was Favoriten, die Hagia Sophia und Libyen miteinander verbindet

Wenn testosterongesteuerte junge Austrotürken nächtens durch den alten Wiener Arbeiterbezirk Favoriten ziehen, um sich mit der Polizei und linksradikalen pro-kurdischen Demonstranten Straßenschlachten zu liefern, ist dies in erster Linie ein Beweis für gescheiterte Integration. Es ist darüber hinaus aber auch der Beweis dafür, dass es einen neuen türkischen Nationalismus gibt, der über die Grenzen des türkischen Staatswesens weit hinausgeht.
Kenner des kleinasiatischen Staatswesens sprechen gar davon, dass sich unter dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan so etwas wie „neo-osmanische“ Tendenzen in der türkischen Politik entwickelt hätten.
Zur Erinnerung: Das Osmanische Reich beherrschte von Istanbul aus in der Zeit seiner größten Ausdehnung Kleinasien, nahezu den gesamten Balkan, den gesamten Nahen Osten und Afrika nördlich der Sahara. Im Jahre 1453 hatten die Osmanen Konstantinopel, das alte Byzanz, die Hauptstadt des Oströmischen Reiches, erobert, und von Istanbul regierten sie dann bis zum Ende des Ersten Weltkriegs dieses islamische Weltreich. Als Bundesgenosse der Mittelmächte, des Deutschen Reichs und der Habsburger Monarchie büßte das Osmanische Reich die Niederlage mit seiner Zerschlagung. Im Pariser Vorortvertrag von Sèvres wurde es zerstückelt, Kemal Pascha, in der Folge „Atatürk“ genannt, führte einen erfolgreichen Befreiungskrieg und konnte im Jahre 1923 im Vertrag von Lausanne die Türkei in ihren bis heute existenten Staatsgrenzen sichern.
Die kemalistische Türkei verstand sich bewusst als laizistischer Staat mit Distanz zum Islam und versuchte sich zunehmend dem Westen, insbesondere Europa, zuzuwenden. Das Streben nach einem EU-Beitritt ist gewissermaßen bis zum heutigen Tag ein Erbe dieser kemalistischen Politik. Unter der islamisch- religiös orientierten Partei Erdogans, der AKP, aber änderte sich dies im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte grundlegend. Zwar schien es anfangs so, als wollte Erdogan die EU-Orientierung des Landes massiv vorantreiben und bis zum heutigen Tag tritt er auch für den Beitritt zur Europäischen Union ein.
Bald aber setzten massive Islamisierungstendenzen ein. Das westliche Erscheinungsbild der türkischen Oberschicht wich zunehmend dem Bild von Kopftuchträgerinnen, zahlreiche neue Moscheen wurden errichtet und Präsident Erdogan selbst bezog sich in seiner Politik zunehmen auf den sunnitischen Islam. Überdies entwickelt er in immer stärkerem Maße den Anspruch der Türkei, eine regionale Großmacht, gewissermaßen im Erbe des alten Osmanischen Reichs, sein zu wollen. Während Ankara zuvor ein überaus loyaler und wichtiger NATO-Partner und somit eine Stütze für das westliche Militärbündnis war, dominiert nun immer häufiger eine Politik, die sich auf den islamischen Bereich, insbesondere auch auf den arabischen Raum, konzentriert. Das Engagement der Türken im syrischen Bürgerkrieg ist der schlagende Beweis dafür. Während türkische Gastarbeiter in Deutschland, Österreich und auch in anderen Teil Europas seit den Sechziger-Jahren als überaus brauchbare und bescheidene Arbeitskräfte geschätzt waren, hat sich in den letzten Jahren auch dort eine Art von zunehmend islamisch orientierten Parallelgesellschaften entwickelt, welche die Tendenzen von Erdogans Türkei selbst nachvollziehen. Von Integration ist da kaum mehr die Rede, vielmehr davon, auch in Europa „stolze Türken“ bleiben zu wollen. Erdogan selbst schürt dies mit seinen Auftritten – etwa im deutschen Köln.
Und die auch hierzulande ohne Probleme zu empfangenden türkischen Medien verstärken diese Entwicklungen. Natürlich hat Erdogan nicht vor, so wie seinerzeit der Sultan den „goldenen Apfel“, also Wien, zur erobern, die türkische Diaspora aber in Mitteleuropa scheint für Erdogan ein Faktor massiver politischer Einflussnahme innerhalb der EU zu sein. Wenn die Türkei in jüngster Zeit nunmehr im libyschen Bürgerkrieg militärisch interveniert, ist dies ohne Zweifel auch Ausfluss dieser neoosmanischen Politik Erdogans.
Und da geht es keineswegs nur um wirtschaftliche Interessen oder um das libysche Erdöl.
Die Türkei will vielmehr in Libyen auch einen Luft- und einen Marinestützpunkt errichten. Dass die Türkei hier mit militärischen Interessen Russlands kollidiert, scheint für Erdogans Politik kein Problem zu sein, auch in Syrien hat er sich ja massiv gegen die russische Linie, welche bekanntlich das Assad-Regime unterstützt, gestellt. Und nun will Präsident Erdogan auch das wichtigste Symbol der kemalistischen Politik kippen, beziehungsweise für sich vereinnahmen: Die Hagia Sophia, dieses 1.500 Jahre alte sakrale Gebäude.
Errichtet unter dem oströmischen Kaiser Justinian und nahezu 1.000 Jahre bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 die größte Kirche der Christenheit, war sie in der Folge nahezu 500 Jahre die Hauptmoschee des Osmanischen Reiches. Und dann wurde sie im Jahre 1934 von Kemal Atatürk in ein Museum umgewandelt. Nunmehr will Erdogan wieder eine Moschee daraus machen. Sowohl der Turk-Chauvinismus, der sich in Wien-Favoriten gegen eine pro-kurdische Demonstration richtete, als auch das militärische Engagement in Syrien und Libyen und natürlich auch das Streben nach Wiedereroberung der Hagia Sophia für den Islam sind Belege für diese neo-osmanischen Tendenzen der Politik von Präsident Erdogan. Und als offenbar überzeugter, wenn nicht sogar fanatischer Vertreter islamischer Politik befördert er mehr oder weniger offen natürlich auch alle Tendenzen zur Verbreitung des Islams innerhalb Europas. Wenn die saudi-arabischen Wahhabiten am Balkan, insbesondere in Bosnien und in Kosovo, tausende neue Moscheen errichten ließen und für den finanziellen Rückhalt sorgten, ist es die neo-osmanische Politik Erdogans, die hier an der Südostflanke der europäischen Union auf Territorien, die ja über Jahrhunderte türkisch waren, Einfluss gewinnt.
Und wenn die Deutsch-Türken oder Austro-Türken zunehmen Dominanz auf der Straße gewinnen, stärken sie somit den Einfluss der Türkei innerhalb der EU. Dies mag auch der Grund sein, warum Erdogan offiziell das Ansinnen, der Europäischen Union beitreten zu wollen, noch nicht ad acta gelegt hat. Einerseits sind es die vielen Milliarden Euro an „Heranführungshilfe“, andererseits die Möglichkeit, auch innerhalb der Europäischen Union ein dominanter Faktor zu werden. Aber unabhängig davon trachtet Ankara offensichtlich danach, in der islamischen Welt, insbesondere auch in Richtung der arabischen Staaten, zur führenden Regionalmacht zu werden. Und das ohne Rücksicht darauf, dass es dort mit geopolitischen Interessen Russlands, aber auch den starken arabischen Mächten Saudi-Arabien und Ägypten auf Kollisionskurs liegen muss.
Und eine weitere Dimension dieser großtürkischen Politik besteht darin, dass sich Ankara natürlich als Führungsmacht für alle anderen Turkstaaten versteht, sind dies Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan und Turkmenistan. Konkrete Versuche der Türkei, eine Allianz diese Turkstaaten zu bilden, scheiterten bisher ebenfalls an den kollidierenden Interessen Russlands, das diese Staaten – samt und sonders ehemalige Sowjetrepubliken – auch als ihr Einflussgebiet betrachtet. Die Türkei hat also in ihren neo-osmanischen Bestrebungen drei Optionen: Die europäische Option, gestützt von der türkischen Diaspora in Mitteleuropa und ihrem Streben nach einem EU-Beitritt. Dann die islamische Option, die sich in erster Linie auf die arabische Welt, aber auch auf Nordafrika richtet. Und die Option einer Zusammenarbeit mit eben diesen Turkstaaten. Aufgrund dieser historischen und geopolitischen Fakten haben die türkisch-kurdischen Unruhen von Wien Favoriten mehr als nur eine lokale Dimension, sind sie mehr als nur Anzeichen für die misslungene Integration der Zuwanderungstürken. Sie sind ein Teil der neo-osmanischen Strategie der Erdogan-Türkei.


Asyl? Ja, aber auf Zeit!

11. März 2020

Jene Menschen, die sich da zurzeit zu Tausenden an der türkischgriechischen Grenze versammeln, um in Richtung Europäische Union zu drängen, sind dem Vernehmen nach kaum syrische Kriegsfl üchtlinge, sondern vor allem Wirtschaftsmigranten aus Afghanistan, aus Pakistan, Schwarzafrika und anderen Ländern der Dritten Welt. Sie dürften in der großen Mehrheit keinen Anspruch auf Asyl in Europa haben. Sie in ihre Heimtaländer zurückzuschicken, ist allein eine Angelegenheit der Türken, was wohl in erster Linie deshalb nicht geschieht, weil sie Helfershelfer für die Erpressungsversuche des Recep Tayyip Erdogan gegenüber der EU darstellen.
Eine andere Sache sind die tatsächlichen Kriegsfl üchtlinge aus Syrien bzw. auch jene gegenwärtig noch aus der umkämpften Region Idlib in Richtung Türkei strömen. Sie haben zweifellos Anspruch auf Asyl. Allerdings auch nicht dort, wo es sie aussuchen, sondern im nächstgelegenen friedlichen Staat, und das ist nun einmal die Türkei oder auch der Libanon oder auch Jordanien.
Diese Länder bei der Betreuung der Flüchtlinge zu unterstützen, die sie zweifellos überfordert, ist eine Angelegenheit der Staatengemeinschaft. Sehr wohl der Europäer, aber natürlich auch der US-Amerikaner und vor allem der arabischen Welt, die für ihre arabischen Brüder gefälligst einmal Anstrengungen erbringen sollte. Und was besonders wichtig ist: Dieses Recht auf Asyl ist ein zeitlich begrenztes. Spätestens dann, wenn Frieden in Syrien herrscht – und das dürfte nach dem zu erwartenden Sieg des Assad- Regimes nicht mehr lange dauern – haben diese Asylanten in ihre Heimat zurückzukehren, um diese wieder aufzubauen. Und auch dafür mag es fi nanzielle Unterstützung im großen Rahmen durch die internationale Gemeinschaft geben. Aber keinesfalls nur durch die EU alleine.
Und dann ist da zum Dritten noch das humanitäre Problem. Natürlich müssen Menschen, die unter unhaltbaren Zuständen, beispielsweise auf der griechischen Insel Lesbos vegetieren, unterstützt werden. Und natürlich sollte man Kinder und Jugendliche – gewaltbereite und kriminelle ausgenommen – entsprechend versorgen, gleich, ob es sich nunmehr um Asylberechtigte oder um Wirtschaftsmigranten handelt. Dies muss allerdings keineswegs in der EU stattfi nden, sondern kann wiederum vielmehr mit fi nanzieller Hilfe der internationalen Gemeinschaft vor Ort geschehen.
Dazu sollte die Europäische Union, müsste auch Österreich, einen entsprechenden Beitrag leisten. Das wäre ein Gebot der politischen Vernunft und auch der Menschlichkeit. Keineswegs allerdings muss die EU und muss Österreich weitere Wirtschaftsmigranten aufnehmen. Die Zuwanderung in unser Sozialsystem, die Immigration gewaltbereiter junger Männer und islamischer Fundamentalisten brauchen wir wirklich nicht.


Der ominöse Herr Gerald Knaus

4. März 2020

Recep Tayyip Erdogan, wildgewordener osmanischer Autokrat, Kriegsherr an der syrischen Grenze und – man vergesse es nicht – nach wie vor Beitrittswerber zur Europäischen Union, will diese nunmehr mit syrischen Flüchtlingen in Millionenhöhe fl uten. Zu diesem Zweck hat er nun Zehntausende an Syrern an die EU-Außengrenze entsandt, wohl mit dem unausgesprochenen Auftrag, diese zu stürmen. An der Festlandgrenze ist dies aufgrund des Einsatzes der griechischen Polizei kaum möglich, an den ägäischen Inseln hingegen ist dies ein Leichtes. Von der Türkei kommende Flüchtlingsschlauchboote dürfen nämlich – ist das wirklich geltendes Völkerrecht? – nicht zurückgesandt werden. Und so zeitigt die von Erdogan verursachte Schlacht um Idlib weitere Hunderttausende syrische Flüchtlinge und damit indirekt den neuerlichen Ansturm auf Europa.
Soweit, so unerfreulich! Und dann kommt der aus Österreich stammende Soziologe Gerald Knaus ins Spiel. Als Vorsitzender einer Denkfabrik namens „Europäische Stabilitätsinitiative“ gilt er als der eigentliche Schöpfer des seinerzeitigen Merkel- Erdogan-Abkommens, wonach die Türkei gegen EU-Milliarden die syrischen Flüchtlinge zurückzuhalten hätte. Nunmehr erklärt er kraft der solcherart gewonnen sachpolitischen Autorität, dass die aktuelle Situation nur und ausschließlich aufgrund des Versagens der europäischen Politik zustande gekommen sei. Zwar habe man Milliarden an Erdogans Türkei gezahlt, um den Flüchtlingspakt aufrechtzuerhalten, aber das sei nicht genug. Man müsse weiter zahlen, sprich: Man müsse sich weiter vom Erpresser Erdogan unter Druck setzen zu lassen, um dann vielleicht einige Zehntausende Migranten weniger in die EU zu bekommen. Wenn man sich diesen seltsamen „Think tank“, diese „europäische Stabilitätsinitiative“ näher ansieht, wird rasch deutlich, dass auch dahinter einmal mehr der Milliarden-Spekulant George Soros als Finanzier steckt.
Natürlich nicht nur, aber doch maßgeblich. Und dann weiß man, wie viel es geschlagen hat: Das Ziel der Arbeit dieser „Stabilitätsinitiative“, deren Sprachrohr besagter Gerald Knaus ist, scheint die Flutung Europas mit Zuwanderern, mit Wirtschaftsmigranten und Pseudoasylanten zu sein. Und die vor Krieg und Terror flüchtenden Syrer sind da wohl Opfer eines solchen Planes und der Großtürke Erdogan der willige Helfershelfer.
Das Argument des Herrn Gerald Knaus, man könne den Millionenansturm schlicht und einfach wegen des Völkerrechts nicht stoppen, man müsse gewissermaßen illegale Grenzüberquerung einfach tolerieren, ist natürlich schlicht und einfach Nonsens. Natürlich kann der Staat, kann die EU, kann jedes Land in der EU die illegale Überquerung einer Grenze auch mit entsprechender staatlicher Gewalt verhindern. Und außerdem ist Völkerrecht bekanntlich immer eine Machtfrage und kann mit entsprechender Zustimmung der beteiligten Nationen auch geändert werden.
Aber der Rat des hochgerühmten Migrationsexperten läuft natürlich darauf hinaus, sich vom politischen Erpresser Erdogan weiter erpressen zu lassen. Dass man den durch Krieg und Elend bedrängten Menschen aus Syrien helfen sollte, steht außer Frage. Warum da aber von niemandem die Frage aufgeworfen wird, warum dies nur von Seiten der europäischen Steuerzahler erfolgen soll, warum nicht auch durch die US-Amerikaner oder durch die arabische Staatengemeinschaft, die auf Milliarden Petro-Dollars sitzt, ist kaum erklärlich.
Angesichts all dieser Entwicklungen darf man gespannt sein, wie die aktuelle österreichische Bundesregierung reagieren wird, wenn Griechenland dem Druck erliegt und sich die Flüchtlingsströme wieder so wie 2015 quer über den Balkan in Richtung auf Österreich und Deutschland ergießen. Wird Bundeskanzler Sebastian Kurz, wird sein Innenminister Karl Nehammer dann die von ihnen verbal immer wieder betonte harte Migrationspolitik durchziehen oder werden sie den Ratschlägen des Herrn Gerald Knaus und der Merkel-Strategie nachkommen? Das erklärte Ziel der weitaus großen Mehrheit der syrischen Flüchtlinge sind nämlich Deutschland und Österreich. Nicht nur, weil hier für Migranten angeblich ja Milch und Honig fließen, sondern schlicht und einfach deshalb, weil die Syrer hier schon weitgehend Verwandte haben, die schon seit Jahren, seit spätestens 2015, im Land sind.
Statt eine gemeinsame internationale Initiative unter Einbeziehung Russlands und der Türkei zu starten, wonach man in Syrien endlich Frieden macht, die fundamentalistischen Moslem-Aufständischen gegen das Assad-System isoliert und ausschaltet und in der Folge ein groß angelegtes „Resettlement“ der geflohenen Syrer in ihrer alten Heimat startet, hört man in Europa, insbesondere in Deutschland und wohl auch in Österreich, auf die Vorschläge des großen Migrationsexperten Gerald Knaus und des von ihm geleiteten obskuren „Think tanks“. George Soros lässt grüßen!


Austro-Türken: Zeit für Repatriierung!

27. April 2017

Was wollt Ihr Austro-Türken eigentlich? Diese Frage wurde in den letzten Tagen nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses über das Erdogan-Plebiszit in den österreichischen Medien gestellt, wobei die Antwort zwischen den Zeilen zu erahnen war: Wenn Ihr ein autoritäres System wollt und hierzulande nur die Vorteile unserer Demokratie ausnützt, geht doch zurück in Eure Heimat!
Tatsächlich wird allenthalben nunmehr erkannt, dass von einer wirklichen Integration der seit den frühen Gastarbeiter-Zeiten in den 60er-Jahren zugewanderten Türken in Europa kaum die Rede sein kann. Die Folge dieser selbstgewählten Segregation kann aber aus der Sicht der Gastländer und im legitimen Interesse der europäischen Völker nur die Rückwanderung, also die Repatriierung, sein. Die Alternative dazu bestünde nämlich darin, was Recep Tayyip Erdogan im Zuge seiner Wahlkampagne angekündigt hat: In der Landnahme der Türken in Europa! Er hat nämlich gesagt, macht viele Kinder, dann werdet ihr bald die herrschende Kraft in Europa sein. Und das bedeutet nichts anderes als ein Programm zur schleichenden Landnahme.
Wie aber kann eine Repatriierung unter rechtsstaatlichen Prämissen humanitär und ethisch sauber vonstatten gehen? Allein durch Plattitüden wie finanzielle Rückwanderungsprämien, wie man sie gegenwärtig für Asylsuchende debattiert, wohl nicht. Es wird vielmehr eines rechtlichen, entsprechend abgesicherten Stufenplans bedürfen. Wie kann aber ein solcher aussehen? Zuerst gilt es wohl einmal, in einem breitangelegten politischen Diskurs einen Konsens drüber zu finden, dass man Parallelgesellschaften in unserem Land auf Dauer nicht dulden kann und nicht dulden will. Danach müsste man wohl all jenen Menschen, die ohne gültigen Rechtstitel im Lande leben, die Heimreise nahelegen, und das durchaus auch mittels staatlicher Zwangsmittel. Naturgemäß wird die Repatriierung straffällig gewordener Ausländer Vorrang haben, danach jene von Arbeitslosen, und schließlich auch die von Menschen, die sich unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Staatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft erschlichen haben. Doppelstaatsbürgerschaften sind illegal.
Und damit sind wir auch bei jenen Zuwanderern – nicht nur Türken –, denen man in den vergangenen Jahrzehnten vielleicht allzu schnell die österreichischen Staatsbürgerschaft verliehen hat, die sich aber nicht integriert haben und in besagten Parallelgesellschaften leben. Natürlich ist eine Aberkennung der Staatsbürgerschaft nur aus entsprechend triftigen Gründen möglich. Eine für diese Menschen verbindliche Integration aber muss auch im freiheitlichen Rechtsstaat, wie wir ihn haben, durchsetzbar sein. Wer nicht in der Lage ist, sich dem zivilisatorischen Standards unseres Landes, der Staatssprache, den Sitten und Gebräuchen und den europäischen Werten entsprechend anzupassen, dem sollte man doch die Möglichkeit geben, die österreichische Staatsbürgerschaft wieder zurückzulegen und eine Repatriierung anzudenken. In solchen Fällen wären eine Rückkehrprämie und eine Starthilfe für die Gründung einer neuen Existenz im ehemaligen Heimatland durchaus diskussionswürdig.
Für jene Menschen mit Migrationshintergrund aber, die im Lande bleiben wollen, ist Integration bis hin zur Assimilation durchaus eine Bringschuld, dann gäbe es nämlich keine „Austro-Türken“ mehr, sondern allenfalls noch Österreicher mit türkischen Wurzeln und – was absolute Privatsache ist und nicht in den öffentlichen Raum gehört – solche mit islamischem Religionsbekenntnis. Und diese sollten neben der autochthonen Bevölkerung rein quantitativ tunlichst auch in der Minderheit bleiben, alles andere wäre nationaler Selbstmord auf Raten und eine Bestätigung von Erdogans Wunschdenken, wonach die Türken für Europas Zukunft bestimmend seien werden.


Der Aufmarsch der Janitscharen

16. März 2017

Wie Erdogans Türkei zum Herausforderer für Europa wird

Knapp hundert Jahre ist es her, dass das Osmanische Reich durch die gemeinsam mit den Mittelmächten erlittene Niederlage im Ersten Weltkrieg zerbrach. Die Hohe Pforte, der Sultan im Topkapi-Palast in Istanbul und seine Herrschaft über weite Bereiche der islamischen Welt gehörten der Vergangenheit an, waren Geschichte. Die Jungtürken und Kemal Pascha, später genannt Atatürk, retten, was zu retten war, und schufen die neue Türkei  als einen Nationalstaat, der – zumindest theoretisch – in Richtung Europa blickte. Fez und Kopftuch sollten der Vergangenheit angehören, der Muezzin und tanzende Derwische waren Relikte aus der historischen Mottenkiste. Westliche Technik, europäische Zivilisation, Fortschritt und ein laizistisches System – nicht sonderlich demokratisch, allerdings „kemalistisch“ eben – sollten die Türkei in die Zukunft führen. Der Armenier-Genozid, die Vertreibung der ionischen Griechen, die Aufarbeitung der Kriegsschäden  und natürlich der Verlust gewaltiger Territorien im Nahen Osten und auch auf dem europäischen Festland waren zu verkraften.
Dennoch, der Weg der Türkei schien in eine europäische  Zukunft zu führen, und nachdem es dem Land gelang, im Zweiten Weltkrieg neutral zu bleiben, um in der Folge in den 70er-Jahren und 80er-Jahren den Makel eines Dritte-Welt-Landes abzuschütteln, schien die europäische  Integration schlechthin die einzige türkische Perspektive zu sein.
Und dann kamen die AKP und Recep Tayyip Erdogan. Eine, wie es ursprünglich hieß „gemäßigte islamistische“ Partei, die allerdings, wie wir nun wissen, die Islamisierung des Landes gezielt und vehement vorantreibt. Und mit Erdogan, einem Führer, der seit Kemal Atatürk wohl der populärste türkische Politiker ist. Nach Jahren, in denen es nach Demokratisierung und Wirtschaftsaufschwung aussah, will  Erdogan nunmehr ein autoritatives Präsidialsystem einführen. Und die Ausrichtung Ankaras in Richtung Brüssel scheint nur mehr Vorwand dafür zu sein, Geld von den Europäern zu lukrieren, und zwar  viele Milliarden Heranführungshilfe und Bezahlungfür die Sperrung der Flüchtlingsrouten. Tatsächlich hat die neue Türkei unter Erdogan auch ganz andere Perspektiven als nur die europäische.
Immer schon war das Land so etwas wie eine Leitnation für alle Turkvölker im Nahen und Mittleren Osten. Wenig bekannt ist in diesem Zusammenhang, dass die Angehörigen der Turkvölker, ähnlich wie die Volksdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland, in der Türkei sofort einen türkischen Pass bekommen, wenn sie wollen. In diesem Sinne wirkt die Türkei als regionale Großmacht bis weit hinein nach Zentralasien. Abgesehen davon aber galt die Türkei lange Jahre als so etwas wie eine islamische Vorzeigedemokratie.
Gerade in Bereichen, in denen das alte Osmanische Reich über Jahrhunderte herrschte, in den arabischen Regionen und in Nordafrika, und wo diese osmanische Herrschaft bis heute als verhasst gilt, zeigte sie nunmehr den Weg auf, wie man westliche Demokratie und moderaten Islamismus miteinander verbinden könnte. Dies hat sich nunmehr allerdings geändert. Von moderatem Islamismus ist keine Rede mehr und von Demokratie auch nicht mehr viel. Vielmehr scheint die Islamisierung des Landes immer radikalere Formen anzunehmen, und die  autoritären Tendenzen  der AKP weisen in eine völlig andere Richtung als in jene der westlichen liberalen Demokratie.
Aber auch in jener Form scheint die Türkei den Ehrgeiz zu  haben, im Nahen Osten und in der islamischen Welt eine Führungsrolle zu spielen. Gerade die jetzt anstehende Neuordnung des Irak und Syriens  bietet der Türkei ein breites Betätigungsfeld als regionale  Vormacht im Nahen Osten.  Erdogan scheint gewillt, diese Rolle auch zu spielen, dabei hat er allerdings das Kurdenproblem als schwere Hypothek zu bewältigen.
In der östlichen Türkei, die bekanntlich von Millionen von Kurden bewohnt wird, muss er einerseits die Einheit des türkischen Territoriums bewahren, indem er weiter von der Fiktion ausgeht, dass die Kurden ja in  Wahrheit „Bergtürken“ seien. Im Bereich des nördlichen  Syriens und des angrenzenden Iraks muss er das Entstehen eines geschlossenen kurdischen Territoriums oder gar eines Kurdenstaats verhindern, da ein solcher naturgemäß eine gewaltige Sogkraft auf die in der Türkei lebenden Kurden ausüben würde. Neben der Verhinderung eines solchen Kurdenstaats aber ist es Erdogans Bestreben, in der Großregion zwischen dem Mittelmeer, dem Iran und der arabischen Halbinsel als regionale Großmacht anerkannt zu werden.
Und die europäischen Ambitionen der Türkei? Das Bestreben, Mitglied der Europäischen Union zu werden, ist wohl mehr oder weniger ad acta gelegt worden. Man holt sich – wie gesagt – noch Finanzmittel in Milliardenhöhe, soweit dies möglich ist, hat aber wohl oder übel zur Kenntnis genommen, dass eine Vollmitgliedschaft auf absehbare Zeit – insbesondere in Anbetracht der aktuellen politischen Entwicklung im Lande – nicht mehr möglich sein wird.
Umso entschiedener betreibt man aber die Betreuung der türkischen Communities in Mitteleuropa, insbesondere in Deutschland und Österreich, wo sich insgesamt immerhin Millionen Türken auf Dauer niedergelassen haben. Entweder sind diese Menschen nach wie vor türkische Staatsbürger oder sie haben über eine – zumeist illegale – Doppelstaatsbürgerschaft nach wie vor Kontakt zu ihren türkischen Wurzeln. Gerade in diesen Tagen ist Erdogans Versuch, hier für sein Verfassungsplebiszit Wahlwerbung zu betreiben, eine große Streitfrage gegenüber den Gastländern der Euro-Türken. Weil man Erdogans Wahlwerbung zwischen Köln und Wien nicht so ohne Weiters akzeptieren will, diffamiert der neue Sultan die Deutschen als Nazis und die Österreicher als Rassisten. Die Loyalität seiner Landsleute, der Deutsch-Türken und der Austro-Türken, ist ihm allerdings zu einem hohen Prozentsatz gewiss.
Ein weiteres Spielfeld der neo-osmanischen Ambitionen ist der Balkan. Hier gibt es so etwas wie eine Re-Osmanisierung in jenen Territorien, die einst ohnedies zum türkischen Sultanat gehört haben. In Bosnien und im Kosovo gelten als die großen islamischen Geldgeber zwar Saudi-Arabien und die Golfstaaten, und die Wahhabiten, die von dort aus gesteuert werden. Geopolitisch aber ist es die Türkei, die auch in dieser Region zunehmend eine Rolle zu spielen scheint.
Insgesamt muss man sagen, dass türkische Parallelgesellschaften in Mitteleuropa und Westeuropa, türkische Geopolitik auf dem Balkan, regionale Vormachtpolitik im Nahen Osten und im Bereich der Turkvölker in Zentralasien gemeinsam mit der zunehmenden Islamisierung des Landes und dem autoritären Kurs Erdogans eine unheilvolle Gemengelage bilden. Hier etabliert sich am südöstlichen Rand Europas ein neuer Machtfaktor mit Großmachtambitionen. Die Herausforderung gegenüber Europa, die damit gegeben ist, ist unübersehbar, und dass diese geopolitische Herausforderung überdies durch die türkische Massenzuwanderung nach Europa selbst und durch die Islamisierung in der Türkei, aber auch in den europäischen Zuwanderer-Populationen Sprengstoff gewaltigen Ausmaßes beinhaltet, ist ebenso klar. Sultan Recep Tayyip der I. und die Hohe Pforte lassen grüßen.


Landnahme statt Integration

10. August 2016

Die türkischen Parallel­gesellschaften als Erdogans fünfte Kolonne

Österreich und Deutschland sind in den letzten Wochen unversehens zur Bühne für die türkische Innenpolitik geworden. Nach dem offenbar dilettantischen Militärputsch, den Präsident Erdogan zum Vorwand genommen hat, die Türkei in ein autokratisches System umzubauen, haben auch Österreichs Türken ihr wahres Gesicht gezeigt. Nämlich insofern, als sie klargelegt haben, wohin ihre Loyalität gerichtet ist, nämlich auf die Türkei und keineswegs auf ihr neues Heimatland Österreich. Die spontanen und absolut ungesetzlichen Pro-Erdogan-Demonstrationen in Wien und anderen Städten sowie auch in Deutschland sind das deutlichste Indiz dafür. Die empfindlichen Reaktionen der heimischen Politik darauf waren nunmehr ihrerseits der Vorwand für die türkischen Machthaber, samt und sonders Helfershelfer von Erdogan, Deutschland und insbesondere Österreich an den Pranger zu stellen: Man sei rassistisch, ja sogar so etwas wie der europäische Hotspot des Rechtsextremismus.

Nichtsdestoweniger wird in der politikinteressierten Öffentlichkeit Österreichs bis hinein in die etablierten Medien darüber diskutiert, was bei der Integration der türkischen Zuwanderer in Österreich und Deutschland danebengegangen sei. Von Integration könne man ja nicht sprechen, da die Loyalität der osmanischen Zuwanderer ganz offensichtlich der Türkei gelte und nicht den neuen Heimatstaaten. Zunehmend islamistisch geprägte Parallelgesellschaften unter türkischer Dominanz – allesamt Erdogan-Anhänger – sind das prägende Element in dieser Entwicklung.

Die Bereitschaft, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren, österreichische Sitten und Gebräuche anzunehmen und wirkliche Loyalität gegenüber der Republik zu entwickeln, diese Bereitschaft besteht offenbar in nur sehr unterentwickeltem Ausmaße.

Damit erweist es sich als Illusion, wenn man angenommen hat, die hunderttausenden türkischen Zuwanderer in Österreich würden über kurz oder lang zu integrierten Österreichern, aber eben mit türkischen Wurzeln werden. Sie sind vielmehr Türken geblieben, wenn auch mit österreichischen Pass, wenn nicht gar mit österreichisch-türkischer Doppelstaatsbürgerschaft, was bekanntlich verboten ist und strafrechtlich geahndet wird.

Interessant ist, dass die weitgehend laizistisch geprägten Zuwanderer aus der Türkei, die in den 60er, 70er und 80er Jahren nach Europa kamen, nunmehr in der zweiten und dritten Generation genauso jene Islamisierung mitgemacht haben, wie sie die Türkei derzeit selbst unter der Erdogan-Partei erlebt. Früher waren sie in erster Linie Gastarbeiter, heute sind sie bewusste Muslime, immer weniger bereit, sich dem österreichischen Lebensstil und den europäischen Werten anzupassen.

Somit erweist sich die türkische Zuwanderung als eine Art von Landnahme, durch welche österreichisches oder deutsches Territorium in Europa nach und nach unter türkische Dominanz gerät. Die Aufnahme weiterer Massen von türkischen Zuwanderern, sei es als verfolgte Oppositionelle gegen das Erdogan-Regime oder im Zuge der Visumsfreigabe nach Europa, würde diesen Prozess der Landnahme durch türkisch-islamische Parallelgesellschaften nur verstärken und beschleunigen. Wer dies für Panikmache hält, vergegenwärtige sich die türkisch-osmanische Landnahme in Kleinasien: Dort war es im Zuge des Mittelalters auch nicht so, dass da eine  seldschukische oder dann osmanische Armee einmarschiert wäre, in deren Folge dann Siedler, Bauern und Bürger und andere türkische Menschen gekommen wären.

Nein, es war umgekehrt, Über Jahrhunderte, über Generationen sickerten Familienverbände in das ursprünglich byzantinisch beherrschte Kleinasien ein. Zuerst waren ganze Sippen und Stammesgemeinschaften da und erst danach kamen die seldschukischen und dann die osmanischen Heere, die ein bereits weitgehend türkisch geprägtes Land unter die Herrschaft des Sultans zwangen. Zwar mag sich das 21. Jahrhundert nicht mit dem 12. oder 13. Jahrhundert vergleichen lassen, die Mechanismen türkischer Landnahme sind aber ganz offenbar dieselben. Und die Schwäche unserer dekadenten spät-abendländischen Gesellschaft ist wie jene im untergehenden Byzanz des Spätmittelalters.

Nun sind die Türken in demographischer Hinsicht ein überaus dynamisches Volk, bei tendenziell 80 Millionen – wenn man die Kurden nicht mitzählt etliche Millionen weniger – und davon sind gut 60 Prozent der Menschen unter 20 Jahre alt. Istanbul hat offiziell sechs bis sieben Millionen Einwohner. In Wahrheit leben aber angeblich rund 14 Millionen Menschen in und um Istanbul, und ob da eine Million nach Europa, nach Deutschland oder Österreich geht, fällt da gar nicht sonderlich auf. Im Zuge einer Flüchtlingswelle vor den erdoganischen Säuberungen oder im Zuge der Visa-Liberalisierung wäre aber genau dies der Fall.

Derart dynamisch wachsende Völker, wie es die Türken gegenwärtig sind, zeigen aber erfahrungsgemäß wenig Neigung zur Assimilation in andere Kulturen, nicht einmal die braven Gastarbeiter der 60er und 70er Jahre haben sich assimiliert. Und jetzt erst recht nicht die selbstbewussten Türken unserer Tage, die sich zunehmend ihrer islamischen Identität bewusst wurden und zunehmend ihre historischen osmanischen Wurzeln pflegen. Dergestalt ist die türkische „Community“, wie man die Parallelgesellschaften zeitgeistig verniedlichend nennt, kein Faktor, der sich in eine Gastgesellschaft integrieren will. Sie sind vielmehr Träger einer postmodernen Art von türkischer Landnahme und der Islamisierung. Natürlich nützt sie Recep Tayyip Erdogan als fünfte Kolonne in den europäischen Ländern, die aufgrund ihrer Stärke längst in der Lage ist, Druck auch auf europäische Regierungen zu machen. Die jüngsten Pro-Erdogan-Demonstrationen in Deutschland und Österreich beweisen dies nur allzu deutlich.

Eine zunehmend selbstbewusst und fordernd auftretende türkische Parallelgesellschaft strebt also in Deutschland und Österreich, insgesamt in Europa, nach Einfluss, Mitbestimmung, ja sogar nach Macht. Diese Parallelgesellschaften sind bestens mit dem Herkunftsland, also mit der Türkei, vernetzt, werden politisch größtenteils von dort gesteuert. Und sie sind vor allem der schlagende Beweis dafür, dass die europäischen Illusionen von der Integration der muslimischen, insbesondere türkischen Zuwanderer absolut gescheitert sind.

Türken in Österreich

Laut Statistik Austria lebten mit Stichtag 1. Jänner 2015 115.433 türkische Staatsbürger in Österreich. Davon entfielen 45.220  auf Wien. Zum Vergleich: Die Volkszählungen 1951 und 1961 wiesen gerade einmal 112 bzw. 217 türkische Staatsbürger aus, die zwischen Bodensee und Neusiedler See lebten.

Tatsächlich aber leben Schätzungen zufolge bis zu 300.00 Türken in Österreich. Der Grund dafür sind neben illegal in der Alpenrepublik aufhältigen Türken die Einbürgerungen der vergangenen Jahre – allein zwischen 2005 und 2015 wurde 28.403 Türken die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Das Durchschnittsalter der Türken in Österreich ist mit 34,3 Jahren um 9,2 Jahre niedriger als bei den Einheimischen, dafür ist die Arbeitslosenquote mit 19,8 Prozent überdurchschnittlich hoch. Niedrig ist hingegen das Bildungsniveau: 60 Prozent der 25 bis 64-jährigen Türken haben nur einen Pflichtschulabschluss.


Osmanen- Chuzpe gegen Europa

27. März 2016

Erdogans Türken spielen sich mit der EU – eine Analyse

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ist derzeit der wirklich starke Mann in Europa – auch wenn sein Land nicht dazugehört. Mit der „Waffe Migration“ hält er die Union von der Brüsseler Zentrale über Paris bis nach Berlin ganz schön unter Druck, und er darf sich von den Eurokraten, aber auch von der Dame im Berliner Kanzleramt so ziemlich alles wünschen, was er sich nur vorstellen kann: Milliarden Euro-Beträge, äußerst zuvorkommende Beitrittsverhandlungen und Visaerleichterungen bis hin zur Aufhebung der Visapflicht für Türken. Und all das noch für einen bloßen Austausch der „Schutzsuchenden“, für die, die man in die Türkei zurückschicken darf, soll er nämlich eins zu eins andere ganz legal nach Europa ausfliegen lassen können. Ein Kuhhandel, wie er übler und listiger auch auf dem Basar in Istanbul kaum zustande kommen dürfte.
Was aber will Erdogan, was wollen die Türken wirklich? Die Forcierung der Beitrittsverhandlungen zur EU sind offenbar nicht viel mehr als ein bloßes Prestigeprojekt für Ankara, so richtig EUMitglied will man ja offenbar nicht mehr werden, da die Union in vielfältigster Hinsicht in der Krise ist. Schließlich ist – was aufgrund der Masseneinwanderung aus dem Nahen Osten medial und im Bewusstsein vieler Menschen völlig in den Hintergrund gerückt ist – die Schuldenkrise in der Euro-Zone alles andere als gelöst.
Griechenland steht trotz Finanzspritzen in dreistelliger Milliardenhöhe immer noch am Rande des Staatsbankrotts, und Krisenstaaten wie Portugal oder Spanien, die in den vergangenen zwei, drei Jahren große Fortschritte erreichen konnten, droht wegen der Ergebnisse der letzten Parlamentswahlen die politische Instabilität. Kein Wunder also, dass die Türkei versucht, aus der Europäischen Union Geld herauszupressen, solange das noch möglich ist. Ankara will zwar die EU-Milliarden, die ja bekanntlich ja in erster Linie von den Nettozahlern Deutschland, Österreich oder den Niederlanden kommen, aber zweifellos will Ankara nicht die schrankenlose Bevormundung durch die Brüsseler Bürokratie.
Allzumal die Türkei geopolitisch und machtpolitisch ja ganz andere Optionen hat. Ein Land, das zunehmender Re-Islamisierung ausgesetzt ist, ein Land, das sich an die osmanische Großmacht im Nahen Osten und in Nordafrika zu entsinnen beginnt, ein Land, dessen politisches System sich Schritt für Schritt, aber offenbar gezielt, einer Autokratie nähert, ein solches Land hat wenig Interesse, gleich unter gleichen in einem Demokraten-Klub namens Europäische Union zu sein. Ein solches Land will Dominanz und regionale Hegemonie ausüben und ein solches Land sucht nicht Freunde, es vertritt vielmehr seine Interessen.
Diese Interessen bestehen in erster Linie in Finanzmitteln. Unsummen als EU-Heranführungshilfe – die in den vergangenen Jahren zusammengerechnet bereits in Milliardenhöhe geflossen sind – oder als Zahlungen für die Flüchtlingsbetreuung – aus welchem Grund auch immer, sie nehmen die Türken gerne. Dann ist es natürlich die freie Hand, die Ankara in Sachen Machtpolitik im Nahen Osten von Seiten vom Westen nunmehr erhält. Dietürkische Armee kann gegenüber den Kurden gegenwärtig so ziemlich machen, was sie will. Bekanntlich sind kurdische Städte im Osten des Landes zerniert, die PKK wird gnadenlos gejagt und die Vision einer kurdischen Autonomie auf türkischem Gebiet ist gegenwärtig vollends zur Illusion geworden. Vielmehr noch: In letzter Zeit wurden gegen das türkische Militär Vorwürfe erhoben, wonach es im Rahmen des sogenannten Anti-Terror-Einsatzes gegen die PKK zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, in einer eingeschlossenen Stadt seien 150 Zivilisten verbrannt worden. Sollten diese Vorwürfe der Wahrheit entsprechen, wäre der letzten Endes dafür politisch Verantwortliche, nämlich Präsident Erdogan, ein Fall fürs Haager Kriegsverbrechertribunal.
Auch gegenüber dem bürgerkriegsgeschüttelten Syrien hat die Türkei machtpolitisch freie Hand, sie kann ihre Interessen dort nur dann nicht durchsetzen, wenn sich die Russen dagegen sperren. Die EU und die US-Amerikaner gewähren den Türken jeden Handlungsspielraum.
Und so dürfte es wohl der Traum des Recep Tayyip Erdogan sein, als ungekrönter Sultan und Autokrat nicht nur eine re-islamisierte Türkei zu regieren, sondern in einer Art neo-osmanischer Geopolitik zur regionalen Hegemonialmacht im Nahen Osten mit Strahlkraft bis nach Nordafrika und nach Mittelasien in den Bereich der zentralasiatischen Turkvölker aufzusteigen. Die Europäer und die Europäische Union sowie die Demokratie nach westeuropäischem Muster dürften in diesen Plänen eine kaum nennenswerte Rolle spielen. Allenfalls ist es die türkische Chuzpe gegenüber der EU, die nunmehr eine Beschleunigung der Realisierung dieser Pläne ermöglicht.
Mit der „Waffe Migration“ verschafft sich Erdogan nicht nur die finanziellen Mittel, er erhält damit auch freie Hand für Maßnahmen, die ansonsten weltweite Proteste auslösen würden. Dies betrifft einerseits natürlich sein militärisches Agieren gegenüber den Kurden, aber auch gegenüber anderen Nachbarländern und anderseits im Inneren des Landes den sukzessiven Abbau von Demokratie und Rechtsstaat.
Sein geradezu demonstratives Vorgehen gegenüber den Redaktionen unbotmäßiger Zeitungen, seine Missachtung der Pressefreiheit und seine jüngsten Äußerungen, dass Verfassungsgericht aufzulösen, weil es sich erdreistet hat, ein ihm nicht genehmes Urteil zu fällen, deuten darauf hin, dass Erdogan an der Meinung der Europäer so gut wie nichts mehr liegt oder dass er in maßloser Arroganz glaubt, der Jolly Joker für die gegenwärtige Weltpolitik und die gegenwärtige europäische Politik zu sein. Ein Jolly Joker, an dem Kritik nicht mehr erlaubt ist. Die europäische Haltung dazu schwankt zwischen müder Empörung und totaler Willfährigkeit. Lächerlich ist es jedenfalls, wenn nunmehr von Berlin oder Brüssel aus Kritik an angeblichen Autokraten wie Viktor Orbán oder Wladimir Putin geäußert wird, die mit Erdogan verglichen aber beide tatsächlich „lupenreine Demokraten“ sind.
Oder wenn man der neuen rechtsnationalen polnischen Regierung, die bei den letzten Wahlen mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet wurde, mit einem Rechtsstaatlichkeitsverfahren droht, weil sie Verfassungsänderungen zu ihrem politischen Vorteil durchführte, während Erdogan ohne ein Sterbenswörtchen der Kritik aus Brüssel nach eigenem Gutdünken schalten und walten und dabei die Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit mit Füßen treten kann.
Angela Merkel jedenfalls, die deutsche Bundeskanzlerin, scheint gewillt zu sein, die Rettung ihrer migrationspolitischen Linie auch für den Preis der schrankenlosen Willfährigkeit gegenüber Ankara durchzutragen. Tatsache ist jedenfalls, dass allein im Raum Istanbul etwa 500.000 syrische Flüchtlinge auf die Weiterreise nach Europa warten sollen. Wenn man zusätzlich davon ausgeht, dass die Türken nunmehr mit der Aufhebung des Visazwangs für die EU selbst einen gewaltigen Migrationsschub in Richtung Österreich, Deutschland und Westeuropa in Gang bringen werden, kann man sich vorstellen, was auf uns zukommt. Neben den Flüchtlingen aus freien ökonomischen Gründen zwischen Europa und Anatolien Millionen pendelnde Türken, die sich die europäischen Rosinen aus dem Kuchen picken, aber dieses Europa und seine Kultur insgesamt nur verachten und lächerlich finden. Die türkische Chuzpe gegenüber Europa scheint jedenfalls im Moment nicht zu bremsen zu sein.


Erdogans wahre Interessen

7. Oktober 2015

Die Türkei ist zum Schlüssel-Staat in der gegenwärtigen europäischen Flüchtlingskatastrophe geworden. Sie beherbergt Millionen syrischer Bürgerkriegskriegsflüchtlinge, und über ihr Territorium führen alle Flüchtlingsrouten aus dem Nahen und Mittleren Osten. Pakistani und Afghanen, Iraner, Iraker, Jemeniten und andere, sie alle müssen über türkisches Territorium, um das europäische El Dorado oder gar Deutschland, das Land, in dem vermeintlich Milch und Honig fließen, zu erreichen. Die Türkei ist also zum großen Einfallstor nach Europa geworden und die Türkei, das ist in unseren Tagen Recep Tayyip Erdogan.

Nationen haben keine Freunde, sondern Interessen und nationale Führer wie Erdogan einer ist. Aufgrund von Osteuropa-Freundlichkeit oder gar Deutschen-Liebe werden die Türkei und ihr Führer Erdogan also gar nichts im gegenwärtigen Flüchtlingschaos unternehmen, sondern nur zur Wahrung ihrer Interessen. Und welche Interessen sind dies?

Erdogans Interesse besteht zuallererst zweifellos darin, seine Position als Führer der Türkei zu stärken und unangreifbar zu machen. Weiters will er nicht nur von seinen Landsleuten verehrt, sondern von den internationalen Partnern, nicht zuletzt von jenen in Europa, akzeptiert oder gar hofiert werden. Nach einigen Rückschlägen in den vergangenen Jahren, als man seinen autokratischen Stil auch in den westlichen Medien kritisierte, scheint ihm Letzteres nunmehr sehr gut zu gelingen. In Brüssel hat man ihm dieser Tage von Seiten der Spitzen-Eurokraten geradezu die Füße geküßt. Man braucht ihn nämlich. Man braucht ihn und die Türkei, um das Flüchtlingschaos einigermaßen unter Kontrolle zu bringen.

Die Idee, an der syrischen Grenze gewaltige Flüchtlingscamps mit europäischer Finanzierung zu errichten und die Türkei dazu zu bewegen, ihre Grenzen, insbesondere die Seegrenze in der Ägäis abzuriegeln, ist nämlich die wohl einzige Möglichkeit, des Problems Herr zu werden. Wenn nämlich die angeblich Schutzsuchenden erste auf europäischem Boden, etwa in Griechenland, sind, scheint sie nichts mehr stoppen zu können auf ihrem Weg nach Mitteleuropa. Der türkischen Armee hingegen und der türkischen Marine traut man dies offenbar sehr wohl zu. Aber warum sollte Sultan Erdogan dies für Europa tun?

Zuerst einmal wegen des Geldes. Die Türkei bekommt ja bereits seit Jahren von der EU eine Heranführungshilfe von tendenziell einer Milliarde Euro. Sie wird für die Errichtung und Unterhaltung der Flüchtlingscamps wohl noch viel mehr wollen. Und dann will die Türkei die Visafreiheit in Richtung EU und natürlich uneingeschränktes Wohlwollen bei den nach wie vor laufenden Beitrittsverhandlungen des Landes gegenüber der Europäischen Union. Man kann sich vorstellen, mit welch günstigen Bedingungen das Land der Osmanen ins integrierte Europa aufgenommen werden wird.

Schließlich aber will die EU aus türkischen Lagern ohnedies eine halbe Million Syrer – einmalig oder pro Jahr, das wissen wir nicht – aufnehmen. Und damit wird ein weiteres Interesse der Türken bzw. Erdogans erfüllt. Vergessen wir nicht, dass Erdogan die graue Eminenz einer islamistischen Partei ist, der AKP nämlich, und dass es ihm und seiner Partei sehr wohl recht sein dürfte, wenn Millionen zusätzlicher Moslems nach Europa strömen und damit die Islamisierung des alten Kontinents vorangetrieben wird. Gewiss, zwischen Türken und Kurden, zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen den syrischen Bürgerkriegsparteien gibt es genug Unterschiede und Konfliktpotential. Zuletzt aber sind sie doch alle Moslems und ist ihnen der Koran und der Bart des Propheten näher als das bürgerliche Gesetzbuch und das christliche Abendland.

Und schließlich kann Erdogan durch eine zumindest vordergründig restriktive Flüchtlingspolitik seine machtpolitischen Interessen im Nahen Osten befördern. Als regionale Großmacht, die nicht nur im Bereich der zentralasiatischen Turkstaaten, sondern insgesamt in jenen des ehemaligen Osmanischen Reiches, also bis weit nach Nordafrika hinein wirkt, wird Europa, wird die EU, werden die Amerikaner und die NATO kaum eine Gefälligkeit versagen. Und natürlich wird man auch den türkischen Kampf gegen die kurdische Nationalbewegung weiter unterstützen. Die kurdischen Peschmerga, die bisher die Hauptlast des Bodenkrieges gegen den Islamischen Staat trugen, werden vom Westen wohl schmählich im Stich gelassen werden, gilt es doch, Sultan Erdogan bei Laune zu halten. Und das wird – wie gesagt – einen hohen politischen und finanziellen Preis erfordern und Europa letztlich auch nicht vor Millionen illegaler Zuwanderer bewahren.


Sultan Tayyips Sorgen – Der Erdoganismus stößt an seine Grenzen

14. Juni 2013

Der starke Mann am Bosporus hat Probleme. Nachdem die Türkei im vergangenen Jahrzehnt eine beeindruckende Erfolgsstory hingelegt hat, scheint sie nun in die Fallgrube, die durch die eigene Modernisierung entstanden ist, zu stürzen. Die dem Vernehmen nach „gemäßigt islamistische“ AKP des Recep Tayyip Erdogan hat zwar den herkömmlichen Laizismus der kemalistischen Türkei durch eine gewisse Re-Islamisierung abgelöst, sie hat durch den erfolgreichen wirtschaftlichen Aufstieg aber – insbesondere in den urbanen Zentren – nolens volens auch gesellschaftliche Modernisierung herbeigeführt. Die Früchte derselben sind die spontanen, aus der gesellschaftlichen Basis heraus wachsenden Demokratisierungs-Bestrebungen, wie sie in den gegenwärtigen Großdemonstrationen deutlich werden.

Und jener Mann, der die moderne Türkei neben dem Staatsgründer Kemal Atatürk am meisten prägt, nämlich Premierminister Erdogan, ist durch die Dynamik der für ihn so überraschenden Entwicklung offenbar absolut überfordert. Zwar vermochte er bislang die durchaus widersprüchlichen Entwicklungen wie die Re-Islamisierung und seine neo-osmanischen Außenpolitik mit der wirtschaftlichen Modernisierung und der EU-Annäherung unter einen Hut zu bringen. Die Bedürfnisse der Facebook-Generation nach Mitsprache und Liberalität im täglichen Leben überfordern ihn aber nun. Seine Reaktion auf die Protestbewegung, harte Sprüche und noch härterer Polizeieinsatz, beweisen dies deutlich.

Jene, die da meinen, die Massendemonstrationen würden einmal mehr beweisen, dass die Türkei alles andere als europareif sei, liegen falsch. Die Träger dieser Demonstrationen vertreten vielmehr ein gesellschaftliches Substrat, welches zweifellos im hohen Maße als europäisiert angesehen werden kann. Die fehlende Europareife der Türkei wird hingegen durch die Reaktionen Erdogans und der AKP-Machthaber wieder einmal aufs Neue demonstriert. Und es steht außer Zweifel, dass in der breiten Wählerbasis der AKP auf dem flachen Lande quer durch Anatolien Erdogans Haltungen und seine Reaktionen absolut gebilligt werden.

Während die Türkei in den vergangenen Jahren durch beeindruckende ökonomische Wachstumsraten von sich reden machte, sind einigermaßen still und leise tausende neue Moscheen im Lande gebaut worden. Die Armee als Hüter der kemalistischen Säkularisierung wurde Schritt für Schritt – durchaus unter Zustimmung des europäischen Mainstreams – aus den Schaltstellen der Macht verdrängt. Und im geopolitischen Umfeld, nicht zuletzt auch auf dem europäischen Balkan, hat Erdogans Türkei so etwas wie eine partielle Re-Osmanisierung eingeleitet. All das unter den Augen der EU-Kommission und der EU-Beitrittsverhandler. Leise moniert wurde all das allenfalls in den alljährlichen EU-Fortschrittsberichten, die man in Ankara allerdings nicht allzu ernst zu nehmen pflegt.

Ob nun Erdogan und die AKP-Machtelite in der Lage sein wird, die gegenwärtigen Massenprotestes auszusitzen oder durch teilweise Konzessionen zu neutralisieren, bleibt abzuwarten. Vorläufig deutet jedenfalls nichts darauf hin, dass sich der starke Mann am Bosporus von seinem politischen Gesamtkurs dadurch abbringen lassen könnte: Re-Islamisierung gepaart mit dynamischen wirtschaftlichem Aufschwung im Inneren. Und im Äußeren islamische Großmachtsallüren und das Auftreten einer starken Regionalmacht im mittelasiatischen Bereich der Turkstaaten, gepaart mit einer EU-Annäherung, die durchaus erahnen lässt, dass Ankara auch in Europa eine einigermaßen dominante Rolle spielen würde.

Sultan Tayyip hat sich weder von der Kurdenfrage noch von der türkischen Frontstellung im Syrien-Konflikt von seinem Kurs abbringen lassen. Wahrscheinlich wird er dies auch nicht wegen der gesellschaftlichen Modernisierungsbewegung. Und die europäischen Türken-Communities? Sie werden sich entscheiden müssen, ob sie auf den konkreten, vielfach geäußerten Wunsch Erdogans Bewahrer des Türkentums und damit osmanische Brückenköpfe im Abendland sein wollen, oder Botschafter westlicher demokratischer und säkularisierter Zivilisation in Richtung ihrer alten Heimat und damit durchaus im Gegensatz zu Sultan Tayyip.