Uns gegenüber ist alles erlaubt

6. Februar 2013

Da gibt es im Internet eine wochenlange Hetze gegen den Akademikerball der national-freiheitlichen akademischen Korporationen, Aufrufe „die Burschis“ zu schlagen, wo man sie treffe, die Bekanntgabe der Adressen der Verbindungshäuser, um diese entsprechend zu belagern, oder gar, so wie im Vorjahr, zu attackieren und natürlich die Ankündigungen, die Berufs-Anarchoszene brutal und gewalttätig aus Deutschland einzuladen. Die Wiener Polizei hat das alles gewusst und der Verfassungsschutz natürlich auch. Dessen Chef, Herr Gridling – ein an sich durchaus vernünftiger Mann – musste sich am vergangenen Samstag im Journal zu Gast im ORF-Radio eine Viertelstunde nur über den Kampf gegen den ach so gefährlichen Rechtsextremismus auslassen. Dass am Tag zuvor brutale Linksextremisten, die seine Behörde wahrscheinlich alle namentlich kennt und von der sie genau wusste, dass sie nach Wien kommen würden, mehr oder weniger ungehindert biedere Bürger und Steuerzahler überfallen durften, war ihm keine Erwähnung wert.

Gewiss, es wurden tausend Polizisten aus den Bundesländern in Wien zusammengezogen und ein Teil der Innenstadt war für die Demonstranten abgesperrt. Man ließ es aber zu, dass die Demonstrationen just so geführt wurden, dass die Zugänge zur Hofburg, wo der Akademikerball stattfand, locker blockiert werden konnten. Und obwohl die Gäste ohnedies bereit waren, auch kurze Strecken mit dem Taxi zu fahren, war dann zu Ballbeginn auch eine Zufahrt über freigehaltene Straßen nicht mehr möglich. Und wer es dann versuchte, zu Fuß durchzukommen, wurde bespuckt, geschlagen, beschimpft, bedroht und mit diversen Wurfgegenständen bedacht. Die einfachen Polizisten taten was sie konnten bzw. durften. Denn wie die Weisungen von oben aussahen, können wir nur vermuten. Deeskalieren wahrscheinlich. Was aber wohl bedeutete: Die korporierten Ballbesucher sollen selber schauen, wie sie da durchkommen. Und sie mögen sich nicht aufregen, wenn sie ein wenig abbekommen, wo sie doch die Frechheit haben, eine öffentliche Veranstaltung abführen zu wollen. Jedenfalls wurde nirgendwo ein Platz geräumt und das Vorgehen gegenüber den Demonstranten war mehr als defensiv.

Der Wiener Polizeipräsident, ein in der Wolle gefärbter Roter naturgemäß, meinte dann, bei 3.000 Demonstranten, 1.000 Polizisten und 700 Ballbesuchern – woher er das so genau weiß? – wären ein paar Verletzte, ein paar Verhaftete und ein paar harmlose Farbbeutel ohnedies so gut wie nichts. Wer das nicht wüsste, dem fehle der Sachverstand. Dazu dem Herrn Polizeipräsidenten ins Stammbuch geschrieben: Der friedfertige Bürger, der brave Steuerzahler und auch der freigewählten Abgeordnete hat in diesem Lande das Recht, absolut unbeschadet zu einer öffentlichen, legalen Veranstaltung zu gehen. Und dafür hat die Polizei zu sorgen. Demonstrationen, von denen man seit Jahren genau weiß, dass sie in Gewalttätigkeit ausarten, haben nicht bewilligt zu werden. Ungesetzliche Aktivitäten und Gewalttaten haben sofort unterbunden zu werden. Und unangemeldete Zusammenrottungen an nicht freigegebenen Plätzen haben aufgelöst zu werden – und das auch wenn es sich um missliebige Freiheitliche oder national-freiheitliche Korporierte handelt.

Der Herr Polizeipräsident Pürstl aber darf sich gewiss sein, dass er im Kreise der rot-grünen Stadtregierung hämisches Gelächter ernten wird, wenn er über die Vorgänge der vergangenen Freitagnacht berichtet. Und natürlich wird die Strafanzeige des Autors dieser Zeilen gegenüber dem Herrn Polizeipräsidenten in der heimischen Justiz im gegenwärtigen Zustand auch keine sonderlich schwerwiegenden Folgen haben. Herr Pürstl sieht der Anzeige also zu Recht gelassen entgegen. Denn er weiß: Uns gegenüber ist alles erlaubt. Diese Rechtsextremisten – Herrn in Smoking und Frack, Damen in langen Abendroben – sollen sich doch über ein paar Farbbeutel nicht aufregen.