Wirklich nur ­Verschwörungstheorien?

22. September 2016

Absurde Verschwörungstheorien seien es, wenn man mutmaße, es könnte bei der Briefwahl nicht völlig mit rechten Dingen
zugegangen sein, hieß es am Tag nach der Stichwahl zum höchsten Staatsamt der Alpenrepublik. Und als der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer angesichts der Tatsache, dass das Ergebnis vom Wahltag durch die Briefwahlstimmen umgedreht wurde, meinte, es werde „schon ein wenig eigenartig ausgezählt bei den Briefwahlstimmen“, war das für seine politischen Gegner der Beleg, dass hier Verschwörungstheoretiker am Werk seien. Und wenn nunmehr angesichts der Wahlverschiebung da oder dort Mutmaßungen in den Raum gestellt werden, dass das politische Establishment, also nahezu alle politisch-medialen Kräfte jenseits der FPÖ – mit Ausnahme der sich offiziell vorsichtig bedeckt haltenden ÖVP-Spitze – den Zeitfaktor tunlichst für sich zu nutzen gedenken, wird das ebenso als groteske Verschwörungstheorie abgetan. Immer würden sich diese rechten Fundamentaloppositionellen als Opfer von medialer Manipulation und politischer Machination hinstellen, um larmoyant an das Mitleid ihrer Wähler zu appellieren.
Nun wurde zwar bei der ersten Stichwahl ganz offenbar doch ein bisschen „seltsam ausgezählt“, wie dies Norbert Hofer selbst bezeichnete. Der durchgängig rot-schwarz besetzte Verfassungsgerichtshof – Orbán und Kaczynski lassen übrigens grüßen mit ihren parteipolitisch gegängelten Höchstgerichten – fand es sogar angebracht, den Wahlgang aufzuheben, da offenbar massenhaft Gelegenheit bestand zu dieser Art von „seltsamer Auszählung“. Ob sie tatsächlich stattfand, wurde gar nicht überprüft. Und der Hinweis des Verfassungsgerichtsspruchs, dass es dafür auch keine Anzeichen gäbe, war nicht mehr als eine relativierende Freundlichkeit gegenüber dem unterlegenen Establishment-Kandidaten. Die Möglichkeit zur „seltsamen Auszählung“ hat laut Verfassungsgerichtshof massenhaft bestanden und niemand kann redlicherweise behaupten, dass eine solche nicht auch stattgefunden hat.
Soviel zur ersten, zitierten Verschwörungstheorie.Und was nun die Wahlwiederholung beziehungsweise deren Verschiebung betrifft, so grenzen die dafür gebrachten Argumente schon ans absolut Lächerliche: Der Kleber des Kuverts könnte massenhaft versagen, wobei es allerdings nur im Fall von einigen hundert Exemplaren real überprüft wurde. Und nunmehr muss man den Druck dieser Kuverts gar auch noch EU-konform ausschreiben, was ja Monate dauert. Gemeinsam mit der Neuerstellung des Wählerregisters – rechtlich auch ein bedenklicher Vorgang, da es sich nunmehr um ein anderes Elektorat handelt als beim ersten Wahlgang – würden diese beiden Faktoren eine monatelange Verzögerung der neuerlichen Stichwahl bedingen. Immerhin nahezu ein halbes Jahr nach der Aufhebung des Wahlgangs durch den Verfassungsgerichtshof.
Dabei hat das Höchstgericht davon gesprochen, dass die Wahl ehestmöglich zu wiederholen sei. In anderen Ländern geht dies in einer Zwei-­Wochen-Frist und da ist von einer EU-konformen Ausschreibung irgendwelcher Formulare und einem umständlich zu reparierendem Wählerregister keinerlei Rede. In Österreich sehr wohl.
Hier kommt der Verdacht auf, maßgebliche Strategen des etablierten Parteiensystems mit entsprechendem Einfluss auf die Entscheidungsträger in der Regierung könnten sich ausrechnen, dass ein möglichst später Wahlgang um die Weihnachtszeit doch für den Kandidaten des Establishments viel vorteilhafter wäre als ein frühherbstlicher Termin.
Im Dezember, wenn die Flüchtlingsströme längst versiegt sind, wenn die Regierung ihre restriktive neue Politik gegenüber der illegalen Massenmigration entsprechend kommuniziert hat, wenn die Umfragewerte für den freiheitlichen Herausforderer sukzessive zurückgegangen sind, weil sich Terrorangst, Integrationsprobleme und massenhafter Andrang an den Grenzen in den Medien kaum mehr finden, ja dann könnte ein solcher Wahlgang ein ganz anderes Ergebnis zeitigen.


Versöhnung tut not

12. Juni 2016

Wer schüttet nun die aufgerissenen Gräben wieder zu? – Überlegungen von Andreas Mölzer

Der Wahlkampf um das höchste Amt im Staate hat die Gräben zwischen der politisch-korrekten Klasse der Meinungsführer, die sich voll im Zeitgeist wähnen, auf der einen Seite und dem schweigenden Teil der Bevölkerung auf der anderen Seite brutal aufgerissen. Erstere, vertreten durch Repräsentanten aller etablierten Parteien von SPÖ, Grünen bis hin zur ÖVP und den Neos sowie von nahezu ausnahmslos allen Kulturschaffenden und auch den Repräsentanten der staatsnahen Wirtschaft ebenso wie der Wissenschaft, sie konnten für ihren Kandidaten bekanntlich 50 Prozent erlangen.

Der andere Teil der Österreicher hingegen, der in den Medien in den vergangenen Wochen des Wahlkampfs kaum zu hören war und im öffentlichen Diskurs nur am Rande vertreten war, er hat mit dem freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer ebenso 50 Prozent erreicht. Beide Teile repräsentieren einen ansehnlichen Teil der österreichischen Bevölkerung ,und zwischen diesen beiden Bereichen gibt es kaum eine wirkliche Gesprächsbasis, vielmehr sind die Antipathien bis hin zur offenen Verachtung und zum Hass tiefgehend.

Die Meinungsführer aus Politik, Medien, Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft haben also nahezu ausnahmslos für den grünen Kandidaten plädiert und auch durchblicken lassen, dass all jene, die den Gegner Van der Bellens, nämlich Norbert Hofer, unterstützen, verantwortlich wären für einen neuen autoritären, antidemokratischen Kurs in der österreichischen Politik, für die Isolierung des Landes, und den darauffolgenden wirtschaftlichen Niedergang.

Pflichtschuldigst ließ man zwar wissen, dass man nicht alle Hofer-Wähler für Nazis und Faschisten halte, aber sie müssten schon wissen, welches Unheil sie mit ihrer Wählerstimme anrichten würden.

Die andere Hälfte der Wählerschaft hingegen, die sich für Hofer entschied, dürfte großteils von tiefem Groll motiviert sein über die repressiven Versuche,  sie zu einem anderen entsprechenden Wahlverhalten zu bewegen. Mit volkspädagogischem Impetus habe man sie, die „kleinen Leute“, die „Veränderungsverlierer“, die „Bildungsfernen“, die „dumpfen Wutbürger“, die nur die Sprache des Stammtisches verstünden und die auf primitive freiheitliche Hetze hereingefallen wären, geradezu zwingen wollen, ihrer Vorliebe für den jungen freiheitlichen Kandidaten abzuschwören. Man hat also den Eindruck vermittelt, man halte diese Bevölkerungsschicht demokratiepolitisch für unmündig und unfähig, eigene Entscheidungen zu treffen.

Toleranz und der demokratische Wille, die Entscheidung einer etwaigen Mehrheit zu akzeptieren, ist von Seiten der politisch-korrekten und zeitgeistigen Meinungsführerschicht längst nicht mehr zu erwarten. So zumindest der Eindruck, den man im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf bekommen musste. Das aber ist der gesellschaftspolitische Humus, auf dem Hass wächst. Ein Hass, der bislang eher auf die Ränder der Gesellschaft, auf den linksextremen, anarchistischen Rand, auf den Schwarzen Blocks also, oder auf der rechten Seite – in quantitativ viel geringerem Ausmaß – auf irgendwelche Skinhead-Grüppchen beschränkt blieb.

Dieser Hass wandert im Zuge eines polarisierenden Wahlkampfs, wie wir ihn erlebt haben, nach und nach in die Mitte der Gesellschaft. Und er spaltet das Land in einem Ausmaß, welches allmählich die Atmosphäre eines „kalten Bürgerkriegs“ annehmen könnte. Und natürlich wird sich diese Spaltung im Zuge des Anhaltens der Massenzuwanderung durch Asylsuchende und Wirtschaftsmigranten weiter vertiefen. Ebenso zeichnet sich kein Ende des eklatanten Versagens der Europäischen Union im Hinblick auf die Wirtschaftskrise und die Euro-Problematik ab, auch der galoppierende Sozialabbau im Lande selbst, darüber hinaus im übrigen Europa, ist keineswegs gestoppt, daran ändern auch Obamaeske Reden des neuen Kanzlers nichts.

Eine zentrale Aufgabe des neuen Bundespräsidenten müsste es also sein, einen Prozess der nationalen Versöhnung einzuleiten. Dazu wird es nicht nur notwendig sein, die beiden konkurrierenden Lager aus der Präsidentschaftswahl zu einem fairen Dialog zu bewegen, es wird vielmehr darum gehen, jene ausgegrenzte und stigmatisierte politische Bewegung, die bislang in Fundamental-Opposition gegenüber dem politischen Establishments verharrte, allerdings auf Grund der großen Probleme unser Zeit immer stärker wurde, endlich zur Gänze in den politischen Diskurs einzubeziehen und sie als gestaltenden demokratischen Faktor zu akzeptieren.

Eine Versöhnung ist also nur möglich, wenn man der Strache-FPÖ demokratische Legitimation zuerkennt und sie nicht ständig unter Generalverdacht stellt, eine Gefahr für die österreichische Demokratie zu sein. Kooperations-Verbote, wie es sie in der SPÖ mittels Parteitagsbeschluss gibt, und die allzu lose Verwendung der Faschismuskeule gegen miss-liebige Polit-Konkurrenten sind naturgemäß Hindernisse für so einen Versöhnungsprozess. Auch das Gerede von einer „Orbánisierung“ oder „Putinisierung“ Österreichs durch den freiheitlichen Erfolg ist nur eine andere Variante der Faschismuskeule.

Ob die SPÖ unter Christian Kern also in der Lage sein wird, die alte Vranitzky-Doktrin der Ausgrenzung der Freiheitlichen zu überwinden, bleibt abzuwarten. Ausgeschlossen ist dies nicht, da dies aus strategischen Erwägung für die Sozialdemokratie notwendig sein könnte, hätte sie doch dann gegenüber der ÖVP eine weitere Option auf Kooperation und weitere Koalitionsvarianten für eine allfällige Bundesregierung.

Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob die politisch-korrekten Meinungsführer in der Lage wären, die politisch-gesellschaftlichen Haltungen jenes Bevölkerungsteils zu akzeptieren, der für Hofer votierte. Für eine Partei reicht ein Parteitagsbeschluss, für eine gesellschaftliche Grundstimmung bzw. die Kluft, die zwischen den beiden großen skizzierten gesellschaftlichen Gruppen herrscht, langt dies längst nicht. Hier wäre ein Prozess des  Dialogs und des Aufeinander-Zugehens einzuleiten, der wohl Jahre und große Anstrengungen benötigen würde.

Der vom österreichischen Philosophen Friedrich Heer postulierte Dialog unter Gegnern, das Gespräch unter Feinden, wäre dazu ein geeigneter Ansatz. Die Schwierigkeit dabei ist allerdings, welche Repräsentanten dieses schweigenden Bevölkerungsteils jenseits der Parteipolitik es gäbe und wie die zeitgeistigen Wortführer ihre Arroganz gegenüber derselben überwinden könnten. Eine politisch-korrekte Kunstszene, die sich gegenseitig als Propagandisten der Willkommenskultur hochgejubelt hat, der mediale Mainstream, assistiert von den Parteisekretariaten der etablierten politischen Parteien, sie alle wären freiwillig wohl weder in der Lage noch willens, diesen Dialog mit der anderen Seite aufzunehmen. Der bislang geübte Reflex, die Gegenseite als latent faschistoid, politisch unwissend, verhetzt und primitiv abzutun, ist in diesen Kreisen längst so verinnerlicht, dass er nicht so leicht überwunden werden könnte.

Dennoch wäre es eine Aufgabe des neuen Bundespräsidenten, einen solchen Dialog einzuleiten. Der „kalte Bürgerkrieg“, der zwischen beiden Gruppierungen auszubrechen droht, sollte zeitgerecht beendet werden.


Nach der Wahl ist vor der Wahl

10. Juni 2016

Die Präsidentschaftswahl ist geschlagen und ob es eine Wahlanfechtung gibt, wissen wir zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Textes noch nicht. Aber wie auch immer: Sollte das Imperium wirklich die Notbremse gezogen haben, wird es das wohl so gemacht haben, dass ihm nichts nachzuweisen ist und die kleineren Manipulationen, pardon „Versehen“, werden das Kraut nicht wirklich fett machen. Wir haben also ein Staatsoberhaupt der Anti-Rechts-Koalition und dieses hat für seine Amtszeit im Wesentlichen nur eine Agenda: Die Kanzlerschaft des Parteichefs der rechtsdemokratischen großen Oppositionspartei zu verhindern.

Soweit, so schön. Nach der medialen Weichzeichnung, die wir während des Wahlkampfes im Hinblick auf die vitalen Probleme des Landes hatten, sind wir allerdings nunmehr wieder mit den Mühen der Ebene konfrontiert. Vom neuen Kanzler müssen wir erkennen, dass er keineswegs der politische Messias ist, als den er zu Beginn seines Amtes hochgejubelt wurde, sondern ein eher matter Partei-Protegé-Manager, und sein schwarzes Pendant, der Nachwuchs-Wunderwuzzi im Amte des Außenministers, erweist sich zunehmend als braver Nachbeter freiheitlicher Positionen. Dass er nunmehr in Bezug auf die illegale Migration das australische Modell entdeckt hat, von dem die Freiheitlichen schon seit Jahr und Tag predigen, dass es die einzige Lösung für Europa wäre, zeigt ein gewisses Maß von Verhaltens Originalität. Immerhin zieht er die linkslinke Schelte und das moralinsauer Wedeln mit der Faschismuskeule nunmehr auf sich und die freiheitliche Opposition kann mit einiger Häme feststellen, dass er diesbezüglich eigentlich nicht mehr als ein matter Plagiator ist.

Aber natürlich ist es das Richtige, was die Freiheitlichen schon immer wollten und was Kurz nunmehr vorschlägt: Die – von Schleppern systematisch geplante – Rettung aus Seenot kann noch kein „Ticket nach Europa“ darstellen. Vielmehr ist es zweifellos die systematische Repatriierung aller illegaler Migranten, die die Lösung darstellt. Wenn dann irgendeine der mehr oder minder ernstzunehmenden Regierungen in Libyen verlautbart, sie nehme niemanden zurück, so ist das nichts mehr eine dreiste Frechheit. Länder, die einzig und allein mit geltend europäischer Hilfe aus dem Chaos zu retten sind, sollten endlich erkennen müssen, dass sie auch europäische Bedingungen zu akzeptieren haben. Und das wären natürlich entsprechende Rücknahmeabkommen.

Wie weit uns Sultan Erdogan künftighin erpressen wird, bleibt abzuwarten. Aber auch ihn sollte man klar machen, dass er die bulgarische und griechische Grenze mittels Flutung durch hunderttausende Flüchtlinge nicht mehr bedrohen kann. Jedes Boot, das von der türkischen Küste in der Ägäis ablegt, sollte genauso beinhart zurückgeschickt werden, und was an der mazedonischen-griechischen Grenze möglich war, sollte an den bulgarischen und griechisch-türkischen Grenzen ebenso möglich sein. Wenn Europa überleben will, wird es sich nicht erpressen lassen können. Und wenn die rot-schwarze Bundesregierung in Österreich überleben will, wird sie zugeben müssen, dass die freiheitlichen Forderungen – speziell in der Flüchtlings- und Zuwanderungsfrage – vernünftig sind.