Längst hat die Menschheit die 8-Milliarden-Grenze überschritten. Der Planet ist überbevölkert und die Ernährung der Erdbevölkerung wird immer schwieriger. Indessen harren die Getreideschiffe im Hafen von Odessa ihrer Ausfahrt. Und nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden durch den Ukraine-Krieg rund 100 Millionen Menschen in extreme Armut fallen, wenn nicht gar realen Hunger leiden.
Soziale Spannungen, vielleicht sogar Bürgerkriege und Armutsrevolten werden die Folge dieser Entwicklung sein, wobei zuerst gescheiterte Staaten in Schwarzafrika, in Südostasien und in anderen Teilen der Dritten Welt betroffen sein dürften. Zu Jahresbeginn gab es schon Aufstände in Kasachstan wegen der explosionsartig angewachsenen Treibstoffpreise. Dann war es in jüngster Zeit Sri Lanka, das von solchen Unruhen betroffen war. Demnächst könnte es Pakistan sein, das offenbar vor einer Explosion steht. Und ähnlich wird es sich mit all jenen Staaten verhalten die, so etwa in Schwarzafrika, durch die ausfallenden Getreidelieferungen aus der Ukraine zunehmende Bedrängnis geraten.
In Schwellenländern, die durch die massiv steigende Energiekosten und ebenso explosiv anwachsenden Kosten für Lebensmittel, sowie durch desolate Staatshaushalte betroffen sind, steigt die Gefahr sozialer Spannungen und ganz realer gewalttätiger Konflikte. Wer nun glauben sollte, dass dies nur auf die Dritte Welt beschränkt, wäre der irrt. Auch in den westlichen Industriestaaten wird die tatsächlich hereinbrechende Verarmung breite Teile der Bevölkerung betreffen und das soziale Gefüge erschüttern, wenn nicht gar zerstören. Insbesondere in jenen Ländern, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten durch massive Massenzuwanderung destabilisiert wurden, wird es zwangsläufig zu Auseinandersetzungen zwischen der autochthonen Bevölkerung und den Zuwanderungsgruppen kommen. Spätestens dann, wenn die staatlichen Transferleistungen für die Bevölkerung mit Migrationshintergrund geringer werden oder gar gänzlich ausbleiben, sind veritable Verteilungskämpfe, die bis hin zu offenen Bürgerkriegen gehen könnten, unausbleiblich.
Jenseits der Sozialutopien, wie sie sich in der Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle gezeigt haben, wird es in der auf uns zukommenden Mängelgesellschaft zweifellos eine Verarmung, wenn nicht gar eine Verelendung breiter Gesellschaftsschichten geben. Aus sozialen Spannungen könnten bürgerkriegsähnliche Zustände bis hin zu Hungerrevolten werden. Und diese könnten durch ethnische Konflikte unter den Zuwanderer-Gruppierungen verstärkt werden, so wie wir es aus den Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden kennen, wie sie vor Jahr und Tag in Wien statt bereits stattgefunden haben.
Es wäre eine Illusion, anzunehmen, dass Europa von solchen Entwicklungen ausgenommen wäre. Nicht nur, dass der Krieg in Form des russischen Angriffs auf die Ukraine längst nach Europa zurückgekehrt ist. Konflikte, am Balkan etwa zwischen Kosovo und Serbien, drohen auch wieder aufzubrechen. Und dieser Bereich ist von Österreich, unserer Insel der Seligen, nur wenige Autostunden entfernt.
Und sogar in Friedensregionen wie etwa im Alpen-Adria-Bereich könnten durch die sozialen Probleme und deren Verschärfung alte, längst tot geglaubte Konflikte, die bislang verdrängt oder vergessen waren, wieder entflammen. Sogar längst historisierte Auseinandersetzungen wie etwa jene zwischen Österreichern und Italienern, zwischen Kärnten und Slowenien, zwischen Friulanern und ihren kroatischen und slowenischen Nachbarn könnten sich neuerlich entzünden. Dort, wo man sich noch vor drei Generationen zu zehntausenden dann gegenseitig hinmordete, etwa bei den Isonzo-Schlachten des Ersten Weltkriegs, wäre es auch nicht ausgeschlossen, dass alter Hass neu ausbricht.
Dies sind nun scheinbar doch weit hergeholte Horrorvisionen, ausgeschlossen jedoch ist das Aufbrechen alter Konflikte unter schwierigen sozialen Bedingungen keineswegs. Und dies nicht nur in Österreichs Nachbarschaft, sondern weltweit. Gerade in Osteuropa und in Südosteuropa gibt es eine derartige Fülle von alten ungelösten ethnischen, sozialen und ökonomischen Streitfällen, dass es ein Wunder wäre, wenn diese nicht im Falle dramatischer wirtschaftliche Entwicklungen wieder zum Tragen kämen. Die Auseinandersetzungen in der Ukraine, die natürlich nunmehr unter Kriegsbedingungen stattfinden, zeigen uns dies nur allzu deutlich.
Wenn überdies die wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen externer Mächte mitspielen, verschärft dies die Konflikte zumeist noch. So ist etwa die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine keineswegs uneigennützig.
Wenn Großmächte wie etwa die Vereinigten Staaten von Amerika oder auch Russland oder das ostasiatische China glauben, ihre Einflusssphäre ausdehnen oder auch nur bewahren, geht es zumeist zu Lasten der regionalen Staaten.
So ist etwa die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine gewiss nicht nur von freundschaftlichem Einsatz für die Souveränität des Landes motiviert, sondern zweifellos auch durch globale Großmachtinteressen.
Und wenn China in Schwarzafrika in gewaltigem Maße investiert, so ist dies wohl kaum durch den Einsatz für Völkerfreundschaft begründet, sondern durch ganz reale wirtschaftliche und machtpolitische Interessen.
Insgesamt scheinen der Planet und die Menschheit auf eine Epoche multipler Krisen zuzusteuern. Die Überbevölkerung und die Ernährungskrise, sowie die weltweite massive Verteuerung von Lebensmitteln und Energie erzeugen in zunehmendem Maße in vielen Staaten Versorgungskrisen und damit sich zuspitzende Verteilungskämpfe. In den bereits als gescheitert geltenden Staaten der Dritten Welt ist die Folge davon das totale Chaos, die völlige Anarchie und zumeist die Übernahme durch autoritäre Systeme. In Schwellenländern fördert diese krisenhafte Entwicklung ebenso die Entwicklung antidemokratischer Strukturen. Und in den westlichen Demokratien ist das, gepaart mit der Zuwanderung, einfach ein Faktor zunehmender Destabilisierung.
Es sind somit keine schönen Aussichten für die Menschheit, die sich da auftun. Die offenbar nunmehr auslaufende Coronakrise, der Ukraine-Krieg, die Inflation in den westlichen Industriestaaten und die globale Tendenz zu massenhafter Verarmung scheinen uns tatsächlich in eine Epoche des Chaos und der Krise zu stürzen.
Wo sind die Staatsmänner, wo sind die politischen Kräfte, die sich dem entgegenstemmen und Konzepte für die Bekämpfung dieser Multi-Krisen-Entwicklung haben?
Tröstlich ist nur, dass wir eines wissen: Wenn die Gefahr groß ist, wächst auch das Rettende. Hoffen wir, dass der Klassiker recht behält.
Eine Epoche multipler Krisen
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Der Wiener Soziologe und Anthropologe Roland Girtler hat einmal bemerkt, dass im Leben der einfachen bäuerlichen Bevölkerung sich seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts in wenigen Jahrzehnten mehr geändert habe als im Zeitraum davor von der Jungsteinzeit an. Was die Ernährung, die Arbeitsweise, den Tagesablauf, die Kleidung der Menschen betreffe, sei über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende für diese einfachen bäuerlichen Menschen alles gleich gewesen. Und danach hat die industrielle Revolution in kaum einem halben Jahrhundert nicht nur das Leben der bäuerlichen Bevölkerung, sondern unser aller Leben in einem Maße verändert, das zuvor kaum vorstellbar war.
Noch in den Jahren der Not und des Mangels etwa zischen den beiden Weltkriegen oder in der Nachkriegszeit gab es Möglichkeiten der Selbstversorgung, die den Menschen auch bei Zusammenbruch der staatlichen Versorgung und des Wirtschaftsgefüges das Überleben ermöglichte. Ein paar Hühner, ein paar Kaninchen auf den Balkon, ein Sack Kartoffel im Keller und ein paar Dutzend Krautköpfe, ein Schaffell Sauerkraut und die Milch in der Milchkanne vom Bauern, gekühlt im Winter zwischen den Außen- und Innenfenster und Gemüse aus dem eigenen Garten. Und bei Waldspaziergängen sammelte man Fichtenprügel, die man zu Hause im Keller zerhackte, um den Kanonenofen in der guten Stube zu befeuern. Warme Pullover, Schals, Mützen und Handschuhe wurden selbst gestrickt. Und wenn der Strom ausfiel oder man noch gar keinen hatte, gab es Petroleumlampen und Kerzen. Und statt Radio und Fernsehen in den ambitionierteren Familien allenfalls Hausmusik.
Dieses Maß an Selbstversorgung ermöglichte bis hinein in die 50er Jahre, bis zum Beginn des Wirtschaftswunders auch in Notzeiten ein erträgliches Überleben der Menschen. Gewiss, in den Großstädten, in Wien etwa, war es in den ärgsten Notzeiten unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg wesentlich schwieriger. Da war der Wienerwald bereits teilweise abgeholzt und die Lebensmittelzuteilungen auf ein Maß reduziert, das zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben bedeutete.
Mit der Technisierung und in der Folge Digitalisierung unseres Lebens bis hinein in die kleinsten privaten Haushalte wurde diese Lebens- und Überlebensmöglichkeit allerdings sukzessive zurückgedrängt, ja sogar völlig ausgeschaltet. In jenen Siedlungsbauten und Wohnblocks, in denen ein Gros der Bevölkerung heute, nicht nur in den Großstädten, sondern auch in den Landstädten lebt, gibt es teilweise nicht einmal mehr Kamine, um im Falle des Ausfalls der diversen „modernen“ Heizungssysteme der winterlichen Kälte zu trotzen und damit ist bei Stromausfall zumeist auch die Unmöglichkeit gegeben zu kochen oder zumindest Wasser zu erhitzen. Gemüsegärten gibt es für die Masse der Bevölkerung überhaupt nicht mehr und das Halten von Kleintieren wurde auf Schmusekatzen und Haushunde reduziert, deren Verzehr erst bei Zuständen möglich wäre, wie sie etwa bei der Belagerung Leningrads im vergangenen Weltkrieg gegeben waren.
Nun gab es in unserer jüngeren zivilisatorischen Entwicklung immer wieder Phasen, wo diese Probleme erkannt wurden und wo es auch zu Gegenbewegungen kam. Die Tendenz in den 70er und 80er Jahren etwa zum „Aussteiger“ zu werden, sich irgendwelchen alternativen Gruppen anzuschließen, die zurück zur Natur, mittels einfacher Landwirtschaft Selbstversorgung pflegen wollten, gab es – zumindest an den Rändern der Gesellschaft. Und in der Ursprungsphase der Grünenbewegung war die Tendenz zurück zur natürlichen Nahrung, zu regionalen Produkten und zu Konsumverzicht ebenfalls feststellbar. Durchgesetzt hat sich dies alles in Summe und in der Breite der Masse der Bevölkerung allerdings nicht.
Diese lebt heute in einem ungeahnt hohen Maße abhängig von modernen, zumeist elektronisch gesteuerten Technologien und umfassenden Versorgungsketten, die den eigenen Lebensbereich weit überschreiten. Beginnend mit der Stromversorgung, die gewissermaßen die Basis für das tägliche Leben darstellt, ohne die es weder Information durch Radio, Fernsehen oder Computer gibt und auch kein Funktionieren der diversen technischen Geräte des Haushalts, ist der moderne Mensch – gleich ob arm oder reich – von Technologie und zentral gesteuerter Versorgung abhängig. Dazu kommt die Tatsache, dass die Lebensmittelversorgung über die Supermärkte ebenso zentral gesteuert ist und bei Ausfall etwa der Stromversorgung durch einen Blackout sehr schnell zusammenbrechen würde. Um diese überregionale Lebensmittelversorgung durch eine regionale zu ersetzen, bräuchte es große organisatorische Maßnahmen und Zeiträume, die im Falle eines Blackouts einfach nicht zur Verfügung stehen würden.
Seit dem Buch des österreichischen Journalisten Mark Elsberg mit dem Titel „Blackout“ können wir uns vorstellen, welche Folgen ein solcher wirklich hätte. Ohne die Dramatik des Romans, die insbesondere von einer Überhitzung der Atomkraftwerke im benachbarten Ausland ausgeht, ist in dem Buch doch eindrucksvoll geschildert, wie nach bereits wenigen Tagen nicht nur die Versorgung zusammenbräche, sondern auch Anarchie ausbrechen könnte. Zu denken gibt nun, dass in den letzten Wochen und Monaten von Medien und staatlichen Stellen das Thema „Blackout“ massiv gespielt wurde. Da gab es Übungen des Bundesheers, Anzeigen-Kampagnen in den Printmedien und diverse Berichte in Funk und Fernsehen. Verschwörungstheoretiker mutmaßten natürlich sofort, dass das nach der Corona-Pandemie die nächste Planung finsterer Mächte darstelle, womit sie die Menschen maßregeln und kujonieren wollten. Nüchternere Beobachter dieser Kampagne wiesen darauf hin, dass tatsächlich unsere hochtechnisierte Gesellschaft so verletzlich und anfällig für Störungen wäre und dass man bereits mehrmals an einem solchen Blackout beziehungsweise an einem flächendeckenden Stromausfall mit viel Glück vorbeigeschrammt wäre.
Und Vertreter des Zivilschutzes, die ohnedies über Jahre und Jahrzehnte zu wenig beachtet wurden, sahen ihre Stunde gekommen und wiesen darauf hin, dass man stärkere und intensivere Maßnahmen setzen müsse, um derlei Gefahren im Falle ihres Auftretens beherrschen zu können.
So wie man in den Jahren des Höhepunktes des Kalten Krieges auch hierzulande Atombunker baute und Schutzräume auch in Einfamilienhäusern, scheint sich nunmehr das Bewusstsein auszubreiten, dass man für einen drohenden Blackout doch in irgendeiner Art vorsorgen müsse. Indessen gibt es im Internet eine breite Szene, die für den Katastrophenfall Ratschläge gibt, die Überlebenspakete anbietet und Selbstversorgung für den Katastrophenfall propagiert.
Nun ist es sicherlich eine Tatsache, dass unsere übertechnisierte Welt mit den sensiblen elektronischen Systemen und den zentralen Störungsstellen im hohen Maße verletzlich ist. Ob dies jetzt nur eine Überlastung des Stromnetzes, ein Atomkraftwerksunfall im benachbarten Ausland oder gar ein Terroranschlag ist, der solch einen Blackout auslösen könnte, ist eine andere Frage. Unter Umständen reicht bereits extrem starker Schneefall, der – wie wir ja wissen – länger andauernden Stromausfall für ganze Täler und Regionen verursachen könnte. Und es bedarf daher nicht des Glaubens an irgendwelche Verschwörungen oder sinisteren Ziele dunkler Mächte, um sich im Sinne des Zivilschutzes gegenüber der Gefahr eines Blackouts zu wappnen.
Dabei wird es naturgemäß kein Zurück in die 50er Jahre und in die Selbstversorgerwirtschaft vergangener Epochen geben können, aber angefangen von der großen gesamtstaatlichen Wirtschaft bis hin zu den privaten Haushalten gäbe es doch Methoden und Mechanismen, die diesbezügliche Anfälligkeit unserer Gesellschaft zu minimieren.
Dies beginnt damit, dass regionale Selbstversorgung verstärkt werden könnte und man in höherem Maße regionale Produkte anbieten und kaufen sollte. Es geht weiter über vernünftige Vorratshaltung der privaten Haushalte und führt hin zu einer neuen Bescheidenheit, die vielleicht nicht Konsumverzicht bedeutet, aber die Fähigkeit zu Einschränkung, zur Beschränkung in der privaten Lebensführung bedeuten könnte.