In der benachbarten Bundesrepublik, beim großen deutschen Bruder, sind die Regierungsverhandlungen vorläufi g gescheitert. Der „Fluch der Karibik“ hat Angela Merkel ereilt, und nun wird sie schauen müssen, wo sie bleibt. Ob mit einer Minderheitsregierung oder einer Neuaufl age der schwarz–roten Versagerkoalition, wie auch immer, ihre Tage scheinen jedenfalls gezählt zu sein! Was aber kommt dann?
In Österreich hingegen scheinen die Regierungsverhandlungen von beiden Seiten mit Energie und Konsequenz auf ein erfolgreiches Ende zuzusteuern. Schwarz–Blau – vergessen wir die türkise Camoufl age – wird Österreich politisch in eine neue Ära führen. Und eine breite Mehrheit der Menschen im Lande hofft auf eine tatsächliche Veränderung der politischen Zustände: Auf einen massiven Schutz der eigenen Kultur, des eigenen sozialen Gefüges und der eigenen Wirtschaft gegen Massenzuwanderung, Islamisierung, überbordende EU-Bürokratie und die Gefahren einer ungebremsten Globalisierung. Zu diesem Zweck haben die Alpenrepublikaner den jugendlichen ÖVP-Chef und den bewährten freiheitlichen Oppositionspolitiker gewählt, sie sollen diese Veränderung nun durchziehen.
Doch zurück zu Deutschland und Angela Merkel: Sie wird indessen sogar von den chinesischen Medien – sie war ja unlängst auf Staatsbesuch in China, wo sie sich massiv für Menschenrechte einsetzte – als politischer Versager und naiver Gutmensch kritisiert, der die Zukunft Deutschlands verspiele. Natürlich versuchen die autoritär geführten Chinesen dabei auch ihr Politikmodell positiv darzustellen und die westliche Demokratie als Versagersystem herunterzumachen.
Deswegen ist ihre Kritik aber längst nicht falsch, und tatsächlich muss man Merkel und ihrer christdemokratischen Truppe vorhalten, dass sie Deutschland und das deutsche Volk preisgegeben haben. Dies zeigt sich auch daran, dass eine politische Option, wie sie gegenwärtig in Österreich in Form einer neuen Koalitionsregierung umgesetzt wird, in Deutschland absolut undenkbar erscheint. Dort wird die Alternative für Deutschland als nazistische Politbande verunglimpft und eine Mitte-Rechts-Koalition zwischen den Christdemokraten und dieser AfD ist nicht einmal denkmöglich.
Indessen könnte das österreichische Vorbild auch für die deutsche Politik einen gangbaren Weg aufzeigen. Wenn die CDU nach Merkel zu einer vernünftigen Form des Patriotismus zurückfindet, bei einer entsprechenden personellen Führung, und wenn es der AfD gelingt, sich als vernünftige politikfähige nationalkonservative Kraft parlamentarisch zu etablieren, dann könnte es auch beim großen deutschen Bruder eine Mitte-Rechts-Alternative zur ausgelutschten schwarz–roten Koalition und zu Unsinnigkeiten wie der „Jamaika“-Koalition geben. Dabei dürfte allerdings Erfolg oder Misserfolg des österreichischen Experiments, das wir gegenwärtig erleben, die Mitte-Rechts-Koalition nämlich von ÖVP und FPÖ, von ausschlaggebender Bedeutung sein: Wenn die Deutschen sehen, dass eine solche Variante mit einer bis vor kurzem noch als rechtspopulistische Radautruppe geschmähten Partei durchaus erfolgreiche patriotische und zukunftsorientierte Politik zu machen vermag, ja dann könnte man sich auch in Deutschland langsam für eine solche Variante erwärmen.
Vorläufi g aber scheint es die Politik von Mutti Merkel als Schrecken ohne Ende weiter zu geben. Die Führungsmacht Europas, der Exportweltmeister, der treibende Motor der europäischen Integration – die Bundesrepublik Deutschland – wird in der späten Abenddämmerung der Ära Merkel offenbar ziemlich unregierbar. Das zeigt sich bereits jetzt.
Nur Vorbild für die Deutschen?
1. Dezember 2017Balkanroute zwo: Spielfeld und Tarvis im Visier
17. September 2015Der ungarische Grenzzaun zu Serbien ist nunmehr also fertig, die ursprüngliche Balkanroute für die Flüchtlinge blockiert. Nach wie vor aber kommen tägliche Tausende per Schiff von der Türkei nach Griechenland, wo sie von den Inseln Lesbos, Rhodos und anderen auf das Festland gelangen, mit dem Traumziel Deutschland, Österreich und Schweden. Die neue restriktive Politik der Deutschen und die halbherzigen Grenzkontrollen der Österreicher dürften dabei nur wenig abschreckende Wirkung zeitigen. Allzugut ist man bis in die Flüchtlingslager im Libanon und im grenznahen Raum vor Syrien via Smartphon und Internet unter dem Motto „welcome refugees“ über die neue deutsche Willkommenskultur informiert.
Viktor Orbáns Politik der harten Hand, wonach illegaler Grenzübertritt mit Gefängnisstrafen oder sofortiger Abschiebung geahndet wird, wird auf jeden Fall Wirkung zeigen und die Flüchtlingsströme werden sich Alternativrouten auf dem Balkan suchen: Zwangsläufig über Kroatien oder Bosnien, die bekanntlich nicht dem Schengenraum angehören, um dann über Slowenien in denselben nach Mitteleuropa zu gelangen. Die alte Gastarbeiterroute von Belgrad über Zagreb herauf an die steirische Grenze nach Spielfeld bzw. auch über Laibach oder Triest in Richtung Tarvis zur Kärntner Grenze wird somit unweigerlich in den Mittelpunkt des Migrations-Geschehens rücken.
Ob die österreichischen Behörden und das im Assistenzeinsatz befindliche Bundesheer in der Lage sein werden, die dort zu erwartenden Flüchtlingsströme entsprechend zu kontrollieren, ist eine Frage. Die andere Frage ist, ob und wohin dieselben weiterreisen, wenn die Deutschen zunehmend zur Ansicht kommen, dass ihr Fassungsvermögen erschöpft ist. Dann könnten jene Erstaufnahmelager, die gegenwärtig im Villacher Raum und im südsteirischen Raum entstehen, zur Dauereinrichtungen werden, deren Zustände den Traiskirchens in nichts nachstehen. Und die Debatten der vergangenen Monate um ein Dutzend Asylanten in jenem Dorf ein Dutzend Asylanten oder in einem Städtchen ein-, zweihundert untergebracht werden, werden vergleichsweise mit den Problemen, die auf uns zukommen, idyllisch sein.
Österreich wird also wohl auch an der Südgrenze dicht machen müssen, in eben jenem Maße, wie Deutschland dies tut. Und sehr rasch wird die EU eine gemeinsame Strategie entwickeln müssen, die bereits im grenznahen Raum zu Syrien ansetzt. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang gestellt wurde, ist nämlich die, warum man nicht die Türkei dazu bewegt, die Flüchtlinge daran zu hindern, sich in Richtung EU und Griechenland aufzumachen. Die Türkei als EU-Beitrittskandidat, der immerhin jedes Jahr hunderte Millionen als Heranführungshilfe erhält, könnte sehr wohl von Brüssel dazu verpflichtet werden, den illegalen Grenzübertritt von Migranten zu verhindern. Überdies müsste man die Türkei, genauso wie Jordanien und den Libanon, bei der Erhaltung von Flüchtlingscamps oder Sicherheitszonen hin zur syrischen Grenze massiv in finanzieller Hinsicht zu unterstützen. Das wäre zweifellos eine sinnvollere Ausgabe, als die immensen Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge in Europa selbst.
Und wenn es die Menschen doch von der Türkei bis nach Griechenland bzw. auf die ägäischen Inseln schaffen, müsste zuallererst gemäß den Dublin-Vereinbarungen Griechenland dazu bewegt werden, die Registrierung der Flüchtlinge vorzunehmen. Gegenwärtig scheint es ja so etwas wie eine klammheimliche Rache der Griechen für ihre finanzielle Disziplinierung zu sein, die Flüchtlingsmassen einfach in Richtung Norden durchzuwinken. Da könnte man die nächsten Sanierungs-Milliarden für Athen durchaus mit dem Wunsch verbinden, sich in der Migrantenproblematik EU-rechtskonform zu verhalten.
Heinz Fischer und der ESM-Vertrag
9. Juli 2012Er müße sich in den nächsten Tagen Klarheit über den ESM-Vertrag schaffen, denn so eine Unterschrift komme nicht „aus dem Ärmel“, ließ Bundespräsident Heinz Fischer die Österreicher bei der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag wissen. In der Tat hat der sogenannte Europäische Stabilitätsmechanismus, der in der Vorwoche vom Nationalrat mit einer rot-schwarz-grünen Mehrheit abgesegnet wurde, weitreichende Konsequenzen für unser Land: Er bedeutet den Eintritt Österreichs in eine Transfer- und Schuldenunion, die Belastung künftiger Generationen sowie die Aufgabe der Budgethoheit, also eines wichtigen Teilbereichs der unserem Land noch verbliebenen Restsouveränität.
Wenn sich der Herr Bundespräsident in diesen Tagen nun zum Nachdenken in der Hofburg zurückzieht, wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich jedoch nicht zu der Erkenntnis kommen, daß er als oberster Hüter der Verfassung seine Unterschrift unter den ESM-Vertrag verweigern muß, weil dieser die Souveränität Österreichs zu Grabe trägt. Denn eines hat Fischer im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere mehrfach gezeigt: Wenn es darum geht, wichtige Entscheidungen zu treffen, dann zieht er sich lieber zurück. So soll niemand geringerer als Bruno Kreisky einmal gesagt haben, daß Heinz Fischer immer dann, wenn man ihn gerade einmal brauche, am Klo anzutreffen sei.
Unser Herr Bundespräsident wird also seine Unterschrift unter den ESM-Vertrag setzen. Schon deshalb, weil er in europapolitischen Streitfragen stets an der Seite der Brüsseler Nomenklatura steht. Und auch deswegen, weil er seinem Amtsverständnis als Staatsnotar nach am besten weiß, was gut für das Volk ist, wie seine Abneigung gegenüber dem Ausbau der direkten Demokratie belegt.
Daß ein Staatsoberhaupt beim Schutz der Souveränität im Zusammenhang mit dem ESM-Vertrag eine durchaus entscheidende Rolle spielen kann, zeigt ein Blick auf Deutschland. Der dortige Bundespräsident Joachim Gauck will nämlich erst dann unterschreiben, nachdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die anhängigen Klagen gegen den ESM-Vertrag entschieden hat. Zudem nahm Gauck Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Pflicht: „Sie hat nun die Verpflichtung, sehr detailliert zu beschreiben, was das bedeutet. Auch fiskalisch bedeutet“, richtete er der Regierungschefin aus. Auch wünscht sich Gauck eine „breite gesellschaftliche Debatte“ über den Europäischen Stabilitätsmechanismus. Worte, die aus dem Munde Fischers undenkbar sind.
Aber das ist auch der große Unterschied zwischen den beiden Bundespräsidenten: Auf der einen Seite der Parteisoldat Heinz Fischer, der Richtungsentscheidungen kleinen pseudo-elitären Zirkeln vorbehält, auf der anderen Seite der frühere „DDR“-Bürgerrechtler Joachim Gauck, der eine gesunde Skepsis gegenüber der Obrigkeit verinnerlicht hat. Und der auch aus eigener Erfahrung weiß, welchen Wert Demokratie und Souveränität haben.
Wann kommt Kerneuropa?
8. September 2011Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel bastelt bekanntlich gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegen Nicolas Sarkozy am Konzept einer europäischen Währungs- und Wirtschaftsregierung. Demnach sollen die Euroländer unter dem Vorsitz des unauffälligen Herrn Van Rompuy ein solches Gremium bilden, um ihre währungspolitischen und ökonomischen Entscheidungen zu koordinieren und im Sinne einer gemeinsamen Währungspolitik abzustimmen. Und Kommentatoren meinen, damit sei der Schritt hin zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten und zu Kerneuropa, wie es Deutschlands Finanzminister Schäuble vor mehr als einem Jahrzehnt bereits diskutieren wollte, endgültig getan.
Der Denkfehler dabei ist allerdings der, dass man ein Problem, welches durch allzu schnelle und allzu starke Gleichschaltung erzeugt hat, nämlich eine nicht funktionierende Währungsunion, nunmehr durch noch stärkere Gleichschaltung bekämpfen will. Die EU-Zentralisten sagen bekanntlich: Um die Krise zu bewältigen brauche es noch mehr Europa. Und natürlich wollen sie auch die Einführung von Eurobonds, wogegen sich die deutsche Kanzlerin noch mit Zähnen und Klauen wehrt, weiß sie doch, dass das nichts anderes bedeutet als weitere Milliardenzahlungen für die Deutschen. Zweifellos hat es mit Kerneuropa im guten Sinne nichts zu tun, wenn die Eurostaaten, darunter auch die Pleitiers im Süden der Union, Portugal, Spanien, Italien und Griechenland, sich in einem solchen vermeintlichen Kerneuropa wiederfinden. Und es hat auch wenig Sinn, wenn diese Länder in einer Wirtschaftsregierung der Eurozone in erster Linie ihre Interessen vertreten und dabei wiederrum drauf drängen werden, dass die gesamten Nordstaaten ihre maroden Finanzsysteme finanzieren. Ganz abgesehen davon hat ein prominenter Vertreter einer US-amerikanischen Ratingagentur in diesen Tagen verlauten lassen, dass man Eurobonds als Ramsch einstufen werde, weil jeweils die Bonität des stärksten Teilnehmers, also Griechenlands in diesem Falle, dazu herangezogen werde.
Nichts desto Trotz wäre die Schaffung eines wahren Kerneuropa das Gebot der Stunde. Die ehemaligen Hartwährungsländer Deutschland, Österreich und Holland könnten im Verein mit den Skandinaviern, die zutreten könnten, einen kerneuropäischen Hartwährungsverbund schaffen. Und ein solcher müsste dann sehr wohl eine gemeinsame Wirtschaftsregierung haben. Also ein Gremium in dem die Finanz- und Währungspolitik und die gemeinsame Haushaltspolitik koordiniert werden sollte. Gewiss, das würde wirtschaftspolitischen Souveränitätsverlust für die einzelnen teilnehmenden Staaten bedeuten. Aber einen solchen hatte Österreich ja beispielsweise während der fixen D-Mark-Koppelung des Schillings in früheren Zeiten auch zu leisten.
Aber so weit wird es vorläufig nicht kommen. Die Mächtigen in Europa und die Kräfte im Hintergrund wollen ein solches Kerneuropa, das ja im Wesentlichen die alte D-Mark-Zone wäre, um keinen Preis. Sehr wohl aber werden sie das wollen, wofür Frau Merkel gegenwärtig eintritt, nämlich eine Wirtschaftsregierung für die derzeitige Eurozone und in der Folge werden sie Frau Merkel noch weich klopfen, dass sie auch für Eurobonds zu haben sein wird. Die Transferunion soll und muss kommen, das scheinen diese Kräfte bereits beschlossen zu haben. Auch die Tatsache, dass das eine Änderung des europäischen Vertragswerks erfordern würde, scheint sie nicht zu stören. Bereits heute heißt es ja, der Lissabonner Vertrag sei ohnedies obsolet. Wie man aber neue Verträge durch die dazu notwendigen Referenden in den entsprechenden Staaten bringen will, sagt man auch nicht. Das muss einfach stattfinden – Demokratie hin, Demokratie her. In den Pleitestaaten wird zwar die Bevölkerung zweifellos dafür sein, in ihrer Verzweiflung über die brutalen Sparmaßnahmen und die Einschnitte im Sozialsystem bleibt diesen Menschen ja auch nichts anderes übrig. Und – wie man an Griechenland sieht – dennoch wird es diesen Ländern nicht gelingen, ihre Staatshaushalte zu sanieren, was den latenten Bürgerkrieg in den großen Städten unaufhaltsam macht. Aber auch in den wirtschaftlich intakten Nordstaaten werden die gewaltigen Zahlungsverpflichtungen zu den entsprechenden Einsparungen führen müssen. Und auch hier wird es Kaufkraftverlust, Verarmung und die daraus resultierenden Konflikte geben. Die Feuernächte von Tottenham waren nur eine leise Ahnung dessen, was Europa in seinen Ballungszentren bevorsteht. Weit haben wir’s gebracht.
Deutsche Führung?!
26. August 2011Nun hat also Altkanzler Helmut Kohl und neben ihm auch der eher leichtgewichtige gegenwärtige deutsche Bundespräsident Christian Wulf kritische Worte gegenüber der Politik von Angela Merkel gefunden: Sie nehme die deutsche Führungsaufgabe für Europa nicht wirklich wahr und ihr außenpolitischer Kurs sei schlicht und einfach nicht wirklich erkennbar. Sowohl in der Eurokrise, in Sachen Neuorientierung der Atom- und Energiepolitik, aber auch im Libyen-Konflikt habe Merkel die deutsche Verantwortung nicht entsprechend erkannt. Als stärkstes Land innerhalb der Europäischen Union – so der allgemeine Tenor der politischen Wortspender – habe Deutschland eben nunmehr auch seine Führungsverantwortung wahrzunehmen.
An diesen Aussagen ist nur richtig, dass Deutschland wirtschaftlich zweifellos der stärkste Faktor innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist. Der einzige Faktor, dessen Kraft es bisher ermöglichte, all die Rettungsaktionen, all die unglaublichen Zahlungen an Griechenland und andere Pleiteländer zu stemmen. Was aber die sogenannte Führungsaufgabe Deutschlands betrifft, wird mit doppelter Zunge gesprochen: Wenn man etwa Frankreichs oder Englands Führungsaufgaben in Europa zitiert, so geht man stets davon aus, dass diese beiden Länder eben im besonderen Maße in der Lage sind, ihre Interessen, französische Interessen eben, britische Interessen in der europäischen Politik oder in der Weltpolitik durchzusetzen. Französische Führung bedeutet für Nicolas Sarkozy zweifellos, dass er beispielsweise die europäische Politik im Sinne französischer Vorstellungen dominiert. Und das gleiche gilt natürlich für die Politik Londons.
Wenn man hingegen von der deutschen Verantwortung spricht und davon, dass Berlin endlich als stärkster Faktor innerhalb der Europäischen Union die Führung übernehmen müsse, dann gehen alle Wortspender und alle an der Diskussion beteiligten davon aus, dass Deutschland im Sinne Europas seine Interessen preiszugeben habe. Dass es alle Lasten auf sich nehmen müsse und alle Milliardenzahlungen tätigen solle. Niemand, nicht der Kommissionspräsident Barroso, nicht der Ratspräsident Van Rompuy, nicht die britische Staatsführung und nicht die französische, aber auch keineswegs deutsche Stimmen wie Helmut Kohl und Christian Wulff würden dabei meinen, dass deutsche Führung in Europa bedeuten solle, dass Berlin die deutschen Interessen in den Mittelpunkt der europäischen Politik zu stellen habe. Niemand.
Und deshalb ist in dieser Auseinandersetzung auch Angela Merkl Recht zu geben. Sie zögert, etwa in Hinblick auf die Einführung von Eurobonds, nicht deswegen weil sie vor einer deutschen Führungsrolle zurückschrecken würde. Sie zögert aus dem Grund, weil sie weiß, dass dies einmal mehr eine unglaubliche Belastung für die Deutschen und für die deutsche Volkswirtschaft bedeuten würde. Sie weiß genau, dass die Mahnrufe, doch eine europäische Führungsaufgabe wahrzunehmen, nur bedeuten sollen, dass die Deutschen einmal mehr und einmal mehr zahlen sollten.
Helmut Kohl ist ein Greis. Und die eher zufällige Rolle in die er hinein gerutscht ist, nämlich Kanzler der Wiedervereinigung zu sein, sollte nicht den Blick darauf verstellen, dass er selbst keineswegs auf diese hingearbeitet hat, sondern allenfalls aus der damaligen Situation das Beste machte. Und sie soll keineswegs darüber hinweg täuschen, dass Helmut Kohl als Preis für diese Wiedervereinigung die starke D-Mark auf dem europäischen Altar geopfert hat. Nicht zuletzt Kohl ist einer der Väter des Euro, wie wir ihn heute kennen, von dem wir wissen, dass er gescheitert ist. Und Helmut Kohl war immer ein Vertreter jener National-Masochisten, die bereit waren, deutsches Nationalbewusstsein und deutsche Interessen mit fliegenden Fahnen zugunsten eines fiktiven europäischen Bewusstseins und ebenso fiktiver europäischer Interessen preiszugeben.
Angela Merkl mag zögerlich sein. Sie mag auch unsicher und widersprüchlich agieren, etwa im Falle Lybiens. Aber irgendwo hat man den Eindruck, dass sie doch die Verpflichtung empfindet, deutsche Interessen zu wahren und sei es nur, um in der Wählergunst nicht vollends abzusacken. Der Schön- und-Dünn-Redner Christian Wulff und der mäkelnde Greis Helmut Kohl sind offenbar von derlei Überlegungen völlig unbeeinflusst. Und wahrscheinlich sind sie nur die ersten, die in jenen gesamteuropäischen Chor einstimmen, der die Auflage von Eurobonds als „deutsche Verantwortung“ und „deutsche Führungsrolle“ interpretieren.
Irgendwie erinnert die europäische Melkkuh Deutschland an die gegenwärtig viel zitierte Kuh Yvonne: Um dem Schlachter zu entkommen, muss sie in den Wald fliehen. Um der Ausbeutung durch Eurobonds und andere Maßnahmen der „europäischen Verantwortung“ zu entgehen, muss die deutsche Volkswirtschaft offenbar in die Verweigerung fliehen.
Der Sarrazin-Impuls
18. Oktober 2010Es war gewiss nicht in erster Linie Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“, das nunmehr dafür verantwortlich ist, wenn in Deutschland eine Ausländer- und Integrationsdebatte hochkocht. Nein, es sind einfach die Probleme, die diese Debatte geradezu erzwingen. Diese waren sowohl der Anlass für das Sarrazin-Buch als auch sind sie nunmehr die Ursache für den politischen Disput, der die Bundesrepublik in diesen Tagen erschüttert. Es war ja nur die Politik der etablierten Parteien, welche die Augen vor den Problemen verschlossen hat. Die Bürger selbst waren längst damit konfrontiert, dass Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten Ziel einer Massenzuwanderung, insbesondere von Türken, geworden war. Und die Bürger waren natürlich auch damit konfrontiert, dass aus den Parallelgesellschaften das Konfliktpotential der einst so hochgelobten multikulturellen Gesellschaft geradezu explosiv über die gesamte deutsche Gesellschaft hereingebrochen ist. Wie hat Angela Merkel dieser Tage so schön gesagt: „Der Multi-Kulti-Ansatz ist absolut gescheitert“. Wie wahr.
Dennoch muss man anerkennen, dass seit dem Streit um die Person Thilo Sarrazins und um sein Buch auch die Strategen der etablierten bundesdeutschen Parteien aufgewacht sind. Das ist Sarrazins Verdienst. Wenn nunmehr CSU-Boss Horst Seehofer vorprescht und einen Zuwanderungsstopp für Türken und Muslime fordert, glaubt er begriffen zu haben, wo der Hase im Pfeffer liegt. Zwar haben radikale Imame vorläufig noch kein Alkoholverbot für das Münchner Oktoberfest gefordert, der Ober-Bayer weiß aber, wie er politisch bei den Menschen – wohl nicht nur in Bayern – punktet. Und Kanzlerin Merkel muss nonlens volens nachziehen. Auch wenn ihr Parteifreund, der nunmehrige Bundespräsident Wulff, erst jüngst fromm erklärt hatte: „Der Islam gehört auch zu Deutschland“.
Gutmenschen und Schön-Redner wie Herr Wulff sind es indessen, die an der Explosivität des Zuwanderungs- und Islamisierungsproblems mit Schuld tragen. Sie haben mit ihrer Schönfärberei dafür gesorgt, dass es nicht rechtzeitig zu entsprechenden Bremsvorgängen im Bereich der Zuwanderung kam, dass man die deutsche Leitkultur nicht entsprechend schützte und das Vordringen des immer offensiver werdenden Islams duldete. Diesen Gutmenschen stehen die simplen Populisten à la Seehofer gegenüber, deren Protest wahrscheinlich auch zu spät kommt. Und dass just Ministerin Ursula von der Leyen nun im Gegensatz zu Angela Merkel demonstrativ die weitere Zuwanderung von Facharbeitern fordert, weil deren Mangel das Wirtschaftswachstum bremse, ist mehr als bedenklich. Die Mutter eines halben Dutzends Kinder sollte es besser wissen. Facharbeiter kann man in drei Jahren mittels entsprechender Lehre ausbilden. Akademisches Fachpersonal bedarf zwar eines längeren Studiums, aber auch das kann man bei entsprechender Förderung in Deutschland selbst heranziehen. Die Forderung solche Fachkräfte aus dem Ausland zu importieren – so nach dem Motto „Inder statt Kinder“ – ist schlicht einfältig. Sie zeitigt zwar Zuwanderung, aber nicht jene des gewünschten Fachpotentials, sondern weiter die eines ungebildeten Subproletariats. Dieses wandert nur ins deutsche Sozialsystem ein und nicht in den Arbeitsmarkt.
Eins zu eins vergleichbar mit der bundesdeutschen Lage ist jene bei uns in Österreich. Auch hier fordern Lobbyisten der Industrie den Zuzug von Fachkräften und meinen doch in Wahrheit weitere billige Arbeitskräfte, die der Gewinnmaximierung dienlich sein sollen. Auch hier verkrampft sich das politische Establishment in einer Integrationsdebatte und zeigt dabei nur das eigene Unvermögen, die eigene Hilflosigkeit. Brutalo-Abschiebungen von Kindern auf der einen Seite, auf der anderen Seite kein Mut, um die wirkliche Massenzuwanderung und die Islamisierung zu stoppen. Offiziell haben in Österreich von 8,4 Millionen Einwohnern 1,7 Millionen Menschen einen sogenannten Migrationshintergrund. In Wahrheit werden es wohl über zwei Millionen Menschen sein, wenn man die Illegalen und die schöngeredeten Bereiche mitzählt. Nahezu ein Viertel der Wohnbevölkerung also entstammt nicht der autochthonen Bevölkerung. Das darf man getrost „Überfremdung“ oder auch „Umvolkung“ nennen. Jene, die sich über derartige angeblich ach so böse Begriffe politisch korrekt erregen, sind mit Schuld an den Problemen, die damit bezeichnet werden.
Allerdings gibt es diese Probleme längst nicht nur in Deutschland und Österreich, sie sind indessen zu einem gesamteuropäischen Phänomen geworden. Nicht zufällig schwelt die Debatte um Zuwanderung, Islamisierung, Integration oder Assimilation auch quer durch Europa. In Frankreich gibt es den Streit um die von Sarkozy abgeschobenen Roma, in Holland will Wilders die Zuwanderung von Muslimen verhindern, in Italien punktet die Lega Nord mit ihrem Kampf gegen die Islamisierung und selbst im diesbezüglich bislang allzu liberalen Spanien, diskutiert man nunmehr über das Problem der Integration. Und überall zeigt sich so wie gegenwärtig in Deutschland, dass die etablierte Politik den Problemen nur hinterher hechelt, sie zwar mit verursacht aber kaum Lösungskompetenz aufweist.