Geschichte einer kuriosen publizistischen Beziehung
Herr Burkhard Bischof, respektables Mitglied der ebenso respektablen Redaktion des Flaggschiffs der österreichischen Printmedien, also der „Presse“, hat dieser Tage Andreas Mölzer, Herausgeber der Zur Zeit , per E-Mail wissen lassen, dass man von ihm in der Presse keine Gastkommentare mehr nehmen werde.
Grund dafür sei die überaus unfreundliche Qualifizierung einer „respektablen“ „Presse“-Mitarbeiterin in Zur Zeit. Nach näherem Nachsehen wurde man fündig: Zur Zeit-Mitarbeiter Erich Körner-Lakatos hatte über die antigriechischen Ausschreitungen in Istanbul im Jahre 1955 durch die Türken geschrieben und kritisiert, dass diese in einem „Presse“-Beitrag von besagter Redakteurin verharmlost worden seien. Es seien bloß einige Geschäfte geplündert worden und harmlose Übergriffe gewesen. Körner-Lakatos wies darauf hin, dass diese seinerzeitigen Ereignisse in seriösen Zeitungen, wie etwa der „Frankfurter Allgemeinen“ durchaus als ganz realer Terror qualifiziert worden seien und hat dann polemisch die Frage in den Raum gestellt, ob sich „Die Presse“ zur „Stimme Erdogans“ herabwürdigen lasse, und das war Herr Burkhard Bischof dann eben zu viel.
Mölzer Hinweis, dass er zwar Herausgeber der Zur Zeit sei, nicht aber deren Zensor, ändert an den Dingen natürlich nichts und auf die an ihn von Bischof brieflich gestellte Frage, warum er denn überhaupt unbedingt in einem Blatt publizieren wolle, dass seiner Ansicht nach offenbar „die Stimme Erdogans sei“ gab es schon keine Erwiderung. Erklärlich ist dies allerdings, wenn man sich die doch einigermaßen lang andauernde Geschichte der Beziehung zwischen Andreas Mölzer und der „Presse“, vergegenwärtigt.
Treffen mit Otto Schulmeister
Begonnen hat alles mit einem Gespräch im Schwarzen Kameel im Wien der späten 80er-Jahre: Otto Schulmeister, Chefredakteur, später Herausgeber der „Presse“ und Doyen des österreichischen Journalismus, hatte den jungen Grundsatzreferenten und Vorsitzenden des Freiheitlichen Bildungswerks Andreas Mölzer zu einem diskreten Mittagessen eingeladen. Dieses vom jungen Publizisten und Politikberater Mölzer als große Ehre betrachtete Gespräch gipfelte in der Frage Otto Schulmeisters, ob denn Jörg Haider, Mölzers damaliger Chef, „eine catilinarische Persönlichkeit“ sei. Anlass für die damalige Mittagseinladung war Haiders Aussage von der österreichischen Nation als „Missgeburt“, was den durchaus „deutschbewussten“ christlich-konservativen Schulmeister nicht teilnahmslos lassen konnte.
Ein Jahrzehnt später, Mölzer hat sich indessen bereits mehrfach mit Haider überworfen, schrieb er als FPÖ-Dissident seinen ersten Gastkommentar „Vom Glanz und Elend des Populismus“ für die „Presse“. Haider-Kritik von einem Freiheitlichen, das war gewissermaßen die Eintrittskarte für die etablierten Medien. Und der damalige Chefredakteur Andreas Unterberger, ein hochseriöser und hochgebildeter, wenn auch ein wenig spaßfreier Konservativer, der ein würdiger Nachfolger von Otto Schulmeister und Thomas Chorherr war, lud Mölzer darauf ein; unter der neuen Rubrik „Quergeschrieben“ ständige Kommentare für die Presse zu verfassen – immerhin für ein Honorar von Schilling 1.000,- pro Kolumne und das nahezu wöchentlich.
In dieser Zeit von 1998 bis 2004 war Mölzer auch ständiger Kolumnist der größten Tageszeitung des Landes der auflagenstarken „Kronen Zeitung“. Im Einvernehmen mit dem alten Hans Dichand konnte er da neben seinen „Presse“-Kolumnen wertkonservative und nationalliberale Positionen vor einem Millionenpublikum vertreten und damit am politischen Diskurs der Republik teilnehmen. Bereits durch Mölzers Tätigkeit als Kulturbeauftragter des Landes Kärnten unter dem Landeshauptmann Haider und vollends dann später mit seiner Wahl über einen Vorzugsstimmenwahlkampf ins EU-Parlament im Jahre 2004, wurde diese Kolumnisten-Tätigkeit schwieriger. Mit einer Fülle mit Gastkommentaren konnte er allerdings immer wieder dann hervortreten, wenn er in direkte Konfrontation mit dem Bärentaler geriet, so etwa im Jahre 2005 bei der Abspaltung des BZÖ von der FPÖ. Von der „Presse“ über die „Kronen Zeitung“ bis hin zu „Standard“ und „Falter“ fanden sich da Mölzer‘sche Gastkommentare, ergänzt durch Diskussionsauftritte in den Talkshows von Funk und Fernsehen. Und immer wieder nahm er auch die Gelegenheit wahr, in gewissen Abständen in der „Presse“ zu publizieren. So überlebte er im wahrsten Sinne des Wortes den Wechsel der Chefredakteure. Als Andreas Unterberger in die „Wiener Zeitung“ weggelobt wurde, wurde der ursprünglich von der „Kärntner Kirchenzeitung“ kommende (und schon von damals her wegen des gleichen Drucktermins der „Kärntner Nachrichten“ und der Kirchen Zeitung in der Druckerei Carinthia mit Mölzer bekannte) Michael Maier Chefredakteur. Nach dessen Scheitern kam Michael Fleischhacker den Mölzer schon von der „Kleinen Zeitung“ her kannte und den ihm indirekt Bischof Kapellari als einer der Eigentümer des Styria Verlags als Qualitätsjournalisten empfohlen. Mölzer blieb der „Presse“ treu bis hin zum umtriebigen Rainer Nowak, der der „Presse“-Redaktion nun mehr vorsteht.
Teilnahme am konservativen medial-politischen Diskurs
Und immer war Andreas Mölzer bemüht, an jener Form des tendenziell eher konservativen medial-politischen Diskurses teilzuhaben, der über die „Presse“ eben möglich war. Gewiss als langjähriger Chefredakteur und dann Herausgeber einer eigenen Wochenzeitung verfügte er über eigene publizistische Öffentlichkeit, aber Zur Zeit als nationalliberales und wertkonservatives Nischenprodukt erreicht eben auch nur ein relativ kleines Segment der politischen Öffentlichkeit. Deshalb auch die Bereitschaft Mölzers, darüber hinaus in möglichst vielen anderen Medien Positionen zu setzen.
So waren es also mehrere hundert Gastkommentare, die Andreas Mölzer neben seiner anderen publizistischen Tätigkeit und neben seinem politischen Mandat in der „Presse“ veröffentlichte. Abgesehen von Andreas Unterbergers anfänglichen Schilling 1.000,– honorarfrei und stets unter pflichtschuldigster Bezeugung jener Devotion – was es denn für eine Ehre sei, in der „Presse“ abgedruckt zu werden – die für publizistisch-politische Schmuddelkinder gegenüber den Medien des Establishment eben von Nöten ist.
Und das war’s dann halt. Otto Schulmeister ist tot und mir ist auch schon schlecht.
Andreas Mölzer