Der letzte Sonntag im April war für die europäischen Freiheitsparteien, für die Patrioten, kein wirklich guter Tag: Marine Le Pen konnte ihren Anspruch auf den Präsidentensessel nicht umsetzen und Sloweniens rechter Regierungschef Janez Jansa wurde abgewählt. Zwei führende Politiker der patriotischen Bewegungen Europas hatten also empfindliche Niederlagen einzustecken. Oder etwa doch nicht so ganz? Marine Le Pen hat immerhin mehr als 40 Prozent der Wähler für sich vereinnahmen können, ein Ergebnis, das in Frankreich ein Vertreter des einstigen Front National, des jetzigen Rassemblement National, bislang noch nicht hatte erzielen können. Ein Ergebnis, das auch für die kommenden Parlamentswahlen erheblich bessere Chancen einräumt, als ihre Partei bisher hatte. Und Janez Jansa mit seiner nationalkonservativen Partei SDS hatte schon mehrmals Niederlagen einzustecken und musste nach kurzer Zeit doch immer wieder ausrücken, um Slowenien als Regierungschef zu retten. Eine Entwicklung, die auch jetzt nicht auszuschließen ist, da das junge Wahlbündnis der Freiheitspartei vielleicht schon in Kürze auseinanderbrechen könnte. So sieht es also in Frankreich und in Slowenien für die europäische Rechte entgegen dem ersten Anschein gar nicht so schlecht aus. Insgesamt befinden sich die Rechtsparteien aber in einem Dilemma, und zwar wegen des Ukrainekriegs. Gerade schien es auf der Ebene des Europäischen Parlaments so, als könnten sich die in verschiedenen Blöcken organisierten Rechtsparteien einigen und damit eine der größten Fraktionen auf europäischer Ebene bilden, doch nun sehen sie sich durch ihre Haltung zu Russland und zum Ukrainekrieg wiederum massiv auseinander dividiert.
Konkret sind es vor allem die Polen, das heißt also die PiS-Partei und die ungarische Fidesz von Orbán, die hier höchst entgegengesetzte Haltungen einnehmen. Die Polen fürchten, ja hassen die Russen, die Ungarn haben zu Putin und damit zu Russland ein gedeihliches Verhältnis. Sie tragen auch die gegenwärtigen EU-Sanktionen nicht mit. Auch der Partei Marine Le Pens wird allzu große Russlandnähe nachgesagt, sie konnte einen ihrer vergangenen Wahlkämpfe nur mit Hilfe eines Kredits einer russischen Bank finanzieren.
Nebenbei bemerkt: Dass Macron mit Putin sogar einmal gemeinsam Urlaub machte, spielt da offenbar keine Rolle. Und auch der FPÖ wird vorgeworfen, zu den „Putin-Verstehern“ zu gehören.
Und so ist es wieder einmal eine traurige Tatsache, dass die patriotischen Freiheitsparteien Europas sich auf Grund der verschiedensten, zumeist historisch bedingten Gegensätze nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können.
Sie, die so etwas wie die politische Notwehr der europäischen Völker gegen Globalisierung und den Brüsseler Zentralismus darstellen, können dadurch die eigentlichen historischen Verantwortung, nämlich der Rettung eben dieser europäischen Völker, nicht gerecht werden. Ein Trauerspiel.
[…] Editorial: Europas Rechte – Gemischte Gefühle Seite 6–7 […]