Die alte Tante SPÖ hatte also dieser Tage ihren Parteitag. Und die immer ein bisschen an eine Vorzugsschülerin, an eine „Streberin“ gemahnende Parteivorsitzende Frau Pamela Rendi-Wagner wurde dabei von den Delegierten abgestraft. Ein Viertel der Parteitagsbesucher verweigerte der Vorsitzenden die Gefolgschaft, obwohl es nicht einmal einen Gegenkandidaten gab. Dass dann ein guter Teil der Parteitagsdelegierten auch noch vorzeitig nach Hause ging und über die inhaltlichen Anträge, die die SPÖ als politische Alternative für das Land entwickeln wollte, nicht einmal abgestimmt werden konnte, gibt zusätzlich zu denken.
Jedenfalls sind sich alle politischen Beobachter darüber einig, dass die Turbulenzen um die Parteispitze innerhalb der größten Oppositionspartei des Landes nunmehr voll aufgebrochen seien. Dass sich der Rechtsausleger der SPÖ, der burgenländische Landeshauptmann Doskozil, überhaupt aus den Gremien zurückgezogen hat, dass der niederösterreichische Parteichef seinen Schnabel in letzter Zeit hält und dass der Tiroler Dornauer auch kaum mehr vernehmliche Liebesgrüße aus Westösterreich sendet, hat in den letzten Wochen und Monaten scheinbare Beruhigung signalisiert. Davon ist nun keine Rede mehr.
Abgesehen aber von den inneren Zuständen der alten Tante SPÖ ist damit für die politische Landschaft Österreichs insgesamt wieder einiges in Bewegung geraten. Freuen kann sich über die Schwäche der SPÖ-Chefin in erster Linie Bundeskanzler Kurz. Frau Rendi-Wagner ist schlicht und einfach in keiner Weise die Alternative für den türkisen Regierungschef, der ja selbst wegen diverser Korruptionsanwürfe in arger Bedrängnis ist. Gefragt, welche Kanzleroption sie bevorzugen würden, sagen die Österreicher jedenfalls nur in geringem Maße, dass dies die rote Pam sei.
Ebenso hocherfreut kann FPÖ-Chef Herbert Kickl sein, da die schwache SPÖ-Führung für ihn tatsächlich ein Geschenk ist. Obwohl seine Partei beim letzten Wahlergebnis hinter der Sozialdemokratie lag und auch in den Umfragen nach wie vor hinter dieser liegt, was die rhetorische Brillanz und Schärfe der Argumentation betrifft, ist Kickl der SPÖ-Chefin ohnedies haushoch überlegen. Durch ihre Schwächung wird ihm die Rolle des Oppositionsführers im Nationalrat von roter Seite kaum mehr jemand streitig machen können.
Freuen können sich indessen die Grünen, da die beiden Linksparteien SPÖ und Grüne ja so etwas wie kommunizierende Gefäße im Hinblick auf die Wählerzustimmung sind. Je schwächer die heimische Sozialdemokratie, desto stärker sind die Grünen. Die Träume von linken Strategen, dass es gegen den türkisen Bundeskanzler irgendwann einmal eine linke Mehrheit, bestehend aus SPÖ, Grünen und zeitgeistigen NEOS geben könnte, diese Träume verflüchtigen sich mit der Schwäche von Frau Pamela Rendi-Wagner zusehends. Und eines ist auch klar geworden: Die schönen Stehsätze der SPÖ-Chefin, dass Österreich in diesen Tagen eine neue Sozialdemokratie brauche, sind eben nichts weiter als eben Stehsätze. Die SPÖ hat, so wie die Sozialdemokratie quer durch Europa, eine neue Rolle im 21. Jahrhundert noch nicht gefunden. Die alte Arbeiterbewegung ist tot, der Arbeiterstand als solches existiert kaum mehr, die Forderungen nach Arbeitermitbestimmung und Arbeitergleichberechtigungen sind längst erfüllt und die Mutation der sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien hin zu Vertreterinnen von Bobos, zeitgeistigen und politisch korrekten Schichten, funktioniert einfach nicht. Der sogenannte „kleine Mann“ hat sich längst den bösen Rechtspopulisten zugewandt und ultralinke Schichten wählen Grün. Was bleibt da für die alte Tante SPÖ, geführt von ihrer strebsamen Nichte Pamela Rendi-Wagner?