Die türkis–schwarzen Machthaberer

Irgendwie läuft es nicht so sonderlich gut für die stärkste politische Kraft des Landes, für die regierende ÖVP. Auch wenn unser juveniler Bundeskanzler gegenwärtig drauf und dran ist, sich als großer Retter aus der Corona-Krise zu stilisieren, deren Ende hoffentlich vor der Tür steht, sind Oppositionsparteien und Medien, aber auch die einigermaßen kritische Bevölkerung offenbar zunehmend kritisch gestimmt gegen die türkis eingefärbten ÖVP. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss wird zunehmend zu einem Scherbengericht über die Kurz-Truppe, der Finanzminister, dessen wirtschaftspolitische Kenntnisse gegen Null zu tendieren scheinen, gerät von Tag zu Tag, von Woche zu Woche stärker ins Minus.
Andere Regierungsmitglieder resignierten wegen erschwindelter akademischer Würden. Geschäftemacherei im Umfeld der Corona-Maßnahmen, etwa bei der Maskenbeschaffung, oder bei der Organisation der Tests finden sich zunehmend im Umfeld der Volkspartei, ja sogar des Bundeskanzlers selbst und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die früher vorwiegend blaue Politiker im Visier hatte, scheint nunmehr ganz auf Türkis eingestimmt zu sein.
Seit satten 35 Jahren, seit dem Scheitern der SPÖ-FPÖ-Koalition im Jahre 1986 ist die ÖVP nunmehr durchgehend in der österreichischen Bundesregierung. Und in der nunmehr etwas über 75 Jahre alten Zweiten Republik waren es insgesamt 60 Jahre, in denen die ÖVP im Bund regierte und überdies in den meisten Bundesländern. Da ist es klar, dass man sich als Staatspartei, als absolut staatstragende Kraft fühlt, ja dass man sogar versucht ist, den Staat gewissermaßen als sein Eigentum zu betrachten. Als sein Eigentum, mit dem man schalten und walten kann, wie es einem recht ist, und dessen Gesetze offenbar auch nach eigenem Gutdünken auslegen kann.
Letzteres erweist sich etwa, wenn ein Finanzminister sich trotz des Spruchs des Verfassungsgerichtshofs weigert, Akten an den Untersuchungsausschuss auszufolgen und erst vom Staatsoberhaupt dazu genötigt werden muss. Was das Gefühl betrifft, der ganze Staat sei schwarz-türkises Eigentum, so erweist sich dies dann, wenn Millionengeschäfte – etwa bei Corona-Testungen in Tirol – leichterhand nach eigenem Gutdünken vergeben werden. Oder solche eben wie etwa bei den Geschäften mit gefälschten chinesischen Masken, die da im Umfeld des Regierungschefs bzw. seiner engen Mitarbeiter abgewickelt werden.
Die türkis-schwarzen Machthaberer sind so etwas wie Mechaniker der Macht. Sie haben alle Informationen, sie haben alle Beziehungen, sie wissen, wo Geld zu verdienen ist und wie Geschäfte zu laufen haben. Und sie sind es auch gewöhnt, ihre jeweiligen Koalitionspartner entsprechend auf Linie zu bringen. Wenn man etwa das Verhalten der Grünen angesichts der türkisen Skandale der jüngsten Zeit betrachtet, kann man klar erkennen, dass Kogler und Genossen hier gute Miene zum bösen Spiel machen. Nicht einmal bei einem Misstrauensantrag gegen einen Finanzminister, der längst und zweifelsfrei rücktrittsreif ist, stimmen sie mit. Der Erhalt der Koalition und der eigenen Pfründe der Bundesregierung sind ihnen wichtiger als die hochmoralischen Grundsätze, die die grüne Partei lange Jahre zuvor gepredigt hatte.
Und wenn dann ein Koalitionspartner missliebig wird, so serviert man eben ab. So geschehen mit der SPÖ unter Christian Kern im Jahre 2017, danach mit der FPÖ unter Heinz-Christian Strache im Jahre 2019, und, wer weiß, wie lange die gegenwärtige Legislaturperiode noch andauert.
Und sei es nun bei vorgezogene Neuwahlen oder erst beim regulären Wahltermin im Jahre 2024, die ÖVP ist sich sicher, dass sie – mit wem auch immer – weiter regieren wird. In den Bundesländern wie Tirol, die ohnehin schwarze Erbpachten darstellen, tauscht man das eine oder andere Bauernopfer aus, wenn irgendein Skandal aufpoppt, und das war es dann schon. Und wenn die Medien allzu kritisch werden, gibt es wieder für ein-zweihundert Millionen Euro im Jahr Inserate. So erzeugt man Willfährigkeit bzw. verhindert allzu große Kritik.
Was schließlich die inhaltlich-ideologische Komponente dieser türkis-schwarzen Machthaberer-Truppe betrifft, so ist da nicht mehr viel Christlich-Soziales zu entdecken. Und auch die angebliche Wirtschaftsfreundlichkeit der Partei muss in vielen Bereichen hinterfragt werden. Auch der rot-weiß-rote Patriotismus, auf den die ÖVP einst so stolz war, als noch Julius Raab und Leopold Figl an der Spitze standen, ist heute kaum mehr noch aufgesetzt.

1 Responses to Die türkis–schwarzen Machthaberer

  1. […] Editorial: Die Türkisschwarzen Machthaberer Seite 6–7 […]

Hinterlasse einen Kommentar