Was heißt „neue Normalität“?

Bundeskanzler Sebastian Kurz erklärt uns in letzter Zeit wiederholt und stereotyp, dass die relativ erfreuliche Entwicklung der Corona-Seuche in Österreich nunmehr ein schrittweises Herunterfahren der Einschränkungen ermögliche. Es gehe nun aber nicht um die Rückkehr zum Status quo ante, sondern um den Weg hin zu einer „neuen Normalität“.

Was das denn sei, erläutert Herr Kurz nicht näher. Nur, dass es ganz anders sein werde als unser Leben zuvor. Da sind Abstandhalten, Händewaschen und allenfalls beim Einkauf eine Maske zu tragen nur die harmlosen Dinge. Herr Kurz scheint da weiterreichende Maßnahmen im Auge zu haben. Nicht nur die Einschränkung oder gar das Ende der grenzüberschreitenden Reisefreiheit, die wir als eines unserer europäischen Grundrechte erachten, nein, scheinbar das Ende jeglicher Geselligkeit, des Vereinslebens, der Versammlungsfreiheit und der menschlichen Nähe, die das Herdentier Mensch so dringend braucht.

Und Herr Kurz sagt auch kein Wort davon, dass diese neue Normalität dann der wirklichen Normalität, nämlich dem Leben, das wir vor Corona hatten, weichen könnte, weil es einen Impfstoff gibt. Wenn es nach ihm geht, soll diese neue Realität auf Dauer bestehen. Und betrifft diese neue Normalität auch unser politisches Gefüge? Hat Herr Kurz die ersten Tropfen aus dem Kelch der autoritären Versuchung geschlürft und mundet ihm dieses Getränk? Goutiert er es nunmehr in paternalistischer Manier als starker „Leader“ – das deutsche Wort Führer ist ja verpönt – Politik zu machen?

Die Umfragen scheinen ihm gegenwärtig Recht zu geben. Die Österreicher scheinen momentan in der Mehrheit nichts dagegen zu haben, wenn unsere parlamentarische Demokratie in eine Verordnungsdiktatur der ministeriellen Erlässe umgewandelt wird. Aber werden die Menschen auf Dauer hinnehmen, dass ihr historisch gewachsenes gesellschaftliches Leben, das gesamte Sozialgefüge, von den Familien bis hin zum Vereinsleben und zur Zivilgesellschaft reglementiert und aufgelöst wird?

Werden sie es auf Dauer hinnehmen, dass ihr Parlament zur reinen Abstimmungsmaschinerie zwecks Durchwinken von Regierungsverordnungen wird? Und werden sie es auf Dauer hinnehmen, dass ein so junger Politiker diktiert, wie sie ihr Leben zu leben haben? Das sollte der Herr Bundeskanzler bei allem Respekt für seine instinktsichere Vorgangsweise in Sachen Corona-Bekämpfung vielleicht in Demut und Bescheidenheit bedenken.

One Response to Was heißt „neue Normalität“?

  1. Dr. H. Ernst Pollan sagt:

    Sehr geehrter Herr Dr. Mölzer! Wie Recht Sie (leider) haben. Die Masse der Bevölkerung ist durch Angst und durch daraus resultierende Verunsicherung völlig paralysiert. Die trägt bereitwillig die Maske, auch wenn niemand in der Nähe ist oder der Betreffende alleine in seinem Auto sitzt. Es wird in den amtlichen „Verlautbarungen“ nicht unterschieden, was Gesetz und was bloß „Empfehlung“ oder Dafürhalten ist. So wurde und wird im Ernst vertreten, dass das Benützen des eigenen PKW nur in den 4 Fällen des „erlaubten Ausganges“ überhaupt gestattet ist.
    Und: es fehlt das Korrektiv durch die Medien. Sämtliche Zeitungen, allen voran die mächtige, sehr mächtige Kronen Zeitung, gerieren sich als Verlautbarungsorgan der Regierenden, kein Wunder daher, dass der „kleine Mann“ sich gehorsamer als gehorsam verhält (weil er es einfach nicht besser weiß).
    Und ja: die Masse wird es auch weiterhin hinnehmen, dass der Herr Kurz uns künftighin erklärt, was wir zu tun oder besser zu unterlassen haben werden.
    Legalitätsprinzip, Parlament? Ist der großen Masse ziemlich egal, weil sie ohnehin glaubt, alle paar Jahre den Bundeskanzler zu wählenl!
    Mit den besten Wünschen für Alle, die noch fähig und willens sind, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

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