Das Chaos, das in den letzten Tagen innerhalb der österreichischen Sozialdemokratie ausgebrochen ist, hat einen Namen, und der ist Christian Kern. In den Reihen der Gegner der sozialdemokratischen Ideologie mag nun zwar gegenwärtig homerisches Gelächter zu hören sein, allein Triumphgefühle mögen nicht aufkommen. Eine funktionierende Demokratie braucht nämlich eine funktionierende Opposition und die Sozialdemokratie ist eben seit mehr als einem Jahrhundert Teil des politischen Gefüges der Republik. Frau Pamela Rendi-Wagner, die seit gerade einem Jahr Mitglied dieser Partei ist, soll nun ihr zehnter Vorsitzender in der Zweiten Republik werden, und mit ihr ist es erstmals eine Frau, die für die alte Tante SPÖ verantwortlich zeichnet.
Ob sie den Karren allerdings aus dem Dreck zu ziehen vermag, ist eine andere Sache. Aus der Wissenschaft kommend, eine Entdeckung des längst in Vergessenheit geratenen Gesundheitsministers Stöger und zu höheren Ehren gelangt unter ihrem Mentor Christian Kern, zeichnet sich die Dame zuerst einmal durch zweifelsfreie Intellektualität und unbestreitbare Telegenität aus. Ob das reichen wird, ist eine andere Frage.
Die Sozialdemokratie ist nämlich europaweit in der „Rue de la Gack“, in den großen EU-Ländern wie Italien, Frankreich oder der Bundesrepublik Deutschland sind die Sozialdemokraten nur mehr ein zweitrangiger politischer Faktor. In Spanien regieren sie zwar und in England sind sie ein kleinwenig im Aufwind, das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Misere, dass hier Parteien um den Wähler werben, deren Ideologie mit den Anforderungen des 21. Jahrhunderts schlicht und einfach nicht mehr zu Rande kommt. Ob Frau Rendi-Wagner das ausgerechnet in Österreich wird ändern können, darf bezweifelt werden.
Als Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer in den 80er Jahren des vorvorigen Jahrhunderts die österreichische Arbeiterbewegung begründeten, konnten die beiden in der Burschenschaft und der politischen Schule des Georg Ritter von Schönerers sozialisierten Männern nicht ahnen, dass ihre Gründung am Beginn des 21. Jahrhunderts ideologisch nur mehr im „Kampf gegen Rechts“ und in der Abgrenzung von der ach so bösen Burschenschaft weltanschauliches Profi l wird zeigen können. Der Kampf um die sozialpolitische Besserstellung der Schwächsten der Gesellschaft ist nämlich der zeitgenössischen Sozialdemokratie längst zum bloßen Lippenbekenntnis geronnen. Slim-fi t-Politiker wie Christian Kern und Genossen können sich im Elfenbeinturm der Polit-Schickeria in die Lebenswelt von Arbeitern kaum mehr hineindenken. Ob Frau Rendi-Wagner da eine Ausnahme sein kann? Vorläufi g deutet kaum etwas darauf hin.
Es liegt vermutlich nicht in der Genen der Sozialdemokratie eine kantige Opposition zu sein, wie das die Freiheitlichen in den letzten Jahrzehnten gewesen sind. Jeder Versuch in eine derartige Rolle zu schlüpfen scheiterte kläglich aufgrund mangelnder Authenzität. Mit der neuen Obfrau wird derartiges vermutlich wohl auch gar nicht versucht werden, sondern man wird wohl eher den Menschen mit einer studierten Bakteriologin und Diplomatengattin eine Alternative ala Mutti Merkel zu einem juvenilen Langzeitstudenten an der Spitze des Landes präsentieren wollen.