FP-Frontbegradigungen

Sieger sehen natürlich anders aus – das wissen die freiheitlichen Spitzenfunktionäre in Niederösterreich, Tirol und Kärnten, wenn sie sich die Landtagswahlergebnisse vor Augen halten. Zwar ist man in der glücklichen Lage, verglichen mit den jeweils vorhergehenden Landtagswahlergebnissen respektabel zuzulegen, ist also ein Wahlsieger und kein Verlierer. Verglichen aber mit vorhergehenden Wahlgängen im Jahr 2016 und 2017, konkret die Nationalratswahl und die Wahlgänge zur Bundespräsidentschaft, hat man überall massiv an Wählerzustimmung verloren.
Zwar sind Landtagswahlen eben etwas anderes als Nationalratswahlen und Präsidentschaftswahlen, Tatsache ist aber, dass die FPÖ überall unter ihren Erwartungen geblieben ist.
Soweit, so schmerzhaft, aber vielleicht unausweichlich, wenn man als langjährige Oppositionspartei in eine Regierung geht. Diese Erkenntnis darf die blauen Strategen allerdings nicht daran hindern, die eher missliche Lage zu analysieren und Gegenstrategien zu entwickeln. Als erstes werden sie zweifellos erkennen, dass die politischen Gegner und die eher links orientierten Mainstream-Medien eben die Freiheitlichen als Schwachstelle in der neuen Regierung definiert haben. In inhaltlicher Hinsicht ist es die Raucher-Frage und die Zustimmung zu CETA, die in erster Linie als freiheitliches Versagen an den Pranger gestellt wird. Strukturell ist es der angeblich allzu groß dimensionierte Einfluss der Burschenschafter in der Partei und im Regierungsumfeld, der mit gnadenloser Polemik verfolgt wird. Auch in Kärnten heißt es bereits vor den Koalitionsverhandlungen von roter Seite, mit der FPÖ werde man schon reden, aber ausgehen müsse man davon, dass „keine Burschenschafter in die Regierung“ kommen dürften.
Dann scheint es so zu sein, dass die türkisblaue Regierung die Raucher-Problematik offenbar aussitzen will. Der Parlamentsbeschluss zur Beibehaltung der bisherigen Regelung wurde gefasst und irgendwann – so glaubt man – werden die Unterschriftenleistungen in den Gemeinden wohl abebben und das ganze wird dann kein Thema mehr sein. Vielleicht, vielleicht auch nicht! Was CETA betrifft, so werden die Freiheitlichen nun mehr sogar in der „Krone“ von vormaligen Sympathisanten gegeißelt, sie seien umgefallen, hätten ihre Wahlversprechen nicht eingehalten. Tatsache ist allerdings, dass die ÖVP auf die Realisierung des Handelsabkommens ohne Kompromisse besteht.
Und was die Burschenschaften betrifft, so versucht man mit der Einsetzung der Historikerkommission zumindest einmal selbst zu definieren, wie weit es extremistische oder gar staatsfeindliche  Tendenzen hinein in die Freiheitliche Partei geben könnte. In diesem Falle scheint man zumindest zu aktiver Frontbegradigung geschritten zu sein.
Was aber CETA und die Raucher-Problematik betrifft, so dürfte dies für die Gegner der türkisblauen Regierung in Politik und Medien geradezu modellhaften Charakter annehmen, auf welche Art und Weise man den freiheitlichen Koalitionspartner in der Bundesregierung sturmreif schießen kann. So etwas wie eine Frontbegradigung durch die FPÖ-Strategen zeichnet sich dabei kaum ab. Zwar könnte man in den Kreisen der blauen Spitzenfunktionäre zur Ansicht kommen, dass man bei der Landtagswahl in Salzburg auch noch zulegen werde und dass dann ohne dies Ruhe sei – zumindest, was Wahlen betrifft. Wie es aber aussieht, wenn in kaum einem Jahr Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden, wo die Freiheitlichen ihre bisherige harte EU-kritische Haltung wegen der Regierungsbeteiligung auch kaum aufrechterhalten können und wegen ihrer Kooperation mit anderen europäischen Rechtsparteien allenthalben gegeißelt werden,  das steht in den Sternen. Und ob bis dorthin die Politinszenierung unseres neuen juvenilen Bundeskanzlers Erfolg und Zustimmung in der Bevölkerung fi nden wird und ob dabei auch der freiheitliche Regierungspartner profi tiert, ist ebenso ungewiss.
Die Versuche der politischen Mitbewerber und der gegnerischen Medien, an der freiheitlichen Flanke weiter anzugreifen, werden jedenfalls nicht schwächer werden. Damit läuft der kleinere Koalitionspartner in der Bundesregierung Gefahr, voll von der Gnade der türkisen Truppe und des Bundeskanzlers abzuhängen.
Diesen werden nämlich die politischen Gegner und die Medien suggerieren, dass die Freiheitlichen eben noch nicht in der Regierung angekommen seien, dass sie nicht regierungstauglich wären und dass er damit sein eigenes Projekt gefährde, wenn er weiter am blauen Koalitionspartner festhalte. Und nachdem man davon ausgehen muss, dass Sebastian Kurz kein politischer Wohltäter gegenüber den Freiheitlichen ist, sondern in erster Linie legitimerweise den eigenen Vorteil im Auge hat, wäre es schließlich sehr riskant, auf sein Wohlwollen angewiesen zu sein. Es wäre hoch an der Zeit für die freiheitliche Regierungspartei, strategische Alternativen zu entwickeln.

One Response to FP-Frontbegradigungen

  1. Matthias sagt:

    Was die CETA-Problematik betrifft geht es in erster Linie zuletzt nicht darum, dass ein Wahlverprechen nicht eingehalten wurde, sondern unterstreicht zunächst viel mehr, dass freiheitlicher Populismus nur wenig ernst zu nehmen ist. Wenn man aus der freiheitlichen Bierzeltrethorik zitiert so wurde hinsichtlich des Freihandelsabkommens von „Knebelverträgen, Diktaten“, vom „Fukishima Atomthunfisch“ und vom „Chlorhendl“ gesprochen, das auf unseren Tellern landet.
    In den legislativen Körperschaften wie Bundesrat stimmt man dem und künftigen transatlanischen Abkommen zu und im Nationalrat lehnt man mit satten 51 Mandataren eine Volksabstimmung ab.
    Wenn in Bereichen wie Regeistrierkassen nicht das erreicht wurde was man sich vorgenommen hat, kann man sich sehr gut auf die absolute Mehrheit herausreden, die man nicht erhalten hat nur hinsichtlich eines Abkommens, das der knapp gescheiterte Bundespräsidentschaftskandidat Hofer ohne Volksentscheid gar nicht unterschreiben wollte, macht das schon eine Optik die an Zeiten zu Beginn der Jahrtausendwende erinnert.

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