Rote Turbulenzen, schwarze Tricks

Der gegenwärtig anlaufende Nationalratswahlkampf ist von den Turbulenzen geprägt, in denen sich die Kanzlerpartei SPÖ befindet. Da wird der israelische Wahlkampf-Guru des Kanzlers verhaftet, der eine oder andere Berater kommt ihm auf andere Weise abhanden, und innerhalb der Wahlkampfmaschinerie der SPÖ gibt es dem Vernehmen nach Differenzen, die sogar bis ins Tätliche gehen. Da gewinnt der sozialistische Wahlspruch „Ich hole, mir was mir zusteht“ eine ganz andere Dimension, dem Kanzler steht nämlich offenbar eine saftige Abfuhr seitens des Wählers zu, die er sich wahrscheinlich in anderthalb Monaten holen wird.
Was die in den Umfragen haushoch führende Volkspartei betrifft, so hat der neue Wunderwuzzi bislang noch nicht viel von sich hören lassen bis auf schöne Sager, die allesamt aus dem politischen Aktionsprogramm der Freiheitlichen entlehnt sind. Darüber hinaus hat er vorläufig nur mit Personalansagen geglänzt. Die Bundesliste der Volkspartei sieht aus wie ein Katalog von politischen Signalen an alle möglichen Bevölkerungsschichten des Landes.
Da gibt es die querschnittgelähmte ehemalige Spitzensportlerin Kira Grünberg, die wohl Sympathien im Bereich der Sportfans, aber womöglich auch im Bereich der Behinderten generieren soll. Dann gibt es da den gut integrierten Zuwanderer Efgani Dönmez als Signal wohl für die bereits wahlberechtigten Neubürger, dann gibt es den altgedienten Rechnungshofpräsidenten und ehemaligen FPÖ-Mitarbeiter Josef Moser, der zweifellos als Signal für den Reformwillen des Sebastian Kurz gedacht ist und wohl auch als eines an vormalige freiheitliche Wähler. Dann gibt es den Mathematiker und Wissenschaftler Rudolf Taschner als Signal an die Bildungsschichten, einen ehemaligen Polizeichef Karl Mahrer, der für Recht und Ordnung stehen soll, und so weiter und sofort. Ob all diese Quereinsteiger, die samt und sonders keine politischen Profis sind, in der Lage sein werden, eine neue Politik umsetzen zu können, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Politik ist nämlich auch ein Handwerk, das man gelernt haben sollte, und keine Spielwiese für Quereinsteiger und Profilneurotiker.
Was die wahlwerbenden Kleinparteien betrifft, und derer gibt es bei diesem Wahlgang so viele wie kaum je zuvor, so kämpfen sie allesamt ums Überleben. Die Grünen sind in der Abwärtsspirale, Peter Pilz muss schauen, wo er bleibt, die Neos werden auch hart am Existenzminimum entlang schrammen, von anderen Gruppen zahlt es sich gar nicht aus zu reden.
Und die Freiheitlichen des Heinz-Christian Strache – sie sind vorläufig das große Fragezeichen in diesem Wahlkampf. Bislang sind sie es eher ruhig angegangen, man wird sehen, ob sie nunmehr nach dem Wahlkampfauftakt Tempo und Intensität steigern können. Bislang ist ihre politische Ansage die gewesen, dass es ohne die Freiheitlichen zu keiner wirklichen Änderung in der politischen Landschaft des Landes kommen werde, und sie verkünden, was nicht sonderlich neu ist, aber zutreffender denn je: „Österreich zuerst“. Ob sie damit an die Umfrage-Höhenflüge vergangener Jahre und Monate anknüpfen werden können, bleibt abzuwarten. Ein respektables Wahlergebnis wird es allemal werden, denn die Österreicher können sehr wohl unterscheiden zwischen dem Schmied und dem Schmiedl. Da der Schmied Heinz-Christian Strache, dort der Schmiedl Sebastian Kurz und hinten nach der Noch-Kanzler Christian Kern, der insgeheim wohl schon nach einem neuen Job sucht.
Ob dieser Wahlgang für das Land etwas ändern wird oder ob alles beim Alten bleibt, und weiter eine rot–schwarze oder schwarz–rote Koalition die Regierung stellt, werden wir nach dem 15. Oktober sehen. Entgegen allen Beteuerungen bleibt eine Neuauflage dieser Alt-Koalition die wahrscheinlichste Möglichkeit, und sie garantiert den weiteren Stillstand für das Land. Das ist traurig genug.

4 Responses to Rote Turbulenzen, schwarze Tricks

  1. Waltraut Kupf sagt:

    Gestern trat im Fernsehen ein Experte auf (sein Name ist mir leider entfallen), der sich nicht auf das meist viel zu kleine Sample bei Umfragen verläßt (die auch teilweise unwahr beantwortet werden), sondern die Postings in den sozialen Medien auswertet. Mir scheint diese Methode als demoskopisches Instrument auch viel geeigneter. Hier kam er zu ganz anderen Ergebnissen, die für die FPÖ erheblich besser aussehen. Man wird sehen, was letztlich herauskommt.

  2. Josef sagt:

    Sehr gut, Mölzer.

  3. wbeier sagt:

    Hier wird man sich einmal mehr der österreichischen Realität stellen müssen: Dieses Land ist personell und strukturell in harmonischem Proporz und quasi Erbpacht aufgeteilt. Sollte die FPÖ wider Erwarten zu einer Regierungsbeteiligung kommen, wird sie unweigerlich mit genannten Verhältnissen konfrontiert werden und dieser Filz ist nahezu undurchdringbar.

  4. Andi sagt:

    Bedauerlicherweise wird Wunderwuzzi Kurz die 30 % Marke durchbrechen und vermutlich auch eine von der FPÖ nur noch zu träumende Verfassungssperrminorität erreichen. Rein mathematisch werden sich die Freiheitlichen mit einem leichten Zuwachs auf 22% oder vielleicht 23 % auch als Gewinner der Wahl hinstellen können und in der pragmatisierten Opposition verbleiben. Ob dies nun ein Freibrief für ein weiteres exponentielles Wachstum sein wird bleibt abzuwarten. Die Masseneinwanderung der letzten Jahre als Kernthemen der FPÖ sollten ihr die Wählerschaft geradezu am Präsentierteller servieren und trotzdem gelingt es den Etablierten wieder einmal kurz vor Wahl die Freiheitlichen mit effektive Methoden auszubremsen und am dritten Platz zu halten. Selbstverständlich haben die Freiheitlichen seit 2005 wieder eine beachtenswerte Erfolgsgeschichte mit gesundem und kontinuierlichem Wachstum durch einen sehr fleißigen und erfolgreichen Parteiobmann, der gerne davon spricht Wahlen und nicht Umfragen zu gewinnen, hinter sich, jedoch wird nach nun mittlerweile zwölf Jahren das Ziel wieder einmal nicht durchlaufen werden können. Von dem Ziel stärkste und bestimmende Kraft zu werden wurde schon 2012 gesprochen und dass aus Rot-Schwarz am Ende Schwarz-Rot steht und beide Parteien gemeinsam, wenn auch mit roten Turbulenzen, wieder in Richtung 60 % oder gar 2/3 Mehrheit marschieren, kann durchaus auch als Misserfolg im Kampf gegen Proporz und gewachsene Strukturen gedeutet werden. Auch ein manchesterliberales Wirtschaftsprogramm, wobei eine FPÖ den Schmiedl spielt, wird daran nichts ändern können. Ohne ein Prophet zur sein fürchte ich, dass die heutige FPÖ ihren Wendepunkt und eine Abwärtsspirale gespickt von künftigen Obmann-Debatten und innerparteilichen Streitigkeiten nach dem 15. Oktober in der pragmatisierten Opposition erleben wird. Mit welchen Themen sollen die freiheitlichen künftig noch punkten können wenn nicht mit Massenmigration? Oppositionspolitik der Freiheitlichen garantiert kein exponentielles Wachstum auf Lebenszeit. Vermutlich wird auch Jörg Haider zu Jahrtausendwende ein Sensorium dafür gehabt haben, dass nach einer angemessenen Zeitspanne der Spieltrip beendet ist und der Wähler auch einen oppositionellen Ankündigungsschmid in Verantwortung sehen möchte.

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