Vom Unsinn alter Feindbilder

Kärntens Lebensrealität muss sich in der Verfassung wiederfinden

Da war der Sprachen-und Nationalitätenstreit in der alten Habsburger Monarchie. Und dann – daraus resultierend – der Grenzkonflikt nach dem Ersten Weltkrieg zwischen Österreich und dem neuen SHS-Staat, für den die Kärntner Slowenen, beziehungsweise damals auch noch das schwebende Volkstum der Kärntner Windischen das machtpolitische Substrat bildete. Schließlich die Tragödien im und nach dem Zweiten Weltkrieg und die territorialen Ansprüche Tito-Jugoslawiens. Der Kärntner Abwehrkampf nach dem Ersten Weltkrieg und das Plebiszit, das mit Hilfe der Angehörigen jenes slawischen Bevölkerungsanteils gewonnen wurde, die sich eben nicht als Nationalslowenen fühlten, sind bekanntermaßen bis heute konstituierende Elemente des Kärntner Landesbewusstseins. Der brutale Partisanenkrieg während des Zweiten Weltkriegs, die Verschleppungen durch die Tito-Partisanen nach Kriegsende und die bereits erwähnten Titokommunistischen Gebietsansprüche bildeten das durchaus verständliche Movens der sogenannten „Kärntner Urangst“. Tito-Jugoslawien gibt es indessen nicht mehr, großslowenische Gebietsansprüche genauso wenig.
Chauvinistischer Nationalismus ist sogar in einer aus den verschiedensten soziokulturellen Gründen schrumpfenden ethnischen Minderheit wie die der Kärntner Slowenen nur mehr ein Randphänomen. Wie man dies genauso im Hinblick auf irgendwelche Germanisierungsgelüste durch die Deutsch-Kärntner Mehrheitsbevölkerung feststellen kann.
Spätestens mit der Lösung des Ortstafelkonflikts ist der Südkärntner Grenzlandkonflikt und der Volkstumskampf im Stadium der Historisierung. Der Gedanke, bei einer Neuformulierung der Landesverfassung die Kärntner Lebensrealität mit der seit dem Frühmittelalter im Lande siedelnden autochthonen slawischen Minderheit auch konstitutionell abzubilden, entbehrt daher nicht einer gewissen inneren Logik. Der Satz allerdings, den die regierende Dreier-Koalition in Klagenfurt in dem Entwurf der neuen Landesverfassung zu diesem Zweck einbaute, dass nämlich Land und Kommunen die „gleiche Fürsorge für deutsch- und slowenischsprachige Landsleute“ aufwenden müssten, ist schlichtweg unsinnig. Er ist einmal mehr ein Indiz für jenen seit Generationen gewohnten Charakter der Kärntner Landespolitik, der zwischen Bauernschläue und Einfältigkeit pendelt. Warum spricht  man vom „Deutsch- und Slowenischsprachigen“, warum nicht klarerweise von „Deutsch-Kärntnern“ und „Kärntner Slowenen“? Deutschsprachig sind sicher auch alle im Lande lebenden Slowenen und die meisten Kärntner dürften – mehr oder minder – aufgrund einer abgeschlossenen Schulbildung auch englischsprachig sein. Und dass die Fürsorge des Landes schlichtweg allen Landesbürgern zu gelten hat, ist eine No-Na-Aussage, eine Selbstverständlichkeit. Da hat man also einen Satz in den Verfassungsentwurf eingebaut, der mit Krampf den Terminus „slowenisch“ beinhaltet, allerdings einfältigerweise noch das Wort „Fürsorge“, was geradezu als Aufforderung von den Slowenen-Funktionären aufgefasst werden könnte, zusätzlich Forderungen zu stellen. Und dies scheint in einem Brief im April 2014 an den Landtagspräsidenten von drei führenden Slowenen-Vertretern im Hinblick auf weitere topographische Bezeichnungen und eine weitere Ausdehnung des Slowenischen als Amtssprache auch geschehen zu sein. Aber derlei Forderungen zu erheben, gehört wohl zur Job Description eines slowenischen Vereinsfunktionärs. Und zwischen Forderung und dann auch Durchsetzung ist bekanntlich ein gewaltiger Unterschied.
Insgesamt darf gefragt werden, warum man nicht einfach im Artikel 5 der bisher geltenden Landesverfassung, wo es heißt, „die deutsche Sprache ist die Sprache der Gesetzgebung und – unbeschadet der der Minderheit  bundesgesetzlich eingeräumten Rechte – die Sprache der Vollziehung des Landes Kärnten“ den Terminus „slowenisch“ eingefügt hat.
Es hieße dann: „unbeschadet der der slowenischen Minderheit bundesgesetzlich eingeräumten Rechte“. Oder warum man nicht im ersten Abschnitt der erneuerten Verfassung einen eigenen Artikel eingefügt hat, der schlicht und einfach aussagen könnte: „In Kärnten siedelt seit dem Frühmittelalter eine autochthone slowenische Volksgruppe, deren Existenz fester Bestandteil der Identität des Landes ist und deren Rechte bundesgesetzlich gewährleistet sind.“
Wenn nun aber der an sich läppische, als Nebensatz formulierte Fürsorgeanspruch der „Slowenischsprachigen“ als Vorwand missbraucht wird für parteitaktische Spielchen, ist dies nicht nur bedauerlich, sondern auch gefährlich. Langsam abklingende Emotionen und Ängste werden solcherart zurück aus ihrem Dämmerschlaf geholt, Organisationen, die ihre Sympathisanten nur mit entsprechender Feindbildpflege zu Aktivität und Spenden bewegen können, wittern Morgenluft, und die Außer-Kärntner-Medienlandschaft dieChance, das beliebte „Kärnten-Bashing“ aufleben zu lassen.
Angesagt wäre also ein ehestmöglicher Schluss der Debatte, tätige Reue des schwarzen Parteiobmanns und ein wenig intellektuelle Beweglichkeit bei den Spitzen der beiden größten Parteien des Landes: Im Umfeld des Landeshauptmannes, ob es nicht eine klügere Festschreibung der slowenischen Minderheit in der Kärntner Verfassung geben könnte, sowie bei den führenden Köpfen der blauen Oppositionspartei, ob es für national-freiheitliche und patriotische Kärntner nicht endlich Zeit wäre, stolz darauf zu sein, dass es im Land neben den Deutschkärntnern ein zweites Volkstum gibt, mit unverwechselbarer Identität, einer europäischen Hochsprache und einer Kultur, mit der wir seit nahezu eineinhalb Jahrtausenden zusammen leben.

Am selben Tag, als nebenstehender Text auch als Gastkommentar in der größten Kärntner Tageszeitung erschien, änderte die Kärntner Landesregierung genau in dem vom Autor vorgeschlagenen Sinne den Text für die Kärntner Landesverfassung, der nun lautet: „Das Land Kärnten bekennt sich gemäß Artikel 8 Abs. 2 der Bundesverfassung zu seiner gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, wie sie in Kärnten in der slowenischen Volksgruppe zum Ausdruck kommt. (…) Die Fürsorge des Landes gilt allen Landsleuten gleichermaßen.“

2 Responses to Vom Unsinn alter Feindbilder

  1. Wolfgang sagt:

    Ich stimme Mölzer inhaltlich voll zu, halte die Debatte in dieser Dimension jedoch für maßlos überbewertet und künstlich aufgebauscht, nachdem der Bevölkerungsanteil der Kärntner Slowenen inzwischen nur noch bei 2% oder 3% der Gesamtbevölkerung liegt. Ein slowenisches Bauernmädel aus dem Rosental hatte früher drei oder vier Kinder, blieb im Dorf und war somit auch Garant dafür dass das Slowenische Volkstum erhalten bleibt. Heute studiert eines dieser Kinder Theater- oder Literaturwissenschaften in Wien und bleibt kinderlos. Tragikomisch, dass gerade die zunehmende Akademisierung der Kärntner Slowenen mittelfristig leider zum Verschwinden der Volksgruppe führen wird.

  2. dr g seyerl sagt:

    Mit grossem Interesse alle Aufsätze gelesen, schade dass sie – wie geschildert – nicht in einer grossen Zeitung abgedruckt werden, aber das würde ja zur politisch unerwünschten Meinungfreiheit beitragen.
    Enttäuscht aber bin ich, dass die Windischen nicht vorkommen! ! `Seit dem Frühmittelalter…eine slow. Volksgruppe…` Falsch, setzen !Diese Alpenslawen waren damals Windische, die heute die vielleicht 8.ooo
    Slowenen zahlenmässig weit übertreffen. Diese Windischen, die sich vor ein paar Jahren eindeutig zu ihrer – nicht slowenischen-
    Identität bekannt haben, haben den glücklichen Ausgang 192o massgeblich bestimmt und verdienen unsere volle Unterstützung. Bekenntnisrecht vs `Expertisen` von Slawisten und-meist- slowenischen Historikern, wer soll da gewinnen? gerd s.

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