Der kalte Bürgerkrieg ist längst ausgebrochen
Der ins Haus stehende zweite Wahlgang zur Kür der höchsten Staatsamtes der Republik Österreich ist geradezu zwingend dazu verdammt, eine Richtungswahl zu sein. Keineswegs schlicht und einfach: Links gegen Rechts. Nein, die Definition der beiden gegnerischen Lager muss schon komplexer und präziser ausfallen. Wenn man sie aber definiert, die potentielle Wählerschaft des Alexander Van der Bellen und jene des Norbert Hofer, kommt man leider zum Ergebnis, dass hier die res publica, die „öffentliche Sache“, die gemeinsame Sache, tatsächlich längst in zwei unversöhnlich einander gegenüberstehende Gruppierungen getrennt ist. Unversöhnlich in dem Sinne, dass hier kaum mehr gegenseitiges Verständnis existiert, kaum mehr der Wille oder die Fähigkeit zum Dialog und auch nicht jener zum politischen Kompromiss. Man wendet zwar vorläufig kaum tatsächliche Gewalt gegeneinander an – sieht man von den Anarcho-Demos gegen den Wiener Akademikerball ab – verbal und argumentativ ist man längst in offene Frontstellung gegeneinander gegangen. Der kalte Bürgerkrieg tobt also bereits.
Wer steht nun im Lager des grünen Präsidentschaftskandidaten? Wenn man den Medien und der veröffentlichten Meinung glaubt, nahezu alle, die Rang und Namen haben. Politiker aus allen etablierten Parteien, Sportler, Künstler, Wissenschafter und natürlich auch die übrigen Wortspender der Seitenblickegesellschaft; sie lassen mehr oder weniger deutlich wissen, dass sie Van der Bellen wählen werden. Gilt es doch, die Orbánisierung Österreichs, also den Weg hin zu einem rechtsautoritären System, zu verhindern. In den diversen Promi-Umfragen tun sich die Gazetten schwer, den einen oder anderen Unterstützer für Norbert Hofer zu finden. Und wenn es da irgendein Stratosphären-Springer oder ein Volks-Rocker oder gar ein querulatorischer Bestseller-Autor wagt, auch nur eine differenziertere Haltung anzudeuten, von offenen Sympathien für Hofer ganz zu schweigen, dann wird dieser flugs durch die Gazetten und quer durch die „sozialen Medien“ geprügelt. Na, der kann sich dann anschauen. Sponsoren, Konzertveranstalter und Verleger ziehen sich in solchem Falle nur allzu rasch zurück.
Merkwürdig nur, dass Alexander Van der B. nicht schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erlangte, wo doch offenbar alle für ihn sind. Tatsächlich sind es aber nur die gutmenschlichen Bereiche der Gesellschaft und natürlich die „Seitenblicke-Community“, die den Kernwählerbereich des rot-grünen Professors ausmachen. Die kritiklosen Verfechter der political correctness, die deklarierten Zuwanderungsbefürworter, die Schwulen-Lobbyisten, die radikalen Feministinnen sind es einerseits und andererseits die sogenannten „Bobos“, die jungen, erfolgreichen, absolut „trendigen“ Zeitgeistritter. Dazu kommen dann natürlich jene Kräfte, die aus anderen parteipolitischen Gründen gegen die Freiheitlichen und ihren Kandidaten sind. Das politische Establishment der beiden Regierungsparteien gehört dazu. Die Spitzenfunktionäre von Rot und Schwarz gönnen der Opposition verständlicherweise keinen Erfolg. Zwar wird es keine parteioffizielle Wahlempfehlung für den grünen Kandidaten geben, der rote Bundeskanzler, der rote Bürgermeister von Wien, sie haben allerdings schon klar geäußert, dass sie Van der Bellen wählen würden. Und der eine oder andere Alt-Grande der ÖVP, wie der einstige EU-Kommissar Fischler, tut dies ebenso. Die ÖVP selbst allerdings wird sich hüten, eine Empfehlung abzugeben, da sie sich künftige Regierungsoptionen mit den immer stärker werdenden Freiheitlichen aus rein taktischen Gründen wohl offen halten wird.
In der zunehmenden Polarisierung vor dem zweiten Wahlgang dürfte es dann wohl so etwas wie eine gesamtgesellschaftliche „Lichtermeer-Koalition“ geben, bestehend wie seinerzeit bei der Demonstration gegen das Haidersche Volksbegehren „Österreich zuerst“ aus allen zivilgesellschaftlichen und politisch etablierten Bereichen der Republik, von den Gewerkschaften über die Kirchen bis hin zu den Universitäten und den Kulturschaffenden. Und diese „Lichtermeer-Koalition“ wird gegen die „Orbánisierung bzw. Putiniserung“ Österreichs agitieren.
Wer sind nun jene, die den freiheitlichen Kandidaten, der im ersten Wahlgang so überraschend obsiegte, unterstützen? Sind es nur die freiheitlichen Wähler, maximal ein Drittel der wahlberechtigten Bürger? Oder ist es gar eine schweigende Mehrheit? Nun glauben Politikwissenschafter zu wissen, dass Österreich so etwas wie eine strukturelle rechte Mehrheit hat. Wenn es bloß eine Polarisierung zwischen Links und Rechts wäre, würden freiheitliche und bürgerliche ÖVP-Wähler, ergänzt durch wertkonservative Kreise aus der ehemaligen Arbeiterschaft, zweifellos eine Mehrheit haben. Aber wie gesagt: Es geht nicht ausschließlich um eine Links-Rechts-Auseinandersetzung. Zum einen ist da natürlich einmal das traditionell freiheitliche Lager, das für Hofer stimmen wird. Dann sind es die Protestwähler, die von der rot-schwarzen Politik des Stillstands schlicht und einfach genug haben. Und schließlich sind es jene, die sich angesichts der unkontrollierten Massenzuwanderung in tiefer Sorge von der etablierten Politik abwenden. Sie alle werden wohl für den freiheitlichen Kandidaten stimmen und damit gegen das politische Establishment. Dabeisein werden zweifellos konservative und christlich orientierte vormalige ÖVP-Wähler, die sich gegen die Islamisierung des Landes aussprechen. Dabei werden aber auch in hohem Maße ehemalige SPÖ-Wähler aus dem Bereich der einstigen Arbeiterschaft sein, die unter Lohndumping und Sozialabbau leiden und durch die Zuwanderung einer neuen Konkurrenz im Wohnungs- und Arbeitsmarkt ausgesetzt sind. Naserümpfend mögen da die Soziologen von „Veränderungsverlierern“ sprechen, deren Ängste von den Populisten ausgenützt würden. Übersehen wird dabei allerdings, dass diese Ängste durchaus reale Gründe haben und dass es tatsächlich eine breite Schicht in der Bevölkerung gibt, die durch die gesellschaftlichen Veränderungen zunehmend unter Druck kommt.
Die inhaltliche Scheidemauer zwischen diesen beiden skizzierten großen Gruppen der heimischen Bevölkerung stellt zweifellos die Zuwanderungs- und Flüchtlingsproblematik dar. Wer eine weitere Zuwanderung ablehnt, ist für den blauen Kandidaten. Wer da meint, dass das Boot längst noch nicht voll sei, steht für den Grünen. Und in dieser wesentlichen Frage gibt es zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Gruppierungen kaum mehr die Möglichkeit auf einen Konsens, ja kaum mehr zu einem Dialog. Und nachdem die dominierende etablierte Seite der Gesellschaft den freiheitlichen Herausforderern weitestgehend den Diskurs verweigert – die alte Ausgrenzungsstrategie ist nach wie vor vorhanden – gibt es zwischen beiden Bereichen kaum mehr eine wirkliche intellektuelle Auseinandersetzung. Der eine oder andere nonkonformistische Ausreißer in Form vereinzelter Gastkommentare da oder dort in den etablierten Medien ändert daran nichts.
Hat dies auf Manfred O. rebloggt.