Was musste sich der immerhin von zwei Drittel seiner Bevölkerung demokratisch legitimierte ungarische Regierungschef in den vergangenen Tagen und Wochen nicht alles anhören: Er sei ein „Rechtsnationalist“ mit fragwürdigem Demokratieverständnis, er verachte die europäischen Werte, und den Vogel schoss dabei der Herr vom Wiener Ballhausplatz ab – seine Flüchtlingspolitik erinnere an die düstersten Zeiten des Kontinents. Sprich, das ungarische Auffanglager Röszke erinnere an Auschwitz.
Und auch wenn diese einigermaßen einfältige Gleichsetzung – im Grunde eine grobe Verharmlosung des Holocaust – rundum auf Ablehnung stieß, bleibt Viktor Orbán bis auf Weiteres der Buhmann Europas. Vereinzelte Stimmen, wie etwa jene der bayrischen CSU, die darauf hinweisen, dass er nur geltendes EU-Recht umgesetzt habe, finden bislang noch wenig Gehör. Und tatsächlich sind die Maßnahmen Viktor Orbáns jene, die der deutsche Innenminister De Maizière vor wenigen Tagen bei der Bekanntgabe der Schließung der deutschen Grenzen lautstark verlangte: Dass nämlich die EU-Außengrenze gesichert werden müsse und dass Asylsuchende gemäß den Dublinbestimmungen ordnungsgemäß im ersten EU-Land, das sie betreten, registriert werden müssen. Und auch die Forderung nach einem rechtsstaatlichen, möglichst raschen Asylverfahren, um reine Wirtschaftsflüchtlinge von tatsächlich Asylberechtigten zu trennen, wie sie Orbán in Ungarn zu realisieren versucht, ist längst Konsens quer durch Europa. Dass er aber im Gegensatz zur gängigen Praxis in Österreich und in Deutschland nicht zögern wird, abgelehnte Asylsuchende abzuschieben, wird bei uns politisch und medial schon wieder mit Empörung registriert. Ebenso wie die Einführung des Straftatbestandes des illegalen Grenzübertritts.
Da darf man dann allerdings schon fragen, ob es nicht sinnvoll ist, unkontrollierte Flüchtlingsströme mit ordnungspolitischen Maßnahmen des Staates – von der Straßenverkehrsordnung bis hin zum Strafrecht – unter Kontrolle zu bringen. Fußmärsche auf Autobahnen, die Besetzung von Eisenbahnzügen ohne Ticket sind ebenso gesetzeswidrig wie das unerlaubte Überschreiten von EU-Außengrenzen oder Schengengrenzen. Wenn das der biedere EU-Bürger tut, käme er naturgemäß mit Polizei, Grenzschutz-, Zoll- oder Verwaltungsbehörden in Konflikt und müsste mit Strafe rechnen. Warum Asylsuchende nicht? Inwiefern widerspricht Orbán den Werten des europäischen Rechtsstaates, wenn er solches nicht duldet?
Ganz abgesehen davon ist Orbáns politischer Ansatz, dem Wohl und Wehe des ungarischen Volks verpflichtet zu sein, und nicht generell den Beladenen und Armseligen des ganzen Planeten eine Ansicht, auf die sich auch Spitzenrepräsentanten anderer EU-Staaten, etwa Österreichs oder Deutschlands, rückbesinnen sollten. Auch Frau Merkel ist auf das „Wohl“ des deutschen Volkes vereidigt und nicht auf jenes der weltweiten Migrationsströme. Viktor Orbáns Argumentation, dass er dem ungarischen Volk, seiner Kultur, seiner christlichen Religion verpflichtet ist und daher gegen Massenzuwanderung und Islamisierung kämpft, ist demgemäß nur logisch. Und der von Orbán-Kritikern immer wieder ins Treffen geführte nationalistische Impetus ungarischen Regierungschefs, er agiere antieuropäisch und eben in der Flüchtlingsfrage auch xenophob, ist angesichts der ungarischen Geschichte auch nicht ganz unverständlich: Zuerst waren es die Türken, dann die Habsburger und schließlich die Sowjetkommunisten, welche das Volk der Magyaren fremdbestimmten. Da ist man da und dort ein wenig übersensibel gegenüber vermeintlichem oder tatsächlichem Diktat aus Brüssel.
Wie auch immer: Unbestreitbare Tatsache ist es, dass Viktor Orbán seine dominierende politische Stellung dazu genutzt hat, Einfluss auf die Medien seines Landes zu nehmen. Die Regierungsparteien tun das in Österreich – man denke an den ORF – ja überhaupt nicht! Tatsache ist auch, dass Viktor Orbán auf die Besetzung der ungarischen Höchstgerichte Einfluss genommen hat. Österreichs Verfassungs- und Verwaltungsrichter haben ja von den politischen Parteien noch nie etwas gehört! Und Tatsache ist, dass er Verfassungsreformen und Wahlrechtsänderungen zum Nutzen seiner Partei Fidesz vorgenommen hat. Dafür wurde er aber auch vom ungarischen Volk absolut demokratisch mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattet. Und in seiner Flüchtlingspolitik, für die er quer durch Europa von den zeitgeistigen Medien geprügelt wurde, ist er nun durch das Vorgehen Deutschlands glänzend bestätigt. De Maizière forderte nämlich genau das, was Orbán längst entschieden für Ungarn umgesetzt hat. Tatsache …
Hat dies auf MURAT O. rebloggt.