Balkanroute zwo: Spielfeld und Tarvis im Visier

Der ungarische Grenzzaun zu Serbien ist nunmehr also fertig, die ursprüngliche Balkanroute für die Flüchtlinge blockiert. Nach wie vor aber kommen tägliche Tausende per Schiff von der Türkei nach Griechenland, wo sie von den Inseln Lesbos, Rhodos und anderen auf das Festland gelangen, mit dem Traumziel Deutschland, Österreich und Schweden. Die neue restriktive Politik der Deutschen und die halbherzigen Grenzkontrollen der Österreicher dürften dabei nur wenig abschreckende Wirkung zeitigen. Allzugut ist man bis in die Flüchtlingslager im Libanon und im grenznahen Raum vor Syrien via Smartphon und Internet unter dem Motto „welcome refugees“ über die neue deutsche Willkommenskultur informiert.

Viktor Orbáns Politik der harten Hand, wonach illegaler Grenzübertritt mit Gefängnisstrafen oder sofortiger Abschiebung geahndet wird, wird auf jeden Fall Wirkung zeigen und die Flüchtlingsströme werden sich Alternativrouten auf dem Balkan suchen: Zwangsläufig über Kroatien oder Bosnien, die bekanntlich nicht dem Schengenraum angehören, um dann über Slowenien in denselben nach Mitteleuropa zu gelangen. Die alte Gastarbeiterroute von Belgrad über Zagreb herauf an die steirische Grenze nach Spielfeld bzw. auch über Laibach oder Triest in Richtung Tarvis zur Kärntner Grenze wird somit unweigerlich in den Mittelpunkt des Migrations-Geschehens rücken.

Ob die österreichischen Behörden und das im Assistenzeinsatz befindliche Bundesheer in der Lage sein werden, die dort zu erwartenden Flüchtlingsströme entsprechend zu kontrollieren, ist eine Frage. Die andere Frage ist, ob und wohin dieselben weiterreisen, wenn die Deutschen zunehmend zur Ansicht kommen, dass ihr Fassungsvermögen erschöpft ist. Dann könnten jene Erstaufnahmelager, die gegenwärtig im Villacher Raum und im südsteirischen Raum entstehen, zur Dauereinrichtungen werden, deren Zustände den Traiskirchens in nichts nachstehen. Und die Debatten der vergangenen Monate um ein Dutzend Asylanten in jenem Dorf ein Dutzend Asylanten oder in einem Städtchen ein-, zweihundert untergebracht werden, werden vergleichsweise mit den Problemen, die auf uns zukommen, idyllisch sein.

Österreich wird also wohl auch an der Südgrenze dicht machen müssen, in eben jenem Maße, wie Deutschland dies tut. Und sehr rasch wird die EU eine gemeinsame Strategie entwickeln müssen, die bereits im grenznahen Raum zu Syrien ansetzt. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang gestellt wurde, ist nämlich die, warum man nicht die Türkei dazu bewegt, die Flüchtlinge daran zu hindern, sich in Richtung EU und Griechenland aufzumachen. Die Türkei als EU-Beitrittskandidat, der immerhin jedes Jahr hunderte Millionen als Heranführungshilfe erhält, könnte sehr wohl von Brüssel dazu verpflichtet werden, den illegalen Grenzübertritt von Migranten zu verhindern. Überdies müsste man die Türkei, genauso wie Jordanien und den Libanon, bei der Erhaltung von Flüchtlingscamps oder Sicherheitszonen hin zur syrischen Grenze massiv in finanzieller Hinsicht zu unterstützen. Das wäre zweifellos eine sinnvollere Ausgabe, als die immensen Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge in Europa selbst.

Und wenn es die Menschen doch von der Türkei bis nach Griechenland bzw. auf die ägäischen Inseln schaffen, müsste zuallererst gemäß den Dublin-Vereinbarungen Griechenland dazu bewegt werden, die Registrierung der Flüchtlinge vorzunehmen. Gegenwärtig scheint es ja so etwas wie eine klammheimliche Rache der Griechen für ihre finanzielle Disziplinierung zu sein, die Flüchtlingsmassen einfach in Richtung Norden durchzuwinken. Da könnte man die nächsten Sanierungs-Milliarden für Athen durchaus mit dem Wunsch verbinden, sich in der Migrantenproblematik EU-rechtskonform zu verhalten.

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