Gefangene der eigenen Lügen

Sind es zehn, zwanzig, dreißig oder gar vierzig Milliarden Euro, die bis 2018 im Budget fehlen? Ein sogenannter Kassasturz soll nun darüber Auskunft geben, wie es um die Finanzen der Republik bestellt ist – oder auch nicht. Schließlich dürfte es die Debatte über das Budgetloch eigentlich gar nicht geben. Hatten doch SPÖ und ÖVP im Wahlkampf Stein und Bein geschworen, daß die Staatsfinanzen in Ordnung seien und der Wählerschaft im Kampf um die Stimmen sogar Steuersenkungen für die kürzlich begonnene Legislaturperiode in Aussicht gestellt. Wie nun allerdings feststeht, werden auf die Österreicher keine Ent-, sondern Belastungen zukommen.

Damit sind wir bei einem weiteren Problem angelangt, nämlich bei der Unfähigkeit des politischen Establishments. Anscheinend hat die für die Staatsfinanzen zuständige Dame in der Wiener Himmelpfortgasse den Überblick über die Zahlen vollständig verloren, während die rote Reichshälfte den Ernst der Lage nicht erkennen will. Fehlen ein paar Milliarden Euro, so ist das kein Problem, schließlich kann ja an der Steuerschraube gedreht oder neue Abgaben erfunden werden. Und überhaupt: Daß das Budgetloch unerbittlich und unvorhersehbar wie eine Naturkatastrophe über die Republik hereingebrochen ist, glauben nicht einmal die naivsten Geister, weshalb der Verdacht naheliegt, daß die Regierungsparteien aus wahltaktischen Gründen den Österreichern die Höhe des tatsächlichen Schuldenbergs verschwiegen haben.

Unangenehme Wahrheiten verschweigen, um die Wahlchancen zu erhöhen, ist ein Strukturproblem der Demokratie. Statt wird, wie auch der letzte Wahlkampf gezeigt hat, auch von den Regierungsparteien das Blaue vom Himmel versprochen, um Wähler zu ködern. Wenn das aber – wie das Haushaltsdesaster eindruckvoll zeigt – offenbar wider besseres Wissen geschieht, dann sind die sogenannten staatstragenden Altparteien gar nicht mehr so weit von den sonst so gescholtenen Populisten, zumal von rechter Seite, entfernt. Man wird jedenfalls mit Aufmerksamkeit zu beobachten haben, was Rot und Schwarz unternehmen werden, um sich aus den selbstgestrickten Lügengespinsten zu befreien. Fest steht nur eines: Die Verschleierungstaktik wird weitergehen, um dann den Bürgern als Weihnachts- oder Neujahrsgeschenk ein gesalzenes Sparpaket unterzujubeln.

Das Schlamassel, in dem die Regierung steckt, sollte die Opposition aber nicht nur Schadenfreude hinreißen, sondern auch eine eindringliche Warnung sein. Schließlich kommen von – gerade auch in Vorwahlzeiten – Versprechen, die mit der Wirklichkeit schlichtweg nicht im Einklang stehen. Gewiß, das Stellen von mitunter unrealistischen Forderungen gehört zum politischen Tagesgeschäft der Opposition, aber dennoch sollte der Bogen nicht überspannt werden. Denn eine Regierungsbeteiligung kann schneller kommen als man denkt.

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