Bismarck soll es gesagt haben: Nationen haben keine Freunde, sie haben nur Interessen. Wenn man die gegenwärtigen Spannungen zwischen den USA und den Europäern unter diesem Aspekt betrachtet, wundert man sich jedenfalls nicht. Angeblich sind die Amerikaner ja die engsten Verbündeten der Europäer im Zuge der atlantischen Wertegemeinschaft. Und dennoch haben sie uns schamlos ausspioniert. Haben die EU-Gebäude in Brüssel verwanzt, das deutsche Kanzleramt abgehört und vieles mehr.
Tut man das unter Verbündeten? Ist das womöglich ein normaler Vorgang, das man eben auch über Staaten mit denen man keine Konflikte hat Daten und Fakten sammelt? Oder könnte man solche nicht vielmehr auf völlig legalem und offiziellem Wege mittels Nachfrage bekommen, da man doch miteinander verbündet ist?
Tatsache ist jedenfalls, dass die US-amerikanischen Geheimdienste sich eben auch als Vertreter der einzigen Weltmacht sehen. Sie tuen weltweit alles was sie wollen, greifen ungeniert auf alle Quelle zurück, spionieren alle aus, sammeln Daten, Fakten und Geheimnisse über Freund und Feind. Ähnlich wie das US-Militär als Streitmacht der einzigen Weltmacht an jeden Ort zu jeder Zeit auf diesem Planeten US-amerikanische Interessen durchzusetzen vermag, ähnlich agieren die Geheimdienste im nachrichtendienstlichen Bereich.
Ein eigenes und durchaus auch bedrückendes Kapitel ist es, dass die Briten hier offenbar gemeinsam mit den Amerikanern und gegen die Europäer agiert haben. Gegen jene Europäer, zu denen die Briten doch selbst im Rahmen der Europäischen Union gehören. Oder eben etwa doch nicht? Fühlen sie sich vielmehr im anglo-amerikanischen Boot wesentlich wohler als im europäischen? Die Politik David Camerons macht es uns wieder einmal deutlich. Und die Daten-Spionage-Affäre erst recht.
Eines ist jedenfalls klar, das vielgepriesene transatlantische Verhältnis, die Waffenbrüderschaft vieler europäischer Länder mit den Amerikanern im Zuge der Nato, alles das ist nicht viel Wert, wenn die einzige Weltmacht ganz andere Interessen hat. Und klar sollte auch sein, dass die Europäer eine eigene globale Außen- und Sicherheitspolitik erst dann betreiben werden können, wenn sie sich von den US-Amerikanern emanzipieren. Das gilt für die NATO ebenso wie für den geheimdienstlichen Bereich und das gilt erst recht für die Wirtschaft. Das gegenwärtig so hoch gepriesene Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa ist nämlich im Grunde auch nur die wirtschaftspolitische Durchsetzungsebene der US-amerikanischen imperialistischen Interessen. Und es dient viel eher den US-dominierten multinationalen Konzernen als den europäischen (gibt es solche überhaupt noch)?
Der Friedensengel und Friedensnobelpreisträger Obama jedenfalls entpuppt sich zunehmend als ganz normaler US-amerikanischer Machtpolitiker, unter dem es das Foltercamp in Guantanamo nach wie vor gibt, unter dem die europäischen Bündnispartner ausspioniert werden und unter dem durchaus auch militärische Schläge an den verschiedenen Krisenorten des Planten denkbar sind. War wohl ein wenig vorschnell, dieser Friedensnobelpreis, oder?