Auch zweieinhalb Jahre nach Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings füllt der Nahe Osten die internationalen Schlagzeilen. Aber nicht, weil in der Region Freiheit und Demokratie Einzug gehalten haben, sondern weil die zahlreichen Krisen in diesem Pulverfaß zu- statt abgenommen haben. In Syrien geht der Bürgerkrieg mit unverminderter Brutalität auf beiden Seiten weiter und droht sich zu einem regionalen Krieg auszuweiten, das umstrittene iranische Atomprogramm hat das Potential, zu einem abermaligen Krieg am Persischen Golf zu führen, und der israelisch-palästinensische Konflikt harrt weiterhin einer Lösung.
Immer deutlicher tritt zutage, daß die Konflikte im Nahen Osten nicht nur vielschichtig, sondern auch unlösbar sind. Im Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern macht einerseits der Bau jüdischer Siedlungen im Westjordanland und andererseits die Weigerung islamistischer Kräfte, wie der Hamas im Gazastreifen, das Existenzrecht des Staates Israels anzuerkennen, eine Einigung nahezu unmöglich. Und das iranische Atomprogramm, mit denen die Mullahs in Teheran an altpersische Großmachttraditionen anschließen wollen, erregt in der Nachbarschaft – und nicht nur dort – Argwohn. Zu groß ist die Skepsis, daß die Atomforschung nicht nur friedlichen Zielen dient. Und im Übrigen würde eine iranische Atombombe, nachdem auch Israel und Pakistan über Kernwaffen verfügen, einen gefährlichen Rüstungswettlauf in der Region in Gang setzen.
Ihr eigenes Spiel im Nahen Osten treiben wiederum die Amerikaner. Sie verfolgen gezielt ihre Wirtschaftsinteressen, insbesondere wenn es um die Kontrolle von Erdölquellen geht. Und ihre imperialistische Fratze verstecken die USA hinter der Maske von Freiheit und Demokratie. So geschehen etwa vor zehn Jahren, als Washington unter Bruch des Völkerrechts in den Irak einmarschierte, um das geschundene Volk von Diktator Saddam Hussein zu befreien. Was diese „Befreiung“ brachte, wissen wir heute: Die Sicherheitslage im Irak ist nach wie vor prekär, aber dafür konnte der militärisch-industrielle Komplex der USA beim Wiederaufbau lukrative Aufträge an Land ziehen. Und merkwürdigerweise finden die freiheits- und demokratiebewegten USA nichts daran, Saudi-Arabien, das seine islamisch-fundamentalistische Staatsreligion in die ganze Welt exportieren will, zu unterstützen.
Bleibt noch Europa: Seit jeher spielt die EU den Zahlmeister, ohne daß damit eine politische Einflußnahme einherginge. Dabei wäre gerade der Nahe Osten – nicht zuletzt aufgrund der relativen geographischen Nähe – jene Region, in der sich die Europäer von den USA außenpolitisch emanzipieren und ihre eigenen Interessen verfolgen müßten. Aber stattdessen führt Brüssel lieber Beitrittsverhandlungen mit Ankara, obwohl die Türkei aufgrund der Großmachtträume von Premier Erdogan Partei des syrischen Bürgerkriegs geworden ist.