Wir waren Papst

Joseph Ratzinger, der am Inn im bayrisch-österreichischen Grenzgebiet aufgewachsene Bajuware, ist zweifellos der bedeutendste katholische Theologe unserer Tage. Daß ein konservativer Deutscher Papst wurde, hat uns naturgemäß gefreut. Dessenungeachtet muß man eingestehen, daß er ein Übergangspapst war. Einer, in dessen achtjährigem Pontifikat die große, längst überfällige Kirchenreform nicht gelungen ist. Die Re-Missionierung des alten Europas, deren Notwendigkeit Ratzinger absolut klar war, konnte nicht einmal im Ansatz verwirklicht werden. Und das Zusammenführen der christlichen Religionsgemeinschaften auch nicht. Ebensowenig wurden die großen theologischen Fragen der Zeit bewältigt. Benedikts Verdienst war es, all diese Probleme erkannt und – eben auch nur ein Mensch – letztlich darüber auch verzweifelt zu haben.
Sein Vorgänger Karol Wojtyla hat einmal zur Frage des Abdankens eines Papstes gemeint: „Vom Kreuz kann man nicht herabsteigen“. Joseph Ratzinger hat dies nun getan. Vielleicht nicht nur aus physischer Schwäche, sondern aus Verzweiflung angesichts der Probleme dieser Welt. Um einen kleinen Ausflug in das Apokalyptische zu machen: Vielleicht wollte Ratzinger auch nicht jener Pontifex Maximus sein, der an der Schwelle zum Weltengericht amtierte.
Und vielleicht hat es Joseph Ratzinger, der so kluge und nahezu allwissende Theologe auch nicht gewagt, Fragen zu beantworten, die in unserer Zeit mit den herkömmlichen Mustern nicht mehr zu beantworten sind. Warum beispielsweise Frauen nicht Priester werden dürfen im katholischen Bereich. Und warum Priester nicht heiraten dürfen. Vielleicht hat er es aber auch nicht gewagt, diese Fragen in aller Offenheit gemäß der katholischen Tradition zu beantworten. Kritiker könnten ihm vorwerfen, daß da bei seinem Rücktritt auch ein wenig Feigheit mitschwingt.
Was nach Benedikt XVI. kommt, ob ein Papst aus der Dritten Welt, aus Schwarzafrika oder Lateinamerika oder doch wieder ein Italiener, vielleicht sogar Ratzingers schwächlicher österreichischer Schüler, der Kardinal von Wien, wir wissen es nicht.
Als Katholik könnte man angesichts der Schwäche und Orientierungslosigkeit dieser Kirche ebenfalls wie Ratzinger schier verzweifeln. Wer etwa die zögerliche und ängstliche Haltung des gegenwärtigen Kardinals von Wien in vielen gesellschaftspolitischen Fragen unserer Tage in den vergangenen Jahren miterleben mußte, kann sich nur schwer vorstellen, daß dieser als Papst vom Heiligen Geist in solchem Maße beflügelt werden könnte, daß er sich an die Probleme unserer Zeit und der Kirche auch nur heranwagen würde. Da war der kleine, fragile Greis aus Niederbayern, der nunmehr wohl im Kloster bis zu seinem Tode schweigend ausharren wird, früher doch aus anderem Holze geschnitzt. Und doch hat er resigniert. Sic transit gloria mundi.

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