Gelegenheit macht Diebe – Warum sammelten sich im Windschatten Jörg Haiders so viele Gauner?

An Häme mangelt es jetzt nicht:
Die Partei der „Tüchtigen und Anständigen“ sei während ihrer jüngsten Regierungsbeteiligung zwischen 2000 und 2006 offenbar ein Hort struktureller Korruption gewesen. Ja, man könne durchaus von „organisierter Kriminalität“ sprechen. Im Zuge der Eurofighter-Beschaffung, der BUWOG-Privatisierung,
der Neustrukturierung der ÖBB und der Telekom seien Millionen geflossen.

Gewiß, die Geschichte der Zweiten Republik ist insgesamt auch eine Geschichte der Korruptionsfälle. Und Korruption gibt es dort, wo es etwas zu verteilen gibt, also im Windschatten der jeweils Regierenden. Kein Wunder also, daß die meisten großen Skandale und Korruptionsfälle seit den 50er-Jahren dem schwarzen bzw. roten Bereich zuzuordnen sind. Der AKH-Skandal, die Lucona-Affäre, die Draken-Beschaffung, die Noricum-Affäre, die BAWAG-Malversation. Alles Skandale, die eher dem
roten Bereich zuzuordnen sind, Skandale, die in den ÖVP-regierten Bundesländern eben dann äquivalente Affären unter schwarzem Zeichen finden. Und auch bei den aktuell genannten Aufdeckungen, im Hinblick auf die Regierungszeit der Jahre 2000 bis 2006, rückt medial
in den Hintergrund, daß die primären Vorteilsnehmer aus der ÖVP kommen. Während die beiden blauen bzw. orangen Infrastrukturminister Reichhold und Gorbach mit vergleichsweise kleinen
Summen eine Art „Schweigegeld“ erhielten, hat Graf Ali Mensdorff-Pouilly offenbar für den ÖVP-Bereich die Millionen verteilt (für alle Genannten gilt natürlich die Unschuldsvermutung – hahaha!)

Ganz abgesehen davon aber gilt es, sich doch die Frage zu stellen, warum sich im Umfeld Jörg Haiders bis hin zur Regierungsbeteiligung der Jahre 2000 bis 2006 so viele halbseidene
Persönlichkeiten sammelten, denen die eigene Karriere offenbar nicht zuletzt auch Bereicherung bedeutete. Diese Frage stellt sich umso drängender, als die Haider-FPÖ ja angetreten war, den
Kampf gegen Vetternwirtschaft, gegen Machtmißbrauch des Proporzsystems und gegen Korruption zu führen. Haiders Aussage, er vertrete die Partei „der Fleißigen und Tüchtigen“, wird ja heute mit Häme immer wieder zitiert. Zu Beginn der Ära Haider konnte man diesen Anspruch auch zu Recht
stellen. Die mediale Bloßstellung des Arbeiterkämmerers Rechberger durch Haiders Taferln ist diesbezüglich wohl noch in allgemeiner Erinnerung. Hier wurden schwerverdienende Bonzen, Vertreter des restständestaatlichen Systems, welches in sich selbst korrupt war, an den Pranger gestellt. Und Haider konnte mit Fug und Recht behaupten, daß seine Partei – und insbesondere deren von ihm selbst legitimierten Spitzenrepräsentanten – nicht korrupt waren, – alleine schon deshalb, weil sie dazu keine Möglichkeit hatten. Der Autor dieser Zeilen hatte in den 80er und 90er Jahren publizistisch
immer wieder darauf hingewiesen, daß es nicht angehe, zu behaupten, kritische Oppositionelle seien an sich bessere Menschen und unbestechlich, es gehe vielmehr darum, effektive Kontrolle der
Mächtigen und immer wiederkehrenden Machtwechsel – das eigentliche Kennzeichen der Demokratie – herbeizuführen, um die Korrumpierbarkeit der jeweiligen Inhaber der Macht möglichst in Grenzen zu halten. Gelegenheit mache eben Diebe. Und das sei selbstverständlich in Zukunft auch, in Hinblick
auf die Freiheitlichen Jörg Haiders, nicht auszuschließen.

Wie schnell dann diese, bzw. große Teile von deren Spitzenmannschaft, die unmittelbar durch Haider installiert waren, korrumpierbar werden sollten, ahnte der Autor dieser Zeilen allerdings auch nicht. Insbesondere jene Vertreter der Haider-FPÖ, die als ideologische Null-Gruppler nur wegen
ihres Naheverhältnisses zum Parteichef und ihre Karriere im Auge habend zur Politik stießen, erwiesen sich als besonders korruptionsanfällig. Die freiheitlichen Tiefwurzler, ideologisch motivierte
Nationale oder auch Liberale waren es offenbar nicht – vielleicht auch deshalb, weil sie Haider bewußt von der Macht ferngehalten hatte. So gesehen müßten jene dem verblichenen Bärentaler im
Nachhinein noch dankbar sein, nach dem guten alten katholischen Prinzip: Herr, führe uns nicht in Versuchung!
Die Grassers, die Meischbergers hingegen, und eine Reihe eher unbekannter Leute im zweiten Glied, verfielen sehr rasch dem Zauber des schnellen Geldes. Dem Muster der strukturellen Bereicherung
folgend, welches der rot-schwarze Proporz über Jahrzehnte vorgegeben hatte, glaubte man, den Bereich der öffentlichen Finanzierung, insbesondere aber auch den Bereich der Privatisierung,
mit entsprechenden Provisionsgeschäften verbinden zu können. Im Gegensatz aber zu Rot und Schwarz, wo man diesbezüglich – auf jeden Fall professioneller als dies bei den Haider-Leuten
geschah – die Parteikassen bediente, wurden hier die Gelder zumeist privatisiert, flossen also in die eigenen Taschen. Dies wohl einerseits aus Gier, andererseits aufgrund des Faktums, daß man
annehmen mußte, nur wenige Jahre Zeit zu haben, derlei Geschäfte zu machen. Wenn hohe Funktionäre im Rahmen des rot-schwarzen Proporzes Millionen lukrierten, dann mehr oder weniger direkt für die Parteikassen, wohl wissend, daß sie selbst, im Falle des Ausscheidens aus der Politik, ohnedies mit wohldotierten Funktionen im politiknahen Bereich ausgestattet würden. Davon konnten die Haider-Leute nicht ausgehen, was natürlich keineswegs eine Entschuldigung für ihr Verhalten sein kann, allenfalls eine Erklärung.

Der Fisch beginnt aber bekanntlich am Kopf zu stinken. Das, was man derzeit über Wolfgang Schüssel sagt, daß er entweder von den Machinationen wissen mußte, oder daß man ihn
schlicht und einfach dumm sterben ließ, muß auch von Jörg Haider gesagt werden. Und die nicht verstummenwollenden Gerüchte um Fonds und Konten, gespeist möglicherweise aus den Kassen
nahöstlicher Diktatoren, oder um einen allzu lockeren Umgang mit Hypo-Geld, beispielsweise im Bereich des Fußball-Sponsorings, deuten eher auf erstere Möglichkeit hin. Ob Haider über
die Details der BUWOG-Privatisierung, der Eurofighter-Beschaffung oder der Telekom-Machinationen Bescheid wußte, ist ungewiß. Alles in allem aber muß man ihn als den Paten jenes Bereicherungs-
Systems bezeichnen, daß seine Adepten aufbauten. Keineswegs erstaunlich ist es nun, daß die etablierten Medien und die etablierten politischen Parteien nun versuchen, all jene Vorgänge zu einem blauschwarzen Skandal aufzubauen, der in erster Linie auch vor einer Wiederholung des blau-schwarzen Regierungsprojekts warnen muß. Abgesehen von der parteipolitischen Polemik, die in dieser Absicht klar zu Tage tritt, müssen sich die Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache allerdings wirklich die Frage stellen, wie man im Falle einer künftigen neuerlichen Regierungsbeteiligung Entwicklungen, wie sie diesbezüglich unter Jörg Haider stattgefunden haben,
verhindert. Die primäre Lehre, die man aus den gegenwärtig aufbrechenden Skandalen als freiheitlicher zu ziehen hat, ist wohl die, daß man sich vor Karrieristen, ideologielosen Abenteurern und politischen Flachwurzlern hüten sollte. Wer ohne politische Zielsetzung und ohne weltanschauliches Fundament primär im Dienste der eigenen Eitelkeit die Bejubelung schneller Wahlerfolge im Auge hat und im Dienst eines allzu vordergründigen Personenkults in hohe Parteifunktionen drängt, müßte im
Lichte der Entwicklung der Haider-FPÖ mit Vorsicht genossen werden. Gerade wenn man es zurückweist, daß Korruptionsfälle wie der Telekomskandal, wie die BUWOG-Privatisierung, wie die
Eurofighterbeschaffung „blaue Skandale“ seien, muß man um jeden Preis verhindern, in der Zukunft ähnliche Fehler zu machen, wie sie unter Haider insbesondere im personalpolitischen Bereich
begangen wurden. Zwar stimmt der Spruch „Gelegenheit macht Diebe“, mit Gesinnung und
Charakter vermag man aber dieser Versuchung zu widerstehen, und nur Menschen, die darüber verfügen, sollten künftig in verantwortliche Positionen kommen.

One Response to Gelegenheit macht Diebe – Warum sammelten sich im Windschatten Jörg Haiders so viele Gauner?

  1. Der Bub sagt:

    Tja, da sieht man es mal wieder ganz deutlich: kaum an der Macht schon beginnen die Mauscheleien und jeder versucht für sich das Beste heraus zu holen. Ich fürchte nur, davor is niemand gefeit – und wenns ganz blöd rennt, finden sich möglicherweise auch in der Strache-FP solch schwarzen Schafe, wenn es zum Regieren kommt. Das stimmt traurig…Was ist mit dem Gedanken: „Ich frage nicht was Ihr für mich tun könnt, sondern ich für Euch“ – würde ich mir von den Volksvertretern aller Coleurs wünschen…

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