Sieben Fragen an Abdullah Gül

Als Staatsoberhaupt eines großen und bedeutenden Landes beehren Sie uns Österreicher gegenwärtig mit einem Staatsbesuch: Herr Präsident Gül, Österreich und die Türkei, das ist eine komplizierte Geschichte, die Höhen und Tiefen kennt. Zweimal haben die Türken Wien belagert, dann hat sie Prinz Eugen in den Türkenkriegen entscheidend zurückgedrängt. Im Ersten Weltkrieg waren wir Verbündete. Und nunmehr wandern seit Jahrzehnten hunderttausende Türken nach Österreich ein, um hier zu arbeiten oder auch auf Dauer zu leben.

• Wie halten Sie es, Herr Präsident, mit der Integration dieser ihrer Landsleute in Österreich? Glauben Sie wie Ihr Ministerpräsident Erdogan, dass Sie in erster Linie Ihre türkische Identität bewahren müssen, oder meinen Sie vielleicht doch, dass es für Zuwanderer gilt, die Leitkultur des neuen Heimatlandes anzunehmen? Und was gedenken Sie mit Ihrem Botschafter zu tun, der öffentlich behauptete, die Österreicher würden türkische Zuwanderer nur diskriminieren?

• Und wie Herr Präsident halten Sie es mit dem Islam? Sie wurden ja von einer islamistischen Partei in das höchste Staatsamt gewählt, betreiben mit Ihren politischen Freunden die Islamisierung der von Kemal Atatürk als laizistischen Staat gegründeten Türkei. Treten Sie dafür ein, dass der Islam auch in Europa stärker wird? Und wie halten Sie es umgekehrt mit der Religionsfreiheit für Christen in Ihrem Land? Wenn es viele neue Moscheen samt Minarett in Europa geben soll, warum dann nicht in der Türkei neue christliche Kirchen, samt Kirchturm und Glockengeläute?

• Überhaupt, Herr Präsident, wie steht’s mit den Menschenrechten in Ihrem Land? Mit den Rechten der Frauen? Was sagen Sie zu Zwangsverheiratungen und Ehrenmorden? Warum wird man bei jeder Kritik an der türkischen Politik wegen „Beleidigung des Türkentums“ strafrechtlich verfolgt?

• In diesem Zusammenhang, Herr Präsident, muss man Ihnen schon die Frage stellen, wie halten Sie’s mit den Rechten des kurdischen Volkes? Dieses großen und historischen Volkes, dessen politische Rechte, dessen Möglichkeit die eigene Muttersprache zu pflegen, in der Türkei nach wie vor massiv beschnitten werden?

• Und wenn wir schon in der Geschichte sind, Herr Präsident, wie halten Sie’s mit dem Genozid an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs? Sind Sie auch der Meinung, dass bereits jede Erwähnung dieses Völkermords eine „Beleidigung des Türkentums“ darstellt? Und dass man Denkmäler, die an diese Unmenschlichkeiten erinnern, möglichst schleifen müsse?

• Schließlich, Herr Präsident, wie halten Sie’s denn mit Nordzypern? Finden Sie es vertretbar, dass dort hunderte griechisch-orthodoxe Kirchen devastiert und die Ikonen und byzantinischen Mosaike auf dem Kunst-Schwarzmarkt verhökert wurden? Glauben Sie nicht, dass Zypern als Mitgliedsstaat der Europäischen Union die Anerkennung und den Respekt durch die Türkei verdienen würde?

• Und schließlich, Herr Präsident, wie halten Sie’s insgesamt mit Europa? Glauben Sie wirklich, dass die Türkei, die zu 90 Prozent auf asiatischem Boden liegt, die ein islamisches Land ist und der europäische Werte eher fremd sind, Mitglied der Europäischen Union werden muss? Meinen Sie nicht, dass man besser in gegenseitiger Wertschätzung so etwas wie eine „privilegierte Partnerschaft“ schaffen sollte? Eine Partnerschaft, in der die Europäer die Türken als Verbündete schätzen, Ihre Kultur und Ihre Religion respektieren, gemeinsam für Frieden, Freiheit und Wohlstand arbeiten, in der aber auch die Türken in Ihrer Heimat bleiben und nicht versuchen, in die europäischen Sozialsystem – auch in das österreichische – einzuwandern und auch nicht insgeheim Ihre Religion ins christliche Abendland importieren wollen? Meinen Sie nicht, geschätzter Staatspräsident Abdullah Gül, dass dies vernünftiger wäre?

3 Responses to Sieben Fragen an Abdullah Gül

  1. Franz L. sagt:

    Es würde mich wirklich brennend interessieren, was Präsident Gül auf diese Fragen antworten würde…

  2. O. S. Wald sagt:

    Weder Präsident Gül noch ein anderer türkischer Spitzenpolitiker werden Unklarheiten bzw. Mißverständnisse ausräumen, zumal sie daran nicht das geringste Interesse haben. Der Türkei geht es nur darum, ohne Rücksicht auf Verluste ihre eigenen Forderungen durchzusetzen, und was die Europäer denken oder wollen, ist für sie irrelevant.

  3. Bloody Mary sagt:

    Die FPÖler können fragen was sie wollen. Solange sie bei der EU bleiben und nichts gegen diesen Korruptionsstadel sagen, solange müssen sie sich mit der Türkei abfinden. Es gibt aber auch die BZÖ, wo ein Herr Stadler unerschrocken Klartext redet! 😎

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