Siegt sich Strache „zu Tode“?

Ein Erdrutschsieg der Wiener Freiheitlichen unter H.-C. Strache sei es gewesen, das haben alle politischen Beobachter und Medienkommentatoren am vergangenen Wahlabend zugestanden. Gewiss, aber was könne Strache mit diesem Sieg schon anfangen? Keine andere Partei will mit ihm koalieren, vor allem nicht die schwer geschlagenen Sozialdemokraten des Michael Häupl. Und auf Bundesebene wird sich die große Koalition schon gar nicht bewegen. Der blaue Triumph in Wien wird also – so die von der politischen Klasse ausgegebene Devise zur Selbstberuhigung – an den politischen Zuständen im Lande und in der Bundeshauptstadt nichts, rein gar nichts ändern.

Zu den Strategien der routinierten Machterhalter gegen die quer durch Europa andrängenden nonkonformistischen rechtspopulistischen Parteien gehört es, diese aus dem jeweiligen politischen Diskurs auszugrenzen und sie von jeglicher Zusammenarbeit fernzuhalten. So nach dem Motto: „lasst sie sich doch zu Tode siegen“. Man kennt das aus der Geschichte der letzten zwei, drei Jahrzehnte. In Belgien gab und gibt es den „Cordon sanitaire“ gegenüber dem Vlaams Belang, in Österreich setzten die „Haider-Macher“ mit Franz Vranitzky an der Spitze auf Ausgrenzung. In Frankreich gelang es der „classe politique“, den streckenweise höchst erfolgreichen rechten Jean-Marie Le Pen schlicht und einfach auszusitzen. Und auch heute in Österreich scheint man zur Ansicht zu kommen, daß man die freiheitlichen Erfolge unter Heinz-Christian Strache bloß nach Möglichkeit ignorieren müsse, um abzuwarten, wann dessen Erfolgssträhne ende. Man habe das ja auch schon bei Jörg Haider geschafft.

Nun ist es richtig, dass nach der medialen Aufregung dieser Tage für Österreich drei lange Jahre ohne Wahlgang hereinbrechen, in der die Regierenden ohne Behelligung durch den Souverän, den Wähler nämlich, in aller Ruhe ihren Geschäften nachgehen und an ihrem Image feilen können. In der Hoffnung, dass bis zur nächsten Nationalratswahl das Siegerimage des freiheitlichen Herausforderers verblassen könne und der Wähler seinen Groll vergessen habe. Dass in diesem Zeitraum auch der freiheitliche Oppositionsführer in aller Ruhe an der personellen und sachpolitischen Reifung seiner Bewegung und damit an deren Regierungsfähigkeit arbeiten könnte, dass er gleichzeitig immer wieder darauf hinweisen wird, dass er, der Erdrutsch-Wahlsieger von Wien, durch die weitere Ausgrenzung den Wählerauftrag nicht vollziehen könne und folglich zusätzliche Strafexpeditionen gegen die etablierten Parteien notwendig seien, daran denkt man offenbar nicht. Auch scheinen die Spin -Doktoren von Rot und Schwarz vergessen zu haben, dass die Erfolgssträhne Jörg Haiders erst endete, als man ihn in die Regierungsarbeit einband. Was wäre also logischer und listiger gewesen, als Strache in Wien verantwortlich mitregieren zu lassen, in der Hoffnung, dass es ihm gleich wie Haider ginge? Scheinbar ist man sich aber über Straches Versagen im Falle realer politischer Machtausübung doch nicht ganz so sicher.

So scheinen also die politischen Erbpacht-Inhaber dieser Republik und ihrer Bundeshauptstadt gewillt zu sein, nach dem Motto weiter zu regieren: „Nichts darf sich ändern, damit alles noch schlechter wird als zuvor.“ Und sie hoffen, dass Strache bei den nächsten Nationalratswahlen ja sicher nicht über die 30 Prozent kommen werde und dass man da nach wie vor zwei Drittel der politischen Landschaft gegen ihn aufbieten könne. Dass damit immerhin nahezu ein Drittel der Bevölkerung – noch nicht in Österreich, aber bereits in Wien – von der politischen Mitwirkung abgeschnitten, eben ausgegrenzt wird, nimmt man nolens volens in Kauf. Damit werden die Gräben im Lande tiefer und die (pseudo)-moralischen Verdikte gegeneinander unerbittlicher. Seinerzeit, vor mehr als einem Jahrzehnt, war es der von Andreas Khol einigermaßen akademisch konstruierte „Verfassungsbogen“. Heute ist es in Michael Häupls Fiaker-Slang schon das „Nazi-Gsindl“, mit dem man nichts zu tun haben wolle.

Wie ist dieser demokratiepolitisch höchst bedenklichen Spirale, bestehend aus radikaler Polemisierung auf der einen Seite und rigider Ausgrenzung auf der anderen Seite zu entkommen? Wie kann man die österreichische Demokratie vor dieser auf lange Zeit nicht auszuhaltenden Belastung und die österreichische Gesellschaft vor der damit Hand in Hand gehenden Fraktionierung bewahren? Nur dadurch, dass die so erfolgreiche rechte Opposition darum ringt, sachpolitisch zu reifen und dass die Regierenden gleichzeitig die inhaltlichen Anliegen, die die Bevölkerung über die Erfolge dieser Opposition aufs Tapet bringt, ernst nimmt. Nicht ob Häupl Bürgermeister bleibt, oder Strache Bundeskanzler wird, ist entscheidend für Österreich, sondern ob die res publica, die öffentliche Sache also, auch eine gemeinsame Sache bleibt. Sprich: ob es noch möglich ist, gemeinsam für eben dieses Österreich zu arbeiten.

2 Responses to Siegt sich Strache „zu Tode“?

  1. Bertha sagt:

    Der „blaue“ Wahlsieg wird wohl nicht viel ändern, doch wäre es jetzt an der Zeit, dass Herr Häupl anerkennt, was 27% der wiener Wähler wollen….NICHT ihn.

  2. Bloody Mary sagt:

    Den Haider hat die Regierungsbeteiligung mit der ÖVP umgebracht. Und dann noch die Abspaltung zum Bienenzüchterverein! Gut, daß Hüpl Müchl den Strache nicht mitregieren läßt. Beim nächsten Mal – wird keine 5 Jahre dauern-kann die FPÖ 35% lukrieren. Dann sehen wir weiter. Eine Alleinregierung wäre ja das Beste. Dann kann Strache was weiterbringen.

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