Der erste Wahlsonntag des „Superwahljahrs 2010“ ist also geschlagen und in drei österreichischen Bundesländern konstituieren sich neue Gemeinderäte, gibt es neue „Ortskaiser“, wie sich die Bürgermeister hierzulande gerne titulieren lassen. Die mediale Berichterstattung über die Ergebnisse dieses Wahlsonntags gibt nun zu denken. Den meisten politischen Kommentatoren war es nämlich relativ gleichgültig, wer in Wolkersdorf oder in Imst, in Frastanz oder in Gumpoldskirchen Bürgermeister wurde. Nicht gleichgültig war ihnen aber der Bundestrend, der aus diesen Ergebnissen herauszulesen sein sollte. Und da war man sich in den etablierten Medien wieder einmal einig: Schwarz gewinnt, Rot verliert und Blau enttäuscht.
Dass die Faymann SPÖ weiter auf der Verliererstraße ist, ist nun unbestritten, und dass die Volkspartei, insbesondere bei den Ortskaisern, gut liegt und auch weiter zulegen kann, ebenso. Was aber die Freiheitlichen betrifft, so hat man das Ganze in einem Zusammenhang mit den kommenden Präsidentschaftswahlen gesetzt. Insbesondere Niederösterreich, wo sich die FPÖ, dort wo sie angetreten ist, verdoppelt hat, glaubte man schadenfroh diagnostizieren zu müssen, dass die Freiheitlichen bei weitem unter ihren Erwartungen geblieben seien. Und dass Barbara Rosenkranz damit gewissermaßen ein „Menetekel“ eingefahren habe, in Hinblick auf ihre Kandidatur für das höchste Staatsamt.
Auf das Idee, dass man es genau umgekehrt sehen könnte, ist kein namhafter politischer Kommentator gekommen: Dass die Freiheitlichen nämlich, insbesondere die niederösterreichische Landesparteichefin Barbara Rosenkranz, in den letzten Tagen und Wochen so scharf attackiert wurden, dass es eigentlich ein Wunder ist, dass sie sich dennoch verdoppeln konnten. Aber wie auch immer, die nackten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.
Natürlich wird es eine nonkonformistische, das politische Establishment bedrohende Oppositionspartei wie die FPÖ immer schwer haben mit der Interpretation ihrer Wahlergebnisse. Und bisweilen trägt sie das ihre dazu bei, es ihren Gegnern leicht zu machen: Wenn man die Erwartungen in den Wahlgang beispielsweise auf 35 Prozent beziffert, wo man doch bei den letzten bundesweiten Wahlen zum Nationalrats 18 Prozent, bei denen zum Europaparlament 13 Prozent machen konnte und in den Umfragen bei gerade 22 Prozent stand, ist dies – gelinde gesagt – kühn. Die Wahrscheinlichkeit, dieses Ziel nicht zu erreichen, ist naturgemäß hoch, die Möglichkeit für die politischen Gegner, auch ein respektables Ergebnis als Niederlage herunterzumachen, ist problemlos gegeben. Tatsächlich haben Kandidaten aus dem Dritten Lager bei Wahlen für das höchste österreichische Staatsamt bislang maximal um die 16 oder 17 Prozent erreicht. Burghard Breitner und Heide Schmidt konnten sich damit Respekterfolge erzielen. Barbara Rosenkranz dürfte jedenfalls auch bei anhaltendem Trommelfeuer das beste freiheitliche Ergebnis bislang einfahren – zumindest, wenn sich die gesamte neue Parteiorganisation, angefangen vom Parteiobmann, bis zum kleinsten Kommunalfunktionär geschlossen hinter sie stellt und energisch einsetzt. So gesehen wäre ein Ergebnis um die 20 Prozent durchaus respektabel und ein weiterer Meilenstein im Zuge des freiheitlichen Wiederaufstiegs.
Aber auch bei anderen kommenden Wahlen könnten prognostizierte Ergebnisse noch zum Problem werden: Es ist legitim, wenn Heinz Christian Strache das Ziel hat, Wiener Bürgermeister zu werden. Er sagt vernünftigerweise selbst, dass es noch nicht nach dieser Wahl sein müsse. Er ist mit seinen 40 Jahren ja jung und hat noch Zeit, seine politische Karriere voran zu treiben, was man von seinem Pendant, Michael Häupl, nicht behaupten kann.
Ein hoch gesetztes politisches Ziel kann so etwas wie eine „self fulfilling prophecy“ sein, also ein Motivations-Motor. Aber auch bei einem Sensationsergebnis für die Strache-FPÖ bei der Wiener Landtagswahl von an die 30 Prozent werden die politischen Kommentatoren höhnen, dass Strache weit von seinem eigentlichen Ziel, nämlich Bürgermeister zu werden, entfernt sei. Und es könnte ihm so ergehen, wie seinerzeit seinem Vorgänger Jörg Haider, den man letztlich als gescheiterte Polit-Hoffnung hinzustellen vermochte, weil er sein lauthals getrommeltes Ziel, Bundeskanzler zu werden, nicht erreichte.
HC Strache tat jedenfalls gut daran, nicht für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Seine Gegner hätten ihn hämisch entgegen geschleudert: Das ist einer, der alles werden will, Wiener Bürgermeister und Bundeskanzler, Bundespräsident und womöglich noch Papst in Rom. Und sie hätten ihm natürlich in der Folge auch nachgesagt, dass er bei all diesen Begehren – vorläufig – gescheitert sei. Wahlziele sind also eine gefährliche Sache, man kann sie hoch stecken und damit die eigene Anhängerschaft motivieren, man läuft dabei aber auch Gefahr, sie letztlich zu enttäuschen. So genanntes Siegerimage ist in der heutigen Politik wichtig und nutzbringend. Die Gefahr, dass es aber bald in ein Verliererimage umschlägt, ist groß.