Oh Susanne!

Über die Erinnerungslücken einer politischen Queraussteigerin

Das sei nicht mehr Deine Partei, erklärst Du im Doppelinterview mit Wolfgang Schüssel zehn Jahre nach dem Antritt der blau-schwarzen Wende-Regierung. Und meinst damit die FPÖ, die Du, wie Du vollmundig sagst, damals „geführt“ hättest und die heute Heinz-Christian Strache führt. Und das was damals möglich war, nämlich eine kleine und „bürgerliche“ Koalition, sei heute mit „dieser FPÖ“ schon gar nicht mehr denkbar. Und implizierst dabei unausgesprochen, dass dies so sei, weil sie nicht mehr über so kluge Köpfe verfüge, wie Du es warst.

Oh Susanne Riess-Passer: Es ist schon richtig, dass Du im Kreise von Jörg Haiders „Buberl-Partie“ angenehm auffielst. Zum einen, weil Du kein solches bist, zum anderen weil Du verglichen etwa mit Gernot Rumpold durchaus kultiviert, bzw. verglichen etwa mit Walter Maischberger durchaus gebildet warst. Aber vergessen wollen wir doch nicht, dass Du geschäftsführende Bundesparteiobfrau zur ganz persönlichen Entlastung des Bärentalers und dann Vizekanzlerin und Parteiobfrau eben ausdrücklich als enge Vertraute desselben wurdest. „Geführt“ hast Du die Partei deshalb längst nicht, eigenes politisches Gewicht, eigene Wahlerfolge, Hausmacht oder dergleichen waren es auch nicht, die Dich in diese Spitzenpositionen gebracht haben. Nur Haiders Wohlwollen.

Natürlich ist es heute nicht mehr Deine Partei, diese wiedererstarkte Oppositions-FPÖ. In dieser gibt es nämlich keine Generalvollmacht für den Parteichef und keine Partei-Kreditkarte, mit der sich dieser eine Stöckelschuh-Sammlung anlegen kann. Da hat sich denn doch einiges geändert.

Indem Du heute – in Doppelconférence mit Wolfgang Schüssel – erklärst, Politik interessiere Dich nicht mehr, Du wollest nur beweisen, dass Du auch in der Privatwirtschaft Deinen Mann – pardon Deine Frau – stehen kannst, manifestieren sich damit auch einige Erinnerungslücken: Die Vorstandsetage eines Bauspar-Konzerns hat sich Dir ja nicht eröffnet aufgrund Deines überreichen Erfahrungsschatzes als Banker. Nein, Du wurdest politisch versorgt, liebe Susanne, nach Deinem Abgang nach den Ereignissen von Knittelfeld im Jahre 2002, aufgrund derer die Volkspartei und Dein Nach-wie-vor-Freund Wolfgang Schüssel einen triumphalen Wahlsieg einfuhren. Versorgt dafür, dass Du die FPÖ im Stich ließest. Dem verdankst Du Deine privatwirtschaftliche Karriere und die Geschichten von der Entschuldung Deines insolventen Gatten und dessen Beratervertrag im Umfeld eines austro-kanadischen Industriemagnaten und die ganzen wenig appetitlichen Details der Abfangjäger-Beschaffung, alles das wollen wir gar nicht aufwärmen. Nur, von privatwirtschaftlicher Tüchtigkeit in diesem Zusammenhang zu sprechen, ist nun doch ein wenig keck.

Wie auch immer: Wir nehmen zur Kenntnis, dass die FPÖ heute nicht mehr Deine Partei ist. Ob freiheitliche Weltanschauung, nationale Gesinnung, liberale Haltung und Freisinn für Dich heute noch Werte sind, darüber verschweigst Du Dich. Aber das hat man Dich ja auch bereits damals, vor zehn Jahren nicht gefragt, als Du als zweite FPÖ-Vertreterin nach Norbert Steger in die höchsten Regierungsämter dieser Zweiten Republik aufstiegst.

5 Responses to Oh Susanne!

  1. mrs.poppins sagt:

    Sehr geehrter Herr Mölzer,
    herzlichen Dank für Ihren so treffenden Kommentar.
    Denn Frau Riess-Passer hat sich wirklich immer nur ins gemachte Nest gesetzt – Eigeninitiative war oder besser gesagt ist wohl nicht gerade eine ihrer herausragendsten Eigenschaften. Außerdem darf ich sagen, dass ich bezweifle, ob die Werte der FPÖ jemals überhaupt die ihren waren…

  2. O. S. Wald sagt:

    Herr Mölzer,
    besser kann man die blaue „Königskobra“ außer Dienst nicht beschreiben. Aber Riess-Passer sollte auch der Strache-FPÖ als warnendes Beispiel dienen. Denn ihre Abkehr (?) von der freiheitlichen Gesinnungegemeinschaft verdeutlicht, was passiert, wenn ideologische Flachwurzler Spitzenpositionen einnehmen.

  3. Caro44 sagt:

    Herr Mölzer,
    in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen recht herzlich zu dem tollen Interview im Standard gratulieren. Weiters bleibt mir nur noch, mich meinem Vorposter anzuschließen! Leider heißt es immer wieder, auch in den eigenen Reihen aufzupassen.

  4. GM sagt:

    Lieber herr Mölzer!

    So etwas nennt man eine punktgenaue landung!
    Mehr ist dazu auch nicht zu sagen!
    Meint ihr,
    GM

  5. markus gstättner sagt:

    Was Susanne Rieß-Passer von ihrer zweijährigen Tätigkeit als Vizekanzlerin mitnehmen konnte, war sicherlich nicht nur Erfahrungen aus der Spitzenpolitik dieses Landes.
    Sie hat gelernt wie man eiskalt die „JEDER IST SICH SELBST DER NÄCHSTE“ – Philosophie auslebt.
    Sie hat nicht nur ihre Ideologie zurückgelassen wie ein gebrauchtes Kondom, sondern hat ganz nebenbei auch noch ihre Kameraden verraten.
    Ich kann mir kaum vorstellen, dass man Dinge wie Verrat, Opportunismus und Wankelmütigkeit, in der Freiheitlichen Partei lernt.
    Aber vielleicht leitet das Fräulein Passer in Zukunft Seminare wie „Ich und meine gespaltene Zunge“, oder „Verraten – Richtig gemacht“.

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