Von Kriegsherren und Friedensengeln

In archaischen Gesellschaften pflegen Volksführer und starke Männer jedweder Art mit Macho-Gehabe aufzutreten, in Uniform oder zumindest schwer bewaffnet. Die Warlords in Afghanistan etwa, die Drogenbarone in Lateinamerika, Guerilla-Führer im lateinamerikanischen Urwald, Aufständische in Zentralafrika, Söldnerführer in allen Krisengebieten dieser Welt, sie repräsentieren diesen Typus. Mit Sonnenbrille und Havanna-Zigarre, allenfalls mit Barett und Tarnanzug, die Uzzi oder Glock im Halfter, Kriegsherren eben.

In dekadenten Gesellschaften wie bei uns im ach so demokratischen und aufgeklärten Europa oder auch in Nordamerika geben sich die Mächtigen politisch korrekt als Friedensengel: immer im Zivil, zumeist überaus leger, im Freizeitlook stets für Verständigung und Ausgleich plädierend, immer die nächste Abrüstungskonferenz im Auge und unermüdlich für den Weltfrieden kämpfend. Und wenn es sich dann noch um Charismatiker handelt, dann haben sie natürlich die ganz großen Visionen, einer völlig anderen, völlig friedfertigen, völlig humanitären Welt. So auch Barack Obama, der relativ frischgebackene US-Präsident, dessen Großtaten sich bislang auf drei, vier größere Reden bei seinem Amtsantritt in Kairo und auch in Europa beschränken.

Bereits diese Großtaten reichten allerdings, um den ersten afro-amerikanischen Präsidenten den bisherigen Friedensnobelpreis zu bescheren. Nun spricht es für ihn, dass er selbst meinte, er verdiene diesen Preis nicht und es spricht auch für die norwegische Nobel-Kommission, dass sie erklärte, er würde nicht für seine Taten, sondern für die Hoffnungen, die er in den Menschen geweckt habe, gewürdigt. Grotesk ist das Ganze aber doch: Da wird demnächst wohl ein Physiker den Physik-Nobelpreis erhalten, weil er die Erfindung eines Perpetuum Mobiles ankündigt, oder ein Mediziner, der die Vision hat, eine Schluckimpfung gegen alle Krebsarten zu entwickeln und ein Analphabet, der davon träumt, den ultimativen Jahrhundert-Roman zu schreiben, für den Literaturnobelpreis.

Aber bitte. Nach den düsteren Jahren der Ära Bush, die weltweit von der Linke als Ära der neo-konservativen Kriegstreiberei gebrandmarkt wurde, ist mit Obama offenbar der Optimismus der Kennedy-Ära zurückgekehrt. Zwar hat er noch keinen einzigen Atomsprengkopf vernichtet, er sprach aber von der Vision einer atomwaffenfreien Welt. Zwar hat er die Truppen aus dem Irak nur nach Afghanistan verschoben und damit keineswegs diesen unseligen Krieg im Mittleren Osten beendet. Und natürlich gibt es die Willkür-Häftlinge und Guantanamo auch noch, aber, Obama hat schöne Worte gefunden und schöne Worte sind offenbar allemal einen Friedensnobelpreis wert.

Sollte Obama diesen Preis nur bekommen haben, weil er der erste afro-amerikanische Präsident ist und damit vor der Weltöffentlichkeit gestärkt werden müsste, wäre dies eigentlich blanker Rassismus.

Einen positiven Nebeneffekt hat diesen Preisverleihung aber auch für den Skeptiker: der so frisch preisgekrönte Friedensengel Barack, wird sich in nächster Zeit wohl schwer damit tun, einen Militärschlag gegen den Iran zu führen. Wenn man die scharfen Töne aus dem Pentagon und aus dem Weißen Haus gehört hat, die da in Hinblick auf Teheran geäußert wurden über die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen durch die Iraner in Hinblick auf deren Atomprogramm, dann muss man darüber froh sein, denn Kriegsdrohung war darin mehr oder weniger offen enthalten. Und nun mit dem Friedensnobelpreis Obamas wird sich die US-Luftwaffe auf den einsatzbereiten Flugzeugträgern im Persischen Golf wohl noch einige Jahre zurückhalten. Immerhin: Das haben die Juroren von Oslo bewirkt.

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