Nun hat man den Iren also die Zustimmung zum Vertrag von Lissabon also abgepresst, oder abgeschwindelt, wie immer man will. Es wurde dem irischen Volk ja signalisiert, dass es womöglich in der Wirtschaftskrise allein gelassen würde, wenn es nicht zustimmte und außerdem gäbe es ohnedies Sonderregelungen für Irland in Sachen Abtreibung, was den irischen Kommissar betrifft und weitere Bereiche. Dementsprechend massiv war die Zustimmung, dementsprechend der Jubel des politischen Establishments quer durch Europa.
Traurig aus demokratiepolitischer Sicht war bereits der Vorgang an sich: Da lässt man ein Volk so lange abstimmen, bis das vom Establishment gewünschte Ergebnis heraus kommt – sehr demokratisch. Traurig ist aber jetzt auch das Ergebnis: Wenn der polnische Staatspräsident Kaczynski nunmehr unterschreibt, wenn Václav Klaus im Prager Hradschin auch seine Zustimmung gibt, dann tritt dieser Vertrag womöglich wirklich in Kraft. Und die britischen Unterhauswahlen mit dem Sieg der Konservativen und deren Androhung, die englische Ratifizierungsurkunde doch noch zurück zu nehmen und auch in England eine Volksabstimmung durchzuführen, könnten zu spät kommen.
Die Bejubelung, dass dann alles besser würde, wenn der Lissabonner Vertrag in Kraft wäre, wird sich bald als völlig grundlos herausstellen: Ja, das EU-Parlament hat angeblich wesentlich mehr Mitspracherechte, nämlich bei allen gesetzlichen Regelungen bis hin zur Landwirtschaft. Was ist denn das für eine Mitbestimmung in einem Parlament, in dem alles von den mächtigen Gruppen im Hintergrund und von den Regierungen der großen Mitgliedsstaaten ausgepackelt wird, in dem die Abgeordneten sich in den meisten Fällen eine Minute ausschließlich fürs Protokoll zu Wort melden dürfen? Ein demokratiepolitisches Potemkinsches Dorf, eine Fassade, sonst nichts.
Und ein Bürgerbegehren wird es geben, wenn so mir nichts dir nichts eine Million Menschen unterschreiben und endlich einen EU-Außenminister, der nicht so heißt und einen EU-Ratspräsidenten, den dann die Regenbogenpresse zum Gegenstück des US-Präsidenten machen darf. Wie schön – und wie unergiebig.
Was wirklich kommen wird ist ein weiterer Zentralisierungsschub, ein weiterer Bürokratisierungsschub und stärkeres und unverschämteres Lobbying der multinationalen Konzerne. Ja und die Mächtigen werden sich leichter tun beim Durchsetzen ihrer Interessen, beim Regieren eben. Es wird kein Veto mehr geben, kleine Mitgliedsstaaten haben nichts mehr zu reden, irgendwelche Volksabstimmungen, in irgendwelchen unwichtigen EU-Mitgliedsländern sind nicht mehr möglich – alles paletti eben, für die Mächtigen, nicht für die Bürger Europas.
Damit sind wir jenem Europa einen Schritt näher, das offenbar gewisse Kräfte im Hintergrund wollen: ein Europa, in dem die Völker sich in einer kulturell undefinierbaren Masse auflösen, in dem die Bürger durch Scheindemokratie und Medienmanipulation entmündigt werden, in dem Wirtschaftsinteressen schrankenlos durchgesetzt werden und in dem eine zentralistische Bürokratie herrscht.
Doch zum Kampf gibt es eben keine Alternative. Dieser Kampf um Veränderung, Novellierung, Reformierung des Vertrags von Lissabon, schlicht um seine Überwindung eben, beginnt mit dem Tag, in dem er in Kraft tritt. Deshalb werden die Freiheitlichen in Österreich genau an diesem Tag auch eine Verfassungsklage einbringen. Ob sie nützt, weiß man nicht. Ob der Kampf um ein anderes Europa, ein Europa der Völker, der Bürger, der differenzierten Kulturen und der verschiedenen Muttersprachen doch noch gewonnen werden kann, ist ebenso ungewiss. Dass man diesen Kampf führen muss allerdings ist sicher, so oder so.
Wie ich schon in meinem Kommentar zum vorigen Artikel geschrieben habe, denke ich, dass die Lissabon-Befürworter durchaus mit einigen Dingen recht haben.
Erstens könnte kein Vertrag der Welt angenommen werden, wenn es in jedem Land eine Abstimmung gäbe. Das ist aber ein systeminhärentes Problem in Staatenbunden wie der EU.
Ein weiteres ist die Effizienz. Einerseits ist ein Veto durchaus sinnvoll, andererseits ist die EU mit ihren 27 Mitgliedern, die auch stark unterschiedliche Interessen haben, leicht blockierbar. Das ist übrigens auch ein weiterer Grund zur Ablehnung des Türkei-Beitritts. Erstens würde sie bis dahin vermutlich das Land mit der größten Bevölkerung sein, hat aber auch sehr unterschiedliche Interessen als der Rest der EU. Die Lsysteminhärentes
Wie ich schon in meinem Kommentar zum vorigen Artikel geschrieben habe, denke ich, dass die Lissabon-Befürworter durchaus mit einigen Dingen recht haben.
Erstens könnte kein Vertrag der Welt angenommen werden, wenn es in jedem Land eine Abstimmung gäbe. Das ist aber ein systeminhärentes Problem in Staatenbunden wie der EU.
Ein weiteres ist die Effizienz. Einerseits ist ein Veto durchaus sinnvoll, andererseits ist die EU mit ihren 27 Mitgliedern, die auch stark unterschiedliche Interessen haben, leicht blockierbar. Das ist übrigens auch ein weiterer Grund zur Ablehnung des Türkei-Beitritts. Erstens würde sie bis dahin vermutlich das Land mit der größten Bevölkerung sein, hat aber auch sehr unterschiedliche Interessen als der Rest der EU. Damit wäre sie vermutlich endgültig blockiert. In der Praxis wurde das Veto, so weit ich weiß, ohnehin nur selten verwendet.
Wenn man die Interessen der Rechten (also z.B. Zuwanderungsstopp) nimmt, so sind diese in der EU ohnehin irrelevant – egal, ob jetzt der Vertrag von Lissabon oder der von Nizza in Kraft ist. Und ich denke, dass die Zuwanderungsfrage ungleich wichtiger ist als andere Themen. Ob es in der EU 2009 ein Glühbirnenverbot (oder in Österreich Studiengebühren) gab, wird 2050 niemanden interessieren. Aber wenn die Zuwanderung so weitergeht, wird Europa 2050 etwas anderes sein als heute, etwas was keiner wollen kann.
Daran kann nur eine Erstarkung der Rechten (vielleicht) etwas ändern, der Vertrag von Nizza oder Lissabon aber sicher nicht.
Ich fürchte, nach der Volksabstimmung in Irland ist der Lissabon-Zug in Richtung EU-Superstaat abgefahren. Lech Kaczynski wird bald unterschrieben, und irgendwann wird auch Vaclav Klaus dem Druck aus Brüssel, der in den nächsten Wochen gewaltig zunehmen wird, nicht mehr standhalten können. Denn die EU wird mit den Tschechen das tun, was sie mit ihnen wegen der unsäglichen Benes-Dekrete schon längst hätte tun müssen, nämlich in die Schmuddelecke stellen.
Eine andere Frage ist freilich, was Cameron nach dem zu erwartenden Wahlsieg der Tories im kommenden Frühjahr machen wird, wenn der Vertrag von Lissabon dann schon in Kraft sein sollte. Weil die Ratifizierung dann nicht mehr rückgängig zu machen wäre, bliebe nur noch der Austritt aus der EU. Und bei einer Volksabstimmung über den Austritt aus der EU wäre die Mehrheit der Briten gewiß dafür.
Ein Austritt Großbritanniens aus der EU wäre jedenfalls keine Tragödie. Denn in diesem Fall verlören die USA ihren Fuß in der EU – Polen, Tschechen, Balten kann diesbezüglich bestenfalls als Zehen bezeichnen – und Europa wäre in der Lage, eine von Washington unabhängigere Außenpolitik zu betreiben.
PS: Das Bürgerbegehren könnte man ja zumindest verwenden, um nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrag europaweit Unterschriften für einen Zuwanderungsstopp für Einwanderer aus nicht-europäischen Länder zu verlangen…